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Historische Gebäudeansicht des "Fleischerschlösschens" an der Ismaninger Straße in München

Reichsfinanzhof – Bundesfinanzhof: Steuerrechtsprechung in Deutschland seit 1918

Die Geschichte des Obersten Gerichtshofs für Steuern und Zölle beginnt im Kaiserreich. 1918 wird der Reichsfinanzhof errichtet, 1950 der Bundesfinanzhof.

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Seit 1950 steht der Bundesfinanzhof als letzte Gerichtsinstanz an der Spitze der Finanzgerichtsbarkeit.

Die Aufgaben des obersten deutschen Steuergerichts sind seit über 100 Jahren dieselben: Als letzte Gerichtsinstanz die Steuergesetze auszulegen, für deren einheitliche Anwendung im ganzen Land zu sorgen, die Tätigkeit der Finanzverwaltung gerichtlich zu kontrollieren und dadurch die Rechte der Bürgerinnen und Bürger im Bereich der Besteuerung zu schützen. Seit 1950 steht der Bundesfinanzhof als letzte Gerichtsinstanz an der Spitze der Finanzgerichtsbarkeit.

Die Zeit
vor 1918

500 Jahre Steuerrechtsprechung vom Reichskammergericht Ende des 15. Jahrhunderts bis zum Bundesfinanzhof heute

Erste Schritte zu einer eigenständigen Steuergerichtsbarkeit

Johann Jakob Dorner der Jüngere (1775–1852): "Blick auf Bogenhausen" von 1806

Bereits seit Ende des 15. Jahrhunderts hatte das Reichskammergericht die Kompetenz zur Schlichtung von Finanzstreitigkeiten über die erste allgemeine Reichssteuer. Nach Auflösung des alten Reichs im Jahre 1806 kam es im Zuge der konstitutionellen Veränderungen allmählich zur getrennten Entwicklung der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Dies führte in den meisten Ländern zur grundsätzlichen Steuerkompetenz der Verwaltungsgerichte. Auch wurde seitdem eine Verselbständigung der Finanzgerichtsbarkeit angestrebt.

Wussten Sie schon, dass...

... in der Mitte des 19. Jahrhunderts der Gedanke einer eigenständigen Steuergerichtsbarkeit erstmals in Baden gesetzlich verwirklicht wurde?

1918
– 1933

Gründung und Ausbau des Reichsfinanzhofs

Die Geschichte des höchsten deutschen Finanzgerichts beginnt 1918 in München.

Historische Gebäudeansicht des "Fleischerschlösschens" an der Ismaninger Straße in München

Der neu gegründete Reichsfinanzhof erhält den vollen Status eines unabhängigen Gerichts. Er wird in jeder Hinsicht dem Reichsgericht gleichgestellt. Seine Mitglieder unterliegen in persönlicher und fachlicher Hinsicht keinen Weisungen (richterliche Unabhängigkeit).

Mit Wirkung vom 01.10.1918 wurden dem Reichsfinanzhof nicht nur die letztinstanzliche Entscheidung über Umsatzsteuersachen, sondern auch über andere Reichsabgaben, so den Wehrbeitrag, die Besitzsteuern, die Kriegsabgaben, die Erbschaftsteuer, die Verkehrsteuern und die Kohlensteuer, übertragen. Dagegen unterlagen die Zölle und Verbrauchsabgaben noch nicht der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs.

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Porträt des Ersten Präsidenten des Reichsfinanzhofs, des Wirklichen Geheimen Rats Exzellenz Gustav Jahn

Erster Präsident des Reichsfinanzhofs Gustav Jahn Abschiedsrede, 31.12.1930

„Meine Herren, wenn ich zurückblicke auf die 12 Jahre, in denen der Reichsfinanzhof tätig geworden ist, so kann ich wohl sagen, daß mich ein Gefühl des Stolzes und der Befriedigung erfüllt; denn der Reichsfinanzhof hat in dieser Zeit eine angesehene Stellung sich erworben und hohe Anerkennung in allen Kreisen gefunden.”

Wussten Sie schon, dass...

... Begriffe des heutigen Steuerrechts wie "Betriebsausgaben" oder "Entgelt" auf die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs in der Zeit von 1918 bis 1933 zurückgehen?

1933
– 1945

Steuerrechtsprechung im Nationalsozialismus

Der Reichsfinanzhof verliert seine Stellung als unabhängiger Gerichtshof.

1933 Front des heutigen Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig mit Banner der Nationalsozialisten mit der Aufschrift "Durch Nationalsozialismus dem deutschen Volk das deutsche Recht"

Das Reichsfinanzministerium hat während der NS-Zeit die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs maßgeblich im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie beeinflusst und das Gericht wie eine weisungsabhängige Unterabteilung behandelt.

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Porträt des Staatssekretärs des Reichsfinanzministeriums Fritz Reinhardt

Staatssekretär im Reichfinanzministerium Fritz Reinhardt Rede zur Amtseinführung des Präsidenten Ludwig Mirre, 13.04.1935

„Aus meinen Ausführungen ... ergibt sich zusammenfassend, daß im nationalsozialistischen Staat der Reichsfinanzhof der Gehilfe des Reichministers der Finanzen bei der Auslegung der Steuergesetze und bei der Entwicklung des Steuerrechts nach den Grundsätzen der nationalsozialistischen Weltanschauung zu sein hat.”

Wussten Sie schon, dass...

... Steuergesetze im sogenannten Dritten Reich ohne Beteiligung des Parlaments von der Regierung erlassen wurden?

1945
– 1950

Errichtung des Obersten Finanzgerichtshofs

Die Alliierten organisieren die Justiz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs neu.

Sitzungssaal in historischem Stil

Nach der deutschen Kapitulation stellte der Reichsfinanzhof seine Tätigkeit ein. Die Alliierten organisierten die Justiz in ihren jeweiligen Zonen dezentral neu. Sie erlaubten im Juli 1945 die Gründung des Obersten Finanzgerichtshofs. Dieser war zunächst nur für den Freistaat Bayern und die amerikanische Zone zuständig. Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Mai 1949 wurde im Grundgesetz bestimmt, dass für die Finanzgerichtsbarkeit ein Oberster Gerichtshof des Bundes errichtet wird.

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Urkunde zur Ernennung zum Präsidenten des Obersten Finanzgerichtshofs Dr. Heinrich Schmittmann durch die amerikanische Militärregierung, 25. Juli 1945

Urkunde zur Ernennung des Präsidenten des Obersten Finanzgerichtshofs, 25.07.1945

„Ihre Pflicht ist es, alle Personen, die aktiv in der nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei tätig gewesen sind, aus dem Amte zu entfernen und nicht wieder zu verwenden. Sie haben innerhalb ihres Geschäftsbereiches alles auszumerzen, was eine Diskriminierung bezüglich Rasse, Glauben oder politischer Überzeugung bedeutet.”

Wussten Sie schon, dass …

... am 19.05.1948 das Bayerische Landesgesetz zur Wiederherstellung der Finanzgerichtsbarkeit eine entscheidende Grundlage war, um eine unabhängige Steuerrechtsprechung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zu ermöglichen?

"§5 (1) Über die Rechtsbeschwerde entscheidet der Oberste Finanzgerichtshof in München. (2) Für ihn gelten die Bestimmungen der §§ 52 bis 66 der Reichsabgabenordnung entsprechend, insbesondere mit der Maßgabe, daß der Präsident und die Mitglieder durch den Bayerischen Ministerpräsidenten ernannt werden."

1950
– heute

Errichtung des Bundesfinanzhofs

Seit 1950 ist der Bundesfinanzhof Deutschlands höchste Gerichtsinstanz zur Klärung von Steuer- und Zollrechtsfragen.

Portal des Bundesfinanzhofs mit wehender Deutschland-Fahne vor blau-weißem Himmel

Das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz bestimmt, dass die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind. Das gilt auch für die Mitglieder des 1950 errichteten Bundesfinanzhofs.

Die Richterinnen und Richter kontrollieren die Tätigkeit der Finanzbehörden und gewährleisten damit den Rechtsschutz der Steuerpflichtigen. Als letzte Gerichtsinstanz kommt dem Bundesfinanzhof die Aufgabe zu, die Steuergesetze auszulegen und für ihre einheitliche Anwendung im ganzen Bundesgebiet zu sorgen.

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Porträt des Bundesfinanzministers (1949–1957) Friedrich Schäffer

Bundesfinanzminister Friedrich Schäffer Rede zur Errichtung des Bundesfinanzhofs, 21.10.1950

„Im Gegensatz zu früher ist der neue BFH nicht Gehilfe der Bundesfinanzverwaltung; er soll der unabhängige Hüter des Rechtsgedankens auf dem Gebiet der Abgaben sein [...].”

Wussten Sie schon, dass...

... der Bundesfinanzhof als Erster der fünf im Grundgesetz genannten Obersten Gerichtshöfe des Bundes bereits im Juni 1950 errichtet wurde?