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Beschluss vom 24. Februar 2010, III B 13/09

Keine Bindung an geltend gemachte Divergenz bei Verfahrensfehler - Unbedingte Klageerhebung

BFH III. Senat

FGO § 64 Abs 1, FGO § 66, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 116 Abs 3 S 3

vorgehend FG München, 09. December 2008, Az: 9 K 3337/07

Leitsätze

1. NV: Es besteht keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz, wenn der dargestellte Sachverhalt das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ergibt.

2. NV: Eine Klage muss jedenfalls im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit unbedingt sein.

Tatbestand

  1. I. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) wies den Einspruch des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch Einspruchsentscheidung vom 21. Juni 2007 als unbegründet zurück. Mit an die Familienkasse gerichtetem Faxschreiben vom 23. Juli 2007 beantragte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten die Änderung der Einspruchsentscheidung dahingehend, dass die Kindergeldfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. insoweit vorläufig ergeht; er bat, "falls aus zeitlichen Gründen eine Änderung gem. § 174 AO nicht mehr durchgeführt werden kann, … dieses Schreiben als Klage gegen die Einspruchsentscheidung zu werten". Die Familienkasse leitete das Schriftstück am 20. September 2007 dem Finanzgericht (FG) zu, das die Klage abwies.

  2. Das FG entschied, es sei keine wirksame Klage erhoben worden. Sie habe unter einer außerprozessualen Bedingung gestanden, weshalb der erforderliche unbedingte Wille zur Klageerhebung gefehlt habe.

  3. Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). In den vom FG zitierten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. Juni 1982 VII B 115/81 (BFHE 136, 70, BStBl II 1982, 603), vom 16. Juli 1992 VIII B 118/91 (BFH/NV 1993, 40) und vom 18. Januar 1994 IX B 126/93 (BFH/NV 1994, 871) sei die Klageerhebung immer von zukünftigen, unbestimmten Ereignissen abhängig gewesen. Würden jedoch Einwendungen gegen die Einspruchsentscheidung mit dem Zusatz vorgebracht, das Schreiben solle als Klage gelten, wenn die Behörde nicht innerhalb der Klagefrist antragsgemäß entscheide, liege keine unzulässige außerprozessuale Bedingung vor (Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 65 FGO Rz 4; Urteil des FG Düsseldorf vom 11. Dezember 1973 X 271/70 E, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 1974, 320). Die aus vorstehender Rechtsprechung abzuleitenden Rechtsfolgen seien in der angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

  2. 1. Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Art und Weise dargelegt. Soll die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden, ist zu erläutern, dass das FG-Urteil von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweicht oder auf einem schwerwiegenden Fehler beruht, der unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und deshalb (objektiv) willkürlich erscheint (z.B. Senatsbeschluss vom 24. März 2009 III B 120/07, BFH/NV 2009, 1142, m.w.N.). Derartige Voraussetzungen hat der Kläger nicht dargelegt. Wenn er geltend macht, das FG habe aus vorhandener Rechtsprechung abzuleitende Rechtsfolgen nicht berücksichtigt und das Faxschreiben vom 23. Juli 2007 unzutreffend gewürdigt, wendet er sich vielmehr gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils; damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (z.B. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2002 IX B 124/02, BFH/NV 2003, 495, m.w.N.).

  3. 2. Es ist aber anerkannt, dass keine Bindung an den geltend gemachten Zulassungsgrund ‑‑hier der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung‑‑ besteht, wenn der mit der Nichtzulassungsbeschwerde dargestellte Sachverhalt das Vorliegen eines Verfahrensmangels ergibt (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 VII B 304/03, BFH/NV 2005, 1111, m.w.N.). So macht der Kläger mit der Beschwerde im Kern geltend, das FG habe zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden. Diese Rüge greift jedoch nicht.

  4. Soweit das bei der Familienkasse angebrachte Schreiben eine Klage enthielt, war diese ‑‑wie das FG zutreffend entschieden hat‑‑ mit einer unzulässigen, außerprozessualen Bedingung versehen. Der Kläger hatte zunächst beantragt, dass die Familienkasse unter Änderung der Einspruchsentscheidung das Kindergeld unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bzw. vorläufig festsetzt. Nur für den Fall, dass "aus zeitlichen Gründen eine Änderung … nicht mehr durchgeführt werden" könne, bat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, das Schreiben als Klage zu werten. Danach sollte die Wertung der Schrift als Klage von einer Entscheidung der Familienkasse über den außergerichtlichen, innerhalb der Klagefrist gestellten Antrag auf (schlichte) Änderung (vgl. § 172 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung) abhängen; eine solche Entscheidung ist aber weder vom FG festgestellt noch sonst aktenkundig. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten ist eindeutig. Ein unbedingter Wille zur Klageerhebung kann nicht unterstellt werden. Die Vorentscheidung steht auch im Einklang mit dem BFH-Urteil vom 24. September 1985 IX R 47/83 (BFHE 145, 299, BStBl II 1986, 268) und der Entscheidung in EFG 1974, 320. Anders als im Streitfall lag dort im Zeitpunkt der Klageerhebung (§§ 64 Abs. 1, 66 FGO) eine Klageschrift ohne eine außerprozessuale Bedingung vor bzw. war in diesem Zeitpunkt die außerprozessuale Bedingung aktenkundig bereits eingetreten.

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