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Beschluss vom 28. November 2011, III B 96/09

Beschlussberichtigung bei eindeutig unzutreffender Parteibezeichnung, nicht aber bei fehlerhafter Rechtsanwendung - Auslegung als Berichtigungsantrag - Keine Verfahrensunterbrechung durch gesetzlichen Beteiligtenwechsel

BFH III. Senat

FGO § 107, FGO § 108, BGB § 133, BGB § 157, FGO § 155, ZPO § 239 Abs 1

vorgehend BFH , 13. January 2011, Az: III B 96/09

Leitsätze

NV: Eine zu berichtigende ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO liegt vor, wenn der Beschluss über die Nichtzulassung der Revision als Beklagte eine nicht mehr existente Familienkasse benennt, deren Parteistellung inzwischen auf eine andere Familienkasse übergegangen ist .

Tatbestand

  1. I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legte gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 31. März 2009  1 K 233/08 Kg Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Die Beschwerde wurde mit Beschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beschluss trägt fälschlicherweise das Datum vom 14. Januar 2010.

  2. Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 beantragte der Kläger die Berichtigung des genannten Beschlusses, weil der Senat in seiner Begründung nicht darauf eingegangen sei, dass er, der Kläger, erstmals neue gewichtige Gesichtspunkte für eine erneute Überprüfung des höchstrichterlich geklärten Begriffs der Haushaltsaufnahme i.S. des § 32 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes angeführt habe, obwohl ein solcher Vortrag nach den eigenen Ausführungen des Senats Voraussetzung für eine erneute Überprüfung sei. Dies lasse nur den Schluss auf ein "offenkundiges Versehen" des Senats zu, das nach den sinngemäß anwendbaren §§ 107 bis 109 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen sei.

  3. Die in dem Beschluss als Beklagte und Beschwerdegegnerin aufgeführte X teilte daraufhin u.a. mit, dass sich die Y und die X bereits vor Ergehen des Beschlusses zur XY vereinigt haben.

Entscheidungsgründe

  1. II. 1. Der Senat legt das Schreiben des Klägers vom 22. Februar 2011 unter sinngemäßer Anwendung der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs als einen Berichtigungsantrag nach § 107 FGO, nicht (auch) als einen solchen nach § 108 FGO aus. Hierfür spricht bereits deutlich, dass der Kläger in seinem Schreiben u.a. die Begriffe "Beschlussberichtigungsantrag" und "offenkundiges Versehen" verwendet und damit auf den Norminhalt des § 107 FGO Bezug nimmt. Zudem ist der Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung zu beachten, nach dem dasjenige gewollt ist, das nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers entspricht (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 9. Dezember 2009 II R 52/07, BFH/NV 2010, 824). Ein Antrag auf Berichtigung des "Tatbestandes" des Senatsbeschlusses vom 14. Januar 2011 nach § 108 FGO wäre aber bereits wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Dezember 2006 II B 152/05, nicht amtlich veröffentlicht ‑‑juris‑‑). Vernünftigerweise ist daher allein von einem Antrag nach § 107 FGO auszugehen.

  2. 2. Der Beschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09 ist von Amts wegen nach § 107 FGO wegen unzutreffender Bezeichnung der beklagten Partei und falscher Datumsangabe zu berichtigen. Die vom Kläger beantragte Berichtigung ist hingegen abzulehnen.

  3. a) Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Die Vorschrift ist auch auf die Berichtigung von Beschlüssen anzuwenden. Als Berichtigungsgegenstand erfasst § 107 FGO alle Bestandteile des Urteils bzw. des Beschlusses (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Juli 2005 V B 84/02, BFH/NV 2005, 2218, m.w.N.). Eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit liegt nur vor, wenn es sich um ein Versehen handelt, durch das es, wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler, dazu kommt, dass das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt. Ziel der Berichtigung kann somit nur sein, den erklärten mit dem gewollten Inhalt des Urteils in Einklang zu bringen; wie bei der vergleichbaren Vorschrift des § 129 der Abgabenordnung schließt die ernstliche Möglichkeit eines Fehlers in der Sachverhaltsermittlung, Tatsachenwürdigung oder Rechtsanwendung die Berichtigung nach § 107 FGO aus (z.B. BFH-Beschluss vom 19. November 2003 I B 47/03, BFH/NV 2004, 515).

  4. b) Bei der falschen Bezeichnung des Datums im Rubrum des Beschlusses handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler.

  5. Eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 107 FGO ist auch eine eindeutig unzutreffende Parteibezeichnung. Diese liegt u.a. vor, wenn der Beschluss als Klägerin eine nicht mehr existente Person benennt, deren Parteistellung inzwischen auf eine andere Person bzw. mehrere andere Personen übergegangen ist (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juni 2007 II R 20/06, BFH/NV 2008, 4, m.w.N.). Gleiches muss dann gelten, wenn ‑‑wie im Streitfall‑‑ infolge der Vereinigung von zwei Krankenkassen an die Stelle der bisherigen Beklagten, der Familienkasse der X, nunmehr im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (vgl. dazu § 144 Abs. 4, § 146 Abs. 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch) die Familienkasse der XY getreten ist. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO ist durch den gesetzlichen Beteiligtenwechsel auf Seiten der Beklagten nicht eingetreten (vgl. Bergkemper in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 122 FGO Rz 13).

  6. c) Die vom Kläger beantragte Berichtigung des Beschlusses ist abzulehnen, weil er mit dem Vortrag, der Senat sei nicht auf die von ihm erstmals angeführten gewichtigen Gründe zur Überprüfung des Begriffs der Haushaltsaufnahme eingegangen, nicht das Vorliegen einer ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO, sondern im Kern eine fehlerhafte Rechtsanwendung rügt. Abgesehen davon hat sich der Senat in dem Beschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09 durchaus mit den vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkten beschäftigt, welche seiner Einschätzung nach eine erneute Überprüfung des Begriffs der Haushaltsaufnahme erforderlich gemacht hätten. So leitete der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage, ob eine Haushaltsaufnahme auch durch Einrichtung einer Außenstelle erfolgen könne, gerade aus dem Verfassungsrecht ab. Nach Auffassung des Senats erfolgte jedoch ‑‑wie der Seite 6 des Beschlusses (unter II.1.b) entnommen werden kann‑‑ keine hinreichend substantiierte inhaltliche Auseinandersetzung mit den genannten Verfassungsnormen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 6 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes).

  7. 3. Das Rubrum ist danach wie folgt zu ändern:

  8. Als Beklagte und Beschwerdegegnerin wird die XY ‑‑Familienkasse‑‑, vertreten durch …, aufgeführt. Als Beschlussdatum wird statt des "14. Januar 2010" der "14. Januar 2011" genannt.

  9. 4. Die Entscheidung ergeht kostenfrei (Senatsbeschluss vom 10. März 2008 III R 37/03, BFH/NV 2008, 1333, m.w.N.).

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