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Beschluss vom 16. September 2014, V S 23/13 (PKH)

Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) - Angaben in der Erklärung nach § 117 ZPO über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehegatten; persönliche Angelegenheit des Antragstellers im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB

BFH V. Senat

FGO § 142, ZPO § 114, ZPO § 117 Abs 2, ZPO § 117 Abs 3, ZPO § 117 Abs 4, ZPO § 118, BGB § 1360a, BGB § 1361 Abs 4, UStG § 2 Abs 2 Nr 2, UStG § 2 Abs 2 Nr 2

Leitsätze

1. NV: Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht, wenn der Antragsteller gegen einen Dritten Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses hat; dazu gehört auch die Leistung eines Prozesskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 BGB.

2. NV: Ein Rechtsstreit wegen Umsatzsteuer betrifft eine "persönliche Angelegenheit" des Antragstellers, wenn dieser als Einzelunternehmer sowie als alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer (Organträger) einer Organgesellschaft tätig ist.

Tatbestand

  1. I. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die vom Kläger, Revisionskläger und Antragsteller (Kläger) in den Streitjahren (1998 bis 2001) als Organträger geltend gemachten Vorsteuern zu Recht gekürzt hat.

  2. Der Kläger ist Einzelunternehmer. Sein Unternehmen umfasst die eigene gewerbliche Tätigkeit (Vermietung und Verpachtung wesentlicher Betriebsgrundlagen an die Betriebs-GmbH) sowie die gewerbliche Tätigkeit der Betriebs-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger ist. Seit 1996 liegen die Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft vor (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes ‑‑UStG‑‑).

  3. Am 28. Mai 2003 erließ das FA gegenüber dem Kläger eine Prüfungsanordnung, die auch die Umsatzsteuer der Streitjahre betraf. Nachdem der Prüfer im Sommer 2003 erfolglos um Vorlage der Prüfungsunterlagen gebeten hatte und die Prüfung auf Antrag des Klägers wiederholt verschoben wurde, beschloss die Gesellschafterversammlung der Betriebs-GmbH im August 2003 die Umfirmierung in C-GmbH und eine Sitzverlegung nach Z. In 2004 veräußerte diese das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen an die neu gegründete A-GmbH, die im Dezember in AB-GmbH umfirmierte.

  4. Noch vor Beginn der Außenprüfung teilte der Kläger dem Prüfer am 28. Juni 2004 mit, dass ihm die Vorlage der erbetenen Unterlagen inzwischen unmöglich geworden sei. Der Transporter mit den gesamten Buchungsunterlagen und der EDV-Anlage, auf der die Buchführung gespeichert war, seien am 23. Juni 2004 vom Betriebsgelände gestohlen worden.

  5. Die zwischen Januar 2006 und April 2007 durchgeführte Außenprüfung führte zur Kürzung der ‑‑nicht durch Belegzweitschriften nachgewiesenen‑‑ Vorsteuern um 40 %. Unter Bezugnahme auf den Bericht der Betriebsprüfung erließ das FA am 21. Juni 2007 die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide.

  6. Einspruch und Klage zum Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg. Das FG entschied, die Höhe der vom FA berücksichtigten Vorsteuern sei nicht zu beanstanden, da der Kläger die einzelnen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht dargelegt und hierfür Beweis angeboten habe.

  7. Mit der vom FG ‑‑im Hinblick auf die Frage des Umfangs des möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege‑‑ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts.

  8. Zur Durchführung des Revisionsverfahrens beantragt der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten.

  9. Nach der vorgelegten "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" bezog der Kläger neben Einnahmen aus einer Rente nur noch Einnahmen aus "Unterhalt von meiner getrennt lebenden Ehefrau" in Höhe von 700 €. Hinsichtlich der Einnahmen des Ehegatten hat der Kläger lediglich angegeben "sind mir nicht bekannt" und ergänzend u.a. ausgeführt: "... Die Rente geht auf das Konto meiner Frau, den Unterhalt und die Rente zahlt sie mir bar aus."

Entscheidungsgründe

  1. II. Der Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet.

  2. 1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, d.h. wenn für den Erfolgseintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, und wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint.

  3. Dem Antrag sind nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Erklärung der Partei über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; dabei muss sich der Antragsteller des gemäß § 117 Abs. 3 ZPO eingeführten Vordrucks bedienen (§ 117 Abs. 4 ZPO).

  4. 2. Im Streitfall hat der Kläger zwar seinem PKH-Gesuch eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt. Diese Erklärung ist jedoch in wesentlichen Punkten unvollständig, da Angaben über die Einkünfte und das Vermögen seiner ‑‑von ihm getrennt lebenden‑‑ Ehefrau vollständig fehlen. Obwohl er Unterhalt von seiner Ehefrau in Höhe von 700 € bezieht und diese somit offensichtlich über Einnahmen in einer Höhe verfügt, die eine Unterhaltszahlung an den Kläger ermöglichen, hat sich der Kläger insoweit mit der Behauptung begnügt "sind mir nicht bekannt".

  5. a) Die Bewilligung von PKH kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller gegen einen Dritten Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses hat. Die Geltendmachung eines solchen Anspruchs hat Vorrang vor der Gewährung von PKH (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81, juris). Ein solcher Anspruch ergibt sich aus der Leistung eines Prozesskostenvorschusses nach § 1360a Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ (BFH-Beschlüsse vom 18. Mai 2000 VIII B 3/00, BFH/NV 2000, 1357, und vom 8. Juni 1988 IV B 48/87, BFH/NV 1989, 722; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 142 Rz 81b). Danach hat ein Ehegatte, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines Rechtsstreits, der seine persönlichen Angelegenheiten betrifft, gegen den anderen Ehegatten bei entsprechender Leistungsfähigkeit einen Anspruch darauf, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht.

  6. b) Da der Kläger verheiratet ist, hätte er zumindest dartun und durch Vorlage aussagekräftiger Belege glaubhaft machen müssen, dass seine Ehefrau zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses gemäß § 1360a Abs. 4 BGB nicht in der Lage sei.

  7. aa) Der Rechtsstreit betrifft eine persönliche Angelegenheit des Klägers. Bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist eine "persönliche Angelegenheit" zu bejahen, wenn der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person des betreffenden Ehegatten hat (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30. Januar 1964 VII ZR 4/63, BGHZ 41, 104, 112). Dies ist bei einkommensteuerlichen Streitigkeiten regelmäßig zu bejahen, aber auch bei Streitfällen wegen Umsatzsteuer möglich (BFH-Beschlüsse vom 3. Juli 1984 VIII B 142/81, juris, und vom 9. August 1966 I S 12, 13/66, nicht veröffentlicht). Einen engen Bezug zur Person des Steuerpflichtigen hat der BFH jedenfalls dann bejaht, wenn der Steueranspruch im Wesentlichen auf den vom Steuerpflichtigen persönlich erbrachten (freiberuflichen oder gewerblichen) Leistungen beruht. Entscheidend für den persönlichen Charakter ist dabei, dass auch diese Steuer an den persönlichen Einsatz in der Person des Steuerpflichtigen anknüpft. Eine solche persönliche Leistung erbringe auch derjenige Gewerbetreibende, der einen Betrieb nicht allein, sondern als Mitunternehmer führe. Entsprechendes gelte auch für den Unternehmer i.S. von § 2 UStG (BFH-Beschluss in BFH/NV 1989, 722).

  8. bb) Im Streitfall war der Kläger als Einzelunternehmer tätig, sodass ein enger Bezug zu seiner Person vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass die Rückforderung der Vorsteuern die Organgesellschaft (Betriebs-GmbH) betrifft. Denn der Kläger war nicht nur deren Alleingesellschafter, sondern auch ihr alleiniger Geschäftsführer, sodass ihm deren Umsätze als Organträger zuzurechnen sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG).

  9. c) Einem Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegen die Ehefrau steht nicht entgegen, dass die Eheleute nach den Angaben des Klägers getrennt leben. Denn nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB ist § 1360a Abs. 4 BGB im Falle des Getrenntlebens entsprechend anzuwenden (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof vom 7. April 2014  10 C 12.195, juris). Im Falle einer Weigerung der Ehefrau muss diese auf Auskunft in Anspruch genommen werden.

  10. 3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO, § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes und des Kostenverzeichnisses der Anlage 1).

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