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Urteil vom 07. Juli 2015, I R 38/14

Besteuerung sog. Teilausgleichszahlungen an ehemalige Bedienstete des Europäischen Patentamtes (EPA) - Interne Besteuerung von Zahlungen der Europäischen Patentorganisation (EPO) - Verfassungsrechtliche Grenzen bei Fortbildung einer Vertragsgrundlage in den Formen des Völkerrechts - Keine Aushebelung von Völkervertragsrecht durch allgemeine Regeln des Völkerrechts - Rechtsweg

BFH I. Senat

GG Art 59 Abs 2, VorRImmProt Art 16 Abs 1, VorRImmProt Art 16 Abs 2, VtrRKonv Art 31, IntPatÜbkG , GG Art 20 Abs 3, GG Art 80 Abs 1, FGO § 33, VorRImmProt Art 23 Abs 1, VorRImmProt Art 14 Abs 1, AO § 2 Abs 1, EStG § 19, EStG VZ 2009 , VtrRKonv Art 5, VtrRKonv Art 26

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 18. December 2013, Az: 15 K 9035/11

Leitsätze

1. NV: Der gesetzlichen Bestimmung in Art. 16 Abs. 1 des Immunitätenprotokolls (PPI) ist kein Grundsatz des Inhalts zu entnehmen, dass immer dann, wenn Zahlungen (hier: sog. Teilausgleichszahlungen an ehemalige Bedienstete) einer internen Steuer der EPO unterlegen haben, es sich um "Gehälter und Bezüge" nach Art. 16 Abs. 1 PPI handelt, die in Deutschland als Ansässigkeitsstaat des ehemaligen Bediensteten von der Besteuerung freizustellen sind. Einem Beschluss des Verwaltungsrates der EPO über die Erhebung einer internen Steuer kommt dementsprechend auch keine Bindungswirkung zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechtes zu .

2. NV: Bei sog. Teilausgleichszahlungen an ehemalige Bedienstete des EPA, die neben dem regulären Ruhegehalt ausgezahlt werden, handelt es sich um "Renten und Ruhegehälter" i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI; diese unterliegen der Besteuerung in Deutschland als Ansässigkeitsstaat des ehemaligen Bediensteten .

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Dezember 2013  15 K 9035/11 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wohnte im Streitjahr 2009 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und bezog als ehemaliger Bediensteter des Europäischen Patentamts (EPA), dem Exekutivorgan der Europäischen Patentorganisation (EPO), ein Ruhegehalt. Nach der seit 1. Januar 2009 geltenden ‑‑vom Verwaltungsrat der EPO erlassenen‑‑ "Verordnung über die Zahlung einer Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge" erhält er als einer der vor diesem Datum in den Dienst des Amtes getretenen Empfänger von Versorgungsbezügen neben seinem Ruhegehalt eine als sog. Teilausgleichszahlung bezeichnete Zulage; diese dient dem Ausgleich der unterschiedlichen steuerlichen Belastung der ehemaligen Bediensteten in ihren Heimatstaaten.

  2. Nach der durch das EPA erteilten "Jahresmitteilung Teilausgleichszahlungen für das Steuerjahr 2009" hatte der Kläger im Streitjahr (2009) Teilausgleichszahlungen in Höhe von insgesamt brutto 5.719,15 € bzw. netto 5.391 € erhalten. Das EPA erteilte ihm zudem für das Streitjahr eine Bescheinigung, wonach die Teilausgleichszahlung gemäß Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (Immunitätenprotokoll ‑‑PPI‑‑, BGBl II 1976, 985) einer internen Steuer zugunsten der EPO unterlegen habe und deshalb von der staatlichen Einkommensteuer befreit sei.

  3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) legte neben dem Ruhegehalt auch die Teilausgleichszahlungen der Besteuerung zu Grunde und setzte entsprechend die Einkommensteuer für das Streitjahr fest. Er war der Auffassung, dass die Zahlungen untrennbar mit dem Bezug der Versorgungsbezüge verbunden und deshalb wie diese unter Art. 16 Abs. 2 PPI zu subsumieren seien und damit der Besteuerung in Deutschland unterlägen.

  4. Nachdem der Einspruch gegen den Steuerbescheid erfolglos geblieben war, machte der Kläger mit seiner dagegen gerichteten Klage im Wesentlichen geltend, dass es sich bei den Teilausgleichszahlungen um steuerfreie "Bezüge" i.S. von Art. 16 Abs. 1 PPI handele. Da Art. 16 PPI der Organisation die Steuerhoheit bezüglich der Gehälter und Bezüge ihrer Bediensteten einräume, unterliege auch die Bestimmung dessen, welche Einkünfte der Bediensteten als Gehälter und Bezüge i.S. des Art. 16 Abs. 1 PPI der internen Steuer unterfielen, alleine der Organisation. Art. 16 Abs. 1 PPI beinhalte den Grundsatz, dass Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der vom Verwaltungsrat festgelegten Bedingungen und Regeln nicht der nationalen Besteuerungsbefugnis unterlägen, soweit sie von der Organisation selbst besteuert würden.

  5. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 738 veröffentlichtem Urteil vom 19. Dezember 2013  15 K 9035/11 ab.

  6. Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß,
    das Urteil des FG sowie den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr in der Fassung der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die sog. Teilausgleichszahlung in Höhe von 5.391 € nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuert wird.

  7. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die im Streitjahr an den Kläger geleisteten Teilausgleichszahlungen in Höhe von 5.391 € als steuerpflichtige Rente und Ruhegehalt i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI anzusehen sind und der Besteuerung in Deutschland unterliegen.

  2. 1. Zwischen den Beteiligten ist nicht in Streit, dass das im Streitjahr von dem gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) unbeschränkt steuerpflichtigen Kläger bezogene (reguläre) Ruhegehalt als Rente und Ruhegehalt i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI der deutschen Besteuerung unterliegt; hierzu muss deshalb nicht näher ausgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Revision sind allerdings die neben dem (regulären) Ruhegehalt gezahlten Teilausgleichszahlungen ebenfalls als steuerpflichtige Rente und Ruhegehalt i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI und nicht als steuerfreie Gehälter und Bezüge i.S. des Art. 16 Abs. 1 PPI anzusehen. Das FA und ihm folgend die Vorinstanz haben diese Zahlungen daher zutreffend als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG 2009 erfasst.

  3. a) Gemäß Art. 16 Abs. 1 Satz 1 PPI sind u.a. die in Art. 14 PPI genannten Bediensteten des EPA für die von der Organisation gezahlten Gehälter und Bezüge nach Maßgabe der Bedingungen und Regeln, die der Verwaltungsrat innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens festlegt, zugunsten der Organisation steuerpflichtig. Von diesem Zeitpunkt an sind diese Gehälter und Bezüge von der staatlichen Einkommensteuer befreit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 PPI). Dadurch soll unter allen Umständen die ungehinderte Tätigkeit des EPA und die vollständige Unabhängigkeit der Personen, denen die Steuerbefreiung gewährt wird, gewährleistet werden (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 PPI). Gemäß Art. 16 Abs. 2 PPI ist Abs. 1 auf Renten und Ruhegehälter, die von der Organisation an ehemalige Bedienstete des EPA gezahlt werden, nicht anzuwenden. Das Besteuerungsrecht verbleibt insoweit beim Ansässigkeitsstaat des ehemaligen Bediensteten (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 3. August 1998, BStBl I 1998, 1042, Nr. 2).

  4. Nach Art. 8 und 164 Abs. 1 des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen ‑‑EPÜ‑‑) vom 5. Oktober 1973 (BGBl II 1976, 826) ist das Immunitätenprotokoll Bestandteil dieses Übereinkommens. Es ist durch Art. I Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über internationale Patentübereinkommen vom 21. Juni 1976 (BGBl II 1976, 649) unmittelbar innerstaatliches Recht geworden und am 7. Oktober 1977 in Kraft getreten (vgl. die Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Europäischen Patentübereinkommens vom 9. September 1977, BGBl II 1977, 792, und Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 10. März 1971  2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, BStBl II 1973, 431).

  5. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2008 CA/D 14/08 hat der Verwaltungsrat der EPO gestützt auf Art. 33 Abs. 2 lit. b und c EPÜ eine "Verordnung über die Zahlung einer Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge" (Teilausgleichsverordnung) zum 1. Januar 2009 erlassen. Art. 1 Teilausgleichsverordnung sieht vor, dass die Empfänger von Versorgungsbezügen nach der Versorgungsordnung für das EPA Anspruch auf einen pauschalen, teilweisen Ausgleich der nationalen Steuer haben, die in den Mitgliedstaaten der EPO auf diese Versorgungsbezüge nach den einzelstaatlichen steuerrechtlichen Vorschriften festgelegt wird. Der Ausgleichsbetrag nach Abzug der internen Steuer wird auf 50 v.H. des Betrages festgelegt, um den die Versorgungsbezüge des Betreffenden theoretisch angehoben werden müssten, damit nach Abzug der auf den Gesamtbetrag erhobenen einzelstaatlichen Steuer oder Steuern ein Betrag verbleibt, der dem nach der Versorgungsordnung gezahlten Betrag der Versorgungsbezüge entspricht. Zahlungen nach der Teilausgleichsverordnung werden auf Bedienstete beschränkt, die ihren Dienst beim EPA vor dem 1. Januar 2009 angetreten haben. Korrespondierend hierzu hatte der Verwaltungsrat der EPO bereits mit Beschluss vom 29. Juni 2007 CA/D 18/07 bestimmt, dass die bisherige nahezu wortgleiche Regelung zur "Anpassung der Versorgungsbezüge" in Art. 42 der Versorgungsordnung in der Fassung bis zum 31. Dezember 2008 (Versorgungsordnung a.F.) und die zugehörigen Durchführungsvorschriften keine Anwendung auf Bedienstete des EPA findet, die ihren Dienst ab dem 1. Januar 2009 aufnehmen. Dementsprechend wurde im Beschluss CA/D 14/08 weiter festgelegt, dass die Teilausgleichsverordnung die (bisherigen) Bestimmungen über die Steueranpassung in der Versorgungsordnung ersetzt und diese insoweit obsolet werden.

  6. Mit Beschluss des Verwaltungsrates der EPO vom 29. Juni 2007 CA/D 25/07 wurde zudem die Regel 42/6 der Durchführungsvorschriften zur Versorgungsordnung a.F. mit Wirkung zum 1. Januar 2009 gestrichen, wonach der "Anpassungsbetrag" nach Art. 42 der Versicherungsordnung a.F. von dem Staat zu finanzieren ist, in dem der Anspruchsberechtigte für den betreffenden Zeitraum einkommensteuerpflichtig ist. Dementsprechend ist auch die Teilausgleichszahlung nach der Teilausgleichsverordnung aus dem Haushalt der EPO zu finanzieren. Um die Haushaltsbelastungen hierdurch möglichst gering zu halten, wurde vom Verwaltungsrat der EPO mit Beschluss vom 9. Dezember 2008 CA/D 32/08 angeordnet, dass ab dem 1. Januar 2009 die Teilausgleichszahlungen der internen Steuer der EPO unterliegen. Art. 3 der "Verordnung über die interne Steuer zu Gunsten der europäischen Patentorganisation" (IntStVO) wurde dementsprechend dahingehend abgeändert, dass die Steuer auf die gesamten, vom EPA an die steuerpflichtigen Bediensteten gezahlten "Entgelte, Bezüge, Vergütungen, Zulagen und Beihilfen (einschließlich der Invaliditätszulage) und Teilausgleichszahlungen" erhoben wird.

  7. b) Die im Streitfall aufgrund von Art. 1 Teilausgleichsverordnung an den Kläger ausgezahlten Teilausgleichszahlungen sind ‑‑entgegen der Revision und damit entsprechend der vorinstanzlichen Entscheidung‑‑ als steuerpflichtige Rente und Ruhegehalt i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI und nicht als steuerfreie Gehälter und Bezüge i.S. von Art. 16 Abs. 1 PPI anzusehen.

  8. aa) Der Revision ist nicht darin zu folgen, dass die nationale Besteuerung bereits deshalb entfällt, weil der Verwaltungsrat der Patentorganisation die vom EPA an den Kläger gezahlten Teilausgleichszahlungen nach Art. 3 IntStVO der internen Besteuerung unterworfen hat.

  9. aaa) Art. 16 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PPI normieren zwar eine Wechselwirkung zwischen der Steuerpflicht zu Gunsten der Patentorganisation einerseits und der Befreiung von der deutschen Einkommensteuer andererseits, indem angeordnet wird, dass die Befreiung von der deutschen Einkommensteuer erst von dem Zeitpunkt an wirkt, ab dem die von der Organisation gezahlten Gehälter und Bezüge zu Gunsten der Patentorganisation steuerpflichtig sind. Erst durch die Begründung einer Steuerpflicht der Gehälter und Bezüge zu Gunsten des EPA werden diese damit von der staatlichen Einkommensteuer befreit. Der gesetzlichen Bestimmung in Art. 16 Abs. 1 PPI ist aber nicht zu entnehmen, dass immer dann, wenn die EPO Zahlungen einer internen Besteuerung unterworfen hat, eine Steuerbefreiung zu gewähren ist. Die Wechselwirkung in Art. 16 Abs. 1 Sätze 1 und 2 PPI geht nicht soweit, die interne Steuererhebung durch die EPO von den durch Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI festgelegten Grundlagen der Steuerpflicht zu lösen; mit der Steuererhebung selbst ist weder eine (nachfolgende) Steuerpflicht noch eine Steuerbefreiung determiniert. Auch wenn Art. 16 Abs. 1 Satz 1 PPI die Steuerpflicht der Gehälter und Bezüge an die "Bedingungen und Regeln, die der Verwaltungsrat ... festlegt", knüpft, folgt hieraus keine "Bindungswirkung" eines Verwaltungsratsbeschlusses über die Erhebung einer internen Steuer zu Lasten des nationalen Besteuerungsrechts. Die Regelungsbefugnis des Verwaltungsrates der Patentorganisation beurteilt sich weiterhin materiell nach dem Anwendungsbereich von Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI und damit danach, ob Gehälter und Bezüge vorliegen oder Pensionen und Ruhegehälter.

  10. bbb) Dem kann mit der Revision nicht entgegen gehalten werden, dass die Mitgliedstaaten der EPO durch ihre Mitwirkung an den entsprechenden Beschlüssen des Verwaltungsrates ein hiervon abweichendes Verständnis der Regelungen in Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI zum Ausdruck gebracht hätten, das als Vertragsänderung anzusehen sei und zwar dahingehend, dass dem Verwaltungsrat der Organisation mit der Zuständigkeit für die Konditionen und Modalitäten der internen Besteuerung zugunsten der Organisation auch die Befugnis eingeräumt worden sei, festzulegen, was als "Gehälter und Bezüge" bzw. als "Renten und Ruhegehälter" anzusehen sei (in diesem Sinne aber wohl Tribunal administratif du Grand-Duché de Luxembourg Urteile vom 28. Januar 2015 Az. 32389 und 32390 zur nationalen Besteuerung von Teilausgleichszahlungen). Der von der Revision angeführten Rechtsprechung des BVerfG ist zwar zu entnehmen, dass in der völkerrechtlichen Praxis fließende Übergänge zwischen Vertragsauslegung und Vertragsänderung bestehen und die Bundesregierung ermächtigt ist, in den Organen und Institutionen des (völkerrechtlichen) Vertrags an seiner Fortentwicklung auch ohne eine förmliche Vertragsänderung mitzuwirken (vgl. z.B. zur Atomwaffenstationierung BVerfG-Urteil vom 18. Dezember 1984  2 BvE 13/83, BVerfGE 68, 1, Rz 136 f.; zu den Auslandseinsätzen der Bundeswehr BVerfG-Urteil vom 12. Juli 1994  2 BvE 3/92, 2 BvE 5/93, 2 BvE 7/93, 2 BvE 8/93, BVerfGE 90, 286, Rz 270 ff., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG). Der Rechtsprechung des BVerfG ist aber weiter zu entnehmen, dass einer Konkretisierung und Fortbildung der Vertragsgrundlage in den Formen des Völkerrechts ohne weitere parlamentarische Beteiligung verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind (z.B. zum Tornado-Einsatz BVerfG-Urteil vom 3. Juli 2007  2 BvE 2/07, BVerfGE 118, 244, Rz 44). Mit der Zustimmung zu einem Vertragsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) wird von den Gesetzgebungskörperschaften der verfassungsrechtliche Rahmen des Vertrags festgelegt. Die Ermächtigung umfasst daher nicht wesentliche Überschreitungen und Änderungen des im Vertrag angelegten Integrationsprogramms (z.B. zum NATO-Strategiekonzept BVerfG-Urteil vom 22. November 2001  2 BvE 6/99, BVerfGE 104, 151, Rz 126). Der Senat geht im Streitfall davon aus, dass ein Entfallen der nationalen Besteuerung, sobald Zahlungen der internen Besteuerung der Patentorganisation unterlegen haben ‑‑unabhängig von dem Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des Art. 16 PPI‑‑, nicht mehr vom ursprünglichen Zustimmungsgesetz gedeckt ist und damit zu einem Überschreiten dieser verfassungsrechtlichen Grenze führen würde. Die von der Revision verfochtene Auslegung scheitert daran.

  11. ccc) Weiter kann auch ein durch die Beschlussfassung des Verwaltungsrates der EPO zum Ausdruck gebrachtes abweichendes Verständnis der Regelungen in Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI durch die Mitgliedstaaten der EPO, ohne dass dem eine Vertragsänderung zugrunde läge, der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Beschluss des Verwaltungsrates der Patentorganisation kann innerstaatliche Wirkungen für die rechtsanwendenden Organe, also vor allem die Rechtsprechung, nur nach Maßgabe der verfassungsrechtlichen Vorgaben des einzelnen Vertragsstaats entfalten. Dies setzt zumindest in Deutschland voraus, dass die Vereinbarung zunächst nach den Grundsätzen des einschlägigen Verfassungsrechts in einfaches Gesetzesrecht transformiert werden muss (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Andernfalls bleibt es bei der Letztverbindlichkeit des Vertrags in seiner in diesem Sinne in nationales Recht umgesetzten Fassung. Diese Fassung allein ist vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalts (Art. 20 Abs. 3 GG) für die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags maßgeblich. Aus innerstaatlicher Sicht handelt es sich bei den nicht transformierten Beschlüssen des Verwaltungsrates der EPO lediglich der Rechtsnatur nach um eine Verwaltungsvorschrift, die nicht auf einer ihrerseits demokratisch legitimierten Rechtsverordnung i.S. von Art. 80 Abs. 1 GG beruht und die deswegen nicht geeignet ist, positives Recht in verbindlicher Weise zu verändern. In Einklang mit diesen Vorgaben hat dies der Senat bereits zu zwischenstaatlichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie dem entgegenstehenden Verständigungsvereinbarungen der Vertragsstaaten entschieden (z.B. Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats). Diese Grundsätze sind auf den Streitfall übertragbar. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, davon abzurücken.

  12. In Einklang damit stehen die Grundsätze zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ‑‑WÜRV‑‑ (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757): Ein völkerrechtlicher Vertrag ist danach nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Außer dem bei der Auslegung zu berücksichtigenden und in Art. 31 Abs. 2 WÜRV näher beschriebenen systematischen "Zusammenhang" sind nach Art. 31 Abs. 3 WÜRV in gleicher Weise zu berücksichtigen: a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. So gesehen kann ein übereinstimmendes Vertragsverständnis und eine gemeinsame "Übung" der Mitgliedstaaten der EPO für eine Vertragsauslegung bedeutsam sein (zur Abkommensauslegung vgl. Senatsurteile in BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394, und in BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387), das aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Vertrags ableiten lassen (vgl. Senatsurteil vom 27. August 2008 I R 64/07, BFHE 222, 553, BStBl II 2009, 97). Auch diese Grundsätze erzwingen eine Regelungsauslegung also immer nur nach Maßgabe des Vertragswortlauts; dieser stellt in abschließender Weise die "Grenzmarke" für das "richtige" Vertragsverständnis dar.

  13. ddd) Auch der Grundsatz der prinzipiellen Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, auf den sich die Revision beruft, führt zu keiner anderen Auslegung der Bestimmungen im Streitfall. Der erkennende Senat geht zwar in seinem Vorlagebeschluss an das BVerfG zum sog. Treaty override (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2012 I R 66/09, BFHE 236, 304) davon aus, dass dem Gesetzgeber aufgrund dieses vorrangig zu beachtenden Grundsatzes die Verfügungsmacht über den Rechtsbestand genommen wird und unbeschadet dessen demokratisch-legitimierten Rechtssetzungsbefugnisse dieser Grundsatz als unmittelbar bindendes Gebot wie als materiell-rechtliche "Sperre" vom Gesetzgeber zu beachten ist. D.h. der Gesetzgeber darf Völkervertragsrecht nicht "beliebig" überschreiben. Dies streitet aber nicht für die Rechtsauffassung des Klägers, der aus dem Prinzip der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes im Ergebnis ableiten will, dass Völkervertragsrecht durch Beschlussfassung der Vertragsstaaten unabhängig vom ursprünglichen Wortlaut des Vertrags weiterentwickelt, der Vertrag damit quasi "auf Räder gesetzt" werden kann (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 90, 286), und ohne von Verfassungs wegen vorgesehener Transformation in innerstaatliches Recht eine Bindungswirkung dieser Vertragsänderungen eintritt.

  14. bb) Bei den Teilausgleichszahlungen nach Art. 1 Teilausgleichsverordnung handelt es sich um "Renten und Ruhegehälter" i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI.

  15. aaa) Völkerrechtliche Vereinbarungen und die darin enthaltenen Begriffe sind primär autonom nach Maßgabe völkerrechtlicher Grundsätze auszulegen (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2013 I R 4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791 unter Hinweis auf Gosch, Internationale Steuer-Rundschau 2013, 87; derselbe in Lüdicke, Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 42, 2013, S. 1 ff., jeweils m.w.N.). Ein völkerrechtlicher Vertrag ist danach nach den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 WÜRV nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seiner Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Im Vordergrund steht damit in erster Linie die authentische Interpretation eines im Vertrag verwendeten Begriffs durch den Vertrag selbst (so auch Internationaler Gerichtshof, Competence of the General Assembly for the Admission of a State to the United Nations, Advisory Opinion, 3. März 1950, ICJ Rep. 1950, 4, 8; zum Abkommensrecht etwa Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 1982, 87), d.h. maßgebend ist zunächst der Wortlaut der Regelung.

  16. bbb) Art. 16 Abs. 2 PPI sieht ausdrücklich vor, dass Abs. 1 der Norm nicht auf Renten und Ruhegehälter anzuwenden ist, die von der Organisation an "ehemalige Bedienstete" des EPA gezahlt werden. Art. 16 Abs. 1 PPI erfasst dagegen über den Verweis auf u.a. Art. 14 PPI "Bedienstete" des EPA. Hieraus kann jedoch ‑‑entgegen der Vorinstanz‑‑ nicht gefolgert werden, dass damit die gesetzlich bestimmte Grenzziehung zwischen der Steuerhoheit der EPO und dem Besteuerungsrecht der Wohnsitzstaaten an den Gruppen der Bediensteten, nämlich der Gruppe der aktiv Beschäftigten einerseits und der Gruppe der ehemaligen Bediensteten andererseits auszurichten ist. Denn dem Begriff der "Bediensteten" ist nicht zu entnehmen, dass es sich dabei um "aktive Bedienstete" handeln muss. Vielmehr sieht Art. 14 Buchst. a PPI ausdrücklich vor, dass Bedienstete auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Dienst weiterhin Immunität genießen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass der Begriff der "Bediensteten" im Sinne von "alle Bediensteten" zu verstehen ist (ähnlich bereits zur Anwendung von Art. 13 Abs. 2 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union [früher Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften] Brouerius van Nidek/Inspecteur der Registratie en Successie vom 3. Juli 1974 Rs. 7/74, EU:C:1974:73, Slg. 1974, 757). Etwas anderes kann auch dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. November 2006 X R 29/05 (BFHE 216, 124, BStBl II 2007, 402) nicht entnommen werden. Der X. Senat des BFH nimmt darin zwar Bezug auf Art. 16 Abs. 2 PPI und dem in der englischen Sprachfassung verwendeten Begriff der "former employees", der Entscheidung ist aber nicht zu entnehmen, dass in Abgrenzung hierzu der Begriff "employees" gleichzusetzen ist mit "aktiv Bediensteten".

  17. ccc) Die Abgrenzung zwischen Abs. 1 und 2 von Art. 16 PPI ist damit an der Art der Leistungen der EPO auszurichten. Entscheidend ist, ob die Teilausgleichszahlungen nach Art. 1 Teilausgleichsverordnung als Gehalt oder Bezug i.S. von Art. 16 Abs. 1 oder als Rente oder Ruhegehalt i.S. von Art. 16 Abs. 2 PPI anzusehen sind. Die Auslegung nach dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 und 2 PPI bleibt dabei unergiebig. Sowohl der Begriff der "Gehälter und Bezüge" als auch derjenige der "Renten und Ruhegehälter" ist gesetzlich nicht definiert. Es handelt sich um offene Typusbegriffe, denen ‑‑entgegen der Revision‑‑ weder aus dem Wortlaut noch aus dem systematischen Zusammenhang der beiden Absätze des Art. 16 PPI oder einer gewohnheitsrechtlich verfestigten "einheitlichen Staatenpraxis" ein Regel-Ausnahmeverhältnis entnommen werden kann. Entgegen der Auffassung des Klägers ist damit die Einordnung der streitgegenständlichen Zahlungen auch nicht allein an dem Begriff der "Renten und Ruhegehälter" festzumachen. Weitere Hinweise zur Auslegung sind den Regelungen des Immunitätenprotokolls zwar nicht zu entnehmen, es ist aber im Weiteren auf den Sinn und Zweck dieser Regelungen und ihren Regelungszusammenhang abzustellen. Dabei ist insbesondere auch die Versorgungsordnung der Organisation zu berücksichtigen; Art. 33 Abs. 2 Buchst. c EPÜ ermächtigt den Verwaltungsrat ausdrücklich zum Erlass und zur Änderung der Versorgungsordnung.

  18. Hierbei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass Art. 1 Teilausgleichsverordnung die Zahlungen (weiterhin) daran anknüpft, dass zum einen Versorgungsbezüge nach der Versorgungsordnung des EPA ausgezahlt werden und zum anderen auf diese Versorgungsbezüge von dem jeweiligen Mitgliedstaat der EPO eine nationale Steuer erhoben wird. Anders als nach der Rechtslage vor dem 1. Januar 2009 (Art. 42 Versorgungsordnung a.F.) sind die Teilausgleichszahlungen zwar nicht mehr in der Versorgungsordnung des EPA selbst geregelt, sondern in einem ‑‑so die Revision‑‑ "selbständigen, außerhalb der Versorgungsordnung erlassenen Regelwerk", an der engen Zweckbindung zu den Versorgungsbezügen selbst hat sich dadurch aber nichts geändert. Allein die verwendete Bezeichnung "Pauschale als Teilausgleich für die nationale Besteuerung der Versorgungsbezüge" gegenüber der bisherigen Bezeichnung in Art. 42 Versorgungsordnung a.F. "Anpassung der Versorgungsbezüge" verleiht den Zahlungen keine andere Zweckbestimmung. Eine inhaltliche Änderung der Vorschriften ist damit jedenfalls nicht verbunden und wird im Übrigen auch nicht vorgetragen. Hier wie dort sind die Zahlungen als quasi "unselbständiger Annex" zu den Versorgungsbezügen ausgestaltet. Sie teilen damit auch deren Zielrichtung, nämlich die Versorgung des ehemaligen Bediensteten sicherzustellen. Das zusätzliche Ziel der Zahlungen, ein weitgehend angenähertes Versorgungsniveau in den einzelnen Mitgliedstaaten sicherzustellen, verdrängt diesen offensichtlichen Zusammenhang nicht in den Hintergrund. Sie sind im Übrigen auch, was den Umfang der Zahlungen angeht, identisch mit der alten Regelung in Art. 42 Versorgungsordnung a.F.

  19. Diese Auslegung wird letztlich auch bestätigt durch Art. 19 Abs. 1 PPI. Danach sind die im Protokoll vorgesehenen Vorrechte und Immunitäten ‑‑im Streitfall die Steuerfreiheit der "Gehälter und Bezüge" nach Art. 16 Abs. 1 PPI‑‑ nicht dazu bestimmt, den Bediensteten des EPA oder den Sachverständigen, die für die Organisation oder in deren Auftrag tätig sind, persönliche Vorteile zu verschaffen. Sie sind lediglich zu dem Zweck vorgesehen, unter allen Umständen die ungehinderte Tätigkeit der Organisation und die vollständige Unabhängigkeit der Personen, denen sie gewährt werden, zu gewährleisten. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, entfällt mit dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst des EPA diese Bestimmung, da keine Aufgabenwahrnehmung mehr erfolgen kann und darf. Entsprechend ist auch eine Steuerfreiheit der Versorgungsbezüge oder den damit untrennbar zusammenhängenden Teilausgleichszahlungen vor diesem Hintergrund nicht erforderlich.

  20. cc) Dieser Auslegung von Art. 16 PPI kann die Revision auch nicht den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Verbots missbräuchlichen Verhaltens bzw. des "venire contra factum proprium" (im Völkerrecht als "Estoppel-Prinzip" bezeichnet, vgl. hierzu bereits 1935 grundlegend Friede, Das Estoppel-Prinzip im Völkerrecht, ZAOERV 1935, 517) entgegenhalten. Die Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland haben zwar im Beschluss des Verwaltungsrates der EPO vom 29. Juni 2007 CA/D 25/07 die Regel 42/6 der Durchführungsvorschriften zur Versorgungsordnung mit Wirkung zum 1. Januar 2009 gestrichen, wonach der "Anpassungsbetrag" nach Art. 42 Versorgungsordnung a.F. von dem Staat zu finanzieren ist, in dem der Anspruchsberechtigte für den betreffenden Zeitraum einkommensteuerpflichtig ist und damit die finanziellen Lasten der Teilausgleichszahlungen auf die Patentorganisation verschoben. Entgegen der Revision ziehen sie daraus aber keinen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil. Der Vorteil ‑‑im Streitfall die Besteuerung der Teilausgleichszahlungen nach nationalem Recht‑‑ entspricht vielmehr der Regelung in Art. 16 Abs. 2 PPI, ein rechtsmissbräuchliches Handeln ist daher nicht feststellbar. Und es entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, dass allgemeine Regeln des Völkerrechts nicht Völkervertragsrecht auszuhebeln vermögen (vgl. zum Grundsatz "pacta sunt servanda" BVerfG-Entscheidung vom 9. Juni 1971  2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 "Milchpulver", unter Hinweis auf BVerfG-Urteil vom 26. März 1957  2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363) "Reichskonkordat"), dementsprechend vermittelt ein unterstelltes rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Vertragsstaates geltendem Recht keinen anderen inhaltlichen Bedeutungsgehalt.

  21. c) Der Revision kann auch nicht der Hinweis auf Art. 23 PPI zum Erfolg verhelfen. Zwar kann nach Art. 23 Abs. 1 PPI jeder Vertragsstaat eine Streitigkeit, die sich auf die Organisation oder einen Bediensteten bezieht, soweit u.a. der Bedienstete ein Vorrecht nach dem Protokoll in Anspruch genommen hat, einem internationalen Schiedsgericht unterbreiten. Art. 23 Abs. 1 PPI kann jedoch nicht entnommen werden, dass ein Vertragsstaat dazu verpflichtet wäre, immer vorrangig ein Schiedsgericht anzurufen. Die Revision verkennt, dass es um die Auslegung nationalen Rechts geht und für Abgabenangelegenheiten wie im Streitfall § 33 FGO den Finanzrechtsweg eröffnet. Weder der allgemeine Rechtsgrundsatz des "pacta sunt servanda" noch die ausdrückliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Verpflichtungen des Protokolls nach Treu und Glauben zu erfüllen (Art. 5, 26 WÜRV), setzen die Entscheidungskompetenz der Finanzgerichte außer Kraft.

  22. Entsprechendes gilt für Art. 173 EPÜ, wonach Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten über die Auslegung und Anwendung des Übereinkommens in einem dafür vorgesehenen Verfahren beizulegen und ‑‑kommt es zu keiner Einigung‑‑ dem Internationalen Gerichtshof zu unterbreiten sind. Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist bereits keine Streitigkeit zwischen den Vertragsstaaten erkennbar. Die Revision verkennt wiederum, dass es um die Auslegung nationalen Rechts geht, zu dessen Auslegung zunächst die nationalen Gerichte berufen sind.

  23. d) Letztlich geht es ‑‑entgegen den Ausführungen der Revision in der mündlichen Verhandlung‑‑ auch nicht um eine sog. Ultra-vires-Feststellung (z.B. zum Lissabon-Vertrag, BVerfG-Urteil vom 30. Juni 2009  2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267, Rz 240 f.) der Beschlüsse des Verwaltungsrates der EPO durch die nationalen Fachgerichte, sondern um die Prüfung, ob sich ein Verwaltungshandeln im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung durch Art. 16 PPI hält. Dies ist (zunächst) den nationalen Gerichten überlassen.

  24. e) Schließlich entzieht sich die Streitsache auch nicht deswegen der deutschen Gerichtsbarkeit, weil das EPA als Teil einer internationalen Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit vor den nationalen Gerichten Immunität genießt. Der Hinweis der Revision in der mündlichen Verhandlung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2009 III ZR 46/08 (BGHZ 182, 10) geht fehl. Die Immunität von der Gerichtsbarkeit ist für die Bediensteten des EPA auf die in Ausübung ihres Amts vorgenommenen Handlungen beschränkt (Art. 14 Buchst. a PPI).

  25. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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