ECLI:DE:BFH:2018:U.300518.IR62.16.0
BFH I. Senat
DBA CHE Art 15a Abs 2 S 2, DBA CHE Art 17 Abs 1 S 1, AO § 2 Abs 2, KonsVerCHEV § 9 Abs 1, GG Art 80 Abs 1, EStG § 19 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 18 Abs 1 Nr 1 S 2, DBA CHE Art 15 Abs 1 S 2, DBA CHE Art 24 Abs 1 Nr 1 Buchst d, EStG § 34c, OECDMustAbk Art 17, EStG § 50a Abs 1 Nr 1, DBA CHE Art 24 Abs 1 Nr 2, EStG VZ 2012 , OECD-MA Art 17
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg , 11. May 2016, Az: 3 K 3974/14
Leitsätze
1. Das Mitglied eines Opernchors ist "Künstler" i.S. von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 .
2. Das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 umfasst auch die Vergütungsteile, welche dem Künstler für die Mitwirkung an Proben gezahlt werden, die der Vorbereitung der Auftritte vor Publikum dienen .
3. Für die Berechnung der "Nichtrückkehrtage" gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 spielt es auch für die Veranlagungszeiträume vor 2015 keine Rolle, ob der Arbeitnehmer in dem betreffenden Kalenderjahr für einen oder für mehrere Arbeitgeber tätig gewesen ist (entgegen BMF-Schreiben vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683, und vom 18. Dezember 2014, BStBl I 2015, 22) .
4. Eine Übereinkunft zwischen den deutschen und den Schweizer Steuerbehörden (hier: Konsultationsvereinbarung mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur einheitlichen Anwendung und Auslegung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) bindet die Gerichte nicht (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung). § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) i.V.m. § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146) ändert daran nichts; § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) genügt insoweit nicht den Bestimmtheitsanforderungen, die nach Art. 80 Abs. 1 GG an eine Verordnungsermächtigung zu stellen sind .
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 12. Mai 2016 3 K 3974/14 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
A.
Der im Inland wohnende Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr (2012) ‑‑wie schon geraume Zeit zuvor‑‑ als Sänger im Chor des privatwirtschaftlich von einer AG betriebenen Opernhauses in A (Schweiz) beschäftigt. Der Opernchor in A setzte sich zusammen aus ca. 100 festangestellten Sängern, aus weiteren professionellen Sängern, die durch sog. Chorzuzügerverträge für konkrete Opernprojekte verpflichtet wurden und ferner aus semiprofessionellen Sängern des Zusatzchors. Der Kläger gehörte zu der zweitgenannten Kategorie der Chorzuzüger. Im Streitjahr wirkte er in dieser Funktion an 16 verschiedenen Opern mit. Durch die Chorzuzügerverträge verpflichtete sich der Kläger u.a. auch zur Mitwirkung an den jeweiligen Proben (Generalproben, Klavierhauptproben, Hauptproben mit Orchester, musikalische Proben, Orchestersitzproben und Bühnenorchesterproben). Die Proben, bei denen kein Publikum anwesend war, wurden im Opernhaus oder anderen Spielstätten in A abgehalten. Das Opernhaus rechnete die Entlohnung des Klägers entsprechend den in den Chorzuzügerverträgen getroffenen Vereinbarungen zu unterschiedlichen Stundensätzen getrennt nach Mitwirkung an Vorstellungen (Aufführungen) und Teilnahmen an Proben ab.
Im Zeitraum vom ... bis ... 2012 wirkte der Kläger außerdem aufgrund eines Vertrags mit der B-Akademie in der Schweiz als Mitglied des Chor B an einer Opernproduktion mit.
Von den dem Kläger zustehenden Vergütungen behielten das Opernhaus A und die B-Akademie Schweizerische Quellensteuer ein und führten diese an die Eidgenössische Steuerverwaltung ab. In der Schweiz unterhielt der Kläger im Streitjahr keine Wohnung. Soweit er in der Schweiz übernachtete, schlief er in seinem Wohnmobil und gelegentlich bei Kollegen. Er kehrte im Streitjahr aufgrund seiner Arbeitsausübung an insgesamt 85 Arbeitstagen nicht an seinen inländischen Wohnsitz zurück. Dieser liegt ca. 118 bzw. 95 km von den Spielstätten in der Schweiz entfernt.
Da der Kläger bis dahin keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, erließ der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) im November 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) einen Bescheid, mit dem er auf der Grundlage von geschätzten Einkünften aus selbständiger Tätigkeit von ... die Einkommensteuer für das Streitjahr auf ... € festsetzte. Der dagegen erhobene Einspruch des Klägers ging erst nach Ablauf der Einspruchsfrist beim FA ein. Im Juni 2014 beantragte der Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids gemäß § 164 Abs. 2 AO. Das FA lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 28. Juli 2014 ab. In dem anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger eine Einkommensteuererklärung ein, in der er die Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Chorsänger beim Opernhaus A und beim Chor B als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit qualifizierte und mit insgesamt ... € bezifferte. Er vertrat dazu die Auffassung, dass nur die Entlohnung der Mitwirkung bei den Chorauftritten (... €) der inländischen Besteuerung ‑‑unter Anrechnung der Schweizer Quellensteuer‑‑ unterliege. Der Arbeitslohn für die Probentätigkeit sei im Inland unter Progressionsvorbehalt steuerfrei.
Die Einspruchsentscheidung des FA vom 5. Dezember 2014 führte zu einer "Verböserung" der Steuerfestsetzung auf ... €. Das FA berücksichtigte die gesamten vom Kläger angegebenen Einnahmen aus seiner Tätigkeit beim Opernhaus A und beim Chor B als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; die in der Schweiz gezahlten Quellensteuern rechnete das FA auf die tarifliche Einkommensteuer an.
Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens berichtigte der Kläger seine Angaben zu den im Streitjahr zugeflossenen Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Chorsänger. Diese hätten insgesamt ... CHF betragen, wovon auf die Einnahmen für Auftritte vor Publikum ... CHF und auf die Probentätigkeit ...CHF entfallen seien. Die an die Eidgenössische Steuerverwaltung abgeführte Quellensteuer habe insgesamt ... CHF betragen. Auf der Grundlage dieser berichtigten Angaben erließ das FA am 6. April 2016 einen auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid, mit dem es die Einkommensteuer auf ... € festsetzte. Der Kläger vertrat im Klageverfahren die Auffassung, sämtliche Einkünfte aus der Tätigkeit als Chorsänger seien von der inländischen Besteuerung freigestellt.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, hat den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 12. Mai 2016 3 K 3974/14 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2017, 557) dahin geändert, dass die Einkommensteuer auf ... € herabgesetzt wird. Nach Auffassung des FG sei nur derjenige Teil der Vergütung in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen, der auf die Auftritte des Klägers vor Publikum entfalle; der auf die Probentätigkeit entfallende Arbeitslohn sei lediglich bei der Berechnung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen; die in der Schweiz gezahlte Quellensteuer sei auf die tarifliche Einkommensteuer anzurechnen.
Gegen das FG-Urteil richten sich die Revisionen beider Beteiligten. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass neben den für die Probentätigkeit des Klägers gewährten Vergütungen auch die Einkunftsbestandteile, die auf Auftritte der Chöre vor Publikum entfallen, von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen werden.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Kläger und FA beantragen zudem, die Revision des jeweils anderen zurückzuweisen.
Das BMF hat keinen Antrag gestellt, unterstützt in der Sache jedoch den Standpunkt des FA.
Entscheidungsgründe
B.
Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FA hat die vom Kläger für die Mitwirkung sowohl an den Proben als auch an den Aufführungen der Opernchöre in der Schweiz vereinnahmten Vergütungen zu Recht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einbezogen.
I. Das FA durfte die mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2014 vorgenommene Steuerfestsetzung mit dem gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 6. April 2016 ändern. Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Das FG hat diese Voraussetzung im Hinblick auf die vom Kläger nachträglich berichtigten Angaben zur Höhe seiner Einnahmen als gegeben angesehen. Die Beteiligten haben insoweit keine Einwendungen erhoben. Auch aus Sicht des Senats ist hiergegen nichts zu erinnern.
II. Die vom Kläger im Streitjahr vom Opernhaus A und von der B-Akademie bezogenen Einnahmen unterfallen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der Einkommensteuer.
1. Der Kläger hat im Streitjahr seinen Wohnsitz im Inland gehabt und ist daher gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG mit seinem Welteinkommen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.
2. Die Vorinstanz hat die vom Kläger für die Mitwirkung in den Opernchören erhaltenen Vergütungen ‑‑in Übereinstimmung mit den Auffassungen der Beteiligten‑‑ als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert. Zu diesem Ergebnis ist das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände des vorliegenden Falles und in Abgrenzung von den Merkmalen der selbständigen Arbeit nach § 18 EStG gekommen. Dabei hat es insbesondere als maßgeblich angesehen, dass der Kläger in den Geschäftsbetrieb der Opernchöre eingegliedert, dem Direktionsrecht der Chordirektionen unterworfen, an festgelegte Regelarbeitszeiten und Arbeitsorte gebunden war, er zudem feste Bezüge erhalten, Anspruch auf Sozialleistungen gehabt und kein Unternehmerrisiko getragen hat. Der Senat ist an diese Würdigung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt und gegen die die Beteiligten keine zulässigen und begründeten Einwendungen erhoben haben, gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
III. Der für die Mitwirkung in den Opernchören zugeflossene Arbeitslohn ist weder hinsichtlich des auf die Auftritte vor Publikum entfallenden Teils noch hinsichtlich des auf die Absolvierung der Proben entfallenden Teils aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 27. Oktober 2010 (BGBl II 2011, 1092, BStBl I 2012, 513) ‑‑DBA-Schweiz 1971/2010‑‑ von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen. Insbesondere ergibt sich solches nicht aus Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010.
1. Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010 können vorbehaltlich der Art. 15a bis 19 DBA-Schweiz 1971/2010 Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragstaat ausgeübt wird (Satz 1). Wird die Arbeit dort ausgeübt, so können die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden (Satz 2). In dem letztgenannten Fall wird die Doppelbesteuerung bei in Deutschland ansässigen Personen durch Freistellung der Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010).
2. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 kommt jedoch im Streitfall nicht zur Anwendung, weil die Voraussetzungen der gegenüber dieser Bestimmung vorrangigen Regelung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 erfüllt sind.
a) Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet der Art. 7, 14 und 15 des Abkommens Einkünfte, die berufsmäßige Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstler und Musiker, sowie Sportler und Artisten für ihre in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte Tätigkeit beziehen, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sie diese Tätigkeit ausüben. Auch Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 weist zwar somit dem Tätigkeitsstaat (hier: Schweiz) ein Besteuerungsrecht zu. Im Unterschied zu Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010 wird die Doppelbesteuerung in diesem Fall jedoch nicht durch Ausnahme der Vergütung von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden, sondern durch Anrechnung der in der Schweiz erhobenen Steuer auf die deutsche Steuer nach Maßgabe von Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 i.V.m. § 34c EStG.
b) Das FG hat den Kläger hinsichtlich seiner Mitwirkung an den Opernchören zu Recht als berufsmäßigen Künstler i.S. des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 angesehen. Die dagegen vom Kläger erhobenen Einwendungen sind unbegründet.
aa) Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 gilt nicht nur für selbständig tätige Künstler, Sportler und Artisten, sondern auch für solche Steuerpflichtige, die die betreffende Tätigkeit in Ausübung einer nichtselbständigen Arbeit verrichten (ebenso Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 6. Mai 2008 2C_276/2007, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb ‑‑L/M/vS/K‑‑, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland 1971 und 1978, B 17.1 Nr. 60 zu einem angestellten Radsportler). Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Umstand, dass Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 den Vorrang dieser Bestimmung ausdrücklich auch gegenüber Art. 15 des Abkommens anordnet, welcher die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit regelt. Soweit der Kläger die Sinnhaftigkeit dieser Erstreckung auch auf Einkünfte aus festen und langjährigen Arbeitsverhältnissen mit Blick auf den ursprünglichen Beweggrund für die abkommensrechtliche Sonderstellung der Künstler- und Sportlereinkünfte ‑‑nämlich der mit der Berufstätigkeit dieser Steuerpflichtigen typischerweise verbundenen Mobilität durch eine weitgehende Zuweisung der Einkünfte an den jeweiligen Tätigkeitsstaat zu begegnen (vgl. dazu z.B. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 1; Schlotter in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 17 Rz 2; Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 17 Rz 3)‑‑ in Zweifel zieht, handelt es sich um ein rechtspolitisches Anliegen. Eine einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) des Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 kann damit nicht begründet werden, da hierdurch der aus dem Abkommenswortlaut klar erkennbare Wille der Vertragstaaten missachtet würde. Die allgemeine Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 ‑‑WÜRV‑‑ (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757), ermöglicht die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zwecks. Die Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags ist sonach auf den Abkommenswortlaut bezogen (Lehner in Vogel/Lehner, a.a.O., Grundlagen Rz 106a) und kann nicht zu einer dem Wortlaut widersprechenden Auslegung führen (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II 1989, 319).
bb) Der Kläger war als Chorsänger Künstler i.S. von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 8. April 1997 I R 51/96, BFHE 183, 110, BStBl II 1997, 679 ‑‑betreffend das Abkommen mit Großbritannien‑‑ und vom 18. Juli 2001 I R 26/01, BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410 ‑‑betreffend die Abkommen mit Österreich und mit den Niederlanden‑‑) ist der Künstlerbegriff der Art. 17 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-Musterabkommen ‑‑OECD-MustAbk‑‑) nachgebildeten Bestimmungen, zu denen auch Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 gehört, eigenständig abkommensrechtlich auszulegen, wenn das betreffende Abkommen dafür eine Grundlage bietet (ebenso z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 21; Schlotter in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 17 Rz 29; Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Art. 17 OECD-MA Rz 24; Mody in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 17 OECD-MA Rz 13). Nationalrechtliche Künstlerbegriffe des Anwenderstaats ‑‑wie z.B. der Begriff der künstlerischen Tätigkeit in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG‑‑ sind demgegenüber nicht maßgeblich (anders noch Senatsurteil vom 11. April 1990 I R 75/88, BFHE 160, 513).
cc) Nach diesen Maßgaben ist Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 dahin auszulegen, dass das Mitglied eines im Rahmen einer Opernaufführung auftretenden Opernchors unter den Künstlerbegriff (Bühnenkünstler bzw. Musiker) fällt. Das gilt auch auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers, er habe als Chormitglied keinerlei individuelle Gestaltungsmöglichkeit gehabt und sei daher lediglich ein "(weitgehend willenloses) Werkzeug des Chordirektors" gewesen. Aus einer Gesamtschau der in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 beispielhaft aufgeführten Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstlern und Musikern sowie der Gleichsetzung mit Sportlern und Artisten ist abzuleiten, dass es für die Tatbestandsmäßigkeit nicht auf ein besonderes künstlerisches Niveau oder eine bestimmte eigenschöpferische Gestaltungshöhe ankommt (Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 17 Rz 19; Kempermann in Flick/Wassermeyer/ Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 17 Rz 11; Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 22; Mody in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 17 OECD-MA Rz 15; Schlotter in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 17 Rz 30; Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, a.a.O., Art. 17 OECD-MA Rz 40 f.; BMF-Schreiben vom 25. November 2010, BStBl I 2010, 1350, Rz 17). Maßgeblich ist danach vielmehr, dass es sich um eine persönlich ausgeübte vortragende Tätigkeit handelt, die vornehmlich dem Kunstgenuss oder auch nur der Unterhaltung des Publikums dient, was bei dem Auftritt eines Opernchors im Rahmen einer Opernaufführung fraglos der Fall ist. Handelt es sich ‑‑wie im Falle von Orchestern oder Chören‑‑ um den gemeinsamen Auftritt einer Personengruppe, sind sämtliche Mitglieder der Gruppe und nicht nur deren Leiter oder Dirigenten als Künstler i.S. des Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 anzusehen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 24). Inwiefern dem einzelnen Ensemblemitglied hinsichtlich der Art und Weise seines Vortrags individuelle Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben oder nicht, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
c) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfasst der Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht nur die auf die Mitwirkung an den Auftritten vor Publikum entfallenden Vergütungsbestandteile, sondern auch jene Bestandteile, die dem Kläger nach den Regelungen der Chorzuzügerverträge für die Mitwirkung an den Proben gezahlt worden sind.
aa) Nach dem oben wiedergegebenen abkommensrechtlichen Verständnis gelten die Art. 17 OECD-MustAbk nachgebildeten Künstlerartikel nicht für jegliche Form persönlich ausgeübter Künstlertätigkeit. Vielmehr ist aus den in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 aufgeführten Beispielen zu schließen, dass nur Vergütungen für Tätigkeiten solcher Künstler, Sportler und Artisten erfasst werden, die unmittelbar oder mittelbar (über Medien) in der Öffentlichkeit auftreten und dabei Darbietungen erbringen, die künstlerischen oder unterhaltenden Charakter haben (vgl. Senatsurteile vom 2. Dezember 1992 I R 77/91, BFHE 170, 126; in BFHE 183, 110, BStBl II 1997, 679; in BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410; ebenso Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts in L/M/vS/K, B 17.1 Nr. 60; BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1350, Rz 80). Die vergüteten Tätigkeiten müssen danach durch den Auftritt vor Publikum veranlasst sein.
bb) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und des Klägers ist ein solcher direkter Auftrittsbezug nach den Gegebenheiten des Streitfalls auch hinsichtlich der Probentätigkeiten gegeben, die der Kläger in Erfüllung der Chorzuzügerverträge in der Schweiz ausgeübt hat. Denn auf der Grundlage der Feststellungen des FG und nach dem Inhalt der Chorzuzügerverträge hat es sich dabei um solche Proben gehandelt, die der Vorbereitung der jeweiligen Auftritte der Opernchöre und der für diese Auftritte erforderlichen Koordination der Chöre mit den sonstigen Ensemblemitgliedern (Orchestermusikern und Sängern) gedient haben. Ein über die Vorbereitung der jeweiligen Opernaufführungen hinausgehender Zweck der Proben ‑‑z.B. eine Stärkung der allgemeinen künstlerischen Fähigkeiten der Mitwirkenden‑‑ ist demgegenüber nicht erkennbar. Ein solcher Zweck folgt auch nicht daraus, dass nach den Regelungen in den Chorzuzügerverträgen gesonderte Vergütungsregelungen für die Mitwirkung an den Aufführungen einerseits und an den verschiedenen Proben andererseits getroffen worden sind. Ursache hierfür war offenkundig, dass die Vertragspartner unterschiedliche Stundensätze für die Mitwirkungen an den Aufführungen, Generalproben und sonstigen Proben vereinbaren wollten. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Proben aus Sicht der Vertragspartner einen eigenständigen, über die Vorbereitung der jeweiligen Opernaufführungen hinausgehenden Zweck gehabt haben. Solches ergibt sich auch nicht aus dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, dass er auch dann einen Anspruch auf die Vergütung der Probentätigkeit gehabt hätte, wenn er an der Mitwirkung an der späteren Aufführung gehindert gewesen wäre.
Der geschilderte enge Bezug der Proben zu den jeweiligen Opernaufführungen reicht aus, um den für Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 erforderlichen Auftrittsbezug zu bejahen (vgl. Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 17 Rz 16 und Rz 22 Stichwort "Proben/Training"). Dafür sprechen auch Sinn und Zweck der Zuweisung des Besteuerungsrechts für die Künstler- und Sportlerentgelte an den Tätigkeitsstaat. Diese Zuweisung wurde geschaffen, um das Besteuerungsrecht für bestimmte Berufsgruppen, die aufgrund der mit der Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und vielfachen Einnahmemöglichkeiten im Wohnsitzstaat hinsichtlich der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit oftmals nur schwer steuerlich erfasst werden können, dem Tätigkeitsstaat zuzuweisen, für den die praktischen Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in der Regel geringer sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410). Es wäre vor diesem Hintergrund nicht zweckgerecht, dass die Vergütungsteile, die der Künstler für die am Aufführungsort absolvierten Proben erhält, abkommensrechtlich anders behandelt werden als die auf die eigentlichen Auftritte entfallenden Vergütungsteile.
cc) Der Senat setzt sich mit diesem Abkommensverständnis nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts in L/M/vS/K, B 17.1 Nr. 60, auf welches sich das FG für seine Sichtweise gestützt hat. Dieses Urteil betrifft einen in der Schweiz ansässigen Radsportler, der bei einem niederländischen Sport-Team angestellt war und von diesem u.a. ein leistungsunabhängiges Jahres-Grundgehalt erhielt. Nach Auffassung des Schweizerischen Bundesgerichts ist dieses Grundgehalt nicht nach Art. 17 Abs. 1 OECD-MustAbk anteilig auch jenen Drittstaaten (u.a. Deutschland) zuzuweisen, in denen der Radsportler unabhängig von konkreten Rennveranstaltungen Trainingseinheiten ohne Publikum absolviert hatte. Der wesentliche Unterschied dieses Sachverhalts zu dem hier zu beurteilenden Fall liegt darin, dass die Trainingseinheiten des Radsportlers gerade keinen Bezug zu bestimmten Rennveranstaltungen gehabt haben, während vorliegend aus den dargelegten Gründen ein direkter Zusammenhang der Proben mit den ebenfalls im Tätigkeitsstaat stattfindenden Opernaufführungen gegeben war.
dd) Die zwischen dem Kläger und dem BMF streitige Frage, inwiefern für die Auslegung des Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 in Bezug auf das Streitjahr auch auf das erst im Rahmen der Revision 2014 in den OECD-Musterkommentar zu Art. 17 OECD-MustAbk unter Nr. 9.1 aufgenommene Beispiel zurückgegriffen werden kann, in welchem u.a. die Entgelte für im Tätigkeitsstaat durchgeführte Proben von Künstlern ‑‑ausdrücklich genannt werden Opernsänger, die vertraglich zur Teilnahme an Proben verpflichtet sind‑‑ unabhängig davon zum Anwendungsbereich des Art. 17 OECD-MustAbk gerechnet werden, ob es sich um Proben für spezifische Auftritte handelt oder nicht, bedarf keiner Erörterung durch den Senat. Im Streitfall handelt es sich ‑‑wie erläutert‑‑ um auftrittsbezogene Proben.
3. Die Rechtswirkungen des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 werden im Streitfall nicht durch die Grenzgängerregelung des Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 verdrängt. Zwar gebührt Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Vorrang gegenüber Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 (vgl. Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 25; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz 14). Doch liegen die Voraussetzungen der Bestimmung im Streitfall nicht vor.
a) Gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet des Art. 15 des Abkommens Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger in diesem Sinne ist gemäß Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Satz 1). Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Satz 2).
Nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz, gegen die die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, war der Kläger im Streitjahr durchgehend kein Grenzgänger im vorstehend beschriebenen Sinne, weil er an mehr als 60 ‑‑nämlich an 85‑‑ Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist.
b) Zutreffend ist auch die Rechtsauffassung des FG, der zufolge es für die Berechnung der Nichtrückkehrtage gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 keine Rolle spielt, ob der Arbeitnehmer in dem betreffenden Kalenderjahr für einen oder für mehrere Arbeitgeber tätig gewesen ist (ebenso Urteil des FG Baden-Württemberg vom 15. Oktober 2015 3 K 2913/13, EFG 2016, 1061 ‑‑Revision unter I R 22/16‑‑; Brandis in Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 49; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz 49; für die Zeit ab 1. Januar 2015 auch BMF-Schreiben vom 18. Dezember 2014, BStBl I 2015, 22 ‑‑beruhend auf einer Verständigungsvereinbarung zwischen den deutschen Finanzbehörden und der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 28. November 2014‑‑).
Soweit es demgegenüber in Rz 15 des Einführungsschreibens des BMF zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung des DBA-Schweiz 1971 vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683) heißt, im Falle eines Arbeitgeberwechsels im Tätigkeitsstaat innerhalb eines Kalenderjahrs sei die 60-Tages-Grenze bezogen auf das jeweilige Arbeitsverhältnis zu teilen, ist dem nicht zu folgen, da der Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 für eine gesonderte Berechnung der Nichtrückkehrtage eines Kalenderjahrs nach einzelnen Arbeitgebern keinerlei Anhalt bietet.
Dass das BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 auf einer Vereinbarung zwischen den zuständigen deutschen Behörden mit der Eidgenössischen Steuerverwaltung "zur einheitlichen Anwendung und Auslegung" des Art. 15a DBA-Schweiz 1971 (i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) beruht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat misst einer zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung ‑‑in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von Verträgen nach Art. 31 WÜRV‑‑ zwar Bedeutung für die Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) bei. Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann jedoch die "Grenzmarke" für das richtige Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein; wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, dann kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden (Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 10. Juni 2015 I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326). So liegt der Fall hier in Bezug auf die Rz 15 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683, die mit dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht in Einklang zu bringen ist.
An diesem Befund ändert es nichts, dass die oben zitierte Passage aus Rz 15 des BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 in die Bestimmung des § 9 Abs. 1 der Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung ‑‑KonsVerCHEV‑‑) vom 20. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146) aufgenommen worden ist. Der Senat hat mit Urteil in BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326 entschieden, dass § 24 Abs. 1 Satz 2 KonsVerCHEV, der die Besteuerung von Arbeitnehmer-Abfindungen betrifft, keine Rechtswirkungen entfaltet, weil die Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) insoweit nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt, die nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) an eine Verordnungsermächtigung zu stellen sind. Entsprechendes muss auch für § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV gelten. Denn auch im Hinblick auf die Grenzgängervorschrift des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 enthält § 2 Abs. 2 AO i.d.F. des JStG 2010 keine näheren Vorgaben zu Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung.
IV. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif; die Klage ist abzuweisen. Anderweitige Mängel der Steuerfestsetzung hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht ersichtlich.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.