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Urteil vom 14. Februar 2019, VI R 47/16

Wiederaufforstungskosten bei vorherigem pauschalem Betriebsausgabenabzug

ECLI:DE:BFH:2019:U.140219.VIR47.16.0

BFH VI. Senat

EStG § 4 Abs 3, EStG § 11 Abs 2, EStDV § 51 Abs 2, EStDV § 51 Abs 3, EStDV § 51 Abs 4, EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 19. April 2016, Az: 8 K 309/15

Leitsätze

Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, gilt allein § 51 EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011. Die frühere Inanspruchnahme eines pauschalen Betriebsausgabenabzugs gemäß § 51 EStDV in der zuvor geltenden Fassung steht einer gewinnmindernden Berücksichtigung von Wiederaufforstungskosten in diesen Wirtschaftsjahren deshalb schon aus diesem Grund nicht entgegen .

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. April 2016  8 K 309/15 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 29. Oktober 2015 aufgehoben.

Der Feststellungsbescheid für 2012 vom 28. Juli 2014 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft mit -24.038,36 € festgestellt werden.

Der Feststellungsbescheid für 2013 vom 28. August 2015 wird dahingehend geändert, dass die Einkünfte des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft mit 13.169,22 € festgestellt werden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Streitig ist, ob Wiederaufforstungskosten nach der Neufassung des § 51 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) ‑‑EStDV n.F.‑‑ als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.

  2. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte in den Streitjahren (2012 und 2013) Einkünfte aus Forstwirtschaft, die er jeweils nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmeüberschussrechnung ermittelte. Gewinnermittlungszeitraum war abweichend von § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV nicht das Forstwirtschaftsjahr vom 1. Oktober bis 30. September, sondern das Kalenderjahr. Die Einkünfte wurden vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) jeweils gesondert festgestellt.

  3. Im Jahr 2011 verkaufte der Kläger Holz auf dem Stamm und erzielte dadurch Betriebseinnahmen in Höhe von 28.350 €. In diesem Zusammenhang machte er Betriebsausgaben nach § 51 Abs. 2 EStDV in der Fassung, die für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die vor dem 1. Januar 2012 begonnen haben (EStDV a.F.), in Höhe von 40 % der Einnahmen aus Holzeinschlag geltend. Die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 2011 erfolgte erklärungsgemäß.

  4. Im Jahr 2012 erzielte der Kläger aus dem Verkauf von Holz auf dem Stamm Einnahmen in Höhe von 471 €. Diesbezüglich machte er pauschale Betriebsausgaben nach § 51 Abs. 3 EStDV n.F. und damit in der Fassung geltend, die für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 2011 begonnen haben. Darüber hinaus begehrte er, Wiederaufforstungskosten ‑‑betreffend den Holzeinschlag aus dem Jahr 2011‑‑ in Höhe von 24.948 € als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

  5. Für das Jahr 2013 erhielt der Kläger einen öffentlichen Zuschuss für die Wiederaufforstung in Höhe von ... €. Diesen erklärte er als Betriebseinnahme. Als Betriebsausgaben setzte er u.a. Wiederaufforstungskosten ‑‑ebenfalls noch betreffend den Holzeinschlag aus dem Jahr 2011‑‑ in Höhe von 3.113 € an. Einen pauschalen Betriebsausgabenabzug nahm der Kläger nicht vor.

  6. Das FA folgte den Feststellungserklärungen des Klägers für die Jahre 2012 und 2013 insoweit nicht, als es die streitigen Wiederaufforstungskosten nicht zum Betriebsausgabenabzug zuließ. Zur Begründung berief es sich auf § 51 Abs. 3 EStDV a.F. Danach seien durch die Inanspruchnahme des pauschalen Betriebsausgabenabzugs ‑‑hier im Jahr 2011‑‑ die Betriebsausgaben im Wirtschaftsjahr der Holznutzung einschließlich der Wiederaufforstungskosten unabhängig von dem Wirtschaftsjahr ihrer Entstehung abgegolten. Folglich könnten die in den Jahren 2012 und 2013 verausgabten Wiederaufforstungskosten ‑‑betreffend den Holzeinschlag aus dem Jahr 2011‑‑ in den Streitjahren nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Dies habe sich durch die Neufassung des § 51 EStDV, die für Wirtschaftsjahre anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 2011 begönnen, nicht geändert. Zwar würden nach § 51 Abs. 4 EStDV n.F. Wiederaufforstungskosten von der Abgeltungswirkung des pauschalen Betriebsausgabenabzugs nicht länger erfasst. Diese Regelung gelte jedoch nur für solche Aufwendungen, die nicht im Zusammenhang mit Holzverkäufen stünden, für die ‑‑wie vorliegend‑‑ in der Vergangenheit der pauschale Betriebsausgabenabzug nach § 51 Abs. 2 EStDV a.F. in Anspruch genommen worden sei. Denn insoweit gelte die Abgeltungswirkung auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wirtschaftsjahrübergreifend fort.

  7. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

  8. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

  9. Er beantragt sinngemäß,
    das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. April 2016  8 K 309/15 und die Einspruchsentscheidung des FA vom 29. Oktober 2015 aufzuheben
    sowie den Feststellungsbescheid 2012 vom 28. Juli 2014 dahingehend zu ändern, dass die bislang festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 910,10 € um die Wiederaufforstungskosten in Höhe von 24.948,46 € auf -24.038,36 € vermindert werden,
    und
    den Feststellungsbescheid 2013 vom 28. August 2015 dahingehend zu ändern, dass die bislang festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 16.282,57 € um die Wiederaufforstungskosten in Höhe von 3.113,35 € auf 13.169,22 € herabgesetzt werden.

  10. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat die vom Kläger in den Wirtschaftsjahren 2012 und 2013 verausgabten Wiederaufforstungskosten betreffend den Holzeinschlag aus dem Jahr 2011 zu Unrecht in den Streitjahren nicht bei dessen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gewinnmindernd berücksichtigt.

  2. 1. Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Forstwirtschaft. Nach den bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG war er aufgrund der Größe seines Betriebs nicht zur Buchführung verpflichtet und ermittelte seinen Gewinn zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG. Dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit, so dass der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.

  3. 2. Ebenfalls nicht im Streit steht zwischen den Beteiligten, dass die Wiederaufforstungskosten im Forstbetrieb des Klägers angefallen und als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) anzusehen sind. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass es sich im Streitfall bei den geltend gemachten Aufwendungen um zu aktivierende Herstellungskosten für ein neu entstehendes Wirtschaftsgut Baumbestand handeln könnte.

  4. 3. Streitig ist zwischen den Beteiligten lediglich, ob die Wiederaufforstungskosten betreffend den Holzeinschlag im Jahr 2011 gewinnmindernd als Betriebsausgaben in den beiden Streitjahren zu berücksichtigen oder durch die Inanspruchnahme des pauschalen Betriebsausgabenabzugs im Jahr 2011 durch § 51 Abs. 3 EStDV a.F. abgegolten sind.

  5. a) Gemäß § 4 Abs. 3 EStG ist Gewinn der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. (Betriebs-)Ausgaben sind gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.

  6. b) Nach § 51 Abs. 1 und 2 EStDV a.F. kann bei forstwirtschaftlichen Betrieben, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind und den Gewinn nicht nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, zur Abgeltung der Betriebsausgaben auf Antrag ein Pauschsatz ‑‑wenn das Holz auf dem Stamm verkauft wird‑‑ von 40 % der Einnahmen aus der Holznutzung abgezogen werden. Macht der Steuerpflichtige von dem pauschalen Betriebsausgabenabzug Gebrauch, sind nach § 51 Abs. 3 EStDV a.F. die Betriebsausgaben im Wirtschaftsjahr der Holznutzung einschließlich der Wiederaufforstungskosten unabhängig von dem Wirtschaftsjahr ihrer Entstehung abgegolten.

  7. c) In dieser Fassung ist die Vorschrift für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die vor dem 1. Januar 2012 begonnen haben. Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, gilt hingegen § 51 EStDV n.F. (§ 84 Abs. 3a EStDV). Danach können Steuerpflichtige, die für ihren Betrieb nicht zur Buchführung verpflichtet sind, den Gewinn nicht nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln und deren forstwirtschaftlich genutzte Fläche 50 Hektar nicht übersteigt, auf Antrag für ein Wirtschaftsjahr bei der Ermittlung der Gewinne aus Holznutzungen (weiterhin) pauschale Betriebsausgaben ‑‑soweit Holz auf dem Stamm verkauft wird‑‑ von 20 % der Einnahmen aus der Verwertung des stehenden Holzes abziehen (§ 51 Abs. 1 und Abs. 3 EStDV n.F.). Nach § 51 Abs. 4 EStDV n.F. sind mit den pauschalen Betriebsausgaben sämtliche Betriebsausgaben mit Ausnahme der Wiederaufforstungskosten und der Minderung des Buchwerts für ein Wirtschaftsgut Baumbestand abgegolten.

  8. d) Nach dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori geht das spätere Recht dem früheren Recht vor, es sei denn, der Gesetz- oder Verordnungsgeber begegnet dem zeitlichen Anwendungsvorrang der später in Kraft getretenen Vorschrift mit einer Übergangsregel.

  9. 4. Demnach kann die Entscheidung des FG, nach der die in den Wirtschaftsjahren 2012 und 2013 verausgabten Wiederaufforstungskosten betreffend den Holzeinschlag im Jahr 2011 nicht gewinnmindernd bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zu berücksichtigen sind, keinen Bestand haben.

  10. a) Zwar hat der Kläger im Jahr 2011 nach den bindenden und unangefochtenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) bei der Ermittlung der Einkünfte aus seinem forstwirtschaftlichen Betrieb nach § 51 Abs. 2 EStDV a.F. 40 % der Einnahmen aus der Holznutzung pauschal als Betriebsausgaben im Rahmen seiner Einnahmeüberschussrechnung geltend gemacht. Gleichwohl steht dies dem Betriebsausgabenabzug der Wiederaufforstungskosten betreffend den Holzeinschlag aus dem Jahr 2011 in den Streitjahren nicht entgegen.

  11. aa) Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob er der Auffassung von FA und FG folgen könnte, nach der auch erst in späteren Gewinnermittlungszeiträumen verausgabte, aber im Zusammenhang mit den Einnahmen aus Holznutzungen eines vorangegangenen Wirtschaftsjahres, in welchem der pauschale Betriebsausgabenabzug nach § 51 Abs. 2 EStDV a.F. in Anspruch genommen wurde, stehende Wiederaufforstungskosten wirtschaftsjahrübergreifend vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind (Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A Rz 1055; Mitterpleininger in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 13a Rz 214; a.A. Leingärtner/Wittwer, Besteuerung der Landwirte, Kap. 44, Rz 40 f.).

  12. bb) Denn § 51 EStDV a.F. ist in den Streitjahren nicht (mehr) anwendbar. Die Regelung wurde vielmehr durch § 51 EStDV n.F. für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 beginnen, ersetzt. Als "überschriebenes" Recht kann § 51 EStDV a.F. auf Pauschalierungssachverhalte in diesen Wirtschaftsjahren nicht länger wirken. Deshalb kann § 51 EStDV a.F. nach Ablauf der Geltungsanordnung ‑‑d.h. für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2011 begonnen haben‑‑ auch keine abgeltende Wirkung bezüglich Wiederaufforstungskosten entfalten, die in nach dem 31. Dezember 2011 beginnenden Wirtschaftsjahren verausgabt wurden. Dies gilt auch, soweit Wiederaufforstungskosten ‑‑wie vorliegend‑‑ im Zusammenhang mit einer früheren Holznutzung stehen und sich der Steuerpflichtige in dem damaligen Veranlagungszeitraum die Betriebsausgaben einschließlich der Wiederaufforstungskosten hat pauschaliert nach § 51 EStDV a.F. abgelten lassen. Denn auch eine vermeintlich veranlagungszeitraumübergreifende Abgeltungswirkung findet jedenfalls im zeitlichen Anwendungsbereich der Regelung ihre Grenze.

  13. Da der Kläger die streitigen Wiederaufforstungskosten erst in Wirtschaftsjahren verausgabt hat, die nach dem 31. Dezember 2011 begonnen haben, nämlich in den Wirtschaftsjahren 2012 und 2013, steht § 51 Abs. 3 EStDV a.F. dem Betriebsausgabenabzug der Wiederaufforstungskosten nicht entgegen.

  14. cc) Eine Übergangsregelung zu § 51 EStDV n.F. für bereits ins Werk gesetzte Sachverhalte hat der Verordnungsgeber nicht geschaffen. Vielmehr hat er auf die Notwendigkeit "wirtschaftsjahrübergreifende[r] Kontrolle jeden Einzelfalls" bewusst verzichtet. Die Neuregelung des § 51 EStDV soll ausweislich der Gesetzesbegründung der Steuervereinfachung dienen und zukünftig entsprechenden Verwaltungsaufwand durch die gesonderte Behandlung der Wiederaufforstungskosten vermeiden (BTDrucks 17/5125, S. 47 f.).

  15. Auch der Umstand, dass durch die Inanspruchnahme des pauschalen Betriebsausgabenabzugs in Höhe von 40 % nach § 51 EStDV a.F. und die gewinnmindernde Berücksichtigung tatsächlich angefallener Wiederaufforstungskosten in einem späteren Wirtschaftsjahr eine veranlagungszeitraumübergreifende Doppelbegünstigung eintreten könnte, vermag nicht für eine fortwirkende Geltungsanordnung von § 51 Abs. 3 EStDV a.F. in Wirtschaftsjahren, die nach dem 31. Dezember 2011 begonnen haben, zu streiten. Vielmehr bedarf es hierzu einer ‑‑insoweit naheliegenden‑‑ Übergangsregelung. Fehlt eine solche ‑‑wie im Streitfall‑‑, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber etwaige Unstimmigkeiten, die beim Wechsel von altem zu neuem Recht stets auftreten können, bewusst hinnimmt.

  16. b) § 51 Abs. 4 EStDV n.F. steht dem Betriebsausgabenabzug der in den Wirtschaftsjahren 2012 und 2013 verausgabten Wiederaufforstungskosten betreffend den Holzeinschlag im Jahr 2011 nicht entgegen. Denn nach dieser in den Streitjahren allein anzuwendenden Fassung sind Wiederaufforstungskosten von der Abgeltungswirkung des pauschalen Betriebsausgabenabzugs ausdrücklich ausgenommen.

  17. Nach alldem waren die streitigen Wiederaufforstungskosten in den Streitjahren gewinnmindernd zu berücksichtigen.

  18. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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