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Urteil vom 07. Juli 2020, VI R 4/19

Aufwendungen für den äußeren Rahmen einer betrieblichen Veranstaltung bei der Bewertung von Sachzuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG

ECLI:DE:BFH:2020:U.070720.VIR4.19.0

BFH VI. Senat

EStG § 8 Abs 2 S 1, EStG § 37b Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 37b Abs 1 S 2, EStG VZ 2011 , EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014 , GG Art 3 Abs 1

vorgehend FG Münster, 26. November 2018, Az: 15 K 3383/17 L

Leitsätze

1. NV: In die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle der Zuwendung direkt zuzuordnenden Aufwendungen (Einzelkosten) einzubeziehen, ungeachtet dessen, ob sie beim Zuwendungsempfänger einen Vorteil begründen können.

2. NV: Besteht die Zuwendung in der kostenlosen oder verbilligten Teilnahme an einer (betrieblichen) Veranstaltung, gehören zu diesen Aufwendungen auch die Kosten für deren äußeren Rahmen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 27.11.2018 - 15 K 3383/17 L wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

  1. I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) veranstaltete im Jahr 2013 eine "…-Party"(im Folgenden: Veranstaltung). Zu dieser Veranstaltung lud sie sowohl eigene Arbeitnehmer als auch ausgewählte Arbeitnehmer verbundener Unternehmen sowie Arbeitnehmer selbstständiger Einzelhändler ein, die sich zuvor in besonderer Weise um die Umsetzung des von ihr ausgegebenen Jahresmottos bemüht hatten. Für die Durchführung der Veranstaltung entstanden der Klägerin folgende Aufwendungen:

    Zweck der Aufwendungen

    Aufwendungen inklusive Umsatzsteuer

    Anmietung Toilettencontainer

            

    Ausstattung und Dekoration

            

    Entleerung Toilettentank

            

    Anmietung Halle

            

    Technikausstattung

            

    Garderobencontainer

            

    Reisekosten von Veranstaltungsteilnehmern (Bus)

            

    Mobiliar

            

    Werbemittel

            

    Künstler

            

    Künstler

            

    GEMA für Musiknutzung

            

    Catering

            

    Crewcatering

            

    Hotelzimmer Crew

            

    Hotelzimmer Crew und Künstler

            

    Gesamt

            

    Lohnsteuerliche Folgerungen aus der Veranstaltung zog die Klägerin nicht.

  2. Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung beurteilte der Prüfer die Veranstaltung als lohnsteuerbare Zuwendung der Klägerin an die Teilnehmer. Daraufhin stellte die Klägerin diesbezüglich einen Antrag auf Pauschalierung der Einkommensteuer bei Sachzuwendungen nach § 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

  3. Mit Bescheid vom 16.02.2017 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) deshalb sowie wegen weiterer ‑‑nicht angegriffener Feststellungen‑‑ von der Klägerin Lohnsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer nach. Auf die streitige Veranstaltung entfiel ein Betrag in Höhe von … €, den das FA nach den Gesamtkosten der Veranstaltung in Höhe von … € bemessen hatte.

  4. Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) lediglich insoweit statt, als es den Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend änderte, dass es die Lohnsteuer um … €, den Solidaritätszuschlag um … € und die Kirchensteuer um … € herabsetzte. Im Übrigen wies es die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 281 veröffentlichten Gründen ab. Der angefochtene Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid sei lediglich insoweit rechtswidrig, als Aufwendungen für Werbemittel in Höhe von … € in die Bemessungsgrundlage nach § 37b EStG eingegangen seien. Alle übrigen Aufwendungen für die Veranstaltung seien hingegen zu Recht bei der Bemessung der pauschalen Einkommensteuer berücksichtigt worden.

  5. Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

  6. Sie beantragt sinngemäß,
    das Urteil des FG Münster vom 27.11.2018 - 15 K 3383/17 L sowie die Einspruchsentscheidung vom 02.10.2017 aufzuheben und den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.12.2014 vom 16.02.2017 dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuer um weitere … €, der Solidaritätszuschlag um weitere … € und die Kirchensteuer um weitere … € herabgesetzt werden.

  7. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

  1. II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Vorinstanz hat die streitigen Aufwendungen der Klägerin für den äußeren Rahmen der Veranstaltung im Ergebnis zutreffend in die Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer bei Sachzuwendungen gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG einbezogen.

  2. 1. Nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer (für Nicht-Arbeitnehmer) einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten, nicht in Geld bestehenden Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben. § 37b Abs. 1 EStG gilt gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit die Zuwendungen nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.

  3. a) Die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst nicht alle Zuwendungen schlechthin. § 37b EStG beschränkt sich vielmehr auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn § 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl (Senatsurteil vom 21.02.2018 - VI R 25/16, BFHE 260, 526, BStBl II 2018, 389, Rz 13, m.w.N.). Dies gilt insbesondere auch für die Pauschalierungsmöglichkeit nach § 37b Abs. 2 EStG (Senatsurteil vom 16.10.2013 - VI R 78/12, BFHE 243, 242, BStBl II 2015, 495).

  4. Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Voraussetzungen für die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG in Bezug auf die Zuwendungen der Klägerin an eigene Arbeitnehmer sowie Arbeitnehmer verbundener Unternehmen und Arbeitnehmer selbständiger Einzelhändler aus der kostenlosen Teilnahme an der Veranstaltung dem Grunde nach vorliegen. Dieser Auffassung hat sich das FG angeschlossen. Hiergegen haben die Beteiligten auch im Revisionsverfahren keine Einwände vorgetragen. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.

  5. b) Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer. Hierzu gehören auch die Aufwendungen der Klägerin für den äußeren Rahmen der Veranstaltung.

  6. aa) § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG enthält für die Bewertung der Zuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG eine eigenständige Bemessungsgrundlage. Diese verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die Bewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG (Graw in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff ‑‑KSM‑‑, EStG, § 37b Rz B 43). Sich hierdurch ergebende unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und daraus folgende unterschiedliche Ergebnisse bei der Bewertung einer Sachzuwendung sind im Gesetz angelegt und vom Rechtsanwender daher hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist insoweit nicht zu besorgen. Denn die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG und die damit einhergehende, von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG abweichende Bewertung der Zuwendungen steht zur Wahl des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige hat es damit selbst in der Hand zu bestimmen, auf welcher Grundlage die Bewertung vorzunehmen ist (Senatsurteil vom 13.05.2020 - VI R 13/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

  7. bb) In die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle der Zuwendung direkt zuzuordnenden Aufwendungen (Einzelkosten) einzubeziehen. Soweit die Aufwendungen Teil einer Gesamtleistung sind, ist der auf die jeweilige Zuwendung entfallende Anteil an diesen Aufwendungen anzusetzen, der gegebenenfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln ist.

  8. Darüber hinaus besteht gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG keine Rechtsgrundlage dafür, bestimmte einzelne Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes bemisst sich die pauschale Einkommensteuer nach den "Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer". Einschränkungen oder Ausnahmen hiervon sieht das Gesetz nicht vor (Senatsurteil vom 13.05.2020 - VI R 13/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

  9. Die Auslegung am Wortlaut des Gesetzes entspricht auch dem Gesetzeszweck. Die in § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehene Anknüpfung an die Aufwendungen des Steuerpflichtigen soll eine Arbeitserleichterung und damit eine Steuervereinfachung bewirken (BTDrucks 16/2712, S. 55). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn bei der Anwendung des § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG zwischen verschiedenen (Arten von) Aufwendungen differenziert werden müsste, zumal dem Gesetz auch keine Kriterien für eine solche Differenzierung entnommen werden können (Senatsurteil vom 13.05.2020 - VI R 13/18, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

  10. Es kommt hiernach für die Einbeziehung einer Aufwendung des Steuerpflichtigen in die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG insbesondere nicht darauf an, ob die betreffende Aufwendung, sofern sie der zu bewertenden Zuwendung direkt zurechenbar ist, ihrerseits (isoliert betrachtet) zu einem Vorteil des Zuwendungsempfängers führen würde (a.A. Graw in: KSM, EStG, § 37b Rz B 44; Lingemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 37b EStG Rz 18; Blümich/Ettlich, § 37b EStG Rz 61; Schneider, Neue Wirtschafts-Briefe 2014, 340, 351; Hilbert/Straub/Sperandio, Betriebs-Berater 2014, 919, 925; von Wolfersdorff, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2018, 1103, 1107). Die Erwägungen, die den Senat bei der Bewertung einer Sachzuwendung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG dazu veranlasst haben, die Kosten für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung nicht in die Bewertung des Sachbezugs einzubeziehen (z.B. Senatsurteil vom 16.05.2013 - VI R 94/10, BFHE 241, 519, BStBl II 2015, 186, Rz 20, 21), sind auf die Bewertung einer Zuwendung nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG mithin nicht übertragbar (ebenso Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 19.05.2015 - IV C 6-S 2297-b/14/10001, BStBl I 2015, 468, Rz 14; Schmidt/Loschelder, EStG, 39. Aufl., § 37b Rz14; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 37b Rz 20; Niermann, DB 2015, 1242, 1246 f.). Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Kosten für die Anmietung einer Konzerthalle ‑‑in die Entscheidung allerdings nicht tragenden Ausführungen‑‑ bereits als Bestandteil der Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG angesehen (BFH-Urteil vom 30.03.2017 - IV R 13/14, BFHE 257, 315, BStBl II 2017, 892, Rz 29).

  11. cc) Nach diesen Maßstäben hat das FG die streitigen Aufwendungen der Klägerin für den äußeren Rahmen der Veranstaltung einschließlich Umsatzsteuer im Ergebnis zu Recht in die Bemessungsgrundlage des § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG einbezogen. Denn diese Kosten sind der Veranstaltung und damit auch der Sachzuwendung ‑‑hier der unentgeltlichen Teilnahme an dieser Veranstaltung einschließlich Anreise‑‑ zuzuordnen. Etwas anderes gilt lediglich für die Aufwendungen der Klägerin betreffend die Werbemittel. Derartige Kosten dienen nicht der Veranstaltung, sondern der Eigenwerbung/Außendarstellung des Steuerpflichtigen. Sie sind der zu bewertenden Zuwendung damit nicht zuzuordnen und daher nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG einzubeziehen. Ausgehend hiervon hat das FG die Bemessungsgrundlage gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG vorliegend zutreffend um die entsprechenden Aufwendungen der Klägerin gekürzt. Dies steht zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren auch nicht im Streit.

  12. 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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