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Urteil vom 08. Juli 2021, VII R 29/19

Entnahme und Untersuchung einer Stichprobe aus einer Sendung Reis

ECLI:DE:BFH:2021:U.080721.VIIR29.19.0

BFH VII. Senat

ZK Art 68 Buchst b, EWGV 2913/92 Art 68 Buchst b, ZK Art 70 Abs 1 UAbs 2, EWGV 2913/92 Art 70 Abs 1 UAbs 2, ZK Art 71 Abs 2, EWGV 2913/92 Art 71 Abs 2, LFGB § 64 Abs 1, EGV 1234/2007 Anh 3, EGV 972/2006 Art 6 Abs 1, EGV 972/2006 Art 6 Abs 2 UAbs 2, EUV 706/2014 , FGO § 102, AO § 5

vorgehend FG Hamburg, 19. November 2018, Az: 4 K 192/16

Leitsätze

1. NV: Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit von Zollgut ermittelt wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde. Bei der Ermessensausübung hat die Zollbehörde alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen

2. NV: Im Falle der Entnahme einer Stichprobe aus dem Zollgut ist die Zollbehörde nicht zur Untersuchung der gesamten Probe verpflichtet, sondern kann sich auf die Untersuchung einer nach einem festgelegten Verfahren gewonnenen Teilmenge beschränken, sofern nicht zwingende rechtliche Vorgaben eine Untersuchung der gesamten Stichprobe verlangen.

3. NV: Nach Überlassung der gestellten Ware kommt eine zusätzliche Teilbeschau i.S. des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK anhand der Rückstellprobe nicht mehr in Betracht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 20.11.2018 - 4 K 192/16 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma ... GmbH (GmbH).

  2. Mit Zollanmeldung vom 16.01.2012 meldete die GmbH beim Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) insgesamt ... kg langkörnigen geschälten Basmati-Reis unter der Codenummer 1006 20 98 13 0 der Kombinierten Nomenklatur (KN) in der Fassung nach der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27.09.2011 zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ Nr. L 282, 1) mit der Ursprungsangabe Pakistan zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an, für den zunächst der Präferenzzollsatz "frei" gewährt wurde. Die eingeführte Warenmenge verteilte sich auf vier Container mit jeweils ... kg Reis in loser Schüttung. Zur Begrenzung der losen Schüttung waren im Bereich der Containertüren Reissäcke gestapelt, um ein Herausfallen des losen Reises beim Öffnen der Container zu verhindern.

  3. Im Rahmen der Einfuhrabfertigung ordnete das Zollamt eine stichprobenweise Beschaffenheitsbeschau an und entnahm ausweislich des Protokolls über die Probenziehung "3 Mischproben aus den Containern X-1, X-2, X-3 und X-4, à 500g, jeweils 125g aus jedem der Container". In der Sachakte findet sich die handschriftliche Ergänzung: "4 Container: entnommen je 125 gr. x 4 = 500 gr. und das 3x für 3 Picken = 1.500 gr. in 3 Beutel". Eine der entnommenen Proben leitete das Zollamt zur Untersuchung an das Bildungs- und Wissenschaftszentrum (BWZ) weiter.

  4. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 05.07.2012 erhob das HZA Einfuhrabgaben in Höhe von ... € mit der Begründung nach, dass die von der GmbH eingeführte Ware als Reismischung zu behandeln sei, bei der keiner der Bestandteile mindestens 90 Gewichtshundertteile (GHT) ausmache, und dass für derartige Mischungen der höchste Zollsatz anzuwenden sei. Im Streitfall sei somit die Unterposition (Unterpos.) 1006 30 48 90 0 KN für halbgeschliffenen Reis anzuwenden. Die von der GmbH beantragte Untersuchung der Rückstellprobe lehnte das HZA ab. Das Einspruchsverfahren, in dem die GmbH u.a. vorbrachte, das Zollamt hätte zum einen die Proben nicht nur aus den jeweils in Augenhöhe in den Containern befindlichen Reissäcken ziehen dürfen und zum anderen die entnommenen Proben insgesamt untersuchen müssen, war erfolglos.

  5. Dagegen erhob die GmbH Klage und brachte u.a. vor, das HZA habe bei allen vier Containern die rechte Tür entriegelt und geöffnet und mit einer sog. Probenbombe jeweils nur aus einem der auf Augenhöhe befindlichen Reissäcken eine Probe von 500 g Reis entnommen, insgesamt also 2 kg. Diese vier Einzelproben seien dann in vier Portionen zu je 125 g aufgeteilt worden. Schließlich seien jeweils vier dieser Portionen aus unterschiedlichen Containern zu drei Mischproben à 500 g zusammengeführt worden. Vier Probeportionen à 125 g seien übrig geblieben (vgl. Schriftsatz der GmbH vom 12.09.2016 an das Finanzgericht ‑‑FG‑‑, FG-Akte, Bl. 24 ff.).

  6. Das FG urteilte, die Nacherhebung sei rechtswidrig, weil aus der angemeldeten Warenmenge keine repräsentative Probe untersucht worden sei. Auch wenn die GmbH keine Angaben über eine unterschiedliche Beschaffenheit des Basmati-Reises gemacht habe, habe sich das HZA nicht auf die Entnahme und Untersuchung einer Stichprobe beschränken dürfen. Vielmehr hätte es die gezogene Teilprobe in Gänze untersuchen lassen müssen, was im Streitfall unterblieben sei. Eine Nacherhebung scheide auch deshalb aus, weil das HZA keine zusätzliche Zollbeschau durchgeführt habe mit der Folge, dass die Beschaffenheit der Ware als nicht geklärt anzusehen sei. Die insoweit gegebene Unaufklärbarkeit des Sachverhalts gehe zu Lasten des HZA. Der Anmelder könne eine zusätzliche Beschau verlangen, wenn er der Ansicht sei, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zuträfen. Es stehe auch in der alleinigen Entscheidung des Anmelders, ob die Probe durch eine Einrichtung der Zollverwaltung oder einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen untersucht werden solle. Angesichts des vom HZA nicht beschiedenen Anspruchs der GmbH auf Durchführung einer weiteren Zollbeschau sei das Ergebnis dieser zweiten Probenuntersuchung als offen anzusehen. Daher könne das Ergebnis der ersten Teilbeschau nicht für die gesamte Einfuhrsendung gelten und damit auch nicht die Nacherhebung der Einfuhrabgaben rechtfertigen.

  7. Die dagegen gerichtete Revision begründet das HZA wie folgt: Bei den vom BWZ für Warenuntersuchungen verwendeten Methoden handele es sich um bestätigte wissenschaftliche Prüfmethoden, die jeweils eine vorgegebene Einwaage (Probenmenge) erforderten. Das BWZ habe deshalb Verfahren festgelegt, um aus einer größeren Gesamtprobenmenge repräsentative Teilproben in der Größe der für die jeweiligen Prüfmethoden gewünschten bzw. verbindlich vorgesehenen Einwaagen zu gewinnen. Für Reis erfolge dies durch eine statistische Probenteilung, so dass sichergestellt sei, dass die Teilproben die gleiche Zusammensetzung aufwiesen wie die Originalprobe. Im Streitfall sei zur Feststellung des Schälgrades des Reises eine repräsentative Teilprobe mittels eines statistischen Probenteilers aus der vom Zollamt übersandten Reisprobe entnommen worden, aus der zweimal 100 Körner ausgesucht worden seien, von denen jedes einzelne Korn nach Einfärbung der Silberhaut von allen Seiten unter dem Mikroskop betrachtet worden sei. Da im Wege dieser Untersuchung abweichend von der Zollanmeldung eine Reismischung mit nicht unerheblichen Teilen halbgeschliffenen Reises festgestellt worden sei, habe der Einfuhrzoll für die Codenummer 1006 30 48 90 0 KN (Zollsatz 175 € je Tonne) angewandt werden müssen. Im vorliegenden Rechtsstreit gehe es um die Frage, ob das Ergebnis der vom BWZ vorgenommenen Probenuntersuchung nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 des Zollkodex (ZK) auf den Rest der Einfuhrware übertragen werden könne.

  8. Die Entscheidung, in welchem Umfang die Beschaffenheit der Ware ermittelt werde und Proben entnommen würden, liege im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde. Die gesetzliche Fiktion, dass der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspreche, setze grundsätzlich nicht voraus, dass es sich bei den entnommenen und geprüften Proben um im statistischen Sinn repräsentative Proben bzw. Durchschnittsproben der angemeldeten Waren handele. Bei Waren von laut Anmeldung einheitlicher Beschaffenheit repräsentiere bereits eine einzige Probe die gesamte Sendung. Unklar sei jedoch, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dies auch dann gelte, wenn die Ware zwar mit einheitlicher Beschaffenheit angemeldet worden sei, sich aber die Vermutung einer tatsächlich unterschiedlichen Beschaffenheit aufgrund der Eigenart der Ware aufdränge. Nach Überzeugung des HZA bestehe eine generelle Verpflichtung zur Untersuchung der vollständigen Probe auch bei Waren mit natürlichen Schwankungsbreiten nicht, weil repräsentative Teilproben einer für die Einfuhrsendung repräsentativen Gesamtprobe auch für die Einfuhrsendung repräsentativ seien.

  9. Die sich nach Auffassung des FG ergebende generelle Verpflichtung zur Untersuchung der vollständigen Probe sei unmöglich und widerspräche jeder Verhältnismäßigkeit. Der Frage, welche Probenmenge aus der Einfuhrsendung entnommen werde und welche Probenmenge nach welchen Untersuchungsverfahren zu untersuchen sei, lägen zwei rechtlich selbständige Ermessensentscheidungen zugrunde. Die in der Dienstvorschrift "Überführung von Waren in ein Zollverfahren; Entnahme von Mustern und Proben bei der Zollbeschau" (Z 07 12 in der Fassung vom 05.06.2013 ‑‑DV Z 07 12‑‑ Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung) festgelegten Mindestprobenmengen und die sich daraus ergebende Selbstbindung der Verwaltung beziehe sich ausschließlich auf die Entnahme und nicht auf die anschließende Untersuchung der Proben. Es sei eine interne Verwaltungsangelegenheit, wie die Verwaltung eine eigene Dienstvorschrift verstehe. Den Gerichten sei es grundsätzlich versagt, eigenes Ermessen an die Stelle der behördlichen Ermessensentscheidung zu setzen.

  10. Das FG verkenne auch, dass viele Warenarten (wie z.B. Lebensmittel) häufig mehreren Untersuchungen verschiedener Parameter zu unterwerfen seien, bei denen die eingesetzten Probenmengen im Regelfall vollständig verbraucht würden. Setzte die Verwaltung für die erste einer Reihe von Untersuchungen bereits die gesamte ihr vorliegende Menge ein, würde sie sich zwangsläufig dem Vorwurf aussetzen, dass durch den vorherigen Verbrauch einer Teilmenge eine Mengenkontamination der Probe stattgefunden habe und deren Repräsentativität nicht mehr gegeben sei.

  11. Darüber hinaus habe im Streitfall kein Anspruch auf die Durchführung einer zusätzlichen Zollbeschau bestanden, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine zusätzliche Teilbeschau nach der Überlassung der Waren grundsätzlich nicht mehr in Betracht komme. Die Beschränkung einer Beschau auf eine Stichprobe sei grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Anmelder in der Zollanmeldung nicht auf eine unterschiedliche Beschaffenheit der Ware hinweise; in diesem Fall sei die Zollbehörde auch nicht verpflichtet, eine Rückstellprobe zu ziehen. Ferner sei zu bedenken, dass die Entnahme einer Rückstellprobe im Rahmen der originären Zollbeschau nach Art. 68 ZK erfolge und deshalb nicht zugleich Gegenstand einer zusätzlichen Zollbeschau nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK würde. Die Rückstellprobe werde nur dann zur Untersuchung herangezogen, wenn die erste Probe für eine Analyse wegen einer Verunreinigung ungeeignet gewesen sei oder die Probenuntersuchung wegen technischer Probleme nicht ordnungsgemäß habe durchgeführt werden können. Eine fehlerhaft durchgeführte Untersuchung der entnommenen Warenprobe könne keinen Anspruch auf Untersuchung der Rückstellprobe im Rahmen einer zusätzlichen Beschau begründen. Eine zusätzliche Beschau sei abgesehen davon vorliegend auch nicht beantragt worden.

  12. Die Vorentscheidung leide schließlich unter einem Verfahrensmangel, weil das FG gegen den Grundsatz "ne ultra petita" verstoßen habe, indem es einen Einfuhrabgabenbescheid aufgehoben habe, dessen Aufhebung nicht beantragt worden sei.

  13. Das HZA beantragt,
    die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  14. Der Kläger beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

  15. Das Ermessen der Verwaltung bezüglich des Umfangs der Entnahme und der Untersuchung von Warenproben werde aufgrund einer Selbstbindung der Verwaltung durch die DV Z 07 12 auf null reduziert. Denn danach hätte die vollständige Probenmenge von 500 g untersucht werden müssen. Die Dienstvorschrift schreibe klar vor, dass die Durchschnittsprobe die Untersuchungsprobe bilde, die somit vollständig untersucht werden müsse. Ihr sei nicht zu entnehmen, dass aus der Durchschnittsprobe selbst erneut Teilproben gebildet und untersucht werden dürften. Dies würde die Dienstvorschrift ins Beliebige gehen lassen mit der Folge, dass dieser die rechtlich erforderliche Bestimmtheit und damit die Rechtswirksamkeit fehlte. Die vom HZA zitierte Rechtsprechung und Kommentierung sei ohne Belang für die Frage, ob die Zollbehörde im Streitfall von ihrer Dienstvorschrift habe abweichen dürfen. Die Warenbeschaffenheit müsse sich nicht nur in der entnommenen, sondern auch in der untersuchten Probenmenge widerspiegeln, damit das Untersuchungsergebnis als repräsentativ eingestuft werden könne. Allein der administrative Aufwand sei nicht ausschlaggebend.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) und ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass das HZA die entnommene Probe vollständig hätte untersuchen lassen müssen. Der Senat kann jedoch aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht selbst abschließend in der Sache entscheiden, weshalb diese zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen wird (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

  2. 1. Die Vorentscheidung ist nicht schon aufgrund eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Das FG hat zwar im Tenor ausgesprochen, dass der Bescheid vom 16.01.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 aufgehoben werden, obwohl die GmbH die Aufhebung des Bescheids vom 05.07.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 beantragt hatte. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Verstoß gegen den Verfahrensgrundsatz "ne ultra petita", sondern um eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 FGO.

  3. Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Nur mechanische Fehler, die ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, fallen unter diese Berichtigungsvorschriften. Ein offenbarer Fehler liegt vor, wenn er auf der Hand liegt, wenn er durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist. Schließlich kann die Berichtigung sowohl den Tenor als auch das Rubrum sowie die Urteils- bzw. Beschlussgründe betreffen (BFH-Beschluss vom 09.07.1997 - V B 6/97, BFH/NV 1998, 46, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 15.05.2006 - VII B 70/06, BFH/NV 2006, 1678).

  4. Aus den Gründen der Vorentscheidung geht eindeutig hervor, dass die GmbH nur die Nacherhebung des Zolls und nicht auch die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer angefochten und dass das FG auch nur über erstere entschieden hat. Mit der Einfuhrumsatzsteuer hat sich das FG daher (zu Recht) überhaupt nicht auseinandergesetzt.

  5. Demnach wäre die Entscheidung zu berichtigen, wobei nach Einlegung der Revision der BFH für die Berichtigung der angefochtenen Entscheidung zuständig ist (Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 107 FGO Rz 10 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 09.05.2012 - I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004). Eine im Revisionsverfahren grundsätzlich mögliche Berichtigung des Rubrums des finanzgerichtlichen Urteils (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28.11.1991 - XI R 40/88, BFHE 168, 343, BStBl II 1992, 741, Leitsatz 1) ist jedoch entbehrlich, wenn die Vorentscheidung ‑‑wie vorliegend‑‑ insgesamt aufgehoben wird (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.2012 - V R 2/11, BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634, Rz 29).

  6. 2. Das HZA war nicht verpflichtet, die entnommene Probe vollständig untersuchen zu lassen.

  7. a) Gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK wird Zoll nacherhoben, wenn er nicht oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Im Streitfall ist diese Voraussetzung dann erfüllt, wenn der von der GmbH eingeführte Basmati-Reis tatsächlich nicht in die Unterpos. 1006 20 98 13 0 KN (langkörniger geschälter Basmati-Reis bestimmter Sorten, Zollpräferenz für Pakistan 0 € pro Tonne), sondern wie vom HZA nachträglich festgestellt, in die Unterpos. 1006 30 48 90 0 KN (halbgeschliffener langkörniger Reis mit einem Verhältnis der Länge zur Breite mit 3 oder mehr, in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts über 20 kg) mit einem Drittlandzollsatz von 175 € pro Tonne einzureihen ist. Das Untersuchungsergebnis des HZA kann der Abgabenfestsetzung nur dann gemäß Art. 71 Abs. 1 ZK zugrunde gelegt werden, wenn die Beschau einschließlich der Entnahme und Untersuchung der Proben ermessensfehlerfrei durchgeführt worden ist.

  8. aa) Die Zollbehörden können zwecks Überprüfung der von ihnen angenommenen Anmeldungen eine Zollbeschau vornehmen, gegebenenfalls mit Entnahme von Mustern oder Proben zum Zweck einer Analyse oder eingehenden Prüfung (Art. 68 Buchst. b ZK). Die Beschau dient der genauen körperlichen Ermittlung von Menge und/oder Beschaffenheit der angemeldeten Ware; die Zollbehörden überprüfen, ob die Angaben in der Anmeldung mit der Ware übereinstimmen (Witte/Henke, Zollkodex, 6. Aufl., Art. 68 Rz 7). Gemäß Art. 242 Abs. 2 Unterabs. 2 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex (ZKDVO) werden Muster oder Proben nach den in den geltenden Bestimmungen vorgesehenen einschlägigen Methoden entnommen.

  9. Wird nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut, gelten die Ergebnisse dieser Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren (Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK). Soll nur ein Teil der angemeldeten Waren beschaut werden, teilt die Zollstelle dem Anmelder zwar mit, um welche Waren es sich handelt. Allerdings kann sich dieser der Auswahl nicht widersetzen (Art. 240 Abs. 2 ZKDVO). Nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK kann der Anmelder eine zusätzliche Zollbeschau verlangen, wenn er der Ansicht ist, dass die Ergebnisse der Teilbeschau auf den Rest der angemeldeten Waren nicht zutreffen (vgl. auch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Greencarrier Freight Services Latvia vom 27.02.2014 - C-571/12, EU:C:2014:102, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern ‑‑ZfZ‑‑ 2014, 97, Rz 21). Damit wird sichergestellt, dass das Ergebnis der Teilbeschau keine unverhältnismäßigen Folgen hat (EuGH-Urteil Gebr. Stolle und Doux Geflügel vom 24.11.2011 - C-323/10 u.a., EU:C:2011:774, Rz 106, ZfZ 2012, 14). Nach der Überlassung der Waren kommt eine zusätzliche Teilbeschau gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK grundsätzlich nicht mehr in Betracht, es sei denn, die Waren können noch in unveränderter Form vorgeführt werden (Art. 78 Abs. 2 Satz 3 ZK; Senatsurteil vom 24.01.2006 - VII R 5/05, BFH/NV 2006, 1368, unter II.3.; vgl. auch EuGH-Urteil Derudder vom 04.03.2004 - C-290/01, EU:C:2004:120, Rz 43, ZfZ 2004, 193).

  10. Die zeitliche Begrenzung der Möglichkeit, die Repräsentativität eines Musters oder einer Probe, die diesen Waren entnommen wurden, zu bestreiten, entspricht dem Zweck des Zollkodex, zügige und wirksame Verfahren zur Überführung in den zollrechtlichen Freiverkehr zu gewährleisten; könnte der Anmelder diese Repräsentativität zeitlich unbegrenzt bestreiten, müssten die Zollbehörden nämlich, um sich gegen ein solches Risiko abzusichern, von Amts wegen eine eingehende Prüfung aller Waren vornehmen, die Gegenstand einer Zollanmeldung sind, was weder dem Interesse der Wirtschaftsteilnehmer, denen im Allgemeinen daran gelegen ist, die Freigabe zu beantragen, um die angemeldeten Waren rasch vermarkten zu können, noch dem Interesse der Zollbehörden entspräche, für die eine systematische Prüfung der angemeldeten Waren einen erheblichen Arbeitsaufwand bedeuten würde. Die Möglichkeit des Bestreitens setzt somit voraus, dass die fraglichen Waren nicht freigegeben wurden oder, wenn sie freigegeben wurden, in keiner Weise verändert wurden, was der Anmelder oder sein Vertreter nachzuweisen hat (EuGH-Urteil Derudder, EU:C:2004:120, Rz 45 f., ZfZ 2004, 193).

  11. Gemäß Art. 71 Abs. 1 ZK, der nach Art. 77 ZK sinngemäß gilt, wenn die Zollanmeldung mit Mitteln der Datenverarbeitung abgegeben wird, werden die Ergebnisse der Überprüfung der Anmeldung der Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet worden sind, zugrunde gelegt. Findet keine Überprüfung der Anmeldung statt, so werden nach Art. 71 Abs. 2 ZK die in der Anmeldung enthaltenen Angaben für die Anwendung des Abs. 1 zugrunde gelegt.

  12. bb) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt wird, im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde liegt und dass es regelmäßig einer pflichtgemäßen Ermessensausübung entspricht, wenn sich die Zollbehörde in Fällen, in denen die Ware als einheitlich beschaffen angemeldet wird, auf die Beschau von Stichproben beschränkt. Die gesetzliche Fiktion, dass der nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften Teil entspricht, setzt in diesen Fällen grundsätzlich nicht voraus, dass es sich bei den entnommenen und geprüften Proben um Durchschnittsproben der angemeldeten Waren handelt (vgl. Senatsurteile vom 24.01.2006 - VII R 40/04, BFHE 212, 312, ZfZ 2006, 229, m.w.N.; in BFH/NV 2006, 1368, unter II.1.a; vom 21.08.2007 - VII R 35/04, BFHE 218, 440, ZfZ 2007, 326; vom 11.01.2011 - VII R 14/10, BFH/NV 2011, 1196, und vom 11.01.2011 - VII R 15/10, ZfZ 2011, 191; auch der Österreichische Verwaltungsgerichtshof hat die Entnahme von Stichproben grundsätzlich nicht beanstandet, vgl. Erkenntnis vom 26.02.2004 - 2002/16/0005, Datenbank des Rechtsinformationssystems des Bundes). Der Unionsgesetzgeber hat daher, abgesehen von den Fällen, in denen er für bestimmte Waren eine bestimmte Art der Probenentnahme vorschreibt, die Frage des Ob und des Wie der Zollbeschau der zuständigen Zollbehörde überlassen (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 1368, unter II.1.a aa). Das Ermessen kann jedoch durch Rechtsvorschriften (z.B. zur Ausfuhrerstattung) eingeschränkt sein (Senatsurteil in ZfZ 2011, 191). Besonderheiten bestehen auch bei Schüttgut, bei dem die enthaltenen verschiedenen Bestandteile durch das Verladen oder den Transport unregelmäßig vermischt sein können. Hier sind Proben an verschiedenen Stellen der Sendung zu ziehen, um eine repräsentative Durchschnittsprobe zu erhalten (Senatsurteil in BFH/NV 2006, 1368, unter II.1.b).

  13. cc) Soweit die Finanzbehörde ‑‑wie bei der Ermittlung der Beschaffenheit des Zollguts‑‑ ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde den für die Ermessensausübung maßgeblichen Sachverhalt vollständig ermittelt hat, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind (sog. Ermessensüberschreitung), ob die Finanzbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der (Ermessens-)Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (sog. Ermessensfehlgebrauch) oder ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausgeübt hat (sog. Ermessensunterschreitung) oder ob die Behörde die verfassungsrechtlichen Schranken der Ermessensbetätigung, insbesondere also den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, missachtet hat (§ 102 Satz 1 FGO; vgl. BFH-Urteile vom 26.06.2014 - IV R 17/14, BFH/NV 2014, 1507, Rz 25, m.w.N., und vom 12.05.2016 - II R 17/14, BFHE 253, 505, BStBl II 2016, 822, Rz 18). Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsakts bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen (§ 102 Satz 2 FGO).

  14. dd) Die Pflicht der Zollbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§ 88 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑) ist durch die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen beschränkt (s. allgemein Senatsbeschluss vom 31.01.2002 - VII B 312/00, BFH/NV 2002, 889, unter II.4., m.w.N.). Der Zollanmelder ist nach Art. 62 Abs. 1 Satz 2 ZK verpflichtet, die Waren mit den Merkmalen anzumelden, die für das von ihm beantragte Zollverfahren erforderlich sind. Zu diesen Merkmalen gehört bei der Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr auch die Beschaffenheit der Ware und die Angabe, ob die angemeldete Ware in sich unterschiedlich beschaffen ist. Macht der Zollanmelder keine Angaben zu einer etwaigen unterschiedlichen Beschaffenheit, bekundet er selbst, dass sich Fragen zum Umfang und zur Repräsentativität einer Durchschnittsprobe von vornherein nicht stellen, weil in Fällen dieser Art bereits eine einzige Probe die gesamte Warensendung "repräsentiert". Die Zollbehörde kann dann von einer einheitlichen Beschaffenheit der Ware ausgehen; sie kann ihr weiteres Verwaltungshandeln und die in ihrem Ermessen stehende Entscheidung über den Umfang der Probenziehung danach ausrichten und sich darauf beschränken, eine Stichprobe zu entnehmen, die ausreicht, um die erforderliche Beschaffenheitsuntersuchung durchzuführen (Senatsurteile in BFHE 212, 312, ZfZ 2006, 229, m.w.N.; in BFHE 218, 440, ZfZ 2007, 326, und in BFH/NV 2006, 1368, unter II.1.a bb).

  15. Weist der Anmelder in der Zollanmeldung nicht darauf hin, dass die von der Anmeldung umfassten Waren von unterschiedlicher Beschaffenheit sind, kann die Zollbehörde von einer einheitlichen Beschaffenheit ausgehen und gemäß Art. 70 ZK lediglich eine Teilbeschau durchführen. Das Ergebnis der Teilbeschau kann dann auf sämtliche angemeldeten Waren übertragen werden. Dieses Verfahren dient einer zügigen Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr (vgl. EuGH-Urteile Greencarrier Freight Services Latvia, EU:C:2014:102, Rz 22 f., ZfZ 2014, 97, und Nowaco Germany vom 07.09.2006 - C-353/04, EU:C:2006:522, Rz 55, ZfZ 2006, 349).

  16. b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG zu Unrecht beanstandet, dass das BWZ (im Auftrag des HZA) nicht die gesamte eingereichte Probe von 500 g, sondern nur zweimal 100 Reiskörner untersucht hat. Es gibt weder zwingende rechtliche Vorgaben, die die vollständige Untersuchung der entnommenen Probe verlangen, noch hat das HZA bei seiner Ermessensentscheidung die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten (§ 5 AO, § 102 FGO).

  17. aa) Aus der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22.10.2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse ‑‑VO 1234/2007‑‑ (ABlEU Nr. L 299, 1) ergibt sich keine Verpflichtung zur vollständigen Untersuchung der dem BWZ vorgelegten Probe.

  18. Nach Nr. I. 2. Buchst. d des Anhangs III der VO 1234/2007 erfolgt die Messung der Körner an vollständig geschliffenem Reis, nachdem der Partie eine repräsentative Probe entnommen worden ist (Buchst. i). Nach einer Sortierung der Probe werden zwei Messungen an jeweils 100 Körnern vorgenommen und der Durchschnitt errechnet (Buchst. iii).

  19. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift die Untersuchung von zweimal 100 Reiskörnern bestätigt, ist sie auf den Streitfall nicht anwendbar, weil vorliegend nach der Zollanmeldung geschälter Reis bzw. nach dem Ergebnis der Untersuchung halbgeschliffener Reis, aber jedenfalls kein vollständig geschliffener Reis, eingeführt worden ist. Vorgaben zur Bestimmung des Schleifgrades sind dieser Regelung nicht zu entnehmen.

  20. bb) Auch aus der Verordnung (EG) Nr. 972/2006 der Kommission vom 29.06.2006 zur Festlegung von Sonderbestimmungen für die Einfuhr von Basmati-Reis und einer vorübergehenden Kontrollregelung für die Ursprungsbestimmung ‑‑VO 972/2006‑‑ (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 176, 53) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 706/2014 der Kommission vom 25.06.2014 (ABlEU Nr. L 186, 54) ergibt sich keine Verpflichtung der Verwaltung zur Untersuchung der vollständigen Probe. Art. 6 Abs. 1 VO 972/2006 regelt lediglich die Entnahme von Proben zur Durchführung von Sortentests mittels einer DNA-Analyse, während Vorgaben zur Bestimmung des Schleifgrades auch hier nicht enthalten sind. Daher können auch aus Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 972/2006, wonach bis zu 5 % geschälten Reises nicht begünstigter Sorten der Gewährung der Zollbegünstigung nicht entgegenstehen, keine Erkenntnisse für den Streitfall gewonnen werden.

  21. cc) Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat keine anerkannten Verfahren zur Untersuchung des Schleifgrades von Reis nach § 64 Abs. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs in der Fassung vom 11.08.2011 veröffentlicht, sondern nur Verfahren für eine Untersuchung zum Nachweis gentechnischer Veränderungen in Reis (s. Inhaltsverzeichnis der Methodensammlung des BVL unter www.methodensammlung-bvl.de/de/dokumente/lebensmittel). Allerdings deutet das dort beschriebene Verfahren zur Aufteilung einer Probe in kleinere Proben mittels eines statistischen Probenteilers darauf hin, dass auch das BVL davon ausgeht, dass jede mittels statistischer Probenteilung gewonnene Portion in ihrer Zusammensetzung der Ausgangsprobe entspricht.

  22. dd) Das BWZ hat die ihm vorgelegte Probe in Übereinstimmung mit den dabei zu beachtenden Dienstanweisungen untersucht, aus denen sich ebenfalls keine Verpflichtung zur Untersuchung der vollständigen entnommenen Probe ergibt.

  23. Nach Ziffer 3 der Verfahrensanweisung D019.01B02 "Vorgehensweise bei der Untersuchung von Reis" (Stand 02.11.2009) wird die Probe zunächst geteilt und es werden drei Teilproben à 30 g abgetrennt, von denen eine für eine eventuelle Wiederholmessung aufbewahrt wird und zwei zur weiteren Untersuchung dienen. Nach Ziffer 4 dieser Verfahrensanweisung werden zur Bestimmung der Länge und Breite der Reiskörner zweimal 100 ganze Reiskörner aus einer der Teilproben ausgesucht. Diese Teilprobe dient auch zur Ermittlung des Schleifgrades.

  24. Nach Ziffer 5.2.1 des Prüfverfahrens PV 1017B.02 "Ermittlung des Schleifgrades von Reis" (Stand 01.05.2010) wird der Schleifgrad durch Beurteilung der zweimal 100 ganzen Körner der Längen- und Breitenmessung bestimmt. Mit der Untersuchung von insgesamt 200 Reiskörnern wird der natürlichen Schwankungsbreite des landwirtschaftlichen Erzeugnisses Rechnung getragen. Nach den weiteren Vorgaben des genannten Prüfverfahrens werden die Reiskörner im Fall von geschältem Reis zwingend, im Fall von halb bzw. vollständig geschliffenem Reis optional eingefärbt.

  25. Nach den Feststellungen des FG und den ergänzenden und nicht bestrittenen Ausführungen des HZA ist das BWZ bei der Untersuchung der Probe nach diesen Vorgaben verfahren. Insbesondere hat das BWZ aus der ihm übersandten Reisprobe mittels eines statistischen Probenteilers eine repräsentative Teilprobe entnommen und aus dieser zweimal 100 Reiskörner ausgesucht. Anschließend sind die ausgewählten Reiskörner nach Einfärbung der Silberhaut von allen Seiten unter dem Mikroskop betrachtet worden (vgl. Schriftsatz des HZA vom 01.11.2019, S. 3, und Schriftsatz des Klägers vom 18.02.2020, S. 2).

  26. Dass das BWZ die Reiskörner unter dem Mikroskop und nicht wie in Ziffer 5.2.1 des Prüfverfahrens PV 1017B.02 beschrieben unter einer Lupe untersucht hat, hält der Senat nicht für ausschlaggebend, weil in beiden Fällen eine eingehende Betrachtung der eingefärbten Reiskörner ermöglicht wird. Im Übrigen wurde dies von den Beteiligten auch nicht beanstandet.

  27. ee) Das Ermessen des HZA war nicht durch die DV Z 07 12 vorgeprägt, weil diese Dienstvorschrift keine Vorgaben zur (labortechnischen) Untersuchung der Proben, sondern nur für deren Entnahme und weitere Behandlung enthält. Dies ergibt sich schon aus der Überschrift ("Entnahme von Mustern und Proben bei der Zollbeschau") und aus den allgemeinen Bemerkungen in Abs. 1. Auch die einzelnen Regelungen in DV Z 07 12 beziehen sich lediglich auf die Entnahme von Proben (vgl. z.B. Abs. 14 und 19) und deren weitere Behandlung (vgl. z.B. Abs. 20 zur Kennzeichnung, Abs. 21 f. zur Sicherung und Abs. 23 ff. zur weiteren Behandlung der Proben). Die labortechnische Untersuchung wird wie oben bereits dargestellt in der Verfahrensanweisung D019.01B02 und dem Prüfverfahren PV 1017B.02 festgelegt.

  28. c) Das HZA war entgegen der Rechtsauffassung des FG nicht gemäß Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK zur Durchführung einer zusätzlichen Zollbeschau verpflichtet.

  29. aa) Eine zusätzliche Zollbeschau kam im Streitfall schon deshalb nicht mehr in Betracht, weil die Waren bereits überlassen worden waren. Die GmbH hat den Reis auch nicht erneut in unveränderter Form vorgeführt, um eine weitere Beschau durchführen zu lassen.

  30. bb) Die GmbH kann auch nicht eine nochmalige Durchführung der Untersuchung anhand der bereits entnommenen Probe verlangen, weil sich eine zusätzliche Zollbeschau i.S. des Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK nicht auf die bereits beschauten Waren bezieht. Da der tatsächlich untersuchte Reis anhand eines statistischen Probenteilers aus der entnommenen Probe ausgesondert wurde und somit davon auszugehen ist, dass diese Teilprobe statistisch betrachtet der Gesamtprobe (500 g) entspricht, war die entnommene Gesamtprobe bereits Gegenstand der Beschau. Es besteht auch kein Anspruch auf Untersuchung der Rückstellprobe, weil sich die Zollbehörde im Rahmen sachgerechter Ermessensausübung auch bei der Ziehung mehrerer Proben auf die Untersuchung einer einzigen Probe beschränken kann (Senatsurteil in BFHE 212, 312, ZfZ 2006, 229, unter II.2.e).

  31. 3. Im zweiten Rechtsgang wird das FG nach den Vorgaben von Art. 245 ZK i.V.m. § 102 Satz 1 FGO zu prüfen haben, ob das HZA sein Ermessen bei der Entnahme der Proben aus dem Zollgut korrekt ausgeübt und dabei alle im Streitfall maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Ermessensentscheidung einbezogen und angemessen berücksichtigt hat. Ob die GmbH oder ein Vertreter bei der Probenentnahme anwesend war oder Einwendungen erhoben hat, schränkt die Befugnis des FG zur Überprüfung der Ermessensentscheidung des HZA nach § 102 FGO nicht ein.

  32. a) Das HZA hat bei seiner Ermessensausübung einerseits zu Recht berücksichtigt, dass die GmbH in ihrer Zollanmeldung nicht auf eine eventuelle unterschiedliche Beschaffenheit des Basmati-Reises hingewiesen, sondern die Ware einheitlich angemeldet hat.

  33. Andererseits hätte es bei der Entscheidung über die Entnahme der Proben bedenken müssen, dass die GmbH ein landwirtschaftliches Erzeugnis angemeldet hat, das einer natürlichen Schwankungsbreite unterliegen kann. Dazu kommt, dass der Reis zu 90 % und damit zum ganz überwiegenden Teil in loser Schüttung und nur zu etwa 10 % in Säcken befördert und gestellt (Art. 40 ZK) worden ist. Infolge der Erschütterungen bei der Verladung und beim Transport kann es jedoch bei Schüttgut zu einer Schichtenbildung bzw. einer unregelmäßigen Vermischung im Container kommen. Die Repräsentativität einer entnommenen Probe kann daher in diesem besonderen Fall nicht allein aufgrund eines fehlenden Hinweises in der Zollanmeldung auf die unterschiedliche Beschaffenheit der Ware unterstellt werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass die GmbH in ihrer Zollanmeldung eine Präferenz in Anspruch nehmen wollte, bei der ein geringer Anteil nicht begünstigter Reissorten (bis zu 5 % gemäß Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 VO 972/2006) toleriert wird. Diese Besonderheiten des Streitfalls sprechen dafür, dass die Proben an mehreren Stellen der Container in unterschiedlicher Höhe hätten entnommen und anschließend vermischt werden müssen. Es wäre daher ermessensfehlerhaft, wenn die Proben ‑‑wie die GmbH vorbringt‑‑ immer an derselben einen Stelle des jeweiligen Containers entnommen worden wären, weil die Tatsache, dass kleinere Teile nach unten absinken, dann nicht berücksichtigt würde.

  34. Zudem geht aus den Feststellungen des FG nicht eindeutig hervor, ob sich in den Säcken der gleiche Reis wie im übrigen Container befand. Das FG hat im ersten Rechtsgang lediglich festgestellt, dass die gesamte Sendung unter der Unterpos. 1006 20 98 13 0 KN angemeldet wurde. Zu möglichen Unterschieden des Reises in der losen Schüttung und in den Säcken hat das FG in der Vorentscheidung jedoch keine Ausführungen gemacht, so dass dieser Gesichtspunkt aufgrund seiner erheblichen Bedeutung für die Ermessensentscheidung bei der Probenentnahme im zweiten Rechtsgang zu klären ist. Es geht aus der Vorentscheidung auch nicht hervor, ob der Reis in einer oder in mehreren Positionen der Zollanmeldung angemeldet worden ist (Art. 198 ZKDVO). Sofern sich der Reis in den Säcken von dem Reis in loser Schüttung unterscheidet, wäre dies bei der Entnahme von Proben zu berücksichtigen gewesen und wären gegebenenfalls getrennte Proben zu entnehmen gewesen.

  35. Sofern es sich bei dem Reis in loser Schüttung und in den Säcken um den gleichen Reis gehandelt hat, wäre die Entnahme nur einer Probe aus einem Sack pro Container nur dann ermessensgerecht, wenn ausgeschlossen ist, dass sich in den Säcken ‑‑genau wie bei Schüttgut‑‑ infolge der Verladung und des Transports Schichten bilden können. Kann es auch in den Säcken zu einer Entmischung und einem Absinken kleinerer Teile kommen, hat das HZA dies bei der Ermessensentscheidung im Rahmen der Entnahme der Probe angemessen zu berücksichtigen und gegebenenfalls auch in diesem Fall an verschiedenen Stellen Proben zu entnehmen.

  36. Das Vorbringen des HZA in seiner Einspruchsentscheidung, wonach es im Streitfall nur um die Oberflächenbearbeitung des Reiskorns gehe, ist insofern nicht überzeugend, als es für die Besteuerung von Reismischungen auch auf die Größe und Form der Reiskörner ankommt. Denn bei Vorliegen einer Reismischung des Kapitels (Kap.) 10 KN ist es für den anzuwendenden Zollsatz maßgeblich, ob einer der Bestandteile mindestens 90 GHT ausmacht oder nicht (vgl. Zusätzliche Anmerkung 2 zu Kap. 10 KN).

  37. b) Die Ermessensausübung des HZA war im Streitfall teilweise durch die DV Z 07 12 vorgeprägt.

  38. Die Auslegung einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift richtet sich nicht nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Maßstäben, sondern danach, wie die Verwaltung sie versteht und verstanden wissen will. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (BFH-Beschluss vom 03.02.2009 - VIII B 114/08, BFH/NV 2009, 887; vgl. auch BFH-Urteile vom 19.09.2012 - VI R 54/11, BFHE 239, 85, BStBl II 2013, 395, Rz 21, und vom 15.06.2016 - III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl II 2017, 25, Rz 23). Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung dürfen Verwaltungsanweisungen nicht auf ähnliche, von der Anweisung aber tatsächlich nicht erfasste Sachverhalte angewendet werden (BFH-Urteile vom 10.06.1992 - I R 142/90, BFHE 168, 226, BStBl II 1992, 784, und vom 13.01.2011 - V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, Rz 16).

  39. Abs. 14 der DV Z 07 12 schreibt vor, dass Proben aus jedem beschauten Packstück oder Behältnis oder ‑‑bei lose verladenen Waren‑‑ aus jedem beschauten abgetrennten Raum des Beförderungs- oder Lademittels zu entnehmen sind, es sei denn, dass die Waren offensichtlich von einheitlicher Beschaffenheit sind. Dies hat das HZA im Streitfall hinreichend berücksichtigt, indem es aus jedem der vier beschauten Container eine Probe entnommen hat.

  40. Das HZA hat auch die Vorgaben des Abs. 17 der DV Z 07 12 erfüllt. Danach sind für die Untersuchungsprobe und die Rückstellprobe grundsätzlich jeweils mindestens die aus der Anlage ersichtlichen Mengen zu entnehmen, die möglichst nicht oder allenfalls unwesentlich überschritten werden sollen. Für Waren der Kap. 1 bis 23 KN sind hier 500 g vorgeschrieben.

  41. Weiterhin verlangt Abs. 19 der DV Z 07 12, dass Teilproben gleicher Größe aus verschiedenen Schichten entnommen und zu einer Gesamtprobe vereinigt werden, wenn die Beschaffenheit der Ware eine Entmischung oder eine abweichende Zusammensetzung einzelner Teile erkennen oder vermuten lässt. Dies gilt insbesondere bei körnigen Gemischen fester Waren. Im Streitfall sprechen die Anmeldung von Reis und dessen (überwiegende) Beförderung als Schüttgut für die Möglichkeit einer Entmischung. Sofern die Proben ausschließlich aus den Säcken entnommen worden sein sollten ‑‑was die GmbH vor dem FG vorgetragen hat‑‑, kann der Probenentnahme nur dann eine ermessensgerechte Entscheidung zugrunde liegen, wenn bei Reis in Säcken eine Entmischung ausgeschlossen ist. Letzteres hat das HZA vor dem FG zwar behauptet, aber nicht belegt (s. Schriftsatz vom 26.10.2016, S. 3).

  42. c) Dagegen enthält die VO 972/2006 keine Vorgaben, die die Ausübung des Ermessens des HZA bei der Entnahme von Proben in eine bestimmte Richtung lenken, unabhängig davon, ob diese Verordnung im Streitfall überhaupt angewandt werden kann, weil die GmbH zumindest nach den Feststellungen des HZA halbgeschliffenen Reis eingeführt hat, während Art. 1 VO 972/2006 nur für geschälten Basmati-Reis bestimmter KN-Codes eine zollfreie Einfuhr zulässt. Zu berücksichtigen ist, dass diese Verordnung lediglich Regelungen zur Bestimmung der Sorte (insbesondere Einfuhrlizenz, Echtheitszeugnis) trifft, die aber vorliegend nicht streitig ist, denn im Streit steht lediglich der Schälgrad.

  43. d) Kommt das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass die Probenentnahme nicht ermessensgerecht erfolgt ist, kann auch das Ergebnis der Untersuchung der Probe der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. In diesem Fall ist vielmehr gemäß Art. 71 Abs. 1 ZK von den Angaben der GmbH in der Zollanmeldung auszugehen.

  44. Ist die Entnahme der Probe dagegen ermessensfehlerfrei erfolgt und bestätigt sich das Untersuchungsergebnis der Verwaltung im zweiten Rechtsgang, ist der eingeführte Reis ausgehend von dem Untersuchungsergebnis des BWZ als halbgeschliffener Reis, nicht parboiled, langkörnig, mit einem Verhältnis der Länge zur Breite von drei oder mehr, in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhalts von mehr als 20 kg in die Unterpos. 1006 30 48 90 0 KN mit einem Drittlandszollsatz von 175 € pro Tonne einzureihen.

  45. Nach der Zusätzlichen Anmerkung 2 Buchst. b zu Kap. 10 ist bei Mischungen, in denen einer der Bestandteile ‑‑wie im Streitfall‑‑ nicht mindestens 90 GHT ausmacht, der Zollsatz des Bestandteils anzuwenden, der zu dem höchsten Zollbetrag führt. Anzuwenden ist demnach der Zollsatz der Unterpos. 1006 30 48 90 0 KN, nämlich 175 € pro Tonne. Dies entspricht Art. 151 Buchst. b VO 1234/2007.

  46. 4. Die Kostenentscheidung wird dem FG übertragen (§ 143 Abs. 2 FGO).

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