ECLI:DE:BFH:2025:U.200225.IVR17.22.0
BFH IV. Senat
AO § 171 Abs 3, AO § 173 Abs 2 S 2, AO § 181 Abs 1 S 1, AO § 202 Abs 1 S 3, AO § 118, GG Art 19 Abs 4 S 1, FGO § 126 Abs 5
vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 17. May 2022, Az: 13 K 254/20
Leitsätze
Eine Mitteilung an den Steuerpflichtigen, dass die durchgeführte Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt hat (§ 202 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑), stellt ‑‑obwohl sie eine Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO bewirkt‑‑ keinen Verwaltungsakt dar (Bestätigung der Rechtsprechung).
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17.05.2022 - 13 K 254/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum Jahr 2009 ein Einzelunternehmen als Betreuer auf Honorarbasis. Im Jahr 2009 gründete er zusammen mit Herrn A die AB-GbR. Der Kläger war daran zu 60,5 % beteiligt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ erklärungsgemäße Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide) für die AB-GbR; am 03.02.2012 für das Jahr 2010, am 26.09.2012 für das Jahr 2011. Darin wurde dem Kläger ein Anteil an dem Gesamthandsgewinn der AB-GbR von 43.157,11 € (2010) und 32.545,16 € (2011) zugerechnet. Hiergegen wurden keine Rechtsbehelfe eingelegt.
Mit seiner Einkommensteuererklärung 2010 reichte der Kläger im Jahr 2012 eine auf den Namen der AB-GbR lautende Anlage EÜR ein. Darin wurden Betriebseinnahmen in Höhe von 43.157,11 € und Betriebsausgaben in Höhe von 9.180,99 € erklärt. In dem Einkommensteuerbescheid 2010 für den Kläger vom 14.12.2012 berücksichtigte das FA die erklärten Einnahmen aus Beteiligung in Höhe von 43.157 €. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein und verwies darauf, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht allein mit seiner Tätigkeit für die AB-GbR zusammenhingen, sondern er entsprechende Aufwendungen gehabt habe, um bei seinem Einzelunternehmen die Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 2010 vom 27.05.2014 erkannte das FA die geltend gemachten Aufwendungen bei den Einkünften des Klägers an.
Mit seiner Einkommensteuererklärung 2011 machte der Kläger unter anderem negative Einkünfte von 3.438 € für "ambulante Betreuungen" geltend. Der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid 2011 vom 21.03.2014 berücksichtigte den erklärten Verlust bei den Einkünften des Klägers. Die Einkünfte aus der Beteiligung des Klägers an der AB-GbR wurden ebenfalls berücksichtigt.
Das FA führte bei der AB-GbR für die Gewinnfeststellung 2010 bis 2012 eine Außenprüfung durch, die ohne Änderung der Besteuerungsgrundlagen beendet wurde. Dies wurde dem Steuerberater der AB-GbR mit Schreiben vom 19.05.2015 mitgeteilt. Parallel zu der Außenprüfung bei der AB-GbR wurde auch bei dem Kläger die Einkommensteuer 2010 bis 2012 geprüft. Der Prüfer kam dort zu dem Ergebnis, dass die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen Sonderbetriebsausgaben bei der AB-GbR darstellten und in keinem Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen des Klägers stünden. Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerbescheide des Klägers für 2010 und 2011 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und berücksichtigte die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht mehr.
Am 29.07.2015 beantragte die AB-GbR die Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 und begründete dies mit den Feststellungen der Außenprüfung bei dem Kläger. Die Aufwendungen müssten bei der AB-GbR als Sonderbetriebsausgaben des Klägers abgezogen werden.
Das FA lehnte diesen Antrag ab. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger habe es grob schuldhaft unterlassen, im Rahmen der Erklärungen zur Gewinnfeststellung 2010 und 2011 für die AB-GbR seine Sonderbetriebsausgaben zu erklären. Eine Änderungsbefugnis sei nicht mehr gegeben.
Die dagegen im ersten Rechtszug zum Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobene Klage wurde mit Urteil vom 01.03.2017 - 2 K 56/16 als unbegründet abgewiesen. Die begehrten Änderungen könnten weder auf § 174 Abs. 3 AO noch auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden.
Dieses Urteil des FG hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10.09.2020 - IV R 6/18 (BFHE 270, 87, BStBl II 2021, 197) auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Eine Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitere nicht an einem groben Verschulden des Klägers. Denn es lägen mit den von dem Kläger geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben nicht nur nachträglich bekannt gewordene Tatsachen vor, die zu niedrigeren Einkünften bei der AB-GbR führten, sondern es ergäben sich daraus auch gegenläufige Gewinnauswirkungen bei der Einkommensteuer des Klägers. Es sei im zweiten Rechtsgang noch zu klären, ob die streitigen Aufwendungen des Klägers als Sonderbetriebsausgaben des Klägers bei der AB-GbR veranlasst seien und ob die Voraussetzungen einer Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO vorlägen, sofern eine Mitteilung über eine ergebnislose Außenprüfung bei der AB-GbR nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO erfolgt sei.
Das FG wies die Klage im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 17.05.2022 - 13 K 254/20 erneut ab. Die Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 für die AB-GbR seien nicht mehr änderbar. Es greife die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO wegen der Mitteilung über die ergebnislose Außenprüfung bei der AB-GbR ein. Bei dieser Mitteilung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt; ein nachfolgend eingereichtes Schreiben des Klägers könne deshalb keinen Einspruch darstellen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere eine unzutreffende Auslegung des § 202 AO.
Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 2 AO stehe der begehrten Änderung nicht entgegen. Die Annahme des FG, die Mitteilung über die ergebnislose Außenprüfung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO stelle keinen Verwaltungsakt dar, sei rechtsfehlerhaft. Dem stehe die Mehrheit der Äußerungen in der Fachliteratur entgegen, die darin einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt erkenne. Um dem Steuerpflichtigen den Rechtsschutz nicht abzuschneiden, müsse dieser Mitteilung der Charakter eines anfechtbaren Verwaltungsakts zukommen. Dementsprechend sei das Schreiben des Klägers vom 29.07.2015 in einen Einspruch gegen diese Mitteilung umzudeuten. Über diesen müsse das FA noch entscheiden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das FA unter Aufhebung des Urteils des FG vom 17.05.2022 - 13 K 254/20, des Ablehnungsbescheids vom 09.09.2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 29.03.2016 zu verpflichten, die Gewinnfeststellungsbescheide 2010 vom 03.02.2012 und 2011 vom 26.09.2012 betreffend die AB-GbR dahingehend zu ändern, dass Sonderbetriebsausgaben für den Kläger für 2010 in Höhe von 8.599,99 € sowie für 2011 in Höhe von 2.637,56 € berücksichtigt werden.Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.Das FA und der Kläger haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der Zulässigkeit einer Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 wegen des Abzugs von Sonderbetriebsausgaben des Klägers.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen. Solche selbständigen Feststellungen sind unter anderem die Feststellung eines Sonderbetriebsgewinns ‑‑verstanden als Saldo von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben‑‑ beziehungsweise einer Sondervergütung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (z.B. BFH-Urteil vom 23.03.2023- IV R 8/20 (IV R 7/17), Rz 22, m.w.N.).
b) Der Kläger macht den Abzug von bisher nicht berücksichtigten Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 8.599,99 € (2010) sowie 2.637,56 € (2011) geltend und begehrt eine entsprechende Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide der AB-GbR für die Jahre 2010 und 2011.
2. Eine Beiladung des A als weiterer ehemaliger Gesellschafter der AB-GbR nach § 60 Abs. 3 FGO war nicht geboten, da er durch die allein streitige Feststellung von Sonderbetriebsausgaben des Klägers nicht betroffen ist (vgl. BFH-Urteil vom 17.03.2021 - IV R 20/18, BFHE 272, 440, BStBl II 2021, 904, Rz 20).
3. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Den begehrten Änderungen der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 für die AB-GbR wegen neuer Tatsachen steht eine Änderungssperre gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 173 Abs. 2 Satz 2 AO entgegen.
a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln stehen, die nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer höheren Steuer führen. Diese Regelung ist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden (BFH-Urteil ‑‑im ersten Rechtsgang‑‑ vom 10.09.2020 - IV R 6/18, BFHE 270, 87, BStBl II 2021, 197, Rz 27, 38).
b) Aufgrund der Bindung des Senats an seine im ersten Rechtsgang getroffene Entscheidung steht fest, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind und ein Verschulden des Klägers der begehrten Änderung nicht entgegensteht.
aa) Die Verpflichtung des FG, nach einer Zurückverweisung der Sache gemäß § 126 Abs. 5 FGO seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrunde zu legen, gilt grundsätzlich im selben Umfang für den BFH und bewirkt insoweit eine Selbstbindung. Sie kann nur entfallen, wenn sich nachträglich die maßgebenden Umstände geändert haben, weil sich entweder der zugrunde gelegte Sachverhalt in einer für die Entscheidung erheblichen Weise geändert hat, sich einschlägige Gesetzesbestimmungen rückwirkend geändert haben oder sich die höchstrichterliche Rechtsprechung ‑‑unabhängig von dem Streitfall‑‑ geändert hat (z.B. BFH-Urteil vom 13.11.2017 - XI R 12/16, Rz 19 f., m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
bb) Damit steht aufgrund des BFH-Urteils im ersten Rechtsgang vom 10.09.2020 - IV R 6/18 (BFHE 270, 87, BStBl II 2021, 197) unter anderem fest, dass für eine Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 nach § 181 Abs. 1 Satz 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ein grobes Verschulden des Klägers zwar gegeben, aber nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO unbeachtlich ist. Denn aus seinen Einkommensteuerbescheiden 2010 und 2011 ergeben sich gegenläufige, steuererhöhende Einkünfte betreffend die begehrte Korrektur der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011.
c) Die beantragte Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide kommt gleichwohl nicht in Betracht, da die AB-GbR diese erst beantragt hat, als die Außenprüfung bereits durchgeführt und ihr mitgeteilt worden war, dass keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Damit war bereits eine Änderungssperre eingetreten, die der begehrten Korrektur entgegensteht.
aa) Nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO können Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO gegenüber dem Steuerpflichtigen erfolgt ist, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.
bb) Die in § 173 Abs. 2 AO angeordnete Änderungssperre gilt nur für Änderungen auf der Grundlage von § 173 Abs. 1 AO wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel, nicht für Korrekturen aufgrund anderer Rechtsgrundlagen, etwa § 164 Abs. 2 AO, oder für Erstbescheide (BFH-Urteile vom 22.08.1990 - I R 76/88, BFH/NV 1991, 341, unter II.3.b [Rz 13]; vom 14.09.1993 - VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, unter II.1.c [Rz 18]; vom 18.08.2009 - X R 8/09, BFH/NV 2010, 161, unter II.3.b [Rz 20]; vom 25.11.2015 - I R 50/14, BFHE 253, 52, BStBl II 2017, 247, Rz 21).
cc) Der Zweck der Änderungssperre in § 173 Abs. 2 AO besteht darin, Steuerverwaltungsakten im Interesse des Rechtsfriedens eine verstärkte Bestandskraft zu verleihen, wenn sie das Ergebnis einer Außenprüfung sind (vgl. Regierungsentwurf einer Abgabenordnung in BTDrucks VI/1982, S. 153). Die mit einer Außenprüfung einhergehende umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen rechtfertigt es, den auf dieser Grundlage ergangenen Steuerbescheiden eine erhöhte Rechtsbeständigkeit zu verleihen. Sie sollen nur unter erschwerten Bedingungen korrigiert werden dürfen (z.B. BFH-Urteile vom 11.12.1997 - V R 56/94, BFHE 185, 98, BStBl II 1998, 367, unter II.2.c dd [Rz 42]; vom 16.06.2004 - X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502, unter II.3.c [Rz 34]).
Die Änderungssperre soll in erster Linie den Schutz des Steuerpflichtigen bezwecken. Nach Durchführung und Auswertung einer Außenprüfung soll er vor Steuernachforderungen aufgrund neuer Tatsachen sicher sein (BFH-Urteile vom 31.08.1990 - VI R 78/86, BFHE 161, 539, BStBl II 1991, 537 [Rz 12]; vom 18.02.2009 - V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.4.c aa [Rz 49]). Gleichwohl gilt eine Änderungssperre zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 29.01.1987 - IV R 96/85, BFHE 149, 201, BStBl II 1987, 410, unter 3. [Rz 11 ff.]; vom 11.12.1997 - V R 56/94, BFHE 185, 98, BStBl II 1998, 367, unter II.2.b [Rz 21]).
dd) § 173 Abs. 2 Satz 2 AO ist auch auf Gewinnfeststellungen anzuwenden.
Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung für die gesonderte Feststellung sinngemäß. Eine besonders verfestigte Bestandskraft (dazu oben unter II.3.c cc) von Steuerbescheiden, die nach Durchführung einer Außenprüfung ergehen, ist auch dann gerechtfertigt, wenn gesondert und einheitlich festgestellte Einkünfte beziehungsweise mit diesen in Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen durch die Außenprüfung überprüft wurden und kein Änderungsbedarf festgestellt wurde.
d) Bei der die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO auslösenden Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO handelt es sich nicht um einen (anfechtbaren) Verwaltungsakt, sondern um einen Realakt, den der Kläger nicht (mit der Folge des Wegfalls der Änderungssperre) im Wege der Anfechtung beseitigen konnte.
aa) Ein Verwaltungsakt ist nach § 118 Satz 1 AO jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist.
bb) In der Fachliteratur wird ganz überwiegend angenommen, dass es sich bei der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO um einen Verwaltungsakt handele (so Hendricks in Gosch, AO § 202 Rz 27; BeckOK AO/Hannig, 31. Ed. 01.01.2025, AO § 202 Rz 29; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 202 AO Rz 52; Koenig/Intemann, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 202 Rz 17; Seer in Tipke/Kruse, § 202 AO Rz 16; anderer Ansicht aber Klein/Maetz, AO, 18. Aufl., § 202 Rz 9).
Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Mitteilung unmittelbare Rechtsfolgen, darunter den Eintritt der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO, die Erledigung der Prüfungsanordnung, die Verpflichtung zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 3 Satz 3 AO und die Verlängerung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO bewirke. Ein ‑‑statthafter‑‑ Einspruch gegen die Mitteilung sei deshalb begründet, wenn die Außenprüfung Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen übersehen habe und eine Steuererstattung möglich sei. Die Anfechtbarkeit der Mitteilung gebiete auch der verfassungsrechtliche Anspruch auf umfassenden Rechtsschutz.
cc) Der Senat hält indes an der Rechtsprechung des BFH fest, wonach der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO nicht die Qualität eines Verwaltungsakts zukommt, da sie keine für die Annahme eines Verwaltungsakts erforderliche Regelung trifft (BFH-Urteile vom 29.04.1987 - I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168, unter II.1.b [Rz 17 ff.]; vom 14.09.1993 - VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, unter II.1.c [Rz 20]; offengelassen in BFH-Urteil vom 31.08.1990 - VI R 78/86, BFHE 161, 539, BStBl II 1991, 537 [Rz 10]).
(1) Der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kommt, ebenso wie dem Prüfungsbericht, lediglich eine Dokumentations- und Protokollfunktion zu - sie gibt nur Auskunft über das tatsächliche Ergebnis der durchgeführten Außenprüfung. Die Mitteilung ist auch im Hinblick auf § 171 Abs. 4 und § 173 Abs. 2 AO kein Verwaltungsakt, weil sie die dort genannten Rechtsfolgen (Beendigung der Ablaufhemmung; Eintritt der Änderungssperre) nicht regelnd anordnet. Stattdessen knüpfen die Rechtsfolgen der genannten Vorschriften an die Mitteilung im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz 3 AO als ein im Tatsächlichen liegendes Tatbestandsmerkmal an (BFH-Urteil vom 29.04.1987 - I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168, unter II.1.b [Rz 18 f.]).
(2) Die Qualifikation der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO als Realakt verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes.
(a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten Instanzen (z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 31.05.2011 - 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1, Rz 68).
Dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz kommen bereits Vorwirkungen auf das dem gerichtlichen Verfahren vorgelagerte Verwaltungsverfahren zu. Danach darf dieses Verfahren nicht darauf angelegt werden, den gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln oder unzumutbar zu erschweren. Daraus ergeben sich zunächst und in erster Linie Anforderungen an das Verhalten der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren; sie darf zum Beispiel spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des Gerichts nicht ausschalten. Ferner darf dem Bürger, dessen Verhalten im Verwaltungsverfahren dazu geführt hat, dass ihm ein Recht nicht zuerkannt worden ist, nicht die Möglichkeit genommen oder unzumutbar erschwert werden, vor einem Gericht geltend zu machen, ihm stehe das Recht zu (BVerfG-Urteil vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84, BVerfGE 69, 1, Rz 107).
(b) Aus dem Grundgesetz ergibt sich allerdings keine allgemeine Verpflichtung der Verwaltung, rechtswidrig belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder abzuändern (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 27.02.2007 - 1 BvR 1982/01, BVerfGE 117, 302, Rz 33; vom 30.01.2008 - 1 BvR 943/07, Rz 26). Dem Gesetzgeber steht die Befugnis zu, den Konflikt zwischen Rechtssicherheit, Rechtsfrieden, Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Schaffung der normativen Vorgaben für die Verwaltung auszugleichen. Die Verwaltung muss im Verwaltungsverfahren bei Anwendung dieser Normen im Einzelfall auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten (BVerfG-Nichtannahmebeschluss vom 10.06.2009 - 1 BvR 571/07, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 15, 545, Rz 27 f.).
(c) Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze ist es danach nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen für die Änderung bestandskräftiger Verwaltungsakte davon ausgeht, dass die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit eher zugunsten der Rechtssicherheit ausfällt, je umfangreicher und gründlicher das der Entscheidung vorangegangene Entscheidungsverfahren war, eine Durchbrechung der Bestandskraft hingegen leichter zu erreichen ist, wenn die Fehleranfälligkeit des Verfahrens erhöht ist (vgl. Wernsmann in HHSp, § 130 AO Rz 28; Loose in Tipke/Kruse, vor §§ 130 bis 133 AO Rz 11). Hat danach eine umfassende Aufklärung der Besteuerungsgrundlagen durch eine Außenprüfung stattgefunden, bei der der Steuerpflichtige selbst zur Mitwirkung befugt und auch verpflichtet ist, so ist es folgerichtig, wenn § 173 Abs. 2 AO ‑‑in gleichem Maße zugunsten wie zuungunsten‑‑ für den Steuerpflichtigen wie für die Finanzbehörde die Möglichkeit der Änderung von Steuerverwaltungsakten wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen einschränkt, wenn diese Tatsachen nicht in einer vorangegangenen Außenprüfung festgestellt und einbezogen wurden, und dementsprechend auch die Möglichkeit des Steuerpflichtigen, durch nach Durchführung einer Außenprüfung gestellte Anträge eine Änderung der von der Prüfung ermittelten Besteuerungsgrundlagen zu erreichen, zugunsten von Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Rechtsbeständigkeit beschränkt.
Dies ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass sich ein während der Außenprüfung gestellter Änderungsantrag des Steuerpflichtigen nicht durch eine nachfolgende Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO erledigt. Beantragt der Steuerpflichtige während der Außenprüfung, einen Verwaltungsakt zu erlassen oder einen bereits ergangenen Verwaltungsakt aufzuheben oder zu ändern, und kommt die Außenprüfung stattdessen zu dem Ergebnis, dass keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen veranlasst ist und teilt dies dem Steuerpflichtigen mit, so beseitigt dies nicht die Verpflichtung der Finanzbehörde, über den Antrag des Steuerpflichtigen zu entscheiden (vgl. auch § 171 Abs. 3 AO). Auch das Recht auf effektiven Rechtsschutz erfordert daher nicht, eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO als (anfechtbaren) Verwaltungsakt zu qualifizieren.
(3) Im Ergebnis liefe es dem Zweck der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, die Ergebnisse der Außenprüfung zu protokollieren, dem Zweck der Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO, Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen, sowie den bestehenden Mitwirkungspflichten und -möglichkeiten des Steuerpflichtigen innerhalb der Außenprüfung entgegen, ihm nach ergebnisloser Durchführung einer Außenprüfung auch dann eine weitere Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen (durch Qualifizierung der Mitteilung als Verwaltungsakt) zu eröffnen, wenn er zuvor keine Änderungen beantragt hat.
e) Danach hat das FG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, da bereits eine Änderungssperre eingetreten war, bevor der Kläger eine Korrektur der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 beantragte.
aa) Die AB-GbR hat mit Schreiben vom 29.07.2015 beantragt, die Sonderbetriebsausgaben des Klägers zu berücksichtigen und die Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 entsprechend zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 2 AO schon eingetreten, da dem Steuerberater der AB-GbR bereits mit Schreiben vom 19.05.2015 mitgeteilt worden war, dass die bei der AB-GbR durchgeführte Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe.
bb) Die Mitteilung vom 19.05.2015 ist wirksam und für das Besteuerungsverfahren zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob seine nachfolgenden Schreiben als Einspruch zu behandeln sind und ob das vorliegende Verfahren bis zur bestands- beziehungsweise rechtskräftigen Entscheidung über einen solchen Einspruch auszusetzen ist. Denn bei der Mitteilung handelt es sich, wie dargelegt, nicht um einen Verwaltungs-, sondern um einen Realakt, gegen den ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht statthaft ist.
cc) Die eingetretene Änderungssperre führt auch im Streitfall nicht zu einer Beeinträchtigung des effektiven Rechtsschutzes oder einer Verletzung von Vertrauensschutzprinzipien.
Der Kläger hätte gegen die Gewinnfeststellungsbescheide für 2010 vom 03.02.2012 sowie für 2011 vom 26.09.2012, in denen die streitigen Sonderbetriebsausgaben nicht berücksichtigt waren, Einspruch einlegen können. Zudem hätte er einen auf entsprechende Änderung gerichteten Antrag jedenfalls noch während der Außenprüfung stellen können. Von dieser Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass er selbst während der Außenprüfung noch keinen Anlass gehabt habe, die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen bei der AB-GbR zu beantragen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch als Betriebsausgaben seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt gewesen seien. Die Frage, ob die Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben des Klägers bei Veranlagung der AB-GbR oder als Betriebsausgaben bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer zu berücksichtigen waren, war zwischen den Beteiligten von Anfang an streitig. Die Einkommensteuerbescheide, in denen die Aufwendungen zunächst berücksichtigt wurden, waren deshalb unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Parallel zur Außenprüfung bei der AB-GbR wurde auch beim Kläger eine Außenprüfung durchgeführt; beide hatten unter anderem die Frage zum Gegenstand, in welchem Verfahren die streitigen Aufwendungen zu berücksichtigen seien. Bei dieser Sachlage musste der Kläger damit rechnen, dass das FA die Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben bei der AB-GbR beurteilen und die Einkommensteuerbescheide entsprechend ändern würde. Dementsprechend hätte es ihm oblegen, die Möglichkeit der Berücksichtigung der Aufwendungen bei der AB-GbR durch einen entsprechenden (vorsorglichen) Änderungsantrag noch während der Außenprüfung bei der AB-GbR offenzuhalten.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.