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Urteil vom 21. Mai 2025, II R 56/22

Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG

ECLI:DE:BFH:2025:U.210525.IIR56.22.0

BFH II. Senat

GrEStG 1983 § 1 Abs 3 Nr 4, GrEStG 1983 § 6a S 3, GrEStG 1983 § 6a S 4, GrEStG 1983 § 6a S 1, UmwG 1995 § 1 Abs 1 Nr 2, UmwG 1995 § 123 Abs 2 Nr 2

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 30. November 2022, Az: 5 K 969/22

Leitsätze

1. Die Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern setzt nach § 6a Satz 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) voraus, dass an dem Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von dem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind. Abhängig ist eine Gesellschaft nach § 6a Satz 4 GrEStG, wenn das herrschende Unternehmen an deren Kapital- oder Gesellschaftsvermögen innerhalb der Vorbehaltens- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen zu mindestens 95 % beteiligt ist.

2. Eine Gruppe natürlicher Personen, die nicht in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zusammengeschlossen sind, ist kein Rechtsträger im zivilrechtlichen und grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne und kann kein herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG sein.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 30.11.2022 - 5 K 969/22 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die am …02.2021 in das Handelsregister eingetragen wurde. Mit notariellem Spaltungsvertrag zur Neugründung vom …12.2020 übertrug die L-GmbH als Alleingesellschafterin ihre Geschäftsanteile an der P-GmbH auf die zu diesem Zweck neu zu gründende Klägerin als Übernehmerin. Die P-GmbH war Eigentümerin eines Grundstücks. Zum Ausgleich hierfür erhielten die vier Gesellschafter der L-GmbH, die Anteile in Höhe von 15/40, 12/40, 10/40 und 3/40 hielten, Geschäftsanteile an der Klägerin zu den gleichen Anteilen, wie sie an der L-GmbH beteiligt waren. Die Abspaltung wurde am 22.02.2021 in das Handelsregister bei der L-GmbH eingetragen.

  2. Mit Bescheid vom 14.12.2021 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 22.02.2021 stellte das für die Bewertung des Grundstücks zuständige Finanzamt auf Ersuchen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Grundbesitzwert für das Grundstück der P-GmbH auf 2.471.274 € fest.

  3. Mit Bescheid vom 29.12.2021 setzte das FA die Grunderwerbsteuer auf 86.494 € fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter Hinweis auf § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes in der am Stichtag 22.02.2021 geltenden Fassung (GrEStG) Einspruch ein. Den Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 21.09.2022 als unbegründet zurück.

  4. Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. Seiner Auffassung nach ist die Übertragung des Grundstücks nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar, da 100 % der Anteile an der grundbesitzenden P-GmbH durch Abspaltung von der L-GmbH auf die Klägerin übergegangen seien. Die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG lägen nicht vor. An dem Umwandlungsvorgang seien kein herrschendes Unternehmen und keine abhängigen Gesellschaften im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG beteiligt gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2023, 1155 veröffentlicht.

  5. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie rügt die Auslegung des § 6a GrEStG und trägt vor, es handele sich im Streitfall um eine Umstrukturierung im Konzern nach § 6a GrEStG. An der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft seien die gleichen Personen beteiligt. Die vier Gesellschafter seien als herrschendes Unternehmen anzusehen. Herrschendes Unternehmen könnten auch natürliche Personen und Personengesellschaften sein. Bei der Abspaltung zur Neugründung sei die Beherrschung der P-GmbH auf die Klägerin als neuer Rechtsträgerin übergegangen. Die Vorbehaltensfrist von fünf Jahren müsse bei einer Abspaltung zur Neugründung nicht eingehalten werden.

  6. Das FA erließ während des Revisionsverfahrens am 15.05.2023 einen geänderten Grunderwerbsteuerbescheid. Darin setzte es die Grunderwerbsteuer ausgehend von einem neu festgestellten Grundbesitzwert in Höhe von 820.000 € auf 28.700 € herab.

  7. Die Klägerin beantragt,
    die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 15.05.2023 dahingehend zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

  8. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich nach Verkündung des FG-Urteils der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). An Stelle des Grunderwerbsteuerbescheids vom 29.12.2021, über den das FG entschieden hat, ist der Änderungsbescheid vom 15.05.2023 getreten und nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 21.08.2024 - II R 11/21, BStBl II 2025, 525, Rz 13, m.w.N.).

  2. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten im Übrigen nichts geändert hat (vgl. BFH-Urteil vom 28.08.2019 - II R 7/17, BFHE 266, 485, BStBl II 2020, 247, Rz 13). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (vgl. BFH-Urteil vom 28.08.2019 - II R 7/17, BFHE 266, 485, BStBl II 2020, 247, Rz 13).

III.

  1. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 15.05.2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für den nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbaren Übergang der Anteile an der grundbesitzenden P-GmbH auf die Klägerin sind die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG nicht erfüllt.

  2. 1. Durch den Übergang von 100 % der Anteile an der P-GmbH von der L-GmbH auf die Klägerin ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt.

  3. a) § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfasst die Fälle des Übergangs von mindestens 95 % in einer Hand vereinigter Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von einem Rechtsträger auf einen anderen Rechtsträger. Voraussetzung für die Anwendung dieses Tatbestandes ist, dass bereits in der Hand des übertragenden Rechtsträgers die Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar vereinigt sind und diese sodann auf einen Erwerber übergehen (vgl. BFH-Urteile vom 16.01.2002 - II R 52/00, BFH/NV 2002, 1053, unter II.2., und vom 21.08.2019 - II R 21/19 (II R 56/15), BFHE 266, 361, BStBl II 2020, 344, Rz 11; Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 789; Pahlke/Joisten, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Rz 406; Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 1156).

  4. b) Ausgehend davon ist der Übergang der Anteile an der P-GmbH auf die Klägerin im Wege der Abspaltung zur Neugründung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 2 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbar. Die L-GmbH war vor der Abspaltung zu 100 % an der grundbesitzenden P-GmbH beteiligt. Diese Anteile sind im Zeitpunkt der Eintragung der Abspaltung am …02.2021 auf die Klägerin nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG übergegangen, ohne dass dem Übergang ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist.

  5. 2. Der nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG steuerbare Übergang der Anteile ist nicht nach § 6a Satz 1 GrEStG von der Steuer befreit.

  6. a) Nach § 6a Satz 1 GrEStG wird unter anderem für einen nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgang auf Grund einer Umwandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG die Steuer nicht erhoben. Satz 1 gilt nur, wenn an dem dort genannten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Im Sinne von § 6a Satz 3 GrEStG abhängig ist eine Gesellschaft, an deren Kapital oder Gesellschaftsvermögen das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen beteiligt ist (§ 6a Satz 4 GrEStG). Welches Unternehmen als "herrschendes Unternehmen" und welche Gesellschaften als "abhängige Gesellschaften" im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a Satz 1 GrEStG nicht erhoben werden soll (BFH-Urteil vom 28.09.2022 - II R 13/20, BFHE 277, 476, BStBl II 2023, 666, Rz 19, 20).

  7. b) Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist grundsätzlich nicht auf bestimmte Rechtsträger oder Unternehmen beschränkt. Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuergesetzes, die wirtschaftlich tätig sind (BFH-Urteil vom 21.08.2019 - II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, Rz 18). Der weite Anwendungsbereich betrifft auch die Rechtsform des Unternehmens. Zwar spricht der Wortlaut der Vorschrift von einem herrschenden "Unternehmen" und von diesem abhängigen "Gesellschaften". Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass das herrschende Unternehmen in einer bestimmten Rechtsform organisiert sein muss. Herrschendes Unternehmen können folglich auch Einzelunternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften sowie natürliche und juristische Personen sein, die wirtschaftlich tätig sind (BFH-Urteil vom 21.08.2019 - II R 15/19 (II R 50/13), BFHE 266, 326, BStBl II 2020, 329, Rz 19; Lieber in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 6a Rz 30; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 85).

  8. c) Jedoch ist eine Gruppe natürlicher Personen, die nicht in der Rechtsform einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zusammengeschlossen ist, kein Rechtsträger im zivilrechtlichen und grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne (s. hierzu Behrens in Behrens/Wachter, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 1 Rz 9; Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 1 Rz 16; Pahlke/Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 1 Rz 20). Sie kann daher auch kein herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG sein. Weder der Wortlaut der Norm noch deren Zweck lassen eine andere Auslegung zu.

  9. aa) Nach § 6a Satz 4 GrEStG sind abhängige Gesellschaften solche, an denen das herrschende Unternehmen innerhalb von Vor- und Nachbehaltensfristen zu mindestens 95 % beteiligt ist. Einzelne natürliche Personen können zwar ‑‑jede für sich‑‑ an einer Gesellschaft beteiligt sein und ‑‑wie dargelegt‑‑ auch herrschende Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG sein. Außerhalb einer rechtlich selbständigen Personen- oder Kapitalgesellschaft bilden sie als Gruppe aber keinen eigenen Rechtsträger. Eine zusammenfassende Betrachtung von einzelnen Beteiligungen, wie sie z.B. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes für die Begünstigung des Betriebsvermögens vorsieht, ist in § 6a Satz 4 GrEStG nicht geregelt.

  10. bb) Eine über den Wortlaut hinausgehende, erweiternde Auslegung ist nicht geboten. Der Gesetzgeber wollte mittels § 6a GrEStG Umstrukturierungen innerhalb von Konzernen erleichtern, damit Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können (BTDrucks 17/147, S. 10). Das Erfordernis einer Beteiligung des herrschenden Unternehmens von mindestens 95 % an einer abhängigen Gesellschaft soll zum einen den Anwendungsbereich der Steuerbegünstigung einengen. Zum anderen ist die Beteiligung von mindestens 95 % angelehnt an die bei Einführung des § 6a GrEStG geltenden qualifizierten Beteiligungen der Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG a.F., die ausdrücklich von § 6a Satz 1 GrEStG a.F. befreit waren. Wirtschaftsteilnehmer mit einer solchen qualifizierten Beteiligung sind im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer nicht in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation wie Wirtschaftsteilnehmer, deren Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft weniger als 95 % beträgt (BFH-Vorlagebeschluss vom 30.05.2017 - II R 62/14, BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916, Rz 51). Die Übertragung einer qualifizierten Beteiligung löst grunderwerbsteuerrechtlich dieselben Rechtsfolgen aus wie die Übertragung eines Grundstücks. Demgegenüber kann der Inhaber einer nicht qualifizierten Beteiligung diese übertragen, ohne dass der Vorgang mit Grunderwerbsteuer belastet wird; hier kann Grunderwerbsteuer nur anfallen, wenn weitere Anteilseigner Anteile übertragen, so dass insgesamt mindestens 95 % der Anteile auf neue Rechtsträger übergehen (BFH-Vorlagebeschluss vom 30.05.2017 - II R 62/14, BFHE 257, 381, BStBl II 2017, 916, Rz 51).

  11. d) Nach diesen Grundsätzen ist die Steuerbegünstigung nach § 6a Satz 1 GrEStG im Streitfall nicht zu gewähren. Es handelt sich bei der Übertragung der Anteile an der P-GmbH von der L-GmbH auf die zu diesem Zweck neu gegründete Klägerin zwar um eine Umwandlung im Wege der Abspaltung zur Neugründung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG, die grundsätzlich nach § 6a Satz 1 GrEStG begünstigt ist. Es waren an dem steuerbaren Umwandlungsvorgang jedoch weder ein herrschendes Unternehmen und eine oder mehrere abhängige Gesellschaften noch zwei von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften innerhalb von fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 % ununterbrochen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG beteiligt.

  12. aa) Unschädlich ist, dass die L-GmbH vor dem Umwandlungsvorgang nicht zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt war, denn bei einer Abspaltung zur Neugründung gemäß § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG müssen die in § 6a Satz 4 GrEStG genannten Fristen in Bezug auf den aufnehmenden Rechtsträger nur insoweit eingehalten werden, als sie aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können. Bei einer Abspaltung zur Neugründung kann die Vorbehaltensfrist umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Abspaltung entsteht, wohl aber die Nachbehaltensfrist (vgl. BFH-Urteile vom 21.08.2019 - II R 16/19 (II R 36/14), BFHE 266, 335, BStBl II 2020, 333; vom 25.09.2024 - II R 2/22, BStBl II 2025, 253; BFH-Beschluss vom 03.05.2023 - II B 27/22, BFH/NV 2024, 920; Kugelmüller-Pugh in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 21. Aufl., § 6a Rz 111; Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 25.05.2023, BStBl I 2023, 995, Tz. 3.2.2.1).

  13. bb) Die L-GmbH selbst war nach der Abspaltung nicht fünf Jahre zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt, so dass die Nachbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten wurde. Beteiligt waren nur ihre Gesellschafter. Die einzelnen Gesellschafter der L-GmbH und der Klägerin sind für sich genommen keine herrschenden Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 und 4 GrEStG. Sie sind als natürliche Personen zwar Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts und können als solche grundsätzlich herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG sein. Keiner der Gesellschafter ist jedoch, wie von § 6a Satz 4 GrEStG gefordert, mit mindestens 95 % an der L-GmbH und der Klägerin beteiligt.

  14. cc) Die Gesellschafter sind auch nicht in ihrer Gesamtheit als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 6a Satz 3 GrEStG anzusehen. Es ist weder vorgetragen noch nach den Feststellungen des FG ersichtlich, dass sich die Gesellschafter der L-GmbH und der Klägerin in Form einer rechtlich selbständigen Personen- oder Kapitalgesellschaft zusammengeschlossen haben. Für einen Zusammenschluss in einer Kapitalgesellschaft fehlt es bereits am Abschluss eines dafür erforderlichen förmlichen Gesellschaftsvertrags. Für den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags im Hinblick auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist zwar grundsätzlich keine Form erforderlich (vgl. Grüneberg/Retzlaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 84. Aufl., § 705 Rz 10). Erforderlich wäre jedoch ein ‑‑gegebenenfalls auch konkludent‑‑ zum Ausdruck gebrachter Rechtsbindungswille der Gesellschafter der L-GmbH und der Klägerin, sich in Bezug auf ihre Beteiligungen in einer solchen Gesellschaft verbunden mit den diesbezüglichen weitreichenden Rechtsfolgen zu einem gemeinsamen Zweck zusammenzuschließen (vgl. Grüneberg/Retzlaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 84. Aufl., § 705 Rz 7). Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.

  15. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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