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Urteil vom 04. Juni 2025, II R 30/22

Keine Ersatzerbschaftsteuerpflicht einer im Inland nichtrechtsfähigen ausländischen Familienstiftung

ECLI:DE:BFH:2025:U.040625.IIR30.22.0

BFH II. Senat

ErbStG § 1 Abs 1 Nr 4, ErbStG § 2 Abs 1 Nr 2

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 29. June 2022, Az: 3 K 87/21

Leitsätze

Eine in der Schweizerischen Eidgenossenschaft errichtete Familienstiftung mit Verwaltungssitz in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) unterliegt als nichtrechtsfähige Stiftung in Deutschland nicht der Ersatzerbschaftsteuer.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29.06.2022 - 3 K 87/21 und der Ersatzerbschaftsteuerbescheid vom 22.03.2021 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stiftung schweizerischen Rechts.

  2. Sie wurde am xx.xx.1959 in … durch Frau … (Stifterin) als Familienstiftung im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches errichtet. Als Stiftungszweck wurde in der Satzung die Bestreitung von Kosten der Erziehung, Ausstattung, Unterstützung oder ähnlicher Bedürfnisse der in Art. 5 der Satzung bezeichneten Abkömmlinge und weiterer Nachkommen der Stifterin festgelegt. Sitz der Stiftung ist … in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz).

  3. Die Klägerin wird gemäß Art. 7 der Satzung durch die Mitglieder des Stiftungsrates vertreten. Sämtliche Mitglieder des Stiftungsrates waren seit Gründung der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässig und verwalteten die Stiftungsgeschäfte von Deutschland aus. Auch die Konten der Klägerin werden in Deutschland geführt.

  4. Das Stiftungskapital betrug anfänglich 6.000 DM und wurde nach dem Tod der Stifterin im Jahr 1973 um deren Erbe, das im Wesentlichen aus Grundbesitz in (…) bestand, erweitert. Es handelt sich um durch die Deutsche Demokratische Republik (DDR) enteignetes und später restituiertes Vermögen.

  5. Anlässlich eines Streits zwischen den Destinatären der Stiftung erklärte das Kantonsgericht … mit Entscheidung vom 23.03.2000 die Klägerin ex tunc für nichtig, da diese zu keinem Zeitpunkt gemäß ihrem Satzungszweck Familienfürsorge betrieben habe, sondern in Wahrheit zu dem Zweck gegründet worden sei, den (…) Grundbesitz den Nachkommen der Stifterin zu erhalten und vor den Zugriffen der DDR und der Hypothekengläubiger zu schützen. Die Entscheidung des Kantonsgerichts … vom 23.03.2000 erwuchs jedoch im Anschluss an eine von den Beteiligten in der Berufungsinstanz getroffene Verständigung nicht in Rechtskraft.

  6. Am 20.04.2020 teilte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) vorsorglich die für ersatzerbschaftsteuerpflichtige Familienstiftungen vorgesehenen Angaben mit und gab auf Anforderung eine Steuererklärung ab. Das FA setzte daraufhin mit Bescheid vom 22.03.2021 Ersatzerbschaftsteuer in Höhe von … € gegen die Klägerin fest.

  7. Die hiergegen von der Klägerin mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 1471 veröffentlichtem Urteil ab. Das FG war der Auffassung, die Klägerin unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) der Ersatzerbschaftsteuer. Zwar sei die Klägerin nach der deutschen Zivilrechtslage nicht rechtsfähig, da sie insbesondere nicht von einer zuständigen Landesbehörde nach den §§ 80 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der im Streitfall geltenden Fassung (BGB) anerkannt worden sei. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beschränke sich jedoch nicht auf im Inland zivilrechtlich als rechtsfähig anzusehende Stiftungen oder solche, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) beziehungsweise des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) gegründet worden seien, sondern umfasse alle Stiftungen weltweit. Für die Ersatzerbschaftsteuerpflicht genüge es, dass aus der Sicht irgendeines Staates eine rechtsfähige Stiftung vorliege.

  8. Gegen das FG-Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie rügt eine Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG sowie von Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes.

  9. Die Klägerin beantragt,

    die Vorentscheidung und den Ersatzerbschaftsteuerbescheid vom 22.03.2021 aufzuheben,

    hilfsweise die Vorentscheidung aufzuheben und die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

  10. Das FA beantragt,

    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Die Klägerin ist als nichtrechtsfähige Stiftung keine Familienstiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und unterliegt daher nicht der Ersatzerbschaftsteuer.

  2. 1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bestimmten Zeitpunkt das Vermögen einer Stiftung, sofern sie wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist (Familienstiftung). Die Vorschrift wurde mit dem Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17.04.1974 (BGBl I 1974, 933) eingeführt und soll verhindern, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird (BTDrucks 7/1333, S. 3). Zu diesem Zweck fingiert § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Zeitabständen von je 30 Jahren einen Generationenwechsel, bei dem der Erblasser zwei Kinder hinterlässt (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 18.11.2009 - II R 46/07, BFH/NV 2010, 898, unter II.1.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ersatzerbschaftsteuer bestehen nicht (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 08.03.1983 - 2 BvL 27/81, BVerfGE 63, 312).

  3. 2. Ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, ist anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen, wie er ihn objektiv erkennbar in der Satzung zum Ausdruck gebracht hat. Darüber hinaus setzt der Begriff der Familienstiftung eine rechtsfähige Stiftung voraus. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG spricht zwar lediglich von Stiftung und differenziert nicht zwischen der rechtsfähigen und der nichtrechtsfähigen Stiftung. Da der Ersatzerbschaftsteuer aber das Vermögen der Stiftung unterliegt, bezieht sich § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur auf rechtsfähige Stiftungen und schließt solche ohne Rechtsfähigkeit nicht ein. Denn nur eine rechtsfähige Stiftung kann Trägerin von eigenem Vermögen sein. Die nichtrechtsfähige Stiftung hat zwar ein dem Stiftungszweck gewidmetes Vermögen, aber keine eigene Rechtspersönlichkeit. Zivilrechtlicher Eigentümer des Vermögens ist der Träger der nichtrechtsfähigen Stiftung, der das Vermögen im Rahmen eines besonderen Treuhandverhältnisses hält, ohne wirtschaftlicher Eigentümer zu sein. Bei der Prüfung, wer Eigentümer des Vermögens ist und daher der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt (§ 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.01.2017 - II R 26/16, BFHE 257, 341, BStBl II 2018, 199, Rz 10 ff., m.w.N.).

  4. 3. Bei nach ausländischem Recht errichteten Stiftungen ist zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit mangels gesetzlicher Regelungen zum Stiftungskollisionsrecht auf die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts zurückzugreifen (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 08.09.2016 - III ZR 7/15, Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2016, 2536, Rz 11; vgl. auch MüKoBGB/Kindler, Band 11, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2015, Rz 315; Staudinger/Hüttemann/Rawert (2017) Vorbem zu §§ 80 ff. Rz 419 ff., m.w.N.; Werner, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2023, 154, 155). Danach kommt es für die Frage der Rechtsfähigkeit von Auslandsgesellschaften grundsätzlich auf das Recht des ausländischen Staates an, wenn die Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung im Ausland hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 23.06.1992 - IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972, unter II.2.). Für Gesellschaften, die ihren statutarischen Sitz im Ausland haben, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz jedoch von vornherein oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland verlegen, ist zur Beurteilung der Rechtsfähigkeit auf deutsches Recht abzustellen (sogenannte Sitztheorie). Denn auch wenn die Gesellschaft wirksam nach ausländischem Recht gegründet und Rechtsfähigkeit erworben haben sollte, setzt sich die im Ausland erworbene Rechtsfähigkeit nicht ohne weiteres in Deutschland fort. Mit der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland hat sie sich vielmehr aus dem Rechtskreis, von dem sie ihre Rechtsfähigkeit ableitet, gelöst, sodass nunmehr nach deutschem Recht zu beurteilen ist, ob sie als rechtsfähige Gesellschaft anzuerkennen ist (vgl. BGH-Urteile vom 01.07.2002 - II ZR 380/00, DB 2002, 2039, unter II.1., und vom 27.10.2008 - II ZR 158/06, DB 2008, 2825, unter I.1.c; vgl. auch BFH-Urteil vom 23.06.1992 - IX R 182/87, BFHE 168, 285, BStBl II 1992, 972, unter II.2., m.w.N.).

  5. Abweichend davon richtet sich die Frage der Rechtsfähigkeit nach der Rechtsordnung des Gründungsstaates, wenn die Auslandsgesellschaft in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden ist (sogenannte Gründungstheorie). Eine solche Gesellschaft ist in einem anderen Vertragsstaat auf der Grundlage der im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierten Niederlassungsfreiheit (Art. 54 AEUV) unabhängig von dem Ort ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde (BGH-Urteile vom 13.03.2003 - VII ZR 370/98, DB 2003, 986, und vom 13.04.2010 - 5 StR 428/09, DB 2010, 1581; vgl. auch BFH-Beschluss vom 08.01.2019 - II B 62/18, BFH/NV 2019, 293, Rz 26, m.w.N.).

  6. 4. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Unrecht entschieden, dass sich die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach schweizerischem Recht bestimmt und sie nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG der Ersatzerbschaftsteuer unterliegt.

  7. a) Das FG hat verkannt, dass nach den allgemeinen Regeln des internationalen Privatrechts die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Stiftung grundsätzlich nach dem Recht des Ortes zu beurteilen ist, in dem sie ihren Verwaltungssitz hat. Im Streitfall lag der Verwaltungssitz der Klägerin im Inland, da nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die Mitglieder des Stiftungsrates als Geschäftsführungsorgane der Stiftung von Anfang an in Deutschland ansässig waren und die Verwaltung der Klägerin von Deutschland aus führten.

  8. Die Anwendung der Gründungstheorie, wonach die Klägerin ungeachtet ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes in Deutschland nach schweizerischem Recht als rechtsfähig zu behandeln wäre, kommt nicht in Betracht. Es bestehen ‑‑anders als im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der EU oder des EWR‑‑ keine völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Stiftung schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln wäre (vgl. hierzu Wachter, DB 2023, 17, 26; MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl., § 83a Rz 16, m.w.N.). Es gelten daher die allgemeinen Grundsätze zur Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit anwendbar sind (vgl. BGH-Urteile vom 27.10.2008 - II ZR 158/06, DB 2008, 2825, unter I.1.b aa, und vom 08.09.2016 - III ZR 7/15, DB 2016, 2536, Rz 11). Nach dem danach anzuwendenden deutschen Recht ist die Klägerin als nichtrechtsfähige Stiftung zu behandeln. Die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach deutschem Recht scheitert schon daran, dass im Streitfall eine nach Maßgabe von § 80 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche ‑‑konstitutiv wirkende (vgl. Grüneberg/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 84. Aufl., § 80 Rz 3, m.w.N.)‑‑ Anerkennung nicht erfolgt ist.

  9. b) Entgegen der Auffassung des FG folgt auch aus der Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG nicht, dass es für die Ersatzerbschaftsteuer auf die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach schweizerischem Recht ankommt.

  10. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG tritt die Steuerpflicht in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ein, wenn die Stiftung oder der Verein die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland hat. Danach werden grundsätzlich auch solche Stiftungen in den Anwendungsbereich der Ersatzerbschaftsteuer einbezogen, die zwar ihre Geschäftsleitung, nicht aber ihren satzungemäßen Sitz im Inland unterhalten. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG enthält jedoch nur eine Regelung zur persönlichen Steuerpflicht von Stiftungen und beantwortet nicht die Frage, ob auch der sachliche Anwendungsbereich der Ersatzerbschaftsteuer eröffnet ist (vgl. Wachter, DB 2023, 17, 21 ff.; Werner, IStR 2023, 154, 157). In sachlicher Hinsicht gilt die Ersatzerbschaftsteuer nur für Stiftungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Bei einer Familienstiftung mit Satzungssitz im Ausland und Geschäftsleitung im Inland muss es sich demnach um eine rechtsfähige Stiftung handeln, da nichtrechtsfähige Stiftungen von dem Begriff der Stiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht erfasst werden (BFH-Urteil vom 25.01.2017 - II R 26/16, BFHE 257, 341, BStBl II 2018, 199, Rz 10). Eine nach schweizerischem Recht gegründete Familienstiftung, die nach inländischem Recht nicht als rechtsfähige Stiftung zu behandeln ist, unterliegt daher nicht der Ersatzerbschaftsteuer im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (gl.A. Wachter, DB 2023, 17, 21 ff.; Werner, IStR 2023, 154, 157; so wohl auch Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 1 Rz 34).

  11. c) Die Gleichstellung von (nichtrechtsfähigen) Vermögensmassen ausländischen Rechts mit den rechtsfähigen Stiftungen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG und die Bestimmung dieser Vermögensmassen als Steuerschuldner in § 20 Abs. 1 Satz 2 ErbStG durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) führen ebenfalls nicht zur Einbeziehung der nichtrechtsfähigen Stiftung ausländischen Rechts in den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. Anlass der Ausdehnung der genannten Besteuerungstatbestände auf ausländische Vermögensmassen war, dass nach der Rechtslage bis zur Änderung durch das StEntlG 1999/2000/2002 bei der Errichtung eines Trusts nach angelsächsischem Recht zu Lebzeiten des Trustgebers erst die Auskehrung des Vermögens Schenkungsteuer auslösen konnte, sofern der Trustgeber oder die Begünstigten zu diesem Zeitpunkt als Steuerinländer unbeschränkt steuerpflichtig waren oder im Fall der beschränkten Steuerpflicht einzelne Gegenstände des verteilten Trustvermögens zum Inlandsvermögen gehörten. Dies führte zu Besteuerungslücken bei Vermögensmassen ausländischen Rechts, weil mit der Verwendung von Trusts die Steuerpflicht gänzlich vermieden oder erst mit zeitlicher Verzögerung ausgelöst werden konnte (BTDrucks 14/23, S. 200; vgl. auch BFH-Urteil vom 25.01.2017 - II R 26/16, BFHE 257, 341, BStBl II 2018, 199, Rz 18).

  12. Um diese Besteuerungslücken zu schließen, hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2, § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG die Gleichstellung von Vermögensmassen ausländischen Rechts mit den (rechtsfähigen) Stiftungen angeordnet und diesen unabhängig davon, ob sie rechtsfähig sind oder nicht, erbschaftsteuer- und schenkungsteuerrechtlich die Erwerber- und Steuerschuldnereigenschaft zugesprochen. Eine entsprechende gesetzliche Gleichstellung nichtrechtsfähiger Familienstiftungen ausländischen Rechts mit rechtsfähigen inländischen Stiftungen im Rahmen von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist jedoch nicht erfolgt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nur deswegen unterblieben ist, weil nach der Vorstellung des Gesetzgebers Familienstiftungen mit Satzungssitz im Ausland und Verwaltungssitz im Inland bereits nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG dem sachlichen Anwendungsbereich der Ersatzerbschaftsteuer unterfallen (s. hierzu oben unter II.4.b).

  13. d) Schließlich gebietet auch nicht der Sinn und Zweck von § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine Einbeziehung der Klägerin als nichtrechtsfähige Auslandsstiftung in den sachlichen Anwendungsbereich der Ersatzerbschaftsteuer.

  14. Der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG soll Besteuerungslücken vermeiden, die dadurch eintreten, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen auf Generationen der Erbschaftsteuer entzogen wird (vgl. BTDrucks 7/1333, S. 3; BFH-Urteil vom 10.12.1997 - II R 25/94, BFHE 185, 58, BStBl II 1998, 114, unter II.1.). Im Streitfall ist die Gefahr einer Besteuerungslücke indes nicht gegeben, da das Stiftungsvermögen der Klägerin als nichtrechtsfähiger Stiftung nach zivilrechtlichen Grundsätzen den hinter ihr stehenden natürlichen Personen zuzurechnen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25.01.2017 - II R 26/16, BFHE 257, 341, BStBl II 2018, 199, Rz 11; MüKoBGB/Weitemeyer, 10. Aufl., § 80 Rz 269; Wachter in Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 1. Aufl. 2007, § 22 Rz 94; Schmitt, Zeitschrift für Stiftungs- und Vereinswesen 2019, 47, 51). Das Vermögen einer solchen Stiftung unterliegt (mindestens) bei jedem Generationenwechsel der Erbschaft- oder Schenkungsteuer, sodass eine Ausweitung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht geboten ist.

  15. 5. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin unterliegt als nichtrechtsfähige Stiftung ausländischen Rechts nicht der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Der Ersatzerbschaftsteuerbescheid vom 22.03.2021 war daher ebenfalls aufzuheben.

  16. 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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