ECLI:DE:BFH:2025:U.220125.XIR22.22.0
BFH XI. Senat
UStG § 3 Abs 1, UStG § 10, UStG § 12 Abs 2 Nr 1, UStG § 22 Abs 1, UStG § 22 Abs 2, AO § 146, AO § 158, AO § 162, EGRL 112/2006 Art 73, UStG VZ 2014
Leitsätze
1. NV: Eine Methode zur Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts, die dazu führt, dass auf ein Produkt einer rabattierten Warenzusammenstellung ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis, ist nicht sachgerecht.
2. NV: Bei der Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen ist von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
3. NV: Hat ein Steuerpflichtiger aufgrund der Anwendung einer zwar objektiv nicht sachgerechten, aber subjektiv vertretbaren Methode zur Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts die steuerpflichtigen Umsätze nicht zutreffend getrennt nach Steuersätzen aufgezeichnet, ist der Ansatz eines Sicherheitszuschlags nicht gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige an der Sachverhaltsaufklärung vollständig mitgewirkt hat.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von sogenannten Spar-Menüs, die zum Mitnehmen verkauft wurden.
Entscheidungsgründe
II. Revision der Klägerin
Die Revision der Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin angewandte "Food-and-Paper-Methode" (F&P-Methode) nicht sachgerecht ist.
1. Zutreffend ‑‑und zuletzt auch übereinstimmend‑‑ gehen sowohl das FG und auch beide Beteiligte davon aus, dass es sich bei der Ausgabe von Speisen und Getränken um zwei selbständige Lieferungen handelt (vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 03.04.2013 - V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973, Rz 15; s.a. Erkenntnisse des Österreichischen Verwaltungsgerichtshofs ‑‑ÖVwGH‑‑ vom 16.12.2009 - 2008/15/0075 und vom 20.12.2016 - Ro 2014/15/0039-3, Rz 18; beide abrufbar unter www.ris.bka.gv.at). Der Senat verweist dazu im Übrigen auf sein Urteil XI R 19/23 vom heutigen Tag, unter II.1.
2. Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass der Steuerpflichtige nicht zwingend die einfachstmögliche Methode verwenden muss, sondern bei der Wahl seiner Aufteilungsmethode einen gewissen Spielraum hat, sofern die von ihm angewendete Methode zu einem sachgerechten Ergebnis führt. Der Senat verweist dazu auf sein Urteil XI R 19/23 vom heutigen Tag, unter II.2.
3. Die Auffassung des FG, dass die von der Klägerin angewendete F&P-Methode nicht sachgerecht und der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) daher zur Anwendung der sogenannten "Einzelverkaufspreis-Methode" (EVP-Methode) berechtigt sei, hält den Angriffen der Revision stand.
a) Das FG hat den Streitfall wie folgt gewürdigt:
aa) Es hat angenommen, es treffe zu, dass den höchsten Aufschlagsatz in der Gastronomie immer die Getränke hätten. Die Verminderung der Steuerschuld führe deshalb nicht allein zur fehlenden Sachgerechtheit der F&P-Methode. Hinzu komme aber, dass bei der Berechnung des Aufteilungsschlüssels dieser Methode im Einzelfall Produktpreise entstünden, die über den Einzelverkaufspreisen der einzelnen Produkte lägen, was in manchen Fällen die von der Klägerin eingebaute "Kappung" auslöse. Das Entstehen solcher "Überpreise" und auch die dadurch erforderliche "Kappung" stellten einen "Methodenbruch" dar, der gegen die Sachgerechtheit der F&P-Methode spreche. Der entscheidende Grund für die fehlende Sachgerechtheit der F&P-Methode bei der Ermittlung des Aufteilungsschlüssels bestehe darin, dass sie bei einzelnen Menübestandteilen regelmäßig zu Verhältnispreisen führe, die über deren Einzelverkaufspreis lägen. Die Berechnung nach der F&P-Methode führe daher zu nicht realisierbaren Preisen und spiegele damit nicht ausreichend sachgerecht das Verhältnis der Werte der einzelnen Produkte der Klägerin innerhalb der von ihr angebotenen Spar-Menüs wider. Die von der Klägerin vorgesehene "Kappung" ändere daran nichts, weil die "Kappung" belege, dass bei der F&P-Methode wegen fehlerhafter Berechnung Korrekturbedarf bestehe. Die F&P-Methode mit Kappung stelle ‑‑wie vom FA angenommen‑‑ letztlich eine Art Mischmethode aus EVP- und F&P-Methode dar; denn die Methode der Klägerin müsse auch auf Einzelverkaufspreise zurückgreifen. Ohne die Bildung von sogenannten "tax buckets" für die dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Speisen müsste die Kappung bei den Burgern weit häufiger greifen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die "Kappung" ein Systembruch innerhalb der F&P-Methode, der die Sachgerechtheit der Methode insgesamt beeinträchtige. Zudem spreche gegen die Sachgerechtheit der F&P-Methode, dass es technisch möglich sei, die "Kappung" in jeder bei der Klägerin eingesetzten Kasse zu deaktivieren, auch wenn dies nach deren Angaben nur durch autorisierte Mitarbeiter möglich sein solle. Ohne eine "Kappung" verschiebe sich die Preisaufteilung noch mehr zugunsten der Klägerin und damit zulasten des Fiskus.
bb) Weiter nahm das FG ‑‑dem FA folgend‑‑ an, dass gegen die Sachgerechtheit der F&P-Methode auch der Zeitpunkt der Ermittlung der Kosten des Wareneinkaufs und die Abweichung von den Standardrezepturen (zum Beispiel bei sichtportionierten Zutaten von Tomaten, Gurken oder Salat) sowie die fehlende Nachvollziehbarkeit für den Durchschnittsverbraucher sprächen.
b) Diese tatsächliche Würdigung des FG ist jedenfalls möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
aa) Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass allein der Umstand, dass die von der Klägerin gewählte Methode zu einer Steuerersparnis führt, für sich genommen nicht zur Folge hat, dass diese Methode nicht sachgerecht wäre. Steuerpflichtige haben das Recht, ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sich ihre Steuerschuld in Grenzen hält, und können unter anderem die Geschäftsmodelle, die sie als für ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten und zur Begrenzung ihrer Steuerlast am besten geeignet erachten, im Allgemeinen frei wählen (vgl. Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ A.T.S. 2003 vom 09.01.2023 - C-289/22, EU:C:2023:26, Rz 40; EuGH-Urteil Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie (Mehrwertsteuer - fiktiver Erwerb) vom 25.05.2023 - C-114/22, EU:C:2023:430, Rz 45, m.w.N.; BFH-Urteile vom 11.07.2018 - XI R 26/17, BFHE 262, 535, Rz 63 f.; vom 17.04.2024 - XI R 13/21, BStBl II 2024, 801, Rz 53).
bb) Nicht beizupflichten vermag der Senat dem FG darin, dass es gegen die Sachgerechtheit der Methode spreche, dass die "Kappung" in jeder bei der Klägerin eingesetzten Kasse zu deaktivieren sei. Würde allein der Umstand, dass eine gewählte Aufteilung missbräuchlich verändert werden kann, gegen ihre Sachgerechtheit sprechen, wäre keine Methode sachgerecht; denn die abstrakte Möglichkeit, eine steuerrechtlich korrekte Einstellung einer Kasse unzulässigerweise durch eine inkorrekte zu ersetzen, besteht im Grunde stets und bei jeder Methode.
cc) Ebenfalls als nicht durchgreifend erachtet der Senat die vom FG übernommene Auffassung des ÖVwGH (Erkenntnis vom 20.12.2016 - Ro 2014/15/0039-3), die konkret vorgenommene Aufteilung nach der F&P-Methode sei für den Kunden nicht erkennbar, obwohl die von den Steuerbehörden zu erhebende Steuer der tatsächlich bei dem Endverbraucher eingezogenen Steuer entsprechen müsse. Die Erkennbarkeit der Aufteilung für den Verbraucher ist ebenso wie die Übereinstimmung mit der eingezogenen Steuer gegeben, wenn in den (Kleinbetrags-)Rechnungen die Aufteilung des Entgelts erfolgt und der Kunde sie daher beim Erwerb anhand der Rechnung auf einen Blick erkennen kann. Dass der Kunde nicht erkennen kann, nach welcher Methode die Aufteilung erfolgt ist, wäre aus Sicht des Senats insoweit unschädlich.
dd) Allerdings führt der Umstand, dass es bei der F&P-Methode ‑‑wie das FG zu Recht angenommen hat‑‑ systembedingt zu Überpreisen kommt, dazu, dass die F&P-Methode nicht sachgerecht ist. Dass der Verkaufspreis eines Produkts (zum Beispiel Burger) in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein könnte als der Einzelverkaufspreis außerhalb des Menüs, widerspricht der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil XI R 19/23 vom heutigen Tag, unter II.3.
4. Der Umstand, dass die Klägerin die F&P-Methode durch eine "Kappung" modifiziert hat, um das Entstehen von Überpreisen teilweise zu verhindern, führt zu keiner anderen Beurteilung.
a) Dies ergibt sich zum einen, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schon daraus, dass die Klägerin mit der "Kappung" eine Mischung zweier Methoden vorgenommen hat. Bereits dies spricht dagegen, dass die von ihr angewandte modifizierte F&P-Methode im Ausgangspunkt sachgerecht ist. Denn ein teilweiser Methodenverzicht beziehungsweise eine teilweise Begrenzung der ermittelten Bemessungsgrundlagen führt nicht dazu, dass eine nicht sachgerechte Methode zu einer sachgerechten würde, sondern zeigt die mangelnde Sachgerechtheit der Methode auf.
b) Die Vermischung zweier Methoden ist zudem nicht mehr einfach, wenn sie ‑‑wie hier‑‑ eine Berechnung nach einer Methode und eine Kontrolle der Ergebnisse mit Werten, die aus einer anderen Methode stammen, erfordert.
c) Überdies vermag der Senat der Klägerin auch nicht darin beizupflichten, dass die Bildung von "tax buckets" sachgerecht sei. Es mag zwar sein, dass umsatzsteuerrechtlich nur eine einheitliche Lieferung von zwei Speisen (bestehend zum Beispiel aus Burger und Pommes) und eine Lieferung von ein oder zwei regelbesteuerten Gegenständen (Getränk, gegebenenfalls mit Spielzeug) erfolgt. Dies ändert aber nichts daran, dass innerhalb dieser beiden Lieferungen für jeden der Liefergegenstände Einzelpreise (oder fiktive Einzelpreise) vorliegen. Auch innerhalb einer einheitlichen Speisenlieferung entspricht es nicht der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, dass ein Kunde, der einen rabattierten Gesamtpreis zahlt, für einen einzelnen Liefergegenstand einen höheren anteiligen Preis zahlt als beim Erwerb des einzelnen Gegenstandes.
aa) Wirtschaftlich gesehen führt die Bildung von tax buckets in Verbindung mit der Kappung dazu, dass ein Überpreis bei einer einzelnen Speise (zum Beispiel Burger) so weit wie möglich vom Preis der anderen Speise (zum Beispiel Pommes) kompensiert wird, während der Preis der anderen, regelbesteuerten Produkte (Getränke, Spielzeug) unverändert gemindert bleibt. Wird nach der von der Klägerin gewählten Methode die (reine) F&P-Methode modifiziert, weil es für einen einzelnen Liefergegenstand zu einem Überpreis kommt, ist es jedenfalls nicht sachgerecht, den Überpreis (zunächst) auf die andere ermäßigt zu besteuernde Speise zu verteilen, um den auf den Gesamtpreis gewährten Rabatt so weit wie möglich den regelbesteuerten Liefergegenständen zuzuordnen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 03.04.2013 - V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973, Rz 21).
bb) Die Bildung von tax buckets ist aber auch mit der von der Klägerin gewählten Methode nicht zu vereinbaren. Innerhalb des tax buckets "Speisen" findet die Bildung der Einzelpreise nicht mehr nach der F&P-Methode statt, weil beispielsweise der Preis für einen Burger gekappt und der für eine andere gleichfalls ermäßigt zu besteuernde Speise so weit wie möglich erhöht wird. Der Überpreis bei einem Produkt führt also nicht dazu, dass die Methode für die Aufteilung des Gesamtpreises auf die Liefergegenstände insgesamt gewechselt wird, weil sie nicht sachgerecht ist, sondern zu einer weiteren Modifikation einer nicht sachgerechten Methode. Diese hat eine weitere Abweichung von den für die im Einzelverkauf erhobenen Preise der rabattierten Speisen und Getränke zur Folge, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit der F&P-Methode steht und daher inkonsistent ist.
III. Revision des FA
Die Revision des FA ist zum Teil begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur eigenen Sachentscheidung des Senats (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der Senat setzt die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 (Streitjahr) auf den im Tenor genannten Betrag fest.
1. Zu Recht macht das FA mit seiner Revision geltend, dass dem angefochtenen Urteil eine unzutreffende Methode zugrunde liegt, weil das FG eine Aufteilung nach anteiligen Nettoverkaufs- statt Bruttoverkaufspreisen vorgenommen hat. Bei der Marktwertmethode, das heißt der Aufteilung des Entgelts nach Einzelverkaufspreisen, ist von Bruttoverkaufspreisen auszugehen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.
a) Der Umsatz wurde nach § 10 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG a.F.) bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt war nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG a.F. alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.
b) Dem FG ist daher zwar im Ausgangspunkt darin beizupflichten, dass das anteilige Entgelt ohne die geschuldete Umsatzsteuer ermittelt werden muss.
c) Allerdings hat das FG daraus zu Unrecht abgeleitet, dass die Aufteilung des Gesamtentgelts von anteiligen Nettoverkaufs- und nicht von anteiligen Bruttoverkaufspreisen ausgehen müsse.
aa) Das Ergebnis des FG widerspricht der Rechtsprechung; denn die Rechtsprechung des BFH stellt auf Einzelverkaufspreise (und nicht auf Einzelentgelte) ab (vgl. BFH-Beschluss vom 03.04.2013 - V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973). Die vorgenannte Entscheidung ist zu einem Streitfall ergangen, in dem das dortige FA die Aufteilung nach den Brutto-Einzelverkaufspreisen vorgenommen hat. Dies hat der BFH als sachgerecht angesehen.
bb) Daran hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest, weil die vom FG vorgenommene Aufteilung nach Nettoentgelten nicht sachgerecht ist und ebenfalls der wirtschaftlichen Realität widerspricht.
Dies zeigt sich an folgendem Beispiel:
Produkt 1 (Umsatzsteuersatz 7 %) mit einem Einkaufspreis von 50 € netto wird für 100 € Entgelt + 7 € Umsatzsteuer = 107 € brutto verkauft. Produkt 2 (Umsatzsteuersatz 19 %) mit einem Einkaufspreis von 50 € netto wird für 100 € Entgelt + 19 € Umsatzsteuer = 119 € brutto verkauft. Die Summe der Einzelverkaufspreise beträgt 226 €, die Summe der Entgelte 200 €. 50 % des Entgelts entfällt daher auf jedes Produkt. Die Gewinnspanne für jedes Produkt beträgt 100 %.
Beispiel: Der Unternehmer beschließt, Produkt 1 und Produkt 2 in einem Spar-Set mit einem Rabatt von 20 % zu verkaufen. Er setzt den Preis für das Set auf 180,80 € (80 % von 226 €) fest. Teilt man diesen Betrag nach dem Verhältnis der Brutto-Einzelverkaufspreise auf, ergibt sich:
Aufteilung nach Brutto-Einzelverkaufspreisen
Einkauf
Verkauf netto
Umsatzsteuer
Verkauf brutto
in %
Aufteilung nach brutto
in %
netto
in %
50 €
100 €
7 €
107 €
47,3
85,60 €
47,3
80 €
50
50 €
100 €
19 €
119 €
52,7
95,20 €
52,7
80 €
50
200 €
226 €
180,80 €
160 €
Es wird durch die Aufteilung nach dem Verhältnis der Brutto-Einzelverkaufspreise erreicht, dass der prozentuale Wertanteil der Produkte im Set gemessen an den Einzelverkaufspreisen unverändert bleibt (Produkt 1: 50 % netto, 47,3 % brutto; Produkt 2: 50 % netto, 52,7 % brutto). Der Gewinn beträgt bei den beiden gleichwertigen Produkten jeweils 30 €. Beide Produkte werden proportional verbilligt.
Anders sieht es hingegen aus, wenn man den Ansatz des FG wählt und von Netto-Einzelverkaufspreisen ausgeht:
Aufteilung nach der Methode des FG
Einkauf
Verkauf netto
Umsatzsteuer
Verkauf brutto
in %
Aufteilung nach netto
in %
netto
in %
50 €
100 €
7 €
107 €
47,3
90,40 €
50
84,49 €
52,7
50 €
100 €
19 €
119 €
52,7
90,40 €
50
75,97 €
47,3
200 €
226 €
180,80 €
160,45 €
Durch die vom FG gewählte Aufteilung nach dem Verhältnis der Nettoentgelte wird bewirkt, dass der prozentuale Wertanteil der Produkte sich im Set gemessen an den Einzelverkaufspreisen verändert (Produkt 1: von 50 % netto auf 52,7 % netto und von 47,3 % brutto auf 50 % brutto; Produkt 2: von 50 % netto auf 47,3 % netto und von 52,7 % brutto auf 50 % brutto). Obwohl die Produkte gleichwertig sind, beträgt der Gewinn bei Produkt 1 nun 34,49 € (er steigt relativ) und bei Produkt 2 nur noch 25,97 € (er sinkt relativ). Produkt 1 wird unterproportional und Produkt 2 überproportional verbilligt.
Diese Verschiebung widerspricht der wirtschaftlichen Realität und ist mithin nicht sachgerecht. Obwohl die Produkte im Set gegenüber den Produkten im Einzelverkauf identisch und gleichwertig sind, werden sie bei der Aufteilung nach dem Verhältnis der Nettoentgelte als nicht mehr gleichwertig behandelt.
2. Ohne Erfolg wendet sich das FA allerdings gegen die Entscheidung des FG, dass der Ansatz eines Sicherheitszuschlags im Streitfall unzulässig ist. Das FG hat den Ansatz eines Sicherheitszuschlags zu Recht beanstandet.
a) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ‑‑AO‑‑).
aa) Das gilt unter anderem, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.
bb) Die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, sind der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 158 AO). Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO, § 239 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs ‑‑HGB‑‑).
cc) Der Unternehmer ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 UStG a.F.).
b) Im Rahmen der Schätzung sind nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die Schätzung des FG ist eine Tatsachenfeststellung im Sinne des § 118 Abs. 2 FGO und kann daher revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie dem Grunde nach zulässig war, in verfahrensfehlerfreier Weise zustande gekommen ist und nicht gegen rechtliche Vorgaben, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstößt (vgl. BFH-Urteil vom 16.11.2022 - X R 17/20, BFHE 279, 44, BStBl II 2023, 484, Rz 115).
c) Ausgehend davon ist die Annahme des FG, die Voraussetzungen für den Ansatz eines Sicherheitszuschlags seien vorliegend nicht gegeben, nicht zu beanstanden.
aa) Das FG hat keine Rechtfertigung für den Ansatz eines Sicherheitszuschlags auf das vom FA nach der EVP-Methode errechnete Ergebnis gesehen, da jede Schätzung zwangsläufig Ungenauigkeiten enthalten kann. Diese könnten sich sowohl zulasten als auch zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken. Vorliegend habe das FA ebenso zugunsten der Klägerin einen Sicherheitsabschlag vornehmen können. Dafür liege aber ebenso wenig ein sachlicher Grund vor, wie für den Ansatz eines Sicherheitszuschlags zuungunsten der Klägerin.
bb) Das FG hat dabei berücksichtigt, dass eine Schätzung bei der Klägerin nicht etwa aufgrund Aufzeichnungsmängeln erforderlich geworden wäre. Die Klägerin habe vielmehr eine Methode zur Ermittlung eines Aufteilungsschlüssels angewendet, die vom FA nicht akzeptiert worden sei. Erst die dadurch erforderlich gewordene abweichende Berechnung aus Einzelumsätzen habe dann eine Schätzung durch das FA erfordert, weil die Berechnung der Klägerin auf anderen Grundlagen basiert habe. Diese besondere Sachverhaltskonstellation rechtfertige nicht den Ansatz eines Sicherheitszuschlags.
d) Dies lässt Rechtsfehler zulasten des FA nicht erkennen.
aa) Zwar fehlen tatsächliche Feststellungen des FG dazu, weshalb das FA die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen konnte. Das FG hat im Tatbestand seines Urteils lediglich ausgeführt, dass weder die Klägerin noch die Prüferin anhand der vorliegenden Daten dazu in der Lage gewesen seien, nachträglich eine Berechnung nach der EVP-Methode zu erstellen. Weshalb dies nicht möglich war, ergibt sich aus dem Urteil allerdings nicht. Allein die Masse der Daten entbindet das FA jedenfalls nicht von einer ‑‑zumindest stichprobenweisen‑‑ Sachverhaltsaufklärung (vgl. BFH-Urteil vom 31.01.2024 - V R 20/21, BFHE 283, 535).
bb) Der Senat lässt außerdem offen, ob die Aufzeichnungen der Klägerin überhaupt unrichtig im Sinne des § 146 Abs. 1 AO, § 239 Abs. 2 HGB sind. Das FG hat zwar zutreffend hervorgehoben, dass die Aufzeichnungen der Klägerin objektiv unrichtig seien, weil die Klägerin objektiv eine falsche Methode zur Aufteilung des Gesamtentgelts angewendet habe. Die von der Klägerin vertretene Auffassung war allerdings subjektiv zumindest vertretbar, nachdem sich aus einem bei den Akten befindlichen Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 01.12.2017 ergibt, dass die Umsatzsteuer-Referatsleiter bei der Abstimmung über das BMF-Schreiben vom 28.11.2013 (BStBl I 2013, 1594) ursprünglich davon ausgegangen sind, dass die F&P-Methode eine Aufteilungsmethode nach dem Verhältnis des Wareneinsatzes in diesem Sinne sei, da der Wareneinsatz durch exakt festgelegte Rezepturen ganz konkret einzelnen Produkten zugeordnet werden könne (vgl. auch Feil/Grundler, Umsatzsteuer-Rundschau 2014, 1). In der Literatur wird teilweise vertreten, der Grundsatz der Richtigkeit verlange eine Buchung, die dem materiellen Recht entspricht oder ‑‑bei umstrittenen Rechtsfragen‑‑ zumindest vertretbar ist (Klein/Rätke, AO, 18. Aufl., § 146 Rz 13). Im Rahmen der Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluss vom 31.01.2013 - GrS 1/10 (BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, Rz 78) nicht über Fälle entschieden, in denen der Steuerpflichtige bei der Bilanzierung von unzutreffenden Tatsachen (Prognosen oder Schätzungen) ausgegangen ist, ohne dabei gegen die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verstoßen zu haben. Im Streitfall geht es um eine Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts, die einer Schätzung in diesem Sinne zumindest ähnelt.
cc) Beide Fragen können allerdings offenbleiben; denn die Annahme des FG, dass selbst dann, wenn eine Schätzung zulässig wäre, kein Sicherheitszuschlag gerechtfertigt sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Bei der Prüfung, ob ein Sicherheitszuschlag gerechtfertigt ist, sind einerseits alle möglichen Anhaltspunkte ‑‑unter anderem auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung‑‑ zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde beziehungsweise dem FG Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (vgl. BFH-Beschluss vom 26.02.2018 - X B 53/17, BFH/NV 2018, 820, Rz 7), was das FG berücksichtigt hat. Auf der anderen Seite ist auch das Maß der Verletzung der dem Steuerpflichtigen obliegenden Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 20.03.2017 - X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51; vom 12.12.2017 - VIII R 6/14, BFH/NV 2018, 606, Rz 61), was das FG ebenso getan hat.
(2) Ausgehend davon hat das FG zu Recht berücksichtigt, dass das FA selbst die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt und die Klägerin daran mitgewirkt hat. Das Maß der Verletzung des § 22 UStG a.F. wäre, wenn man überhaupt von einer Verletzung ausginge, allenfalls als äußerst gering einzustufen. Die Verletzung könnte allenfalls, wie das FG angenommen hat, in der Anwendung einer zwar objektiv unrichtigen, aber subjektiv vertretbaren Methode zur Aufteilung des einheitlichen Gesamtentgelts auf die Umsätze der Klägerin bestehen. Dies rechtfertigt nicht den Ansatz eines Sicherheitszuschlags neben der vom FA selbst vorgenommenen Schätzung, an der die Klägerin auch mitgewirkt hat.
3. Die Sache ist spruchreif.
Da das FA zu Unrecht einen Sicherheitszuschlag angesetzt hat, hat das FG der Klage insoweit zu Recht stattgegeben. Jedoch hat das FA zu Recht statt der Aufteilung nach der F&P-Methode eine Aufteilung nach Brutto-Einzelverkaufspreisen vorgenommen. Die Klage ist daher im Übrigen als unbegründet abzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
1. Legen beide Beteiligte Revision ein, ist die Kostenentscheidung nach dem Grundsatz der einheitlichen Kostenverteilung nach dem Obsiegen und Unterliegen gemäß der Quoten der Gesamtkosten zu treffen (z.B. BFH-Urteile vom 23.08.2017 - X R 7/15, BFH/NV 2018, 325, Rz 50; vom 05.09.2023 - IV R 24/20, BFHE 281, 374, Rz 131; s.a. BFH-Beschluss vom 29.03.2016 - V R 41/15, BFH/NV 2016, 1056).
2. Danach tragen die Klägerin … der Kosten und das FA … der Kosten, da sie insoweit jeweils unterlegen sind.