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Beschluss vom 21. August 2018, VIII B 19/18

Tilgung von Steuerschulden durch Barzahlung

ECLI:DE:BFH:2018:B.210818.VIIIB19.18.0

BFH VIII. Senat

AO § 218, AO § 224, FGO § 41, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 2

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 12. December 2017, Az: 11 K 1497/16

Leitsätze

NV: Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht, wenn die aufgeworfene materiell-rechtliche Rechtsfrage (hier: zu § 224 der Abgabenordnung) nicht klärungsfähig ist, weil das Finanzgericht die Klage zu einzelnen Streitgegenständen als unzulässig abgewiesen hat und es im Übrigen für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die Beantwortung der Rechtsfrage nicht ankommt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 12.12.2017 - 11 K 1497/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

  2. 1. Die vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) als grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgeworfene Rechtsfrage ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds sind nicht erfüllt.

  3. a) Der Kläger hat in der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert:

    "Befreit eine durch die Übergabe von Euro-Banknoten an ein von der Finanzbehörde ermächtigtes Kreditinstitut erbrachte Zahlung zur spezifizierten Tilgung einer fälligen Steuerschuld des Steuerpflichtigen diesen Steuerpflichtigen von seiner Zahlungspflicht gegenüber der zuständigen Finanzbehörde bereits unmittelbar bei Übergabe der Banknoten am Tage ihres Eingangs bei dem Kreditinstitut oder gilt die Zahlung erst an dem Tag als entrichtet, an dem der dem Kreditinstitut übergebene Betrag der Finanzbehörde auf deren Konto gutgeschrieben wird?"

  4. b) Das Urteil des Finanzgerichts (FG) betraf aufgrund der gestellten Klageanträge mehrere eigenständige Streitgegenstände. Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung die zitierte Rechtsfrage aufgeworfen, ohne genauer darzulegen, für welchen der eigenständigen Streitgegenstände diese Rechtsfrage aus seiner Sicht entscheidungserheblich sein soll. Der Senat geht daher davon aus, dass der Kläger die aufgeworfene Rechtsfrage für die Entscheidung über alle Streitgegenstände als grundsätzlich bedeutsam ansieht und mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision hinsichtlich sämtlicher Streitgegenstände begehrt.

  5. c) Das FG hat jedoch die Klage, soweit es

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    über den Klageantrag Nr. 2 zu der gemäß § 41 FGO begehrten Feststellung entschieden hat, der Kläger gerate nicht in Verzug gegenüber dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑), solange ihm vom FA keine Ermächtigung gemäß § 224 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) bekannt gemacht worden sei und

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    über den hilfsweise zum Klageantrag Nr. 2 erhobenen Klageantrag entschieden hat, das FA zu verpflichten, gegenüber dem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen keine Säumniszuschläge festzusetzen,

    als unzulässig abgewiesen.

  6. Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Rechtsfrage ist hinsichtlich dieser eigenständigen Streitgegenstände somit schon deshalb nicht entscheidungserheblich und nicht klärungsfähig, weil sie den Beginn der Säumnis des Klägers und damit die Begründetheit der Klage für diese Streitgegenstände betrifft (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 17.06.2009 - II B 23/09, juris).

  7. d) Hinsichtlich des Klageantrags Nr. 1 ist die aufgeworfene Rechtsfrage ebenfalls nicht entscheidungserheblich und damit nicht klärungsfähig.

  8. aa) Mit dem Klageantrag Nr. 1 hat der Kläger im Wege der Leistungsklage begehrt, das FA zu verpflichten, ein Kreditinstitut i.S. des § 224 Abs. 4 Satz 2 AO zu ermächtigen, Barzahlungen des Klägers an die Finanzbehörden zum Zwecke der Steuertilgung entgegenzunehmen und dem Kläger die erteilte Ermächtigung bekannt zu geben. Das FG hat die Klage insoweit als unbegründet abgewiesen und sich tragend darauf gestützt, eine solche Ermächtigung sei vom FA vor Klageerhebung am 06.06.2016 der X-Bank erteilt worden, auch wenn die Ermächtigung zur Entgegennahme von "Zahlscheinen" und nicht von "Zahlungsmitteln" ausgesprochen worden sei. Ob der Kläger überhaupt einen individuellen Anspruch auf die Erteilung einer solchen Ermächtigung durch das FA an eine örtliche Bank haben könnte, hat das FG nicht näher geprüft. Zudem hat es einen Anspruch des Klägers auf Benachrichtigung über die der X-Bank erteilte Ermächtigung mangels Rechtsgrundlage verneint.

  9. bb) Mit der aufgeworfenen Rechtsfrage will der Kläger geklärt wissen, zu welchem Zeitpunkt bei einer in Euro geleisteten Barzahlung an das ermächtigte Kreditinstitut die Tilgungswirkung der Zahlung für die Steuerschuld eintritt. Die Beantwortung dieser Frage ist für die Entscheidung über die mit dem Klageantrag Nr. 1 erhobene Leistungsklage aber nicht erheblich. Zudem hat das FG in den nicht tragenden Erwägungen des Urteils auf § 224 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AO hingewiesen, die den Entrichtungszeitpunkt für eine solche Barzahlung regeln. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass die aufgeworfene Rechtsfrage nicht schon aus dem Gesetz heraus zu beantworten und damit überhaupt klärungsbedürftig sein könnte.

  10. e) Für die Entscheidung über den Klageantrag Nr. 4, mit dem der Kläger eine Erstattung gezahlter Bankgebühren anlässlich einer Bareinzahlung am 11.03.2016 auf eine Steuerschuld vom FA begehrt, ist die aufgeworfene Rechtsfrage ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Es ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger trotz der umfangreichen Beschwerdebegründung nicht schlüssig dargelegt, warum die Frage nach dem genauen Tilgungszeitpunkt im Fall der Barzahlung von Steuerschulden bei einem ermächtigten Kreditinstitut erheblich für die Entscheidung sein soll, ob aufgrund dieser Zahlungsform das FA oder der Steuerpflichtige die anfallenden Bankgebühren zu tragen hat.

  11. 2. Mit den Ausführungen in der Beschwerdebegründung, das FG habe auf Seite 14 und 18 des Urteils widersprüchlich argumentiert, legt der Kläger allenfalls einen materiell-rechtlichen Mangel des Urteils dar, der ‑‑wenn er überhaupt vorläge‑‑ keinen Zulassungsgrund bildet. Die Rüge der falschen Rechtsanwendung und tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ‑‑von im Streitfall nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen‑‑ grundsätzlich unbeachtlich (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.05.2012 - X B 71/11, BFH/NV 2012, 1461; vom 19.03.2018 - VI B 97/17, BFH/NV 2018, 733, Rz 10). Gleiches gilt für den Vortrag in der Beschwerdebegründung, mit dem der Kläger darlegt, das FA und ein von ihm ermächtigtes Kreditinstitut seien gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 des Bundesbankgesetzes (BBankG) zur Entgegennahme von Bargeld in Euro zur Tilgung einer Steuerschuld verpflichtet, sodass die Annahmeverweigerung auch den Annahmeverzug des Gläubigers zur Folge habe. Soweit dieser Vortrag darauf abzielt, das FG habe auf Seite 14 des Urteils zu Unrecht § 224 AO als eine gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 BBankG speziellere Vorschrift eingeordnet, wendet sich der Kläger gegen die Richtigkeit dieser Aussage des FG, legt aber keinen Zulassungsgrund gemäß § 115 Abs. 2 FGO dar.

  12. 3. Die Feststellung in der Beschwerdebegründung vom 02.03.2018 auf Seite 14, das FG habe abweichend von der Entscheidung des FG Münster vom 01.10.2015 - 7 V 2897/15 AO (Betriebs-Berater ‑‑BB‑‑ 2016, 2838) entschieden, genügt zur Darlegung des Zulassungsgrunds der Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht.

  13. a) Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichung muss der Beschwerdeführer u.a. tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung im Grundsätzlichen, nicht nur im Einzelfall, zu verdeutlichen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung z.B. BFH-Beschluss vom 07.02.2018 - V B 105/17, BFH/NV 2018, 536, Rz 7).

  14. b) Daran fehlt es hier. Das FG Münster hat sich im Beschluss vom 01.10.2015 - 7 V 2897/15 AO (BB 2016, 2838) zu der hier streitigen Frage, ob eine vom FA erteilte Ermächtigung auch dann den Anforderungen des § 224 Abs. 4 Satz 1 AO genügt, wenn ein Kreditinstitut zur Entgegennahme von "Zahlungsscheinen gegen Quittung" statt von "Zahlungsmitteln" ermächtigt wird, nicht geäußert, sondern nur das Gesetz zitiert. Zudem betraf der Fall des FG Münster die Frage, ob eine Vollstreckung i.S. des § 258 AO unbillig ist, wenn der Steuerpflichtige die Tilgung der Steuerschuld durch Barzahlung anbietet und das ermächtigte Kreditinstitut die Annahme des Bargelds lediglich wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Geldwäschegesetz abgelehnt hat. Die Entscheidungen sind damit zu nicht vergleichbaren Sachverhalten und unterschiedlichen entscheidungserheblichen Rechtsfragen ergangen.

  15. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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