EGRL 112/2006 Art 204 ; EGRL 112/2006 Art 205
Vorabentscheidungsersuchen des Dioikitiko Protodikeio Thessalonikis (Griechenland), eingereicht am 08.05.2025, zu folgenden Fragen:
1. Sind Art. 205 der Richtlinie 2006/112/EG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift wie Art. 55 Buchst. d des Gesetzes 2859/2000 entgegenstehen, nach der eine Person gesamtschuldnerisch für die Zahlung der Mehrwertsteuer haftet, die (unabhängig von ihrer im nationalen Recht erfolgten Bezeichnung als "Steuervertreter" ("antiprosopos") oder "steuerlicher Vertreter" ("ecprosopos") nicht verpflichtet ist, Aufzeichnungen zu führen oder Angaben zu den Umsätzen ihres Auftraggebers, nämlich des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, zu machen, und auch weder solche Aufzeichnungen führt noch die vorgenannten Angaben macht, sondern lediglich die entsprechenden Mehrwertsteuererklärungen abgibt, wenn die in Rede stehende nationale Vorschrift der Steuerbehörde und damit auch dem zuständigen Gericht keine Möglichkeit einräumt, zu prüfen, ob die betreffende Person i) an der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen beteiligt ist oder nicht, ii) wusste oder hätte wissen müssen, dass die Steuer für den betreffenden, einen früheren oder nachfolgenden Umsatz nicht gezahlt werden würde, und iii) in gutem Glauben gehandelt und im Rahmen ihrer Möglichkeiten alle angemessenen Maßnahmen ergriffen hat?
2. Kann nach Art. 204 der Richtlinie 2006/112 der Steuervertreter eines Mehrwertsteuerpflichtigen, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, als Steuerschuldner haftbar gemacht werden, wenn er nicht an der Tätigkeit des Steuerpflichtigen beteiligt ist? Steht diese Bestimmung einer nationalen Vorschrift wie Art. 35 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes 2859/2000 entgegen, nach der der Steuervertreter automatisch als Steuerschuldner gilt, ohne dass der Steuerbehörde und damit auch dem zuständigen Gericht die Möglichkeit eingeräumt wird, zu prüfen, ob die betreffende Person an der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen beteiligt ist oder nicht?
3. Fällt die Antwort auf die vorstehenden Fragen unterschiedlich aus, je nachdem, ob die Transaktion, für die die Mehrwertsteuer geschuldet wird, mit der Steueridentifikationsnummer des Mitgliedstaats durchgeführt wird, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, oder ob sie mit der Steueridentifikationsnummer des Mitgliedstaats durchgeführt wird, in dem die Steuer geschuldet wird?
4. Sind die Art. 204 Abs. 1 und Art. 205 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen, dass eine Person gleichzeitig nach diesen beiden Bestimmungen haften kann, d. h. als Steuerschuldner nach Art. 204 Abs. 1 und als Gesamtschuldner nach Art. 205?