Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
geöffnete weiße Holzflügeltüren mit Flurlichtern im Art-déco-Stil im Bundesfinanzhof

Press Service
of the Federal Fiscal Court

Press releases

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Sogenannte Hinzurechnungsbesteuerung verstößt gegen Gemeinschaftsrecht

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 21. Oktober 2009 I R 114/08 entschieden, dass die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. des Außensteuergesetzes (AStG) gegen Gemeinschaftsrecht verstößt.

Von dieser Besteuerung werden im Inland ansässige Steuerpflichtige getroffen, die sich in einem sog. Niedrigsteuerland als Gesellschafter an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligen, welche als „Zwischengesellschaft“ keine oder nur ‚passive’ eigene Aktivität entwickelt und nicht ‚wirklich’ am wirtschaftlichen Geschäftsverkehr teilnimmt. Für diesen Fall werden die Einkünfte der Gesellschaft den Einkünften der inländischen Gesellschafter hinzugerechnet. Wird der inländische Steuerpflichtige nicht durch eine solche Kapitalbeteiligung, sondern stattdessen unter entsprechenden Umständen in dem Niedrigsteuerland über eine Betriebsstätte tätig, wird ihm der Vorteil der Steuerfreistellung der Betriebsstätteneinkünfte aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung versagt, und er muss die Betriebsstätteneinkünfte im Inland unter Anrechnung etwaiger Auslandssteuern versteuern.

Der BFH erkennt in der Hinzurechnungsbesteuerung und auch in der versagten Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Grund dafür ist die ständige Spruchpraxis des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), wonach eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Gebietsinländern und Gebietsausländern grundsätzlich zwar zulässig sein kann, um dadurch Gestaltungsmissbräuchen entgegenzuwirken. Werden nachteilige Steuerfolgen für Gebietsausländer aber - wie bei der Hinzurechnungsbesteuerung - in typisierender, verallgemeinernder Weise geregelt, muss es dem betroffenen Steuerpflichtigen möglich bleiben, den Gegennachweis dafür zu erbringen, dass in seinem Fall kein Gestaltungsmissbrauch gegeben ist. Fehlt es an einer solchen Möglichkeit („Motivtest“), steht der belastende Steuernachteil nur dann in Einklang mit Gemeinschaftsrecht, wenn der Gegennachweis nicht gelingt. Der Nachweis gelingt, wenn die Gesellschaft im Rahmen ihres Unternehmenszwecks über entsprechend qualifiziertes Personal und geeignete Geschäftsräume verfügt und ihre Einkünfte aus eigener Tätigkeit erzielt hat.

Bei dem Urteil des BFH handelt es sich um die Schlussentscheidung zu dem vorangegangenen Urteil des EuGH vom 6. Dezember 2007 C-298/05 „Columbus Container Services“. Konkret ging es um eine belgische Kommanditgesellschaft, an welcher in Deutschland ansässige Angehörige einer Familie beteiligt waren. Die Beteiligungen werden abkommensrechtlich als ein Tätigwerden über ausländische Betriebsstätten angesehen. Da die Kommanditgesellschaft sich nur „passiv“ mit Kapitalanlagefunktionen im Rahmen einer Unternehmensgruppe betätigte, wurde ihren inländischen Gesellschaftern die Freistellung der in Belgien erwirtschafteten Einkünfte versagt. Der BFH hat das nicht akzeptiert; denn die Kommanditgesellschaft hatte genügend wirtschaftliche Substanz und stellte keine ‚rein künstliche Gestaltung’ dar.

Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber für Veranlagungszeiträume ab 2008 in § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit des Gegennachweises geschaffen. Er hat dabei aber Kapitalanlagegesellschaften und auch die besondere Behandlung von Betriebsstätteneinkünften ausgespart. Es ist deswegen nach wie vor zweifelhaft, ob die Neuregelung gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen genügt. Der BFH bringt diese Zweifel auch zum Ausdruck.

 

Bundesfinanzhof
Pressestelle      Tel. (089) 9231-400
Pressereferent  Tel. (089) 9231-300

Print Page