EUV 952/2013 Art 70 ; EUV 952/2013 Art 74 ; EUV 952/2013 Art 69 ; EUV 952/2013 Art 83 Abs 3 ; EUV 952/2013 Art 42 Abs 1 ; EUGrdRCh Art 49
Vorabentscheidungsersuchen des Apelativen sad - Plovdiv (Bulgarien), eingereicht am 12.09.2025, zu folgenden Fragen:
1. Ist die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Europäischen Union auf Zuwiderhandlungen gegen zollrechtliche Vorschriften anwendbar, die nach nationalem Recht Straftaten darstellen, und zwar insbesondere im Bereich der Sanktionen im Zusammenhang mit dem Schmuggel von Waren, der je nach dem Wert und der Art und Weise, wie Letzterer bestimmt wird (nach dem Zollgesetz auf Basis des gemäß den Regeln der Art. 70 und 74 der Verordnung ermittelten Zollwerts bei Einfuhr oder, wie es die Rechtsprechung zur Anwendung von Art. 242 Abs. 1 Buchst. e des Nakazatelen kodeks (Strafgesetzbuch) vorsieht, entsprechend den durch ein Sachverständigengutachten ermittelten Marktpreisen) entweder eine verwaltungsrechtliche Zuwiderhandlung nach Art. 233 Zollgesetz oder eine Straftat nach Art. 242 Abs. 1 Buchst. e Strafgesetzbuch darstellen kann?
2. Erlauben es Art. 83 Abs. 3 und Art. 69 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates, den Wert von Waren, die Gegenstand einer Zuwiderhandlung gegen die Zollvorschriften sind, nach anderen Kriterien als jenen der Art. 70 und 74 der Verordnung zu bestimmen, und ist insoweit eine nationale Regelung wie die des Art. 242 Abs. 1 Buchst. e Strafgesetzbuch zulässig, die als Straftatbestandsmerkmal des qualifizierten Schmuggels das Kriterium "(in) hohen Größenordnungen" als einziges Unterscheidungskriterium zwischen der verwaltungsrechtlichen Zuwiderhandlung nach Art. 233 Abs. 1 Zollgesetz, die mit einer Geldbuße in Höhe eines Prozentsatzes auf den Zollwert der Waren, der nach den in den Art. 70 und 74 der Verordnung festgelegten Methoden bestimmt wird, bei Einfuhr geahndet wird, und der Straftat nach Art. 242 Abs. 1 Buchst. e Strafgesetzbuch, die mit einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe geahndet wird, vorsieht, wobei es für dieses Kriterium Äder "hohen Größenordnungen"Ü keine Legaldefinition gibt und dessen Bedeutung im Auslegungsurteil Nr. 1 des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht) vom 30. Oktober 1998 in der Auslegungssache Nr. 1/98 der Generalversammlung des Strafsenats (OSNK) festgelegt wurde, wonach "hohe Größenordnungen" dem Geldwert des Tatobjekts entsprechen, der das Siebzigfache des im Lande festgelegten Mindestlohns übersteigt, wobei die Bestimmung des Geldwerts in Marktpreisen nicht auf normativen oder anderen objektiven Kriterien beruht, sondern von einem Schätzungssachverständigen vorgenommen wird, und wird dadurch das Recht des Beschuldigten/Angeklagten auf einen wirksamen Rechtsbehelf und auf ein faires Verfahren gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen gemäß Art. 49 der Charta verletzt, da das Kriterium der "hohen Größenordnungen", das eine verwaltungsrechtliche Zuwiderhandlung gegen Zollvorschriften in eine Straftat umwandelt, nicht im Gesetz, sondern in einem Auslegungsurteil des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht) definiert ist, das nicht (im Staatsanzeiger) verkündet wird?
3. Lässt Art. 42 Abs. 1 der Verordnung Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Verbindung mit Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union eine normative Regelung wie jene nach Art. 242 Abs. 1 Buchst. e Strafgesetzbuch zu, die eine Zuwiderhandlung gegen die zollrechtlichen Vorschriften aufgrund des Kriteriums der "hohen Größenordnungen" als Straftat qualifiziert, für das es keine Legaldefinition im Gesetz gibt und dessen Inhalt sich aus der Rechtsprechung - Auslegungsurteil Nr. 1 des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht) vom 30. Oktober 1998 - ergibt, und wird angesichts des Fehlens einer Klarstellung des qualifizierten Tatbestandsmerkmals der Zuwiderhandlung im Gesetz das zwingende Erfordernis der Verhältnismäßigkeit des Strafmaßes zur Straftat sowie der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen dadurch missachtet, dass eine Strafe für eine Straftat verhängt wird, die im Gesetz nicht eindeutig festgelegt ist, und dass für ein wesentliches Tatbestandselement der Straftat unter Missachtung des Grundsatzes nullum crimen, nulla poena sine lege auf die Rechtsprechung verwiesen wird?
4. Ist der in Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte allgemeine Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie jener des Art. 242 Abs. 7 Strafgesetzbuch entgegensteht, die vorsieht, dass in Fällen, in denen der Schmuggelgegenstand nicht vorhanden ist oder veräußert wurde, die Einziehung seines Gegenwerts entsprechend den jeweiligen staatlichen Einzelhandelspreisen angeordnet wird, obwohl es nach dem Ende der Planwirtschaft und der Einführung von Marktgrundsätzen in die Volkswirtschaft des Landes keine staatlich festgelegten Preise für die Waren (mit Ausnahme von Zigaretten) gibt, was zur Folge hat, dass es keine Grundlage für die Feststellung dieser Gleichwertigkeit gibt, auf deren Basis die quantitativen Kriterien "hohe Größenordnungen" und "besonders hohe Größenordnungen", die sich auf die Einstufung des Schmuggels als verwaltungsrechtliche Zuwiderhandlung gegen Zollvorschriften oder als Straftat sowie auf die Art und Höhe der Sanktionen auswirken, berechnet werden? Ist es in diesen Fällen zulässig, als Grundlage für die Feststellung der Gleichwertigkeit den nach den Regeln der Art. 70 und 74 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ermittelten Zollwert der Waren heranzuziehen, weil er dem Begriff "staatliche Einzelhandelspreise" am nächsten kommt, und ist es zulässig, in der so abgefassten gesetzlichen Formulierung von dem durch ein gerichtliches Wirtschaftsgutachten ermittelten Marktpreis der Waren auszugehen?
5. Ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zur Zuwiderhandlung gegen die zollrechtlichen Vorschriften der Union, wie er in Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Verbindung mit Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union über die Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen und im Rahmen des (Urteils des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. Dezember 2024, SISTEM LUX (C-717/22 und C-372/23, EU:C:2024:1041), Rn. 52 und 53,Ü niedergelegt ist, dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie jener gemäß Art. 242 Abs. 1 Buchst. e Strafgesetzbuch entgegensteht, wonach der Täter, der den Straftatbestand des qualifizierten Schmuggels von Waren oder Gegenständen zu gewerblichen Zwecken und in hohen Größenordnungen erfüllt, mit zwei schweren kumulativ verhängten Freiheitsstrafen zwischen drei und zehn Jahren und einer Geldstrafe von 20 000 bis 100 000 BGN bestraft wird, wobei gleichzeitig der Schmuggelgegenstand, unabhängig davon, in wessen Eigentum er steht, gemäß Art. 242 Abs. 7 Strafgesetzbuch zugunsten des Staates eingezogen wird, und wenn er nicht vorhanden ist oder veräußert wurde, die Einziehung des Gegenwerts (dieses Gegenstands) angeordnet wird?
6. Ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Sanktionen zur Zuwiderhandlung gegen die zollrechtrechtlichen Vorschriften der Union, wie er in Art. 42 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Verbindung mit Art. 49 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union über die Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen und im Rahmen des (Urteils des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. Dezember 2024, SISTEM LUX (C-717/22 und C-372/23, EU:C:2024:1041), Rn. 52 und 53Ü niedergelegt ist, dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie jener gemäß Art. 233 Abs. 1 und 2 Zollgesetz entgegensteht, die in gewöhnlichen (nicht qualifizierten) Fällen von Zollschmuggel vorsieht, dass der Zuwiderhandelnde mit einer Geldbuße in Höhe von 100 bis 200 % des Zollwerts der Waren oder bei Ausfuhr in Höhe des Warenwerts bestraft wird, wobei gleichzeitig die Zollschmuggelwaren gemäß Art. 233 Abs. 6 Zollgesetz zugunsten des Staates eingezogen werden, unabhängig davon, in wessen Eigentum sie stehen, und, falls sie nicht vorhanden sind oder veräußert wurden, die Einziehung des Gegenwerts, der in ihrem Zollwert oder bei Ausfuhr in ihrem Warenwert besteht, angeordnet wird?