Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
auf der Richterbank liegen Barett und Arbeitsmappe, dahinter ein Richterstuhl, auf dem eine Robe hängt

Entscheidungen
des Bundesfinanzhofs

Entscheidungen online

Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Beschluss vom 29. Mai 2011, II B 133/10

Anteilserwerb als Grunderwerbsteuer auslösender Vorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO ab 1997 - Kein genereller Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG gegenüber § 42 AO - Keine grundsätzliche Bedeutung - Beurteilung außersteuerlicher Gründe als materiell-rechtliche Würdigung

BFH II. Senat

GrEStG § 1 Abs 1 Nr 1, GrEStG § 1 Abs 2a, GrEStG § 1 Abs 3, AO § 42 S 1, FGO § 76, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, FGO § 116 Abs 3 S 3

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 21. September 2010, Az: 11 K 1394/06 B

Leitsätze

NV: Es ist für Besteuerungszeiträume ab 1997 bereits höchstrichterlich geklärt, dass ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft gesellschaftsvertraglich so ausgestaltet sein kann, dass dessen Erwerb im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums an einem Grundstück gleichkommt und deshalb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO zu besteuern ist .

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unbegründet.

  2. Gründe, welche nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Zulassung der Revision führen, liegen, soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sie überhaupt in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt haben, nicht vor.

  3. 1. Die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Anwendung des § 42 der Abgabenordnung (AO) für nach dem 1. Januar 1997 abgeschlossene Erwerbsvorgänge nicht dadurch ausgeschlossen sei, dass § 1 Abs. 2a und Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als spezialgesetzliche Missbrauchsnormen Fälle abschließend regele, in denen es zu einer Veränderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personengesellschaft komme, ist nicht im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftig und hat folglich weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO noch macht sie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO erforderlich (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 179/07, BFH/NV 2008, 1874). Sie ist bereits durch die Rechtsprechung geklärt und es sind keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen.

  4. a) In seinem Urteil vom 1. Dezember 2004 II R 23/02 (BFH/NV 2005, 721) hat der BFH seine ständige Rechtsprechung, wonach ein Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft gesellschaftsvertraglich so ausgestaltet sein kann, dass dessen Erwerb im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des Eigentums an einem Grundstück gleichkommt und deshalb nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i.V.m. § 42 AO zu besteuern ist (so BFH-Urteile vom 7. Februar 2001 II R 35/99, BFH/NV 2001, 1144; vom 2. Februar 1994 II R 84/90, BFH/NV 1994, 824; vom 25. März 1992 II R 46/89, BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680), auf einen das Streitjahr 1997 betreffenden Fall angewendet. Danach ergibt sich auch für Zeiträume ab 1997 in Fällen, in denen die Beteiligung an einer Personengesellschaft mit einer besonderen Berechtigung an einem der Gesellschaft gehörenden Grundstück verbunden ist und der Gesellschafter ggf. durch einseitige Erklärung (z.B. Kündigung oder Auflösung der Gesellschaft) seine Gesellschafterstellung ohne weiteres in einen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an diesem Grundstück "umwandeln" kann, bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Gesellschaftsanteils für den Fall des Ausscheidens oder der Auflösung der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvertrag ein konkreter Übereignungsanspruch. Wird ein derart ausgestalteter Gesellschaftsanteil erworben, so ersetzt der Anteilserwerb die Übertragung des Grundstückseigentums, dessen Auswahl den Gesellschaftsanteil bestimmt hat. Denn die gewählte Konstruktion des Erwerbs derart ausgestalteter Gesellschaftsrechte ermöglicht infolge der Steuerfreiheit des Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand sowie der Steuerbefreiung nach § 6 Abs. 2 oder § 7 Abs. 2 GrEStG eine grunderwerbsteuerfreie Überleitung des durch den Gesellschaftsanteil repräsentierten Grundstücks, worin ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 Satz 1 AO liegt.

  5. b) Da der BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2005, 721 die Anwendbarkeit des § 42 AO in einem das Jahr 1997 betreffenden Streitfall bejaht hat, schließt er implizit einen generellen Anwendungsvorrang des § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG gegenüber § 42 AO aus. Es ist insoweit zwar richtig, dass im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG § 42 AO keine Anwendung mehr beanspruchen kann; dies gilt aber nicht für die von diesen Regelungen nicht erfassten Fälle, in denen ein mit einem Grundstück der Personengesellschaft verknüpfter Gesellschaftsanteil übertragen wird (Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., Vorb. Rz 91 und § 1 Rz 756 ff.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl.,  § 1 Rz 64 und 269; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 1 Rz 26).

  6. 2. Mit ihrer Rüge, das Finanzgericht (FG) habe dadurch gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 76 FGO) verstoßen, dass es unter Verstoß gegen den Inhalt der Akten fälschlich angenommen habe, der Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft sei von den anderen Gesellschaftern dazu ermächtigt worden, zu Lasten der Gesellschaft weitere Fremdmittel aufzunehmen, wodurch sie bewusst das Risiko übernommen hätten, dass zur Zeit der Gesellschaftsgründung bzw. des Erwerbs des noch unbebauten Grundstücks noch nicht alle Anteile gezeichnet worden seien, dringen die Kläger ebenfalls nicht durch.

  7. a) Soweit die Kläger ausführen, das FG habe einzelne Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages fehlerhaft interpretiert oder nicht berücksichtigt, haben sie bereits im Ansatz keinen Verfahrensmangel dargelegt. Denn Fehler bei der Auslegung von Verträgen wie die Verletzung gesetzlicher Auslegungsregeln oder von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen gehören zu den materiell-rechtlichen Gesetzesverstößen und sind deshalb nicht geeignet, die Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zu eröffnen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2004 IV B 95/02, BFH/NV 2004, 949; vom 13. Juli 2005 II S 5/05, BFH/NV 2005, 2215; vom 10. Januar 2007 X B 51/06, BFH/NV 2007, 718; vom 6. August 2010 IV B 151/09, BFH/NV 2010, 2105). Dem materiellen Recht zuzuordnen ist insoweit auch die Frage, ob mit Blick auf einen vom FG festgestellten Sachverhalt beachtliche außersteuerliche Gründe gegeben sind.

  8. b) Soweit die Rüge der Kläger dahingehend zu verstehen sein sollte, das FG habe über den Akteninhalt hinaus Tatsachen ermitteln müssen, welche den rechtlichen Schluss auf beachtliche außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung zulassen würden, fehlt es bereits an der Darlegung, dass sich dem FG auf der Grundlage seiner insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 2010 X B 198/09, BFH/NV 2010, 2102). Insoweit wäre substantiiert vorzutragen gewesen, welche Beweise das FG auch ohne Antrag hätte erheben müssen und aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung ohne Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2010 III B 50/09, BFH/NV 2010, 919, m.w.N.).

Seite drucken