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Urteil vom 21. Juni 2012, IV R 54/09

Kosten der Rekultivierung sind nicht Bestandteil gewerbesteuerlich hinzuzurechnender Pachtzinsen

BFH IV. Senat

GewStG § 8 Nr 7, GewStG § 8 Nr 7

vorgehend FG München, 17. November 2009, Az: 1 K 2836/06

Leitsätze

Ist mit der behördlichen Genehmigung zum Abbau eines Bodenschatzes durch den Grundstückspächter eine Verpflichtung zur Rekultivierung verbunden, sind die Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung nicht wirtschaftlicher Bestandteil der an den Grundstückseigentümer zu leistenden Pachtzinsen. Sie erhöhen deshalb nicht den nach § 8 Nr. 7 GewStG a.F. hinzuzurechnenden Betrag für geleistete Pachtzinsen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) baute in den Streitjahren 1999 bis 2003 ein Sandvorkommen ab. Grundlage dafür war ein dem Eigentümer des Betriebsgrundstücks und Gesellschafter der Klägerin eingeräumtes Erdmaterialgewinnungsrecht, für das eine Grunddienstbarkeit auf einem benachbarten Grundstück bestellt worden war. Das Entgelt für die Entnahme von Erdmaterial richtete sich nach der Abbaumenge, betrug ursprünglich 0,60 DM/m³ und war mit einer Wertsicherungsklausel verbunden.

  2. Das Landratsamt hatte die der Klägerin für den Betrieb der Anlage erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit einer Rekultivierungsauflage versehen. Auch nach dem Vertrag über das Substanzgewinnungsrecht war der Eigentümer des "herrschenden" Grundstücks verpflichtet, das "dienende" Grundstück nach dem vom Landratsamt genehmigten Plan auf seine Kosten zu rekultivieren. Für die Rekultivierungsverpflichtung bildete die Klägerin eine Rückstellung. In den Streitjahren erhöhte sich die Rückstellung um folgende Beträge:

    1999

    305.973 DM

    2000

    285.510 DM

    2001

     85.280 DM

    2002

    105.745 €

    2003

     47.667 €

                 

  3. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) die Auffassung, nach § 8 Nr. 7 des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (GewStG) sei nicht nur die Hälfte des laufenden Entgelts für die Erdmaterialentnahme, sondern auch die Hälfte der Zuführung zur Rekultivierungsrückstellung dem Gewinn hinzuzurechnen. Insgesamt nahm das FA folgende Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 7 GewStG vor:

          

    1999

    2000

    2001

    2002

    2003

    DM

    DM

    DM

    Entgelt lt. Außenprüfung

    28.749

    35.818

    24.190

    13.706

    9.256

    Zuführung zur Rückstellung

    305.973

    285.510

    85.280

    105.745

    47.667

    Summe

    334.722  

    321.328

    109.470

    119.451

    56.923

    Hinzurechnung 50 %

    167.361

    160.664

    54.735 

    59.725

    28.461

    Bisher

    17.909

    12.095

    13.403

    4.628

    4.304

               

  4. Gegen die entsprechend am 22. April 2005 erlassenen geänderten Gewerbesteuermessbescheide erhob die Klägerin erfolglos Einspruch.

  5. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt, mit der die Klägerin zuletzt beantragt hatte, die hinzugerechneten Miet- und Pachtzinsen mit folgenden Beträgen zu berücksichtigen:

    1999

    17.909 DM

    2000

    12.095 DM

    2001

    13.403 DM

    2002

    4.628 €

    2003

    4.304 €

                 

  6. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 585 abgedruckt.

  7. Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

  8. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  9. Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Im Ausgangspunkt teilt der Senat allerdings die Auffassung des FG, dass die Zuführungen der Klägerin zu einer Rekultivierungsrückstellung unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht zu den nach § 8 Nr. 7 GewStG hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen gehören.

  3. a) Nach § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG wird dem Gewinn die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines Anderen stehen, hinzugerechnet, soweit die Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die Hinzurechnung verfolgt den Zweck, Unternehmen ungeachtet der Nutzung eigenen oder fremden Vermögens derselben gewerbesteuerlichen Belastung zu unterwerfen. Während der Reinertrag aus der Nutzung eigenen Anlagevermögens unmittelbar in den Gewerbeertrag eingeht, soll der Reinertrag aus der Nutzung von gepachtetem oder gemietetem Anlagevermögen typisiert durch die Hinzurechnung der Hälfte der gewinnmindernd behandelten Miet- und Pachtzinsen mit Gewerbesteuer belastet werden (Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936, RStBl 1937, 693, 696; Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 27. November 1975 IV R 192/71, BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220).

  4. Den Begriff der Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG hat die Rechtsprechung von jeher wirtschaftlich verstanden (vgl. z.B. Urteil des Reichsfinanzhofs ‑‑RFH‑‑ vom 11. Februar 1941 I 398/40, RFHE 50, 57, RStBl 1941, 292; BFH-Urteile vom 11. November 1964 I 38/62 U, BFHE 84, 144, BStBl III 1966, 53; in BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220). Dementsprechend hat der BFH auch die vom Mieter oder Pächter übernommenen Kosten für Instandhaltung und Versicherung als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen angesehen, soweit diese Kosten nach den für den in Frage stehenden Vertragstyp gültigen gesetzlichen zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin der Mieter oder Pächter zu tragen hätte (BFH-Urteil in BFHE 117, 474, BStBl II 1976, 220; BFH-Beschlüsse vom 23. September 1998 I B 34/98, BFH/NV 1999, 515, und vom 23. Januar 2008 I B 136/07, BFH/NV 2008, 1197). Bei einem wirtschaftlichen Verständnis des Begriffs der Miet- und Pachtzinsen können nicht nur bereits entstandene Kosten, sondern auch Zuführungen zur Rückstellung für künftig entstehende Kosten als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen angesehen werden (RFH-Urteil in RFHE 50, 57, RStBl 1941, 292; FG Hamburg, Urteil vom 14. November 1969 II 98/66, EFG 1970, 246; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 84, 144, BStBl III 1966, 53).

  5. b) Nach ständiger Rechtsprechung wird die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze grundsätzlich sowohl zivil- als auch steuerrechtlich als Pachtverhältnis beurteilt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1967 VI 331/64, BFHE 90, 215, BStBl II 1968, 30; vom 25. Juni 1985 IX R 60/82, BFH/NV 1985, 74; vom 6. Mai 2003 IX R 64/98, BFH/NV 2003, 1175, jeweils m.w.N.; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. November 1999 XII ZR 24/97, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2000, 302, m.w.N.). Das für den Abbau des Bodenschatzes gezahlte Entgelt ist dementsprechend als Pachtzins i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG anzusehen.

  6. Vom Abbauberechtigten darüber hinaus übernommene Lasten sind nach den vorstehenden Grundsätzen Bestandteil des Pachtzinses, wenn sie nach der für das Rechtsverhältnis typischen Lastenverteilung an sich vom Verpächter zu tragen wären. Bei der danach vorzunehmenden Beurteilung des Rechtsverhältnisses sind nicht nur zivilrechtliche, sondern auch alle anderen rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen müssen deshalb auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen bei der Bestimmung der typischen Lastenverteilung berücksichtigt werden. Treffen danach sowohl den Grundstückseigentümer als auch den Abbauberechtigten Rekultivierungsverpflichtungen entweder unmittelbar aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen oder aufgrund von Verwaltungsakten, kann die Verpflichtung typischerweise keinem der Beteiligten des Pachtverhältnisses allein zugerechnet werden. Der Abbauberechtigte erfüllt mit der Übernahme der Rekultivierung nicht nur eine Pflicht des Grundstückseigentümers, sondern zugleich eine eigene Verpflichtung. Die Kosten der Rekultivierung sind in einem solchen Fall folglich nicht als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG zu behandeln. Gleiches muss für die Zuführungen zu einer Rückstellung für die Rekultivierungsverpflichtung gelten (ebenso FG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 1978 IX/II 23/71 G, EFG 1978, 561; gleicher Ansicht im Ergebnis auch Deloitte/Brokamp, GewStG, § 8 Nr. 1d Rz 22; Mohr in Bergemann/Wingler, GewStG, § 8 Rz 273; anderer Ansicht Blümich/Hofmeister, § 8 GewStG Rz 213; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 7. Aufl., § 8 Nr. 1d Rz 14; Meyer-Scharenberg in Meyer-Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuer-Kommentar, 2. Aufl., § 8 Nr. 7 Rz 26; Sarrazin in Lenski/ Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 8 Rz 90).

  7. c) Im Streitfall kann die Zuführung zur Rekultivierungsrückstellung durch die Klägerin danach nicht als Bestandteil der hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen behandelt werden. Denn unstreitig war die Klägerin nach dem Bayerischen Abgrabungsgesetz bzw. den Naturschutzgesetzen sowie der Genehmigung durch das Landratsamt selbst zur Rekultivierung verpflichtet. Im Übrigen ordnet ‑‑worauf das FG zu Recht hingewiesen hat‑‑ auch der Vertrag über das Substanzgewinnungsrecht dem Eigentümer des "dienenden" Grundstücks keine (auch nicht teilweise) Rekultivierungsverpflichtung zu, ohne dass erkennbar wäre, dass dies der typischen Lastenverteilung bei derartigen Rechtsgeschäften nicht entspricht. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind insoweit rechtswidrig, als sie auf einer Hinzurechnung der Zuführungen zu den Rückstellungen in den Streitjahren beruhen.

  8. 2. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Obwohl das FG in der Sache zu demselben Ergebnis gekommen ist, muss sein Urteil gleichwohl deshalb aufgehoben werden, weil die Feststellungen zur Höhe der hinzuzurechnenden Pachtzinsen den Urteilsausspruch betragsmäßig nicht decken.

  9. Das FG hat dem in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gestellten Antrag der Klägerin in voller Höhe stattgegeben. Dieser beinhaltete eine Hinzurechnung mit den Beträgen, die vor Durchführung der Außenprüfung angesetzt worden waren. Die im Bericht über die Außenprüfung unter Tz. 2.2 und 2.5 angesetzten Beträge stimmen damit nicht überein, sind insoweit aber von der Klägerin nicht angegriffen worden und deshalb unstreitig. Der Senat kann die Differenzen nach Aktenlage nicht klären und verweist das Verfahren aus diesem Grund an das FG zurück. Bei dieser Sachlage hat der Senat keine Veranlassung, zur Verfassungsmäßigkeit des § 8 Nr. 7 GewStG Stellung zu nehmen. Ob im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht unter dem Az. 1 BvL 8/12 anhängige Verfahren Anlass für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO besteht, wird das FG zu prüfen haben.

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