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Urteil vom 05. November 2014, XI R 11/13

Infektionshygienische Leistungen einer "Hygienefachkraft" als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen

BFH XI. Senat

UStG § 4 Nr 14 S 1, UStG § 4 Nr 16, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst b, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst c, EWGRL 388/77 Art 13 Teil A Abs 1 Buchst g, EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst b, EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst c, EGRL 112/2006 Art 132 Abs 1 Buchst g, IfSG § 36, UStG VZ 2008

vorgehend FG Münster, 12. Dezember 2011, Az: 15 K 4458/08 U

Leitsätze

Infektionshygienische Leistungen eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene an Krankenhäuser, Altenheime oder Pflegeheime sind (nur) insoweit nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. umsatzsteuerfrei, als diese Einrichtungen mit den bezogenen Leistungen bei der Ausübung einer Heilbehandlungstätigkeit infektionshygienische Anforderungen erfüllen müssen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten darüber, ob und inwieweit der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als "Hygienefachkraft" an Krankenhäuser und "Alten- bzw. Pflegeheime" im Jahr 2008 (Streitjahr) nach § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (UStG a.F.) steuerfreie Heilbehandlungen erbracht hat.

  2. Der Kläger ist Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und seit 1995 als Hygienefachkraft selbständig tätig. Er führt ‑‑neben weiteren Leistungen für andere Kunden‑‑ u.a. für Krankenhäuser, Altenheime und möglicherweise ‑‑insoweit sind die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) unklar‑‑ auch für Pflegeheime ("Alten- bzw. Pflegeheime") folgende Tätigkeiten aus:

    -       

    Erarbeitung von Hygienekonzepten;

    -       

    Erstellung von Hygieneplänen, Infektionsstatistiken und Mitwirkung bei der Einhaltung der Regeln der Krankenhaushygiene;

    -       

    Mitwirkung bei der Erkennung von Krankenhausinfektionen;

    -       

    allgemeine und bereichsspezifische Beratung;

    -       

    Schulung, Beratung, Fortbildung und fachliche Anleitung von Pflegekräften, Ärzten und sonstigem Personal;

    -       

    Hausbegehungen;

    -       

    Telefonische Auskünfte, Dokumentation/Berichtswesen (Mängelliste);

    -       

    Festlegung der Vorgehensweise bei einer Isolierung von Patienten.

  3. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ‑‑FA‑‑) bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 1. Oktober 1996 zunächst, dass er insoweit eine nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. umsatzsteuerfreie Tätigkeit ausübe.

  4. Nach Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger widerrief das FA zum 1. Juli 2006 die Auskunft vom 1. Oktober 1996, weil sich bei einer Gesamtbetrachtung der Aufgaben des Klägers ergebe, dass er keine Behandlungen oder Versorgungen von Patienten vornehme, sondern im Wesentlichen eine beratende, organisatorische und überwachende Tätigkeit gegenüber dem Träger einer Krankeneinrichtung oder anderen Unternehmern erbracht habe.

  5. In seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat März 2008 behandelte der Kläger die Umsätze gegenüber Krankenhäusern und "Alten- bzw. Pflegeheimen" als gemäß § 4 Nr. 14 UStG a.F. umsatzsteuerfrei.

  6. Das FA folgte dem nicht, sondern sah im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für den Monat März 2008 die vom Kläger als steuerfrei erklärten Umsätze als steuerpflichtig an. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

  7. Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens reichte der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2008 ein. Abweichend davon erließ das FA am 22. April 2010 den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2008 und behandelte darin die vom Kläger als umsatzsteuerfrei erklärten Umsätze als umsatzsteuerpflichtig.

  8. Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 980 veröffentlichten Urteil statt. Es entschied, die hier nur streitigen, vom Kläger gegenüber Krankenhäusern sowie "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Leistungen seien nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. umsatzsteuerfrei, weil der Kläger mit den gegenüber Krankenhäusern sowie "Alten- bzw. Pflegeheimen" ausgeführten Leistungen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch arztähnliche Leistungen erbracht habe. Das FG folge dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. August 2011 V R 27/10 (BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214), wonach infektionshygienische Leistungen eines Arztes, die dieser für andere Ärzte und Krankenhäuser erbringe, damit diese ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der für sie nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) bestehenden Verpflichtungen erbrächten, als Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 UStG a.F. steuerfrei seien. Der Kläger sei zwar kein Arzt, jedoch sei die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 UStG a.F. Das BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 sei zudem nicht nur auf die vom Kläger gegenüber Krankenhäusern, sondern auch auf die gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Leistungen anzuwenden.

  9. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. Es macht geltend, die Leistungen des Klägers gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" wiesen keinen unmittelbaren Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit auf; sie bezögen sich auch nicht unmittelbar auf die Art und Weise einer ärztlichen Tätigkeit. Vielmehr bestünde ein unmittelbarer Bezug zu Betreuungs- und Pflegeleistungen i.S. des § 4 Nr. 16 UStG a.F., so dass der Verweis des FG auf das BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 fehlgehe. Außerdem fehle das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) erforderliche persönliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und den Patienten. Den Patienten sei die Tätigkeit des Klägers regelmäßig gar nicht bewusst. Außerdem bestünden schon Zweifel, ob die Leistungen des Klägers überhaupt Heilbehandlungen seien. Die Leistungen des Klägers seien nicht "Behandlungsschritte" in Heilbehandlungsleistungen von Ärzten oder Krankenhäusern, sondern losgelöst davon als Beratungsleistungen neben oder vor Heilbehandlungen der Ärzte oder Krankenhäuser erbracht worden. Die Leistungen des Klägers könnten auch nicht als vorbeugende Leistungen angesehen werden; denn alleine die Beratung eines Arztes oder Krankenhauses zu infektionshygienischen Anforderungen bewirke als solche nicht selbst schon, dass diese Anforderungen auch erfüllt werden. Außerdem stelle das Befolgen infektionshygienischer Anforderungen selbst keine Behandlungsleistung dar, sondern bilde nur den Rahmen, in dem die eigentliche Behandlungsleistung erbracht werde.

  10. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  11. Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  12. Er bringt vor, sowohl ärztliche Heilbehandlungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) als auch Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG seien Leistungen zur Diagnose, Behandlung und ‑‑soweit möglich‑‑ Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Er müsse keine "anerkannte Einrichtung" sein, sondern nur über einen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen, was bei ihm der Fall sei (examinierter Krankenpfleger mit Zusatzausbildung zur Hygienefachkraft). Wo die Leistung erbracht werde, sei nach dem BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214 ebenso unerheblich wie das Vorliegen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses.

  13. Jedenfalls aber seien seine Leistungen an Altenheime nach § 4 Nr. 16 UStG umsatzsteuerfrei. Es mache keinen Unterschied, ob die Leistungen in einem Krankenhaus oder in einem Altenheim erbracht würden. Die Vorentscheidung habe dies richtlinienkonform umgesetzt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Leistungen des Klägers an Krankenhäuser nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. umsatzsteuerfrei sind, soweit sie dazu dienen, dass diese Einrichtungen im Rahmen ihrer steuerfreien Heilbehandlungen ihre Verpflichtungen aus § 36 IfSG erfüllen. Allerdings reichen die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht aus, um zu beurteilen, ob dies auch für die Leistungen des Klägers an "Alten- bzw. Pflegeheime" gilt.

  3. 1. Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. waren die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker umsatzsteuerfrei. Diese Vorschrift setzte zunächst Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG und seit 2007 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in nationales Recht um. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Steuer.

  4. a) § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. ist im Lichte dieser Bestimmungen richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Dezember 2002 V R 28/00, BFHE 201, 330, BStBl II 2003, 532; vom 1. April 2004 V R 54/98, BFHE 205, 505, BStBl II 2004, 681; vom 7. Februar 2013 V R 22/12, BFHE 240, 428, BStBl II 2014, 126). Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c der MwStSystRL sind in gleicher Weise auszulegen; daher kann auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Richtlinie 77/388/EWG weiterhin zur Auslegung herangezogen werden (vgl. EuGH-Urteil vom 10. Juni 2010 C-86/09 ‑‑Future Health Technologies‑‑, Slg. 2010, I-5215, Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2010, 540, Rz 26 f.).

  5. b) Der Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" ist ein autonomer unionsrechtlicher Begriff (vgl. EuGH-Urteile vom 20. November 2003 C-212/01 ‑‑Unterpertinger‑‑, Slg. 2003, I-13859, BFH/NV Beilage 2004, 111, Rz 35; vom 20. November 2003 C-307/01 ‑‑D' Ambrumenil‑‑, Slg. 2003, I-13989, BFH/NV Beilage 2004, 115, Rz 53).

  6. aa) Sowohl der Begriff "ärztliche Heilbehandlung" als auch der Begriff "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" erfassen Leistungen, die zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen (EuGH-Urteile vom 8. Juni 2006 C-106/05 ‑‑L.u.P.‑‑, Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442, Rz 27; vom 10. Juni 2010 C-262/08 ‑‑CopyGene‑‑, Slg. 2010, I-5053, UR 2010, 526, Rz 28; BFH-Urteil vom 12. August 2004 V R 27/02, BFH/NV 2005, 583).

  7. Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, kommen für diese Steuerbefreiung ebenso in Betracht (EuGH-Urteile ‑‑Unterpertinger‑‑ in Slg. 2003, I-13859, BFH/NV Beilage 2004, 111, Rz 40; ‑‑D' Ambrumenil‑‑ in Slg. 2003, I-13989, BFH/NV Beilage 2004, 115, Rz 58; ‑‑L.u.P.‑‑ in Slg. 2006, I-5123, BFH/NV Beilage 2006, 442, Rz 29; ‑‑CopyGene‑‑ in Slg. 2010, I-5053, UR 2010, 526, Rz 30) wie Leistungen medizinischer Art, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 21. März 2013 C-91/12 ‑‑PFC‑‑, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2013, 757, Mehrwertsteuerrecht ‑‑MwStR‑‑ 2013, 197, Rz 27 f., m.w.N.).

  8. Arztähnliche Leistungen, z.B. von Krankenpflegern, können ebenfalls Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sein, wenn sie zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose oder Therapie erbracht werden (vgl. EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00 ‑‑Kügler‑‑, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 40 f.; BFH-Urteil vom 18. Januar 2005 V R 99/01, BFH/NV 2005, 1392, jeweils zu Leistungen der Behandlungspflege).

  9. bb) Dagegen sind Leistungen, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt werden und keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, keine Heilbehandlungen (vgl. EuGH-Urteil vom 14. September 2000 C-384/98 ‑‑D.‑‑, Slg. 2000, I-6795, BFH/NV Beilage 2001, 31, Rz 18 f.; BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862; vom 30. Juni 2005 V R 1/02, BFHE 210, 188, BStBl II 2005, 675, unter II.a; BFH-Beschlüsse vom 6. September 2011 V B 64/11, BFH/NV 2011, 2133, Leitsatz, und vom 24. Oktober 2011 XI B 54/11, BFH/NV 2012, 279, Rz 9; EuGH-Urteil ‑‑PFC‑‑ in DStR 2013, 757, MwStR 2013, 197, Rz 29 und 31).

  10. Das gilt insbesondere für Leistungen, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern oder das allgemeine Wohlbefinden steigern sollen (vgl. BFH-Urteile vom 26. September 2007 V R 54/05, BFHE 219, 241, BStBl II 2008, 262; vom 30. Januar 2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647; BFH-Beschlüsse vom 28. September 2007 V B 7/06, BFH/NV 2008, 122; vom 4. Oktober 2012 XI B 46/12, BFH/NV 2013, 273).

  11. cc) Zu den nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. steuerfreien Heilbehandlungsleistungen gehören auch infektionshygienische Leistungen, die sicherstellen sollen, dass Ärzte und Krankenhäuser die für sie bestehenden Verpflichtungen nach dem IfSG im jeweiligen Einzelfall erfüllen. Der Zweck der Steuerbefreiung, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken, rechtfertigt die Einbeziehung von Leistungen, die ein Arzt mit unmittelbarem Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit erbringt, damit andere Ärzte und Krankenhäuser bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die hierfür bestehenden, medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen erfüllen. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, dem er sich anschließt.

  12. c) Eine Steuerbefreiung nach den genannten Bestimmungen setzt außerdem voraus, dass der Leistungserbringer über einen entsprechenden beruflichen Befähigungsnachweis verfügt (vgl. dazu allgemein EuGH-Urteil vom 27. April 2006 C-443/04, C-444/04 ‑‑Solleveld u.a.‑‑, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV Beilage 2006, 299; BFH-Urteile vom 12. August 2004 V R 18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227; vom 11. November 2004 V R 34/02, BFHE 208, 65, BStBl II 2005, 316).

  13. Der Nachweis der erforderlichen Qualifikation kann sich für die nicht unter einen der in § 4 Nr. 14 UStG a.F. genannten Katalogberufe fallenden Unternehmer z.B. auch aus berufsrechtlichen Regelungen ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 30. April 2009 V R 6/07, BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679; vom 8. März 2012 V R 30/09, BFHE 237, 263, BStBl II 2012, 623).

  14. 2. Ausgehend davon ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Leistungen des Klägers steuerfrei sind, soweit er sie an Krankenhäuser erbracht hat.

  15. a) Diese Leistungen des Klägers sind nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG Teil eines Gesamtverfahrens zur Durchführung von Heilbehandlungen in einem Krankenhaus, das mit den infektionshygienischen Leistungen des Klägers die Erfüllung der ihm nach dem IfSG auferlegten Verpflichtungen in Krankenhäusern sichergestellt hat.

  16. Anhaltspunkte dafür, dass in den Krankenhäusern ganz oder teilweise Leistungen erbracht worden sein könnten, die nicht dem Schutz der menschlichen Gesundheit gedient haben, was die Anwendung der Steuerbefreiung insoweit ausschlösse (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2133, zu Anästhesisten), sind weder vom FA vorgetragen noch sonst ersichtlich.

  17. b) Die gegen diese Beurteilung des FG gerichteten Einwendungen des FA greifen nicht durch.

  18. aa) Eine Steuerfreiheit der an die Krankenhäuser erbrachten infektionshygienischen Leistungen des Klägers setzt nicht zwingend das ‑‑vom FA geforderte‑‑ Vertrauensverhältnis zu einem Patienten voraus (vgl. dazu allgemein BFH-Urteile vom 29. Juni 2011 XI R 52/07, BFHE 234, 461, BStBl II 2013, 971, Rz 25 ff.; vom 8. August 2013 V R 8/12, BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119, Rz 18).

  19. Denn die Tätigkeit des Klägers dient insoweit der unmittelbaren Sicherstellung der erforderlichen infektionshygienischen Voraussetzungen für die stationären oder ambulanten medizinischen Behandlungen, zu deren Einhaltung Krankenhäuser und Ärzte im Rahmen der jeweiligen Behandlung im Einzelfall verpflichtet sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 20, 22 f.).

  20. Diesem Zweck dienende Leistungen ‑‑auch (nur) beratender Art‑‑ sind steuerfrei (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 25 ff.).

  21. bb) Soweit das FA meint, das Befolgen infektionshygienischer Anforderungen bilde nur den Rahmen, in dem die eigentliche Behandlungsleistung erbracht werde, entspricht dies weder den tatsächlichen Feststellungen des FG noch dem BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214.

  22. cc) Für die Richtigkeit der Auslegung des FG spricht schließlich die Einführung des § 4 Nr. 14 Buchst. e UStG (i.d.F. des Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes ‑‑AmtshilfeRLUmsG‑‑ vom 26. Juni 2013, BGBl I 2013, 1809).

  23. Nach dieser Vorschrift sind seit 1. Juli 2013 die zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erbrachten Leistungen eines Arztes oder einer Hygienefachkraft an die in § 4 Nr. 14 Buchst. a, b und d UStG genannten Einrichtungen steuerfrei, die diesen dazu dienen, ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der nach dem IfSG und den Rechtsverordnungen der Länder nach § 23 Abs. 8 IfSG bestehenden Verpflichtungen zu erbringen.

  24. Auch der Gesetzgeber geht mittlerweile davon aus, dass es sich bei solchen Leistungen um Heilbehandlungen handelt (vgl. BTDrucks 17/10000, S. 70, Nr. 3 Buchst. a, zum gescheiterten Jahressteuergesetz 2013, i.V.m. BRDrucks 157/13, Beschluss, S. 2, das dessen Einbeziehung in das AmtshilfeRLUmsG gefordert hat).

  25. c) Der Kläger verfügt auch über den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis, da er nach den tatsächlichen Feststellungen des FG Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene ist (vgl. zu den Voraussetzungen § 4 der Weiterbildungs- und Prüfungsverordnung zu Fachgesundheits- und Krankenpflegerinnen, -pflegern, Fachgesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, -pflegern für Krankenhaushygiene des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. April 1995, Gesetz- und Verordnungsblatt 1995, 315).

  26. 3. Allerdings tragen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG seine Annahme nicht, dass dies bei den Leistungen des Klägers an "Alten- bzw. Pflegeheime" ebenso der Fall sei. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

  27. a) Das FG hat zwar ‑‑für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend‑‑ auf Seite 3 seines Urteils festgestellt, dass der Kläger Leistungen an Krankenhäuser und "Altenheime" erbracht hat. Andererseits hat das FG ‑‑über diese Feststellungen auf Seite 3 hinausgehend‑‑ auf den Seiten 8 und 11 seines Urteils auch Pflegeheime erwähnt.

  28. b) Unklar ist auch, an welche Art von "Alten- bzw. Pflegeheimen" der Kläger seine Leistungen erbracht hat, insbesondere ob die "Alten- bzw. Pflegeheime" ‑‑im Sinne der vom FG zitierten Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert-Koch-Institut ‑‑RKI‑‑ (Bundesgesundheitsblatt 2005, 1061, unter 2.)‑‑ medizinische und damit assoziierte pflegerische Maßnahmen durchgeführt haben.

  29. aa) Das FG hat die insoweit von ihm befürwortete generelle Gleichstellung der vom Kläger erbrachten Leistungen an "Alten- bzw. Pflegeheime" mit seinen Leistungen an Krankenhäuser allein damit begründet, die Zahl von Personen mit chronischen Krankheiten, Abwehrschwäche und Behinderungen mit den Folgen von Multimorbidität und Pflegebedürftigkeit nehme zu und betreuungsbedürftige Personen würden immer früher aus Einrichtungen der Akutversorgung in Nachsorgeeinrichtungen, Heime oder nach Hause entlassen (Hinweis auf Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim RKI, Bundesgesundheitsblatt 2005, 1061, unter 1.).

  30. Dies reicht jedoch nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BFH ist vielmehr für die Steuerfreiheit infektionshygienischer Leistungen ein unmittelbarer Bezug zu einer Heilbehandlungstätigkeit in Krankenhäusern oder anderen medizinischen Einrichtungen erforderlich (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, Rz 19 ff., 30; BTDrucks 17/10000, S. 70); die Leistungsempfänger müssen mit den empfangenen Leistungen bei der Ausübung ihrer Heilbehandlungstätigkeit die hierfür bestehenden medizinisch unerlässlichen und gesetzlich vorgeschriebenen infektionshygienischen Anforderungen im Einzelfall erfüllen.

  31. Dass bzw. in welchem Umfang die Empfänger der Leistungen des Klägers solche Tätigkeiten ausgeübt haben, steht nicht fest.

  32. bb) Soweit das FG aus seinen allgemeinen Erwägungen abgeleitet hat, dass die gegenüber "Alten- bzw. Pflegeheimen" erbrachten Umsätze aus der Tätigkeit eines Hygieneberaters generell als steuerfreie Leistungen i.S. des § 4 Nr. 14 UStG a.F. anzusehen seien, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen (vgl. ebenso Rothenberger, Der Umsatz-Steuer-Berater 2012, 11, 12; Wüst, UR 2011, 902, 908).

  33. Davon, dass "Alten- bzw. Pflegeheime" (ausschließlich) Heilbehandlungsleistungen ausführen, kann ‑‑entgegen der Auffassung des Klägers‑‑ nicht ausgegangen werden, weil dort in der Regel ‑‑jedenfalls auch‑‑ erbrachte Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung keine Heilbehandlungen sind (vgl. EuGH-Urteil ‑‑Kügler‑‑ in Slg. 2002, I-6833, BFH/NV Beilage 2003, 30, Rz 41; BFH-Urteile vom 22. April 2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, unter II.2.a; in BFH/NV 2005, 1392, unter II.2.).

  34. c) Das Vorliegen einer Heilbehandlung kann auch nicht, wie das FG meint, ohne weitere tatsächliche Feststellungen damit begründet werden, dass "Alten- bzw. Pflegeheime" in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene festzulegen haben, der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegen und nach § 11 Abs. 1 Nr. 9 des Heimgesetzes nur dann betrieben werden dürfen, wenn der Träger und die Leitung einen ausreichenden Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner vor Infektionen gewährleisten und sicherstellen, dass von den Beschäftigten die für ihren Aufgabenbereich einschlägigen Anforderungen der Hygiene eingehalten werden.

  35. aa) § 36 IfSG lautete im Streitjahr auszugsweise:

            

    "(1) Die in § 33 genannten Gemeinschaftseinrichtungen" (d.h. Einrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden, insbesondere Kinderkrippen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager und ähnliche Einrichtungen) "sowie Krankenhäuser, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 bis 5 des Heimgesetzes, vergleichbare Behandlungs-, Betreuungs- oder Versorgungseinrichtungen sowie Obdachlosenunterkünfte, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber, Spätaussiedler und Flüchtlinge sowie sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene fest. Die genannten Einrichtungen unterliegen der infektionshygienischen Überwachung durch das Gesundheitsamt.
    (2) Zahnarztpraxen sowie Arztpraxen und Praxen sonstiger Heilberufe, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, sowie sonstige Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeiten am Menschen durch Blut Krankheitserreger übertragen werden können, können durch das Gesundheitsamt infektionshygienisch überwacht werden."

  36. bb) Dass allein die Erstellung von Hygieneplänen bzw. die infektionshygienische Überwachung durch das Gesundheitsamt nicht zum Vorliegen einer Heilbehandlung führt, zeigt sich schon daran, dass § 36 IfSG auch Einrichtungen zur Aufstellung von Hygieneplänen verpflichtet und der Überwachung durch das Gesundheitsamt unterstellt, die ‑‑wie z.B. Gemeinschaftseinrichtungen i.S. des § 33 IfSG, Obdachlosenunterkünfte, sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten‑‑ üblicherweise überhaupt keine Heilbehandlungen ausführen.

  37. 4. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie geht deshalb zur Nachholung der erforderlichen weiteren tatsächlichen Feststellungen an das FG zurück.

  38. a) Das FG wird dabei zunächst gemäß den Ausführungen unter II.3. zu ermitteln haben, an welche Art von Alten- bzw. Pflegeheimen der Kläger seine Leistungen erbracht hat und ob diese Einrichtungen ‑‑im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214‑‑ Heilbehandlungen ausgeführt haben.

  39. b) Ggf. wird das FG weiter der Frage nachzugehen haben, ob die Leistungen des Klägers eventuell nach § 4 Nr. 16 Buchst. d oder e UStG a.F. oder Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL steuerfrei sein könnten.

  40. Als "eng verbundener Umsatz" im Sinne dieser Bestimmungen ist (auch) eine Leistung anzusehen, die für die Pflege und Versorgung der von den dort genannten Einrichtungen aufgenommenen Personen unerlässlich ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. Juli 2008 XI R 61/07, BFHE 222, 134, BStBl II 2009, 68; vom 19. März 2013 XI R 45/10, BFHE 241, 79, BFH/NV 2013, 1348).

  41. Ferner müsste der Kläger eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sein (vgl. dazu EuGH-Urteile vom 7. September 1999 C-216/97 ‑‑Gregg‑‑, Slg. 1999, I-4947, UR 1999, 419; vom 26. Mai 2005 C-498/03 ‑‑Kingscrest Associates und Montecello‑‑, BFH/NV Beilage 2005, 310, UR 2005, 453; vom 15. November 2012 C-174/11 ‑‑Zimmermann‑‑, UR 2013, 35, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 84; BFH-Urteil in BFHE 242, 548, BFH/NV 2014, 119; BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550; s. zu diesem Erfordernis auch ‑‑zur Rechtslage ab 2009‑‑ die vom Kläger angeführte BTDrucks 16/11108, S. 37).

  42. c) Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Auffassung kann von der Zurückverweisung im Streitfall nicht abgesehen werden.

  43. aa) Das FG hat den oder die Leistungsempfänger des Klägers nicht festgestellt. Deshalb steht auch nicht fest, welche Leistungen diese im Streitjahr erbracht haben, ob mit ihnen ‑‑wie der Kläger im Revisionsverfahren vorgetragen hat‑‑ Rahmenverträge gemäß § 75 des Elften Buches Sozialgesetzbuch bestehen und ggf. welchen Inhalt diese Verträge hatten.

  44. bb) Soweit der Kläger angibt, er könne den vom Senat geforderten Nachweis zwar führen, aber müsse dies dann in jedem Besteuerungszeitraum tun, ist dies Folge des Umstands, dass der Steuerpflichtige, der sich auf eine Steuerbefreiung beruft, deren Voraussetzungen nachweisen muss (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. Februar 2006 V B 30/05, BFH/NV 2006, 1168, unter II.5.; vom 18. Februar 2008 V B 35/06, BFH/NV 2008, 1001, unter II.4.b).

  45. cc) Aufgrund der Feststellungen des FG kann auch nicht beurteilt werden, inwieweit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 Buchst. d und e UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der MwStSystRL vorliegen, auf die sich der Kläger im Revisionsverfahren sinngemäß ergänzend berufen hat. Insbesondere fehlen bislang jegliche Feststellungen dazu, inwieweit die Heime bzw. der Kläger anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter sind.

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