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Beschluss vom 14. September 2020, VI B 64/19

Aufwendungen für Fahrten des Arbeitnehmers vom Lebensmittelpunkt zum Sammelpunkt

ECLI:DE:BFH:2020:B.140920.VIB64.19.0

BFH VI. Senat

EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4, EStG § 9 Abs 1 S 3 Nr 4a, FGO § 115 Abs 2 Nr 1, EStG VZ 2016

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 28. Mai 2019, Az: 8 K 1850/18

Leitsätze

NV: Aufwendungen für Fahrten von einer Wohnung, die den Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers darstellt, zu einem Sammelpunkt i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG sind nur mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten an einer dem Arbeitsplatz näher gelegenen Wohnung unterbrochen werden.

Tenor

Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29.05.2019 - 8 K 1850/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Gründe

  1. Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist bei erheblichen Bedenken gegen die Zulässigkeit jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

  2. 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist u.a. auszuführen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist und deshalb eine höchstrichterliche Klärung über die materiell-rechtliche Beurteilung des Streitfalls hinaus für die Allgemeinheit Bedeutung hat. Sofern zu dem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhanden sind, ist eine grundsätzliche Auseinandersetzung damit sowie eine Erörterung geboten, warum die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. sie einer weiteren Klärung bedarf (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 24.09.2014 - I B 189/13).

  3. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Beschwerdebegründung den vorgenannten Darlegungen genügt. Denn eine Rechtsfrage ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) in dem angefochtenen Urteil getan hat; sie muss dann nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 18.12.1998 - VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231; BFH-Beschlüsse vom 30.06.1999 - V B 14/99, BFH/NV 1999, 1651; vom 25.01.2002 - III B 127/01, BFH/NV 2002, 645; vom 06.05.2004 - V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748).

  4. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung, ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG; Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 27/17, BFHE 264, 271, BStBl II 2019, 536). Dasselbe gilt für Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1, 5 und 6 EStG).

  5. Hat ein Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen Tätigkeit dauerhaft denselben Ort typischerweise aufzusuchen (sogenannter Sammelpunkt), so gilt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG für die Fahrten von der Wohnung zu diesem Ort entsprechend (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG). Danach ist der Werbungskostenabzug in diesem Fall ebenfalls auf die Entfernungspauschale begrenzt.

  6. Dass der Kläger keine erste Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG hatte, steht nicht in Streit. Ebenfalls unstreitig ist, dass er sich arbeitstäglich und dauerhaft am Betriebssitz seines Arbeitgebers einzufinden hatte. Entsprechend hat das FG zu Recht angenommen, dass er dauerhaft denselben Ort typischerweise arbeitstäglich aufzusuchen hatte.

  7. Zutreffend hat das FG die Fahrten vom Lebensmittelpunkt des Klägers in X als Fahrten von der Wohnung zum Sammelpunkt angesehen. Auch die Wege von der vom Sammelpunkt weiter entfernten Wohnung können als Werbungskosten zu berücksichtigen sein, wenn diese Wohnung den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen darstellt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 i.V.m. Nr. 4 Satz 6 EStG). Auch diese Wohnung ist allerdings "Wohnung" i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Nr. 4a EStG, so dass Aufwendungen für Fahrten von dieser Wohnung zum Sammelpunkt nur mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch dann, wenn die Fahrten an einer näher zum Arbeitsplatz gelegenen Wohnung des Arbeitnehmers unterbrochen werden (vgl. auch Senatsurteil vom 20.12.1991 - VI R 42/89, BFHE 166, 288, BStBl II 1992, 306, und Senatsbeschluss vom 16.09.2009 - VI B 12/09).

  8. 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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