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Urteil vom 12. Januar 2023, VI R 41/20

Ausbildung zum Rettungshelfer als Berufsausbildung

ECLI:DE:BFH:2023:U.120123.VIR41.20.0

BFH VI. Senat

EStG § 9 Abs 6, EStG § 52 Abs 23d S 5, EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010

vorgehend FG Düsseldorf, 24. September 2020, Az: 14 K 3796/13 E,F

Leitsätze

NV: Die Ausbildung zum Rettungshelfer ist eine Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG. Die Aufwendungen für eine nachfolgende Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer sind daher als (vorweggenommene) Werbungskosten abziehbar (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 28.02.2013 - VI R 6/12, BFHE 240, 352, BStBl II 2015, 180).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24.09.2020 - 14 K 3796/13 E,F aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Düsseldorf zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über den Abzug von Aufwendungen für die einer Qualifikation zum Rettungshelfer nachfolgende Ausbildung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) zum Verkehrsflugzeugführer als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

  2. Der Kläger nahm in der Zeit vom 09.07.2007 bis zum 24.08.2007 im Rahmen seines Zivildienstes bei der Feuer- und Rettungswache X an einem Lehrgang zur Erlangung der Qualifikation als Rettungshelfer teil. Der Lehrgang, der an der Landesfeuerwehrschule ... stattfand, umfasste insgesamt 320 praktische und theoretische Stunden. Der Kläger erlangte hierdurch die Qualifikation als "Rettungshelfer" und erhielt eine Teilnahmebescheinigung, ausweislich welcher er "an einer Ausbildung zum Rettungshelfer erfolgreich teilgenommen" habe.

  3. Nach Beendigung der Zivildienstzeit im März 2008 arbeitete der Kläger zunächst als Aushilfe in einem Modehaus. Anschließend absolvierte er von Januar 2009 bis Oktober 2010 eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer. Für diese Ausbildung machte er in seinen beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) zusammen mit den Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags eingereichten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2009 und 2010) Aufwendungen in Höhe von 79.589 € (2009) bzw. 7.913 € (2010) als vorweggenommene Werbungskosten geltend.

  4. Das FA berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen in den Einkommensteuerbescheiden für 2009 und für 2010 lediglich in Höhe von jeweils 4.000 € als Sonderausgaben.

  5. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

  6. Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

  7. Er beantragt sinngemäß,
    das Urteil des Finanzgerichts (FG) sowie die Einspruchsentscheidung vom 18.10.2013 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2009 vom 20.01.2012 und für 2010 vom 06.03.2012 dergestalt zu ändern, dass anstatt des Sonderausgabenabzugs vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 79.589 € (2009) bzw. 7.913 € (für 2010) berücksichtigt werden.

  8. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat den Abzug der Aufwendungen des Klägers für seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer zu Unrecht abgelehnt. Da es an Feststellungen zur Höhe der im Einzelnen abziehbaren Aufwendungen fehlt, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.

  2. 1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zählen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium grundsätzlich zu den vorweggenommenen Werbungskosten, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (Senatsurteile vom 04.12.2002 - VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 18.06.2009 - VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799, und vom 28.07.2011 - VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557, Rz 11 ff.). Sie sind jedoch gemäß § 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592), der rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 (§ 52 Abs. 23d Satz 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG) und in dieser Fassung bis zum 31.12.2014 (Art. 16 Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417) anzuwenden ist, nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich um Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium handelt, welche nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden.

  3. 2. Der Senat hat den bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2014 im Gesetz nicht näher definierten Begriff der Berufsausbildung in ständiger Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass hierunter die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen ist. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für die geplante Berufsausübung darstellt (Senatsurteile vom 27.10.2011 - VI R 52/10, BFHE 235, 44, BStBl II 2012, 825, Rz 14, und vom 28.02.2013 - VI R 6/12, BFHE 240, 352, BStBl II 2015, 180, Rz 18).

  4. a) Insbesondere setzt eine Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG weder voraus, dass sie in einem Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz stattfindet, noch, dass sie eine zeitliche Mindestausbildungsdauer aufweist (Senatsurteile in BFHE 235, 44, BStBl II 2012, 825, Rz 15, und in BFHE 240, 352, BStBl II 2015, 180, Rz 19). Sie muss auch keine bestimmten qualitativen Anforderungen erfüllen oder mit einer Prüfung abschließen. Ferner ist es unerheblich, ob eine Ausbildung während einer Zivildienstzeit durchlaufen wird (vgl. Senatsurteil in BFHE 235, 44, BStBl II 2012, 825, Rz 16).

  5. b) An den Begriff der Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind überdies ‑‑anders als die Vorinstanz meint‑‑ auch keine subjektiven Anforderungen in dem Sinne zu stellen, dass eine solche nur dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige sich auf einen Beruf vorbereitet, den er auch tatsächlich auszuüben beabsichtigt (ebenso Klein, Deutsches Steuerrecht 2014, 781). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der (angestrebten) Tätigkeit Einkünfte zu erzielen (vgl. Senatsurteile in BFHE 235, 44, BStBl II 2012, 825, Rz 15, und in BFHE 240, 352, BStBl II 2015, 180, Rz 19).

  6. 3. Die Entscheidung der Vorinstanz entspricht diesen Grundsätzen nicht. Das Abzugsverbot des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ist für die geltend gemachten Berufsausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer nicht einschlägig, weil der Kläger nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) vor Beginn seiner Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bereits eine erstmalige Berufsausbildung zum Rettungshelfer abgeschlossen hatte.

  7. Die Ausbildung zum Rettungshelfer vermittelte dem Kläger die für die Ausübung dieses Berufs erforderlichen Grundlagen, die über die bloße Allgemeinbildung, wie sie z.B. Gegenstand eines Erste-Hilfe-Kurses sind, hinausgingen. Im Rahmen dieser Ausbildung bereitete sich der Kläger durch Lehrgänge mit praktischen und theoretischen Stunden ernstlich auf den von ihm bisher nicht ausgeübten Beruf des Rettungshelfers vor. Schließlich hat der Kläger die Ausbildung zum Rettungshelfer ausweislich der ihm durch den Lehrgangsträger ausgestellten Bescheinigung auch erfolgreich abgeschlossen, sodass er befähigt war, eine Vollerwerbstätigkeit als Rettungshelfer auszuüben und aus dieser entsprechende Einkünfte zu erzielen.

  8. Soweit das FG weitergehende Anforderungen an das Vorliegen einer Ausbildung stellt, wie z.B. eine bestimmte Mindestdauer und Mindestqualität oder das Bestehen einer Prüfung, geht es über die Erfordernisse, die nach der oben dargelegten Senatsrechtsprechung an eine Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG zu stellen sind, hinaus. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben.

  9. 4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ‑‑ausgehend von seiner Rechtsauffassung‑‑ zu den einzelnen vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für dessen Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es im zweiten Rechtsgang nachholen wird.

  10. 5. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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