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Urteil vom 15. Februar 2023, VI R 22/21

Berufsausbildung nach vorheriger langjähriger Berufstätigkeit

ECLI:DE:BFH:2023:U.150223.VIR22.21.0

BFH VI. Senat

EStG § 9 Abs 6 S 1, EStG § 10 Abs 1 Nr 7 S 1, EStG § 19 Abs 1, AO1977Anp/StRÄndG Art 16 Abs 1, EStG VZ 2016 , EStG VZ 2017 , BBiG § 1 Abs 5

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 26. März 2021, Az: 2 K 130/20

Leitsätze

NV: Aufwendungen für eine Berufsausbildung sind ohne den vorherigen Abschluss einer Erstausbildung gemäß § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des ZollkodexAnpG nicht als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn der Steuerpflichtige zuvor langjährig Einkünfte aus einer gewerblichen Tätigkeit erzielt hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.03.2021 - 2 K 130/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte in den Jahren 2001 bis 2003 ein 20 Monate dauerndes Praktikum bei der Firma X. Nach dessen Beendigung stellte ihm die Firma ein Arbeitszeugnis aus, nach welchem er im Rahmen dieses Praktikums das Berufsfeld der Veranstaltungstechnik und des -managements kennengelernt habe. Durch die unterschiedlichen Veranstaltungsorte, Auftraggeber und Events habe er Kenntnisse im technischen (Grundlagen aus der Elektrik, Hydraulik und Statik, Programmieren in der Beleuchtungs-, Ton- und Videotechnik, Bühnenbau, praktische Übung von Ladungssicherung und Gefahrgut) sowie im organisatorischen Bereich (Planung und Durchführung von Veranstaltungen, Kundenbetreuung, Segmente und Strukturen auf einer Produktion) erlernen sowie vorhandenes Wissen einsetzen und ausbauen können.

  2. Die Möglichkeit, eine durch die Verordnung über die Berufsausbildung für Kaufleute in den Dienstleistungsbereichen Gesundheitswesen, Sport- und Fitnesswirtschaft sowie Veranstaltungswirtschaft vom 25.06.2001 (BGBl I 2001, 1262) eingeführte Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann zu machen, war dem Kläger bei Aufnahme seines Praktikums nicht bekannt. Auch von der Möglichkeit zur Ablegung der Abschlussprüfung zum Veranstaltungskaufmann ohne vorheriges Durchlaufen der Ausbildung machte er keinen Gebrauch.

  3. Vielmehr nutzte der Kläger im Anschluss an das Praktikum die erworbenen Kenntnisse, um ein eigenes Gewerbe im Bereich der Veranstaltungs- und Showtechnik zu betreiben.

  4. Bereits im Februar 2005 hatte der Kläger eine Privatpilotenlizenz für einmotorige Flugzeuge nach Sichtflugregeln erworben. Im Jahr 2011 erlangte er die Nachtflugberechtigung.

  5. Im September 2016 begann der Kläger dann auf der Grundlage eines im selben Jahr geschlossenen Ausbildungsvertrags bei einer Flugschule mit einer Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer, welche er im Jahr 2017 erfolgreich abschloss und im Anschluss bei verschiedenen Airlines als Verkehrspilot angestellt war. Hierfür entstanden ihm Aufwendungen in Höhe von 8.789,87 € (2016) bzw. 21.310,63 € (2017).

  6. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) berücksichtigte die vom Kläger als vorweggenommene Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer in den Streitjahren (2016 und 2017) lediglich als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

  7. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

  8. Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

  9. Er beantragt,
    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für 2016 vom 26.04.2018 und für 2017 vom 26.08.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.07.2020 dahingehend abzuändern, dass die Aufwendungen für seine Berufsausbildung in Höhe von 8.789,87 € für 2016 und in Höhe von 21.310,63 € für 2017 als Werbungskosten berücksichtigt werden.

  10. Das FA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das Finanzgericht (FG) hat die Aufwendungen des Klägers für dessen Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer zu Recht nicht als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern lediglich als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG berücksichtigt.

  2. 1. Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium zählen grundsätzlich zu den (vorweggenommenen) Werbungskosten, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit (späteren) Einnahmen stehen (Senatsurteile vom 04.12.2002 - VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403; vom 18.06.2009 - VI R 49/07, BFH/NV 2009, 1799, und vom 28.07.2011 - VI R 7/10, BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557). Sie sind jedoch gemäß § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften ‑‑ZollkodexAnpG‑‑ vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417), der erstmals mit dessen Inkrafttreten (vgl. Art. 16 Abs. 1 ZollkodexAnpG) für den Veranlagungszeitraum 2015 und damit auch im Streitfall anzuwenden ist, nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.

  3. 2. Nach diesen Maßstäben sind die streitigen Aufwendungen des Klägers für seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer gemäß § 9 Abs. 6 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig.

  4. a) Die Verkehrsflugzeugführerausbildung ist eine Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG (vgl. Senatsbeschluss vom 07.07.2020 - VI R 18/20). Denn unter Berufsausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel ‑‑hier das des Verkehrsflugzeugführers‑‑ noch nicht erreicht hat, sich aber ‑‑wie der Kläger‑‑ ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Gegenbegriff zur (steuerlichen) Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für die geplante Berufsausübung darstellt (Senatsurteil vom 12.01.2023 - VI R 41/20, m.w.N.).

  5. Aufgrund des steuerrechtlich geprägten Begriffsverständnisses der Berufsausbildung in § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG kommt es nicht darauf an, ob diese als berufliche Umschulung (unter Umständen nach einer langjährigen gewerblichen Tätigkeit) nach § 1 Abs. 5 des Berufsbildungsgesetzes einzuordnen ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es daher unerheblich, dass er zuvor ein 20 Monate dauerndes Praktikum absolviert und infolge der dabei erworbenen Kenntnisse ein entsprechendes Gewerbe langjährig betrieben hat.

  6. b) Der Kläger hat vor Beginn seiner Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer keine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen.

  7. aa) Eine Berufsausbildung als Erstausbildung i.S. des § 9 Abs. 6 Satz 1 EStG liegt vor, wenn eine geordnete Ausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bei vollzeitiger Ausbildung und mit einer Abschlussprüfung durchgeführt wird (§ 9 Abs. 6 Satz 2 EStG). Eine geordnete Ausbildung setzt gemäß § 9 Abs. 6 Satz 3 EStG voraus, dass sie auf der Grundlage von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder internen Vorschriften eines Bildungsträgers durchgeführt wird. Ist eine Abschlussprüfung nach dem Ausbildungsplan nicht vorgesehen, gilt die Ausbildung mit der tatsächlichen planmäßigen Beendigung als abgeschlossen (§ 9 Abs. 6 Satz 4 EStG). Eine Berufsausbildung als Erstausbildung hat aber auch abgeschlossen, wer die Abschlussprüfung einer durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsausbildung mit einer Mindestdauer von zwölf Monaten bestanden hat, ohne dass er zuvor die entsprechende Berufsausbildung durchlaufen hat (§ 9 Abs. 6 Satz 5 EStG).

  8. bb) Danach hat das FG zu Recht entschieden, dass das von dem Kläger in den Jahren 2001 bis 2003 absolvierte Praktikum den gesetzlichen Anforderungen an eine Erstausbildung nicht entspricht. Weder hat der Kläger mit dem Praktikum eine geordnete Ausbildung durchlaufen, noch hat er eine Abschlussprüfung absolviert. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Der erkennende Senat sieht daher von einer weiteren Begründung ab.

  9. cc) Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Norm lässt sich die mehrjährige gewerbliche Tätigkeit des Klägers, anders als der Kläger meint, nicht unter das Tatbestandsmerkmal "Berufsausbildung als Erstausbildung" in § 9 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG subsumieren. Auch eine teleologische Reduktion der Vorschrift kommt nicht in Betracht, da der Gesetzeswortlaut Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. Senatsurteil vom 26.11.2002 - VI R 68/01, BFHE 201, 123, BStBl II 2003, 492, unter II.2.c bb).

  10. c) Schließlich hat der Kläger seine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses absolviert. Dies steht zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht in Streit. Der erkennende Senat sieht daher auch insoweit von einer weiteren Begründung ab.

  11. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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