ECLI:DE:BFH:2023:U.071123.VIIIR7.21.0
BFH VIII. Senat
EStG § 20 Abs 1 Nr 7, EStG § 22 Nr 3, BGB § 346, BGB § 348, BGB § 357b, AO § 38, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 5, EStG § 2 Abs 1 S 1 Nr 7, EStG VZ 2017
vorgehend FG Köln, 15. Dezember 2020, Az: 5 K 2552/19
Leitsätze
1. Der Bezug eines Nutzungsersatzes im Rahmen der reinen Rückabwicklung eines Verbraucherdarlehensvertrags nach Widerruf (vor Anwendbarkeit des § 357a Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ a.F.; jetzt § 357b BGB) begründet keinen steuerbaren Kapitalertrag, da er nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit beruht und mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre erzielt wird.
2. Das infolge des Widerrufs entstandene Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln.
3. Der bezogene Nutzungsersatz ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes steuerbar.
Tenor
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 15.12.2020 - 5 K 2552/19 und die Einspruchsentscheidung vom 21.11.2019 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid 2017 vom 27.11.2018 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes ein Betrag von 14.500 € ‑‑je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin‑‑ nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten aufgegeben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei der von einer Bank aufgrund eines widerrufenen Darlehensvertrags gezahlten Nutzungsentschädigung für bereits erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen um steuerbare Einkünfte handelt.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden im Jahr 2017 (Streitjahr) als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie schlossen am …2005 einen Darlehensvertrag mit der X-Bank über 208.000 € zur Finanzierung einer selbstgenutzten Wohnimmobilie ab. Die Darlehenszinsen waren für 20 Jahre festgeschrieben. Die X-Bank zahlte das Darlehen aus. Die Kläger leisteten monatliche Zins- und Tilgungsleistungen und Sondertilgungen.
Mit Schreiben vom 21.03.2016 widerriefen die Kläger unter Verweis auf eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen und lösten die noch offene Restvaluta ab. In einem zivilgerichtlichen Verfahren gegen die X-Bank klagten sie auf einen von ihnen errechneten Betrag in Höhe von 23.444,88 € als von der X-Bank zu leistenden Nutzungsersatz für die von ihnen bis zum Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen.
Vor dem Landgericht Y schlossen die Kläger und die X-Bank am …2017 einen Vergleich. Danach hatte die X-Bank "zur Abgeltung der Klageforderung sowie sämtlicher Ansprüche aus dem Darlehensvertrag vom …2005" einen Betrag in Höhe von 14.500 € an die Kläger zu zahlen, der "ganz oder teilweise der Kapitalertragsteuer unterliegt". Die X-Bank zahlte im Streitjahr nach Abzug von Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer an die Kläger 10.558,18 € aus.
Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr geltend, die X-Bank habe zu Unrecht Kapitalertragsteuer einbehalten. Sie beantragten für sämtliche Kapitalerträge die Überprüfung des Steuereinbehalts gemäß § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte dem nicht und berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 den streitigen Nutzungsersatz (je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin) neben weiteren nicht streitigen Kapitalerträgen als Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG. Es zog beim Kläger und bei der Klägerin jeweils den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 € ab.
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 02.12.2018 Einspruch ein und erhoben am 17.10.2019 Untätigkeitsklage gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21.11.2019 als unbegründet zurück.
Die Klage hatte aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 759 mitgeteilten Gründen keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass der nach dem Vergleich an die Kläger als Ersatz für Nutzungsvorteile geleistete Betrag zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führe. Der von den Klägern an die X-Bank als Wertersatz für die Überlassung des ihnen zur Verfügung gestellten Kapitals geleistete Betrag sei gemäß § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Ferner sei der Vergleichsbetrag nicht in einen steuerpflichtigen Nutzungsersatz und eine nichtsteuerbare Rückzahlung überhöhter Zinsen aufzuteilen.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie einen Verfahrensfehler des FG.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG Köln vom 15.12.2020 - 5 K 2552/19 und die Einspruchsentscheidung vom 21.11.2019 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 27.11.2018 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag in Höhe von 14.500 € ‑‑je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin‑‑ als nicht steuerbar behandelt wird.Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (unter II.1.). Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags führt bei den Klägern auch nicht zu Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, sodass sich die Vorentscheidung auch nicht gemäß § 126 Abs. 4 FGO als richtig darstellt (unter II.2.). Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage wie beantragt statt.
1. Die Entscheidung des FG, dass der im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € zu einem Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Nutzungsersatz ist nicht steuerbar. Er beruht nicht auf einer erwerbsgerichteten Tätigkeit der Kläger und ist mithin nicht innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre angefallen.
a) Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage. Unter den Begriff der Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG fallen alle auf eine Geldleistung gerichteten Forderungen, deren Steuerbarkeit sich nicht bereits aus einem anderen Tatbestand im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder Nr. 8 bis 11 EStG ergibt, und zwar ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (Urteil des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 16.06.2020 - VIII R 7/17, BFHE 269, 188, BStBl II 2021, 9, Rz 11).
Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt, wer Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlässt (BFH-Urteile vom 15.06.2010 - VIII R 33/07, BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503; vom 16.12.2008 - VIII R 83/05, BFH/NV 2009, 1118, unter III.1. [Rz 17], m.w.N.). Der Rechtsgrund der Kapitalüberlassung ist dabei ebenso ohne Bedeutung wie der Umstand, ob die zugrundeliegende Kapitalforderung selbst steuerbar ist. Auch eine nicht freiwillige, sondern erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteile vom 26.06.1996 - VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175; vom 13.11.2007 - VIII R 36/05, BFHE 220, 35, BStBl II 2008, 292; vom 24.05.2011 - VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254, Rz 14; vom 09.06.2015 - VIII R 18/12, BFH/NV 2015, 1616; vom 20.10.2015 - VIII R 40/13, BFHE 252, 260, BStBl II 2016, 342, Rz 25). Zu Einnahmen aus Kapitalvermögen können ferner grundsätzlich auch Nutzungen als nach gesetzlichen Ansprüchen geleistete Zahlungen gehören (so zu einem Nutzungsersatzanspruch nach § 2287 i.V.m. § 818 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ BFH-Urteil vom 06.04.1993 - VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825, unter 2.b [Rz 20 ff.]).
b) Wie die Einkünfteerzielung im Rahmen aller anderen Einkunftsarten setzt die Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Grundsatz eine erwerbsgerichtete Tätigkeit voraus. Das gilt auch nach Einführung der Abgeltungsteuer. Auch innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte ist zwischen der Erwerbssphäre und der nicht steuerbaren Privatsphäre zu unterscheiden. Der aufgrund des Rückgewährschuldverhältnisses nach dem Widerruf des Darlehensvertrags an die Kläger gezahlte Nutzungsersatz fällt nicht innerhalb der Erwerbssphäre an. Die Rückabwicklung des Darlehensvertrags ist aus der Perspektive der Kläger keine erwerbsgerichtete Tätigkeit.
aa) Zivilrechtlich führt der Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen durch den Darlehensnehmer dazu, dass sich der Vertrag mit Zugang der Widerrufserklärung ex nunc in ein Rückgewährschuldverhältnis wandelt (vgl. nur Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ‑‑WM‑‑ 2016, 454, Rz 7). Nach § 357, §§ 346 ff. BGB in der für das Streitjahr geltenden Fassung hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf (Teil-)Tilgungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) sowie einen Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta herauszugeben (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB). Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) sowie die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB). Dabei wird widerleglich vermutet, dass der Darlehensgeber Nutzungen in bestimmter Höhe tatsächlich erzielt hat (BGH-Beschluss vom 22.09.2015 - XI ZR 116/15, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2015, 3441).
Der mit der Reform des Verbraucherschutzrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügte § 357a Abs. 3 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 357b BGB), der unter anderem den Anspruch des Darlehensnehmers auf Nutzungsersatz für die Zukunft beseitigt hat, ist erst mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013 (BGBl I 2013, 3642) in Umsetzung von Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates eingefügt worden und erstmals auf nach dem 12.06.2014 abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge anwendbar (vgl. Art. 229 § 32 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch).
Die wechselseitigen Rückgewähransprüche stehen sich zivilrechtlich als eigenständige Ansprüche gegenüber (BGH-Urteil vom 30.06.2017 - V ZR 134/16, BGHZ 215, 157, Rz 13). Sie sind Zug um Zug zu erfüllen (§ 348 Satz 1 BGB). Soweit eine Seite die Aufrechnung erklärt, hat dies nicht zur Folge, dass der Anspruch der jeweils anderen Seite auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre (BGH-Beschluss vom 22.09.2015 - XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441, Rz 7). Zwischen den wechselseitigen Ansprüchen besteht keine synallagmatische Verknüpfung. Gleichartige Leistungen werden nicht automatisch saldiert. Der jeweilige Rückgewährgläubiger kann seine Ansprüche auch ohne Rücksicht auf etwaige Gegenansprüche durchsetzen, solange der Rückgewährschuldner keine Gegenansprüche erhebt (vgl. BGH-Urteil vom 25.04.2017 - XI ZR 108/16, NJW 2007, 2102, Rz 19).
bb) Im Hinblick auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen vollzieht sich die Rückabwicklung eines vom Darlehensnehmer widerrufenen Darlehensvertrags (unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung) außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre.
(1) Mit dem (wirksamen) Widerruf wird das ursprüngliche Darlehensverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet. Beide Seiten leiten danach ihre wechselseitigen Ansprüche auf Rückzahlung sowie auf Nutzungsersatz aus dem Rückgewährschuldverhältnis und nicht mehr aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag her (BGH-Beschluss vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454, Rz 7). Dieses Rückgewährschuldverhältnis ist maßgeblich für die Besteuerung. Es bildet die Grundlage für die Tatbestandsverwirklichung im Sinne von § 38 der Abgabenordnung.
(2) Das Rückgewährschuldverhältnis ist allein darauf gerichtet, den ursprünglichen Leistungsaustausch rückgängig zu machen (BGH-Beschluss vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454, Rz 16; BGH-Urteil vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906, Rz 21). Es unterscheidet sich darin vom Darlehensvertrag, der als Dauerschuldverhältnis eine Vielzahl in die Zukunft gerichteter Pflichten statuiert, die durch den Austausch von Zahlungen nicht vollständig abgebildet werden können (BGH-Urteil vom 21.02.2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906, Rz 21).
(3) Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des BFH fehlt es bei der Rückabwicklung des Erwerbs einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds an einem marktoffenbaren Vorgang und an einem Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Ausgleich der gezogenen Nutzungen stellt wie die Rückgabe der zuvor erworbenen Rechtspositionen in diesem Zusammenhang keinen Vorgang innerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung des ursprünglichen Leistungsaustauschs dar (BFH-Urteile vom 06.09.2016 - IX R 27/15, BFHE 255, 176, BStBl II 2018, 335, Rz 22; vom 31.01.2017 - IX R 26/16, BFHE 257, 78, BStBl II 2018, 341, Rz 14). Die Rückabwicklung eines widerrufenen Darlehensvertrags ist damit wirtschaftlich vergleichbar.
(4) Die im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses vom Darlehensnehmer vereinnahmten Leistungen liegen für ihn jedenfalls dann außerhalb der steuerbaren Erwerbssphäre, wenn es sich um ein reines Rückabwicklungsverhältnis handelt. Daran würde es fehlen, wenn die wechselseitig erbrachten Leistungen nicht nur die Rückabwicklung des ursprünglichen Vertrags bewirken, sondern auch noch anderen Zwecken dienen sollten. Ob das der Fall ist, hat das FG auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls festzustellen. Handelt es sich nach den Feststellungen des FG um ein reines Rückabwicklungsverhältnis, kommt es nicht darauf an, ob die Rückabwicklung einvernehmlich, durch Vergleich, durch zivilgerichtliches Urteil oder auf andere Weise vollzogen worden ist.
(5) Das FG hat den zwischen den Klägern und der X-Bank geschlossenen Vergleich dahingehend ausgelegt, dass in ihm ausschließlich die wechselseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis im Wege des gegenseitigen Nachgebens erledigt werden sollten. Dagegen sind keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben worden. Die Auslegung des FG verstößt auch nicht gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze oder Denk- und Erfahrungssätze und ist daher für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend (vgl. BFH-Beschlüsse vom 09.10.2001 - VIII B 30/01, BFH/NV 2002, 191, m.w.N.; vom 05.12.2006 - VIII B 4/06, BFH/NV 2007, 490, unter 2.c [Rz 10]).
cc) Der von den Klägern vereinnahmte Nutzungsersatz ist nicht isoliert zu sehen und deshalb als steuerbar zu behandeln, weil sich die Situation aus Sicht der Kläger nach dem Widerruf des Darlehensvertrags so darstellt, als hätten die Kläger der X-Bank entgeltlich Kapital in Höhe der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen überlassen.
(1) Das Rückgewährschuldverhältnis ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise ertragsteuerlich als Einheit zu behandeln (zur Einheitsbetrachtung vgl. BFH-Urteile vom 23.04.2021 - IX R 20/19, BFHE 273, 157, BStBl II 2021, 687, Rz 23 zum Edelmetall-Pensionsgeschäft sowie vom 20.06.2023 - IX R 15/21, BFHE 281, 409, BStBl II 2023, 1103, Rz 21: Einheitsbetrachtung abgelehnt für Darlehen und Zins-Währungs-Swap).
Die zivilrechtlich selbständigen wechselseitigen Ansprüche des Rückgewährschuldverhältnisses stehen wirtschaftlich in so enger Verbindung zueinander, dass sich ihre isolierte Betrachtung als künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs darstellen würde. Sämtliche Ansprüche entstehen uno actu durch den einseitigen Widerruf der auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen des Darlehensnehmers. Der Anspruch auf Herausgabe von Nutzungsersatz ist nicht ohne den gegenläufigen Anspruch auf Herausgabe von Wertersatz denkbar (vgl. Jooß, Deutsches Steuerrecht 2021, 1025, 1028). Zivilrechtlich ist zwar eine automatische Saldierung der jeweiligen (ausschließlich) auf Geld gerichteten Ansprüche ausgeschlossen (BGH-Urteile vom 26.06.1991 - VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47; vom 30.06.2017 - V ZR 134/16, BGHZ 215, 157; BGH-Beschluss vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, WM 2016, 454). Gleichwohl können die Ansprüche der einen Seite im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nicht ohne die Gegenansprüche des Vertragspartners entstehen (BGH-Urteil vom 03.03.2016 - IX ZR 132/15, NJW 2016, 2118, Rz 25). Die Einzelansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis haben für sich genommen, da sie sämtlich auf Geld gerichtet sind und sich aufrechenbar gegenüberstehen, keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung.
(2) Vor diesem Hintergrund kann der vom Darlehensnehmer vereinnahmte Nutzungsersatz auch nicht als Gegenleistung für eine unfreiwillige Kapitalüberlassung in Form der vom Darlehensgeber zurückzugewährenden Zins- und Tilgungsleistungen angesehen werden (vgl. zur Fallgruppe der unfreiwilligen Kapitalüberlassung z.B. BFH-Beschluss vom 01.08.2023 - VIII R 8/21, BFHE 281, 57, BStBl II 2023, 1043; zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Abgeltungsteuer auch BFH-Urteil vom 24.05.2011 - VIII R 3/09, BFHE 235, 197, BStBl II 2012, 254, Rz 15). Auf der Grundlage der gebotenen Einheitsbetrachtung sind die einzelnen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis nicht für sich betrachtet Teil einer steuerbaren erwerbsgerichteten Tätigkeit. Die zivilrechtliche Einordnung des BGH, wonach der ehemalige Darlehensnehmer im Hinblick auf die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen (rückwirkend) so gestellt wird, als hätte er von Anfang an "eine verzinsliche Wertanlage" erworben beziehungsweise als wäre ihm die Möglichkeit der Kapitalnutzung für die bereits erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entzogen gewesen (vgl. z.B. BGH-Beschluss vom 12.01.2016 - XI ZR 366/15, NJW 2016, 2428, Rz 20), ändert an der steuersystematisch (s. oben 1.b bb) wie wirtschaftlich gebotenen Einheitsbetrachtung nichts.
(3) Dass der Widerruf des Darlehensvertrags für den ehemaligen Darlehensnehmer keine erwerbsgerichtete Tätigkeit ist, wird bei der gebotenen Einheitsbetrachtung auch daraus deutlich, dass der ehemalige Darlehensnehmer im typischen Fall der Rückabwicklung (bei Saldierung der wechselseitigen Ansprüche) keinen Gesamtüberschuss erzielen kann. Die von ihm zurückzugewährenden Leistungen übersteigen der Höhe nach in der Regel die vom Darlehensgeber zurückzugewährenden Leistungen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die reine Rückabwicklung des Darlehensvertrags zum Beispiel von einem steuerbaren Termingeschäft wie einem Zinsswap gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG, bei dem beide Seiten einen positiven Differenzausgleich erzielen können und der deshalb der Erwerbssphäre zuzuordnen ist. Wirtschaftlich bewirkt die Rückabwicklung des Darlehensvertrags aus der Sicht des Darlehensnehmers bei globaler Betrachtung letztlich nur eine Verringerung der bis zum Widerruf auf das Darlehen zu zahlenden Zinsen oder des Wertersatzes für die Gebrauchsvorteile. Das gilt auch dann, wenn die Parteien des ursprünglichen Darlehensvertrags ‑‑wie im Streitfall‑‑ anstelle der Leistung von Wertersatz an die Bank auf eine Rückabwicklung der vom Darlehensnehmer geleisteten Zinsen verzichten.
2. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Der von der X-Bank geschuldete Nutzungsersatz ist nicht nach der allein in Betracht kommenden Regelung zu den Einkünften aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
Gemäß § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6) noch zu den Einkünften im Sinne der Nr. 1, 1a, 2 oder 4 gehören, wie beispielsweise Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst (BFH-Urteile vom 12.09.1985 - VIII R 306/81, BFHE 145, 320, BStBl II 1986, 252, unter 1.b [Rz 30]; vom 02.07.2018 - IX R 31/16, BFHE 262, 102, BStBl II 2018, 759, Rz 24). § 22 Nr. 3 EStG erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer erwerbsgerichteten Tätigkeit (Leistung) und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (BFH-Urteil vom 10.11.2020 - IX R 32/19, BFHE 271, 218, BStBl II 2023, 169, Rz 32).
Der Annahme eines steuerbaren Leistungsaustauschs steht im Streitfall danach auch bei der Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG entgegen, dass die bei der gebotenen Einheitsbetrachtung aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags vereinnahmten Einzelleistungen nicht in der Erwerbssphäre angefallen sind. Dies kann im Rahmen von § 22 Nr. 3 EStG nicht anders beurteilt werden als im Anwendungsbereich des § 20 EStG. Die Rückgewähr der jeweiligen Rechtspositionen aus dem Darlehensvertrag sowie der Ausgleich der gezogenen Nutzungen sind deshalb keine steuerbaren Leistungen im Sinne der Vorschrift.
3. Weil die Revision bereits mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg hat, kommt es auf die erhobene Verfahrensrüge nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 03.12.2019 - VIII R 23/16, BFH/NV 2020, 853, Rz 31, m.w.N.).
4. Das FG ist von anderen Rechtsgrundlagen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Senat gibt der Klage statt. Der ‑‑nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG‑‑ im Rahmen einer reinen Rückabwicklung des Darlehensvertrags von der X-Bank an die Kläger geleistete Nutzungsersatz für Zins- und Tilgungsleistungen in Höhe von 14.500 € ist kein steuerbarer Kapitalertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und keine steuerbare Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 27.11.2018 ist wie beantragt dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 32d Abs. 1 EStG ein Betrag von 14.500 € ‑‑je hälftig beim Kläger und bei der Klägerin‑‑ nicht bei den laufenden Kapitalerträgen angesetzt wird.
5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.