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Beschluss vom 20. März 2025, III R 14/23

Erweiterte Kürzung und Drei-Objekt-Grenze bei erstmaligen Grundstücksveräußerungen im sechsten Jahr

ECLI:DE:BFH:2025:B.200325.IIIR14.23.0

BFH III. Senat

GewStG § 9 Nr 1 S 2, FGO § 126a, EStG § 15 Abs 2, GewStG VZ 2011 , GewStG VZ 2013 , EStG VZ 2011 , EStG VZ 2013

vorgehend FG Münster, 26. April 2023, Az: 13 K 3367/20 G

Leitsätze

Erfolgen innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Grundstückserwerb weder Grundstücksveräußerungen noch diese vorbereitende Maßnahmen, kann bei Veräußerung einer zweistelligen Anzahl von Objekten im sechsten Jahr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ein gewerblicher Grundstückshandel zu verneinen sein (Abgrenzung zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.06.2004 - VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914).

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 26.04.2023 - 13 K 3367/20 G wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) über die Frage, ob bei der A GmbH in den Erhebungszeiträumen 2011 und 2013 (Streitjahre) ein gewerblicher Grundstückshandel vorlag.

  2. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Rechtsnachfolgerin der im Jahr 2007 gegründeten A GmbH, deren Geschäftsführer ursprünglich B und C waren. Der 1956 geborene C verstarb im Jahr 2012, woraufhin B die alleinige Geschäftsführung übernahm.

  3. Der Unternehmensgegenstand der A GmbH laut Handelsregister war die Verwaltung eigenen Grundbesitzes, insbesondere der Erwerb, die Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die A GmbH in den Streitjahren abgesehen von der durchgängig betriebenen Vermietung und Verpachtung sowie der im Jahr 2013 erfolgten Veräußerung mehrerer Immobilien keine anderen Tätigkeiten ausübte.

  4. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die im Jahr 2004 gegründete A Holding GmbH. Deren Gesellschafter waren ursprünglich B und C zu gleichen Teilen. Nach dem Tod des C trat zunächst seine Ehefrau als Alleinerbin in die Gesellschaft ein. Sie veräußerte ihre Anteile an B, der fortan Alleingesellschafter war.

  5. Zu der Unternehmensgruppe der A Holding GmbH gehörten mehrere weitere Gesellschaften. Sie verfolgten teilweise einen ähnlichen Unternehmenszweck wie die A GmbH, teilweise andere Zwecke. So gab es Gesellschaften, deren Zweck in der dauerhaften Vermietung und Verpachtung von Immobilien bestand. Eine Gesellschaft diente der Bautätigkeit, andere Gesellschaften dienten dem kurzfristigen Kauf und Verkauf von Immobilien. Geschäftsführer der weiteren Gesellschaften war ebenfalls B.

  6. Die A GmbH war Eigentümerin von Grundstücken, die sie im Anlagevermögen hielt. Im Jahr 2013 veräußerte sie erstmals Grundstücke. Diese hatte sie im Jahr 2007 wie folgt erworben:

    Gemarkung

    Flur   

    Flurstück

    Anschrift

    Größe in m²

    Erwerb

    V       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    V       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    V       

    xx    

    xx    

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    V       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    V       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    W       

    x       

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    X       

    x       

    xx    

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    X       

    x       

    xx    

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    X       

    x       

    xx    

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    X       

    x       

    xx    

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    X       

    x       

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.09.2007

    Y       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.07.2007

    Z       

    xx    

    xxx     

    …       

    xxx     

    xx.10.2007

  7. Im Notarvertrag vom xx.03.2013 zum Verkauf dieser Grundstücke an eine Erwerberin war beschrieben, dass sich in den 13 Objekten 133 Wohneinheiten und zwölf Gewerbeeinheiten befanden. Diese waren zu 94 % vermietet. Der Gesamtverkaufspreis betrug ... €. Die A GmbH hielt darüber hinaus zwei weitere Grundstücke in ihrem Anlagevermögen, die sie ebenfalls im Jahr 2007 erworben hatte und sodann im Jahr 2015 veräußerte.

  8. Die Anschaffungskosten der 15 Grundstücke betrugen ... €. Zur Finanzierung hatte die A GmbH in den Jahren 2007 und 2008 fünf Darlehen mit einer Gesamtvaluta von ... € aufgenommen. Vier Darlehen wiesen eine feste Zinsbindung bis zum xx.10.2013 auf, das fünfte unterlag einem veränderlichen Zins. Die Gesellschafter B und C stellten für die Darlehen Bürgschaften in Höhe von jeweils ... € (zusammen ... €). Nach der Veräußerung der 13 Grundstücke im Jahr 2013 löste die A GmbH die Darlehen zum größten Teil ab. Für die festverzinslichen Darlehen hatte sie Vorfälligkeitsentschädigungen von insgesamt ... € zu leisten.

  9. Die A GmbH ermittelte den Gewinn für die Streitjahre durch Bestandsvergleich nach § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Hinsichtlich ihrer Jahresabschlüsse zum 31.12.2011 und 31.12.2013 sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Feststellungen des Finanzgerichts (FG) Bezug genommen.

  10. In ihren Gewerbesteuererklärungen erklärte die A GmbH Gewerbeerträge von ... € für 2011 und ... € für 2013. Bei den gewerbesteuerlichen Kürzungen machte sie die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen in Höhe von ... € (2011) und ... € (2013) geltend. Das zuständige Finanzamt veranlagte die A GmbH zunächst erklärungsgemäß und setzte die Gewerbesteuermessbeträge jeweils auf 0 € fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO).

  11. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Betriebsprüfer zur Auffassung, dass die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nicht erfüllt seien, weil die A GmbH durch die Grundstücksveräußerungen vom xx.03.2013 die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel überschritten habe.

  12. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) schloss sich dieser Auffassung an und erließ am 29.06.2018 Änderungsbescheide nach § 164 Abs. 2 AO über den Gewerbesteuermessbetrag und hob zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 13.05.2019 änderte das FA den Gewerbesteuermessbetrag für 2013 aus zwischen den Beteiligten unstreitigen Gründen.

  13. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das FG durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2023, 1094 veröffentlichte Urteil vom 26.04.2023 - 13 K 3367/20 G statt. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts in Gestalt des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

  14. Das FA beantragt,
    das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

  15. Die Klägerin beantragt,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

  2. Das Urteil, mit dem das FG der Klägerin die erweiterte Kürzung gewährt und ihrer Klage stattgegeben hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

  3. 1. Das FG ist zutreffend von den richterrechtlich geprägten Grundsätzen des gewerblichen Grundstückshandels ausgegangen (grundlegend Beschlüsse des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 03.07.1995 - GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 und vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291; s.a. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.02.2005 - 2 BvR 1572/01, BVerfGK 5, 71).

  4. a) Kapitalgesellschaften wie die A GmbH unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GewStG kraft ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer. Gemäß § 6 i.V.m. § 7 GewStG ist die Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ihr Gewerbeertrag, das heißt ihr nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ermittelter Gewinn, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 GewStG genannten Hinzurechnungs- und Kürzungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom 23.03.2023 - III R 49/20, BFHE 280, 293, BStBl II 2024, 126, Rz 11).

  5. b) Nach dem in den Streitjahren anwendbaren § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG a.F. wurde die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt. An die Stelle der sogenannten einfachen Kürzung nach Satz 1 tritt gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein-/Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sogenannte erweiterte Kürzung).

  6. c) Notwendige Voraussetzung für ein Grundstücksunternehmen im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet. Die Grenze von der Vermögensverwaltung zur Gewerblichkeit wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (zum Beispiel durch Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1.).

  7. d) Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren (zwischen der Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden. Solche Veräußerungen lassen typischerweise darauf schließen, dass es dem Steuerpflichtigen auf die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung ankommt (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.2. mit Verweis u.a. auf BFH-Urteil vom 09.12.1986 - VIII R 317/82, BFHE 148, 480, 483, BStBl II 1988, 244; vgl. auch C.III.5. mit Verweis auf Beschluss des Großen Senats des BFH vom 03.07.1995 - GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.II.2.). Durch die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze wird die im Zeitpunkt des Erwerbs oder des Baubeginns vorliegende innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht indiziert (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2015 - X R 22/13, BFHE 251, 369, BStBl II 2016, 95, Rz 23; zu der dem FG als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände vgl. BFH-Urteil vom 27.06.2018 - X R 26/17, BFH/NV 2018, 1255, Rz 26). Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der ‑‑ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf‑‑ den Schluss auf diese innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht zulässt, nicht jedoch einer unwiderleglichen Vermutung, die eine Rechtfertigungsgrundlage im materiellen Recht erfordern würde (Senatsurteil vom 27.09.2012 - III R 19/11, BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433, Rz 22, s. dort auch zur Erschütterung des Anscheinsbeweises im Einzelfall durch Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs). Die ‑‑durch die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb von in der Regel fünf Jahren indizierte‑‑ zumindest bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb kann nur durch objektive Umstände widerlegt werden, nicht hingegen durch bloße Erklärungen des Steuerpflichtigen über seine Absichten (Senatsurteil vom 17.12.2009 - III R 101/06, BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541).

  8. e) Der Fünf-Jahres-Zeitraum ist zwar keine starre Grenze (z.B. BFH-Urteile vom 18.09.2002 - X R 28/00, BFHE 200, 304, BStBl II 2003, 133, unter II.2.a aa und vom 15.06.2004 - VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914, unter II.2.b). Bei Grundstücksveräußerungen nach Ablauf von mehr als fünf Jahren ‑‑und in besonderem Maße bei erstmaligen Veräußerungen danach‑‑ müssen jedoch weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können. So hat der BFH eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Gebäudeerrichtung bei branchenkundigen Steuerpflichtigen (zum Beispiel Grundstücksmakler) für gegeben erachtet, wenn innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Errichtung weniger als vier, danach aber in relativ kurzer Zeit planmäßig weitere Objekte veräußert werden (im damaligen Fall zwölf Objekte innerhalb von neun Jahren, vgl. BFH-Urteil vom 05.09.1990 - X R 107-108/89, BFHE 161, 543, BStBl II 1990, 1060). Ferner können nach dem BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 7/02 (BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914) eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren.

  9. 2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die A GmbH in den Streitjahren die Voraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG erfüllt hat und deshalb die beantragte erweiterte Kürzung in Anspruch nehmen kann.

  10. a) Das FG ist ohne Rechtsfehler zur Auffassung gelangt, dass die A GmbH die Grenze der Vermögensverwaltung nicht überschritten und keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hat. Es ist von den Rechtsgrundsätzen zur Drei-Objekt-Grenze ausgegangen, seine Gesamtwürdigung aller Einzelfallumstände ist nicht zu beanstanden.

  11. aa) Ob Tatsachen vorliegen, die trotz einer Überschreitung des Fünf-Jahres-Zeitraums für den gewerblichen Grundstückshandel sprechende Indizien begründen, hat das FG jeweils im Einzelfall zu prüfen. Welche Tatsachen hierfür geeignet sind und welches Gewicht ihnen für die Entscheidung beizumessen ist, ist Gegenstand der Tatsachen- und Beweiswürdigung des FG. Erscheint das aufgrund der festgestellten Tatsachen gewonnene Ergebnis zumindest als möglich, genügt dies, um einer revisionsgerichtlichen Prüfung standzuhalten (vgl. Senatsurteil vom 12.12.2002 - III R 20/01, BFHE 200, 388, BStBl II 2003, 297, unter II.2.).

  12. bb) Dies ist hier der Fall. Das FG hat die maßgeblichen Umstände in die Gesamtwürdigung einbezogen. Es hat namentlich die Entwicklung der Grundstücksankäufe und -verkäufe im Zusammenhang des Zeitraums, zu denen die beiden Streitjahre gehören, untersucht und gewürdigt. Es hat zunächst festgehalten, dass die Drei-Objekt-Grenze innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums nicht überschritten wurde und dass die A GmbH während der ersten fünf Jahre nach dem jeweiligen Erwerb kein einziges Objekt veräußert hat. Vielmehr veräußerte sie erst im sechsten Jahr 13 Objekte und im Jahr 2015 zwei weitere. Das FG konnte unter den Umständen des Einzelfalls zu dem Ergebnis kommen, dass keine ausreichenden Indizien für eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht der A GmbH vorlagen.

  13. b) Das Urteil des FG steht auch nicht im Widerspruch zu den BFH-Urteilen VIII R 7/02, III R 101/06 und III R 19/11.

  14. aa) Soweit der BFH im Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 7/02 (BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914) entschieden hat, dass eine hohe Zahl von Veräußerungen außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums oder eine hauptberufliche Tätigkeit im Baubereich eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung und Errichtung indizieren können (s. unter II.2.b und c), ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass in solchen Fällen stets von einem gewerblichen Grundstückshandel auszugehen wäre.

  15. Zwar lag auch dem Urteil VIII R 7/02 ein Sachverhalt zugrunde, in dem innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums im Sinne der Drei-Objekt-Grenze noch keine Veräußerung erfolgt war, im Anschluss daran aber relativ zeitnah eine zweistellige Zahl an Objekten veräußert wurde. Der Entscheidung ist aber kein über den Einzelfall hinausgehender Rechtsgrundsatz zu entnehmen, wonach das Fehlen von Indizien für eine bedingte Veräußerungsabsicht während des Fünf-Jahres-Zeitraums durch das Indiz einer hohen Zahl von Veräußerungen kurz nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums kompensiert werde. Vielmehr hat der BFH im Verfahren VIII R 7/02 das erstinstanzliche Urteil, in dem das FG als Tatsacheninstanz einen gewerblichen Grundstückshandel bejaht hatte, mit lediglich einzelfallbezogener Begründung bestätigt und die Revision der Kläger deshalb insoweit als unbegründet zurückgewiesen. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall hatte das FG im damaligen Ausgangsverfahren festgestellt, dass es schon deutlich vor Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums Indizien dafür gegeben hatte, dass die Wohnungen auf den Grundstücken bei sich bietender Gelegenheit veräußert werden sollten (zur "Marktgängigmachung" durch Aufteilung in Wohnungseigentum und zur Umfinanzierung innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums s. Vorinstanzurteil des FG Münster vom 28.11.2001 - 8 K 118/99 F, EFG 2002, 369, unter II.).

  16. Im Gegensatz dazu fehlt es im hier zu entscheidenden Streitfall an vom FG festgestellten, die Objektveräußerungen vorbereitenden Maßnahmen innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums. Während dieses für die Indizwirkung der Drei-Objekt-Grenze primär wesentlichen Betrachtungszeitraums lagen nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und für den beschließenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ausschließlich vermögensverwaltende Tätigkeiten der A GmbH vor.

  17. bb) Auch soweit das FG bei seiner Gesamtwürdigung das überraschende Versterben des C im Alter von 55 Jahren als besonderen Umstand berücksichtigt und diesen gegenüber der hohen Zahl von Veräußerungen nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums abgewogen hat, widerspricht dies nicht den in den Senatsurteilen III R 101/06 und III R 19/11 aufgestellten Grundsätzen.

  18. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht ohne Verfahrensfehler für unzweifelhaft erachtet, dass die Veräußerung der 13 Objekte nach Ablauf des Fünf-Jahres-Zeitraums lediglich auf den nicht vorhersehbaren Todesfall zurückzuführen war. Dieser lasse keine Rückschlüsse auf die im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absichten zu. Vor dem Hintergrund des unerwarteten Todesfalls vermöge allein die (hohe) Anzahl von 13 veräußerten Objekten die Annahme einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden bedingten Veräußerungsabsicht nicht zu rechtfertigen, nachdem bei der Veräußerung mehr als fünf Jahre seit Erwerb verstrichen waren.

  19. Diese Würdigung des FG steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung, nach der die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien im Rahmen der Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung grundsätzlich unerheblich sind, sofern innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums bereits mehr als drei Objekte veräußert wurden (Senatsurteile vom 17.12.2009 - III R 101/06, BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541, unter II.3.; vom 27.09.2012 - III R 19/11, BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433, Rz 21) oder vergleichbare, auf eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht hindeutende Umstände vorliegen (vgl. BFH-Urteil vom 15.06.2004 - VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914). Bei einer Veräußerung innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums sagen die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf allein im Allgemeinen nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen eine Verkaufsbereitschaft gehabt hätte und insofern doch eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht von Anfang an bestand (vgl. Senatsurteile vom 17.12.2009 - III R 101/06, BFHE 228, 65, BStBl II 2010, 541, unter II.3., und vom 27.09.2012 - III R 19/11, BFHE 240, 278, BStBl II 2013, 433, Rz 22).

  20. Das FG hat diese von ihm ausdrücklich angeführte Rechtsprechung im Rahmen der Gesamtwürdigung in zutreffender Weise von seiner eigenen Entscheidung abgegrenzt. Es erläuterte, nicht zu verkennen, dass bei Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums aus den oben genannten Gründen ein unerwartet eintretendes privates Veräußerungsmotiv die Indizwirkung zwar nicht zu erschüttern vermöge. Der Streitfall betreffe jedoch eine andere Konstellation, nämlich diejenige einer Veräußerung der 13 Objekte außerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums. Hier müssten umgekehrt besondere Umstände hinzutreten, die auf eine bedingte Veräußerungsabsicht im Erwerbszeitpunkt schließen ließen. Bei der Würdigung solcher Umstände könne der konkrete Veräußerungsanlass berücksichtigt werden, zumindest wenn es sich um einen derart gravierenden Anlass wie das überraschende Versterben eines Gesellschafter-Geschäftsführers im Alter von nur 55 Jahren handle und ‑‑wie im Streitfall‑‑ keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ein solches Szenario im Erwerbszeitpunkt vorhersehbar gewesen sein könnte. Diese Würdigung ist zumindest möglich und daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  21. c) Hiernach hat das FG die Voraussetzungen der von der A GmbH beantragten erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in zutreffender Weise bejaht und der Klage der Klägerin deshalb zu Recht stattgegeben. Die Revision des FA ist unbegründet.

  22. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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