Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 11. März 2025, IX R 17/24

Veräußerungsgewinn nach § 23 EStG bei teilentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks

ECLI:DE:BFH:2025:U.110325.IXR17.24.0

BFH IX. Senat

EStG § 23 Abs 1 S 1 Nr 1, EStG § 23 Abs 1 S 3, EStG § 23 Abs 3 S 1, EStG § 23 Abs 3 S 4, EStG § 22 Nr 2, EStG VZ 2019

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 29. Mai 2024, Az: 3 K 36/24

Leitsätze

Im Fall der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern erfolgt für Zwecke der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts. Dies gilt auch bei einem unter den Anschaffungskosten liegenden Entgelt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29.05.2024 -3 K 36/24 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei einer teilentgeltlichen Übertragung im Rahmen des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt.

  2. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 2014 teilweise fremdfinanziert ein bebautes Grundstück für 143.950 €. Das Grundstück wurde vermietet.

  3. Im März 2019 übertrug der Kläger die Immobilie auf seine Tochter. Das Bankdarlehen valutierte zu diesem Zeitpunkt mit 115.000 €. Der Verkehrswert der Immobilie belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 210.000 €. Die Tochter übernahm die Bankverbindlichkeit im Rahmen der Übertragung und finanzierte diese neu. Der Kläger leistete eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4.000 €.

  4. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2019 erfasste der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) den Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Übertragung sei nach Maßgabe des Verkehrswerts und der von der Tochter übernommenen Verbindlichkeiten in einen unentgeltlichen und einen entgeltlichen Vorgang aufzuteilen. Soweit die Übertragung entgeltlich erfolgt sei, liege ein privates Veräußerungsgeschäft vor.

  5. Im Einzelnen ermittelte das FA den Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft wie folgt:

    Verkehrswert

    210.000 €

    100,00 %

    Entgeltlicher Teil

    115.000 €

    54,76 %

    Unentgeltlicher Teil

    95.000 €

    45,24 %

            

    Veräußerungserlös

            

         115.000 €

    ./. Anschaffungskosten

         143.950 € x 54,76 %

    78.828 €

    + Absetzung für Abnutzung (AfA)
       2014 bis 2019

    12.185 € x 54,76 %

    6.672 €

    ./. Vorfälligkeitsentschädigung

    4.000 € x 54,76 %

    2.191 €

    = Veräußerungsgewinn

            

    40.653 €

  6. Mit Einkommensteuerbescheid 2019 vom 03.03.2021 erfasste das FA Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft in Höhe von 40.655 €. Am 06.05.2021 und 09.11.2021 erging jeweils ein aus nicht streitigen Gründen geänderter Einkommensteuerbescheid 2019. Der gegen die Erfassung des privaten Veräußerungsgeschäfts eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

  7. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 29.05.2024 - 3 K 36/24 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2024, 1586) statt. Teilentgeltliche Übertragungen einer Immobilie unterhalb der historischen Anschaffungskosten seien keine Veräußerungen im Sinne des § 23 EStG. Zwar führe die Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Erwerber zu Anschaffungskosten. Im Wege der teleologischen Reduktion sei die teilentgeltliche Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge aus dem Tatbestand des § 23 EStG auszuscheiden. Bei Übertragungen unter den historischen Anschaffungskosten komme es zu keinem realisierten Wertzuwachs, der der Besteuerung zugänglich sei. Anderenfalls unterliege ein fiktiver steuerlicher Ertrag aus einem Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ohne positiven Cashflow beim Übertragenden der Ertragsteuer. Dem Kläger werde ein Gewinn zugerechnet, ohne dass ihm entsprechende Mittel zugeflossen seien. Zugleich entstehe eine Doppelbesteuerung des identischen Sachverhalts einerseits bei der Ertragsteuer nach § 23 EStG, andererseits nach § 7 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als gemischte Schenkung. Auch im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 23 EStG seien keine Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu versteuern. Die verfassungsrechtliche Rechtsprechung stehe einer Besteuerung nur fiktiver Einkünfte entgegen.

  8. Mit seiner Revision trägt das FA vor: Die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.12.2023 - IX R 15/23. Im Fall der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens sei eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert des Wirtschaftsguts vorzunehmen. Die Anschaffungskosten seien entsprechend der Entgeltlichkeitsquote aufzuteilen. Die Befreiung von einer Verbindlichkeit sei als Gegenleistung beziehungsweise Entgelt anerkannt. Insoweit liege auch ein Wertzuwachs vor, der die steuerliche Leistungsfähigkeit erhöhe. Die vom FG angewandte modifizierte Trennungstheorie widerspreche § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 23 Abs. 1 Satz 3 und § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG. In Höhe der übernommenen Verbindlichkeit liege ein Veräußerungspreis vor, im Übrigen sei die Übertragung unentgeltlich gewesen. Die Veräußerung an einen nahen Angehörigen zu einem geringeren Preis als dem Verkehrswert erfolge in der Regel aus persönlichen Gründen, weil ein Teil der Immobilie schenkweise übergehen solle. Der Kläger habe die Immobilie nicht voll unentgeltlich zuwenden wollen. Eine Doppelbesteuerung mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer liege nicht vor.

  9. Das FA beantragt sinngemäß,
    das Urteil des FG vom 29.05.2024 - 3 K 36/24 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  10. Der Kläger beantragt sinngemäß,
    die Revision zurückzuweisen.

  11. Der Kläger hält daran fest, dass in Fällen, in denen der Veräußerungserlös unterhalb der historischen Anschaffungskosten liege, kein Wertzuwachs und damit kein Veräußerungsgewinn erzielt werde. Sein Vermögen habe sich nicht erhöht, sondern ‑‑wenn man auf den Verkehrswert abstelle‑‑ um 210.000 € ./. 115.000 € = 95.000 € vermindert. Fiktive, nicht realisierte Gewinne könnten nicht der Besteuerung unterfallen. Die Frage, ob die strenge oder die modifizierte Trennungstheorie anzuwenden sei, stelle sich nur, wenn der Veräußerungserlös oberhalb der historischen Anschaffungskosten liege. Zudem hätten weder er noch seine Tochter in der Übernahme der Verbindlichkeiten eine Kaufpreiszahlung gesehen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. Das FG hat rechtsfehlerhaft das Vorliegen eines Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verneint und damit Bundesrecht verletzt (dazu unter 1. und 2.). Das Urteil ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen (dazu unter 3.).

  3. 1. Infolge der Übertragung des Grundstücks hat der Kläger im Streitjahr ein privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG getätigt.

  4. a) Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (zum Beispiel Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Bei unentgeltlichem Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsguts in das Privatvermögen durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen.

  5. Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person aufgefasst (vgl. Senatsurteile vom 06.09.2016 - IX R 45/14, BFHE 255, 162, BStBl II 2018, 329, Rz 20 und vom 23.07.2019 - IX R 28/18, BFHE 265, 258, BStBl II 2019, 701, Rz 18, m.w.N.). Die Übernahme von Schulden beim Erwerb eines Wirtschaftsguts stellt eine entgeltliche Gegenleistung dar. Es liegt in Höhe der Schuldübernahme ein Entgelt vor (vgl. Senatsurteil vom 03.09.2019 - IX R 8/18, BFHE 266, 173, BStBl II 2020, 122, Rz 14, m.w.N.; Hentschel in Herrmann/Heuer/Raupach ‑‑HHR‑‑, § 23 EStG Rz 231; Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff ‑‑KSM‑‑, EStG, § 23 Rz B 72).

  6. b) Der Kläger hat ein im Jahr 2014 angeschafftes Grundstück im März 2019 und damit innerhalb der Zehnjahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG veräußert. Mit der Übernahme der mit dem Grundstück zusammenhängenden Verbindlichkeit seitens der Tochter und der damit verbundenen Schuldfreistellung hat der Kläger auch ein Entgelt in Höhe von 115.000 € erzielt. Er hat damit das Grundstück (teil-)entgeltlich an seine Tochter veräußert.

  7. 2. Dem Kläger ist im Streitjahr auch ein Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft entstanden.

  8. a) Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindern sich um AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG abgezogen worden sind (§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG). Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs übernimmt der Einzelrechtsnachfolger die (historischen) Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers. Ein Gewinn oder Verlust entsteht insoweit nicht.

  9. b) Im Fall der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens erfolgt nach der ständigen Rechtsprechung für einkommensteuerliche Zwecke eine Aufteilung in einen voll entgeltlichen und einen voll unentgeltlichen Teil nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 17.07.1980 - IV R 15/76, BFHE 131, 329, BStBl II 1981, 11; vom 14.06.2005 - VIII R 37/03, juris, unter II.2.d; vom 10.11.1998 - VIII R 28/97, BFH/NV 1999, 616, unter II.1.b am Ende und Senatsurteil vom 12.12.2023 - IX R 15/23, Rz 21). Die Anschaffungskosten werden sodann entsprechend der "Entgeltlichkeitsquote" aufgeteilt.

  10. Diese Grundsätze gelten auch für teilentgeltliche Übertragungen in den Fällen des § 23 EStG (vgl. Senatsurteile vom 29.06.2011 - IX R 63/10, BFHE 234, 182, BStBl II 2011, 873, Rz 16 und vom 12.12.2023 - IX R 15/23, Rz 22; ähnlich bereits Senatsurteile vom 22.09.1987 - IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250, unter 2. und vom 20.04.2004 - IX R 5/02, BFHE 206, 110, BStBl II 2004, 987).

  11. c) Diese Aufteilung entspricht dem Gesetzeswortlaut. Denn die Regelungen in § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG einerseits und § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG andererseits gehen ausdrücklich von einer Unterscheidung zwischen voll entgeltlicher und voll unentgeltlicher Übertragung aus. Nur der voll entgeltliche Teil ist im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG veräußert, der voll unentgeltliche Teil der Übertragung ist es mangels Veräußerungspreises nicht. Die daraus folgende Aufteilung in einen voll entgeltlich und einen voll unentgeltlich übertragenen Teil ist keine Besteuerung eines fiktiven Sachverhalts, sondern lediglich ein Hilfsmittel zur Beschreibung der Rechtsfolgen, die das Gesetz an den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt knüpft (so in Bezug auf § 17 EStG Senatsurteil vom 12.12.2023 - IX R 15/23, Rz 22 f.). Daher kann sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe mit der Übernahme der Verbindlichkeiten durch seine Tochter im Ergebnis weniger erhalten als seine historischen Anschaffungskosten. Denn bezogen auf den entgeltlichen Teil der Übertragung von 54,76 % stehen seinen anteiligen Anschaffungskosten in Höhe von 78.828 € ein Entgelt in Höhe von 115.000 € gegenüber. Der Kläger hat mithin bezogen auf den entgeltlichen Teil einen Wertzuwachs erzielt.

  12. d) Das Schrifttum schließt sich dieser Auffassung fast ausschließlich an (HHR/Hentschel, § 23 EStG Rz 231, 236; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 23 Rz 11; BeckOK EStG/Trossen, 20. Ed. 01.11.2024, EStG § 23 Rz 238; Brandis/Heuermann/Ratschow, § 23 EStG Rz 156; Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl., § 23 Rz 38; Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 6 Rz 793; KKB/Bäuml/Müller, § 23 EStG, 10. Aufl., Rz 233; Grondorf in Bordewin/Brandt, § 23 EStG Rz 90; Wernsmann in KSM, EStG, § 23 Rz B 67; T. Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 65; Leister in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand: 06.2024, § 23 EStG Rz 52 f.; Merker in EStG - eKomm, § 23 EStG Rz 50, Stand: 10.01.2025; Wunderlich in Kappler/Kappler, Die vorweggenommene Erbfolge, 2. Aufl. 2023, Rz 1002; Günther, Deutsche Steuer-Zeitung ‑‑DStZ‑‑ 2021, 970, 972 f.; Vees, Deutsches Steuerrecht 2013, 681, 682; Heuermann, Der Betrieb 2013, 1328, 1329; Wiesmann, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2024, 625; Köster, DStZ 2024, 389; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000, BStBl I 2000, 1383, Rz 30; a.A. Demuth, Der Ertragsteuerberater 2012, 457, 459; Strahl, Finanz-Rundschau 2013, 322, 325 f.).

  13. Die Verlängerung der Spekulationsfrist in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auf zehn Jahre vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Mit der infolge des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) verlängerten Frist von zehn Jahren wollte der Gesetzgeber an dem Grundsatz, dass Wertsteigerungen an Wirtschaftsgütern des Privatvermögens grundsätzlich nicht steuerbar sind, nichts ändern. Ebenso hat er nicht zu erkennen gegeben, an der bisherigen Handhabung teilentgeltlicher Übertragungen Änderungen vornehmen zu wollen (vgl. BTDrucks 14/23, S. 179 f.).

  14. e) Für die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) ist zwar umstritten, ob eine Aufteilung des Vorgangs in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil zu erfolgen hat, der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts jedoch bis zur Höhe des Entgelts dem entgeltlichen Teil und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil zuzuordnen ist (Überblick vgl. BFH-Beschluss vom 19.03.2014 - X R 28/12, BFHE 245, 164, BStBl II 2014, 629). Die Anwendung dieser sogenannten modifizierten Trennungstheorie scheidet aber auf im Privatvermögen befindliche Wirtschaftsgüter aus (vgl. dazu Senatsurteil vom 12.12.2023 - IX R 15/23, Rz 26 ff., mit weiteren Ausführungen zur Streitfrage).

  15. f) Zwar bezog sich die Senatsentscheidung vom 12.12.2023 - IX R 15/23 auf den Fall, dass der Veräußerungspreis über den historischen Anschaffungskosten lag. Die in der Senatsentscheidung vom 12.12.2023 - IX R 15/23 unter Rz 31 angeführten Bedenken hinsichtlich einer Anwendung der modifizierten Trennungstheorie gelten jedoch in gleicher Weise für den hier vorliegenden Sachverhalt, bei dem die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Tochter als Rechtsnachfolgerin unter den historischen Anschaffungskosten des Klägers als Rechtsvorgänger liegt. Auch im Bereich des § 23 EStG bestehen keine Anhaltspunkte dafür, im Fall einer gemischten Schenkung (künstlich) steuerrechtlich relevante Verluste zu erzeugen. Nach der modifizierten Trennungstheorie würde zwar kein Verlust entstehen, weil dem entgeltlichen Teil nur die (gegebenenfalls um die AfA bereinigten) Anschaffungskosten bis zur Höhe des Entgelts zugeordnet würden und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil. Ein Veräußerungsverlust entstünde allenfalls in Höhe der zu berücksichtigenden Veräußerungskosten. Allerdings widerspricht dies § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach bei einem unentgeltlichen Erwerb die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgeblich sind. Ferner blieben Steigerungen des Verkehrswerts vom historischen Anschaffungszeitpunkt bis zum maßgeblichen Stichtag der Übertragung gänzlich unberücksichtigt.

  16. Zudem würde sich die Minderung der Anschaffungskosten durch die AfA nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG gewinnerhöhend erst bei einer Weiterveräußerung durch den Einzelrechtsnachfolger auswirken. Nutzt dieser die Immobilie selbst im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu eigenen Wohnzwecken, wirkte sich die Korrektur um die abgezogenen AfA-Beträge im Ergebnis nicht aus.

  17. g) Auch die übrigen vom Kläger und vom FG angeführten Gesichtspunkte führen zu keinem abweichenden Ergebnis.

  18. aa) Soweit das FG auf die Doppelbesteuerung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer hinweist, fehlt es an Feststellungen, ob und in welcher Höhe die streitige Immobilienübertragung überhaupt zu einer Belastung mit Schenkungsteuer geführt hat. Selbst wenn dies aufgrund von späteren Übertragungen innerhalb der Frist des § 14 ErbStG noch der Fall sein sollte, fehlte es im Streitfall an einer solchen Doppelbesteuerung. Im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrecht gilt die Übernahme von Verbindlichkeiten als entgeltlicher Vorgang, und die übernommene Verbindlichkeit wird vom steuerpflichtigen Erwerb abgezogen (vgl. R E 7.4 Abs. 1 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2020). Soweit die Übertragung entgeltlich erfolgt, unterliegt der Vermögensanfall nach § 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mangels Bereicherung daher nicht der Besteuerung. In die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage geht im Ergebnis nur der unentgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts ein. Mit Einkommensteuer aufgrund der Einordnung als privates Veräußerungsgeschäft wird hingegen nur der entgeltliche Teil des Rechtsgeschäfts besteuert.

  19. bb) Die vom FG angeführte teleologische Reduktion der Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. zur teleologischen Reduktion u.a. BFH-Urteile vom 09.03.2023 - IV R 11/20, BFHE 279, 531, BStBl II 2023, 830, Rz 29 und vom 08.05.2024 - VIII R 28/20, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 55) kann schon deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil es an Anhaltspunkten fehlt, dass eine verdeckte oder planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass § 23 EStG nur für vollentgeltliche Rechtsgeschäfte gelten soll, finden sich nicht. Vielmehr sind sowohl der entgeltliche Erwerb (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 3 EStG) als auch der unentgeltliche Erwerb (§ 23 Abs. 1 Satz 3 EStG) im Gesetz ausdrücklich geregelt.

  20. cc) Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschriften aufgrund einer möglichen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes kommt nicht in Betracht. Unbeschadet der Frage, ob der Streitfall überhaupt Anhaltspunkte für eine doppelte Belastung mit Schenkungsteuer und Einkommensteuer hergibt, ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine gleichzeitige Belastung mit diesen beiden Steuerarten einschließlich der damit verbundenen Härten grundsätzlich in Kauf genommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 25.06.2021 - II R 31/19, BFHE 275, 240, BStBl II 2022, 497, Rz 31, m.w.N.). Auch seitens des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist eine kumulative Belastung mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer nicht beanstandet worden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.04.2015 - 1 BvR 1432/10, Rz 11 ff.).

  21. dd) Schließlich spielt keine Rolle, dass der Kläger und seine Tochter von einer insgesamt unentgeltlichen Übertragung ausgegangen sind. Für die Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist auf die objektiv verwirklichten Besteuerungsmerkmale abzustellen. Subjektive Erwägungen wie zum Beispiel eine Spekulations- oder Überschusserzielungsabsicht sind unerheblich (vgl. u.a. HHR/Hentschel, § 23 EStG Rz 81 f.; Kube in Kirchhof/Seer, EStG, 24. Aufl., § 23 Rz 1; BeckOK EStG/Trossen, 20. Ed. 01.11.2024, EStG § 23 Rz 108, 121; Brandis/Heuermann/Ratschow § 23 EStG Rz 17; Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl., § 23 Rz 2).

  22. h) Das FG ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Vielmehr ist unter Anwendung der dargestellten Grundsätze der Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 3 EStG zu ermitteln, indem dem anteiligen Veräußerungspreis die anteiligen Anschaffungskosten, bereinigt um die anteiligen AfA nach § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, gegenüberzustellen sind. Der Abzug der Veräußerungskosten erfolgt ebenfalls lediglich in Höhe der Entgeltlichkeitsquote. Daraus ergibt sich zutreffend der vom FA angesetzte steuerbare Veräußerungsgewinn in Höhe von 40.655 €.

  23. 3. Die Sache ist spruchreif. Der an die Stelle der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2019 vom 03.03.2021 und 06.05.2021 getretene Einkommensteuerbescheid vom 09.11.2021 erfasst die Einkünfte aus dem privaten Veräußerungsgeschäft des Klägers. Die Klage ist abzuweisen.

  24. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Seite drucken