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Urteil vom 18. Dezember 2024, I R 14/21

Gewinnfeststellung bei "Einmann"-KGaA

ECLI:DE:BFH:2024:U.181224.IR14.21.0

BFH I. Senat

EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 3, KStG § 9 Abs 1 Nr 1, AO § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a, AO § 180 Abs 5 Nr 1, EStG VZ 2011 , KStG VZ 2011 , EStG VZ 2012 , KStG VZ 2012

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 10. Februar 2021, Az: 5 K 199/18

Leitsätze

NV: Die Grundsätze des Senatsurteils vom 16.10.2024 - I R 24/22 (Der Betrieb 2025, 773) zur Erforderlichkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der KGaA und ihrer persönlich haftenden Gesellschafter gelten auch dann, wenn die KGaA nur einen persönlich haftenden Gesellschafter hat, der zudem auch Inhaber sämtlicher Kommanditaktien ist ("Einmann"-KGaA).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 10.02.2021 - 5 K 199/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, an deren Gewinn und Verlust in den Jahren 2011 und 2012 (Streitjahre) ausschließlich natürliche Personen als Kommanditisten beteiligt waren. Die Beigeladenen zu 1. und zu 2. sind ausgeschiedene Gesellschafter der Klägerin.

  2. Gegründet wurde die Klägerin im September 2011, bevor im November 2011 der Gründungsgesellschafter ausschied und dessen Kommanditanteil von H übernommen wurde.

  3. Am 03.11.2011 gründete die Klägerin die G-KGaA mit einem Grundkapital von … €. Die Klägerin übernahm sowohl deren sämtliche Kommanditaktien (… auf den Inhaber lautende Stückaktien zu je … €) als auch die Funktion der persönlich haftenden Gesellschafterin; als solche leistete sie eine nicht auf das Grundkapital bezogene Sondereinlage, mit der sie zu circa 99,7 % am Gewinn und Verlust der G-KGaA beteiligt war.

  4. Die G-KGaA ihrerseits gründete am 18.11.2011 als alleinige Gesellschafterin die G-SARL, eine mit einer deutschen GmbH vergleichbare Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz im Großherzogtum Luxemburg. Satzungsmäßiges Ziel der Gesellschaft war der Erwerb von Wertpapieren und Finanzinstrumenten in jeglicher Form.

  5. Mit Vertrag vom 25.11.2011 gewährte die G-KGaA der G-SARL ein Darlehen über … €. Mit Erlassvertrag vom 05.12.2011 verzichtete die G-KGaA gegenüber der G-SARL auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Mit Darlehensvertrag vom 23.01.2012 gewährte die G-KGaA der G-SARL ein weiteres Darlehen über … €. Mit Erlassvertrag vom 25.01.2012 verzichtete die G-KGaA auf die Rückzahlung auch dieses Darlehens.

  6. Das Kapital für die Darlehensbeträge stammte jeweils aus Sondereinlagen der Kommanditisten der Klägerin. Diesen waren von H jeweils Investitionsvorschläge unterbreitet worden, welche sie durch eine vorformulierte Investitionserklärung unter Eintragung eines Einlagebetrags annehmen oder die sie ablehnen konnten.

  7. Mit dem Verzicht auf die Darlehensforderungen buchte die G-KGaA jeweils den ursprünglichen Forderungsbetrag gegenüber der G-SARL auf die Anschaffungskosten der Beteiligung um. Hierdurch erhöhten sich die ursprünglichen Anschaffungskosten in den Streitjahren um … € (2011) und … € (2012).

  8. Die G-SARL löste die Verbindlichkeiten in beiden Jahren auf und erfasste die Beträge in ihrer Handelsbilanz jeweils als Ertrag. Sie erstellte auf den 12.12.2011 eine Zwischenbilanz, aus der sich ein Jahresüberschuss in Höhe von … € ergab. Auf der Grundlage dieser Zwischenbilanz schüttete sie per Gesellschafterbeschluss vom 19.12.2011 am 23.12.2011 den Betrag von … € an die G-KGaA aus. Auf den 15.02.2012 erstellte die G-SARL eine Zwischenbilanz, die einen Jahresüberschuss von … € aufwies. Aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 20.02.2012 schüttete sie sodann am 24.02.2012 … € an die G-KGaA aus. Diese erfasste die Ausschüttungen jeweils als Ertrag aus Beteiligung.

  9. Die G-SARL schloss das Jahr 2011 mit einem handelsrechtlichen Gewinn in Höhe von … € ab; steuerlich erklärte sie einen Verlust von ./. … €. Das Jahr 2012 schloss sie mit einem handelsrechtlichen Gewinn von … € ab; steuerlich erklärte sie einen Verlust von ./. … €. Die luxemburgische Finanzbehörde übernahm jeweils die erklärten Verluste.

  10. Da die G-SARL nach vollzogener Ausschüttung zum Bilanzstichtag 31.12.2011 über kein nennenswertes Kapital mehr verfügte, korrigierte die G-KGaA den Beteiligungsansatz und verbuchte eine entsprechende Teilwertabschreibung.

  11. Am 30.11.2012 veräußerte die G-KGaA sodann die Beteiligung an der G-SARL für … €. Sie buchte die Beteiligung als Abgang aus dem Anlagevermögen mit einem Wert von … € aus (Veräußerungsverlust).

  12. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) behandelte die Ausschüttungen steuerlich wie folgt: Der auf die G-KGaA entfallende Anteil in Höhe von circa 0,3 % (… € im Jahr 2011 und … € im Jahr 2012) wurde bei der Körperschaftsteuer jeweils nach § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (KStG) steuerfrei gestellt. Den auf die Klägerin als Komplementärin für das Feststellungsjahr 2011 entfallenden Gewinnanteil von 99,7 % (… €) behandelte das FA im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin (Bescheid vom 17.12.2012) als nach dem sogenannten Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23.08.1958 (BGBl II 1959, 1270, BStBl I 1959, 1023), zuletzt geändert durch das Protokoll vom 11.12.2009 (BGBl II 2010, 1151, BStBl I 2011, 838) ‑‑DBA-Luxemburg 1958/2009‑‑ steuerfreie Dividende.

  13. Für das Feststellungsjahr 2012 erkannte das FA aufgrund der mit dem Gesetz zur Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes und von steuerlichen Vorschriften vom 08.05.2012 (BGBl I 2012, 1030) geschaffenen Regelung des § 50d Abs. 11 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Geltung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs für die Gesellschafter der Klägerin nicht mehr an. Es behandelte folglich den der Klägerin zuzuordnenden Gewinnanteil von circa 99,7 % (… €) im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin (Bescheid vom 16.07.2014) als in Höhe von 60 % steuerpflichtige Dividende. Die Klägerin legte gegen den Feststellungsbescheid für 2012 Einspruch ein, weil sie die rückwirkende Geltung des § 50d Abs. 11 EStG für verfassungswidrig hielt.

  14. Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, bei den Ausschüttungen der G-SARL an die G-KGaA handele es sich nicht um Dividenden im Sinne des Schachtelprivilegs des DBA-Luxemburg 1958/2009. Die Ausschüttungen unterlägen daher in beiden Streitjahren zu 60 % der Besteuerung bei den Gesellschaftern der Klägerin. Das FA erließ am 17.01.2017 einen entsprechend geänderten Bescheid für 2011,im Hinblick auf den Feststellungsbescheid für 2012 hob das FA mit Bescheid vom 17.01.2017 den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Nachdem die Klägerin Einspruch auch gegen den geänderten Feststellungsbescheid für 2011 eingelegt hatte, wies das FA beide Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017 zurück.

  15. Die dagegen erhobene Klage hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) als unbegründet abgewiesen (Urteil vom 10.02.2021 - 5 K 199/18, Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1648). Nach Auffassung des FG unterfielen die Ausschüttungen der G-SARL an die G-KGaA zwar als Dividenden dem Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009. Jedoch liege in der rechtlichen Gestaltung der Darlehensvergabe mit anschließendem Erlass der Darlehensforderung und unmittelbar folgender Gewinnausschüttung ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 der Abgabenordnung in der für die Streitjahre geltenden Fassung (AO), weil sie ausschließlich dem Zweck gedient habe, in wirtschaftlich unangemessener Weise künstliche, steuerlich nutzbare Verluste realisieren zu können. Eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene Gestaltung hätte in einer Kapitaleinlage/Kapitalerhöhung mit anschließender (steuerneutraler) Kapitalrückführung bestanden, wodurch es weder zu einer steuerwirksamen Teilwertabschreibung noch zu einem steuerwirksamen Veräußerungsverlust gekommen wäre. Auf die Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 11 EStG komme es somit für das Streitjahr 2012 nicht an.

  16. Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.

  17. Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid für 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 17.12.2012, zuletzt geändert mit Bescheid vom 17.01.2017, sowie den Bescheid für 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 16.07.2014, zuletzt geändert durch den Bescheid vom 17.01.2017, beide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.11.2017, dahin zu ändern, dass der Gewinn unter Minderung der auf alle Gesellschafter entfallenden steuerlichen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € für 2011 und in Höhe von … € für 2012 jeweils neu festgestellt wird.

  18. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

  19. Der Beigeladene zu 1. unterstützt die Rechtsauffassung der Klägerin, hat jedoch keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision erweist sich als im Ergebnis begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). In den streitgegenständlichen Verfahren über die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen der Klägerin ist derzeit ‑‑wegen bislang fehlender Durchführung vorrangiger Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und deren Verteilung auf die G-KGaA und die Klägerin sowie mit ihnen im Zusammenhang stehender anderer Besteuerungsgrundlagen‑‑ eine Entscheidung über die Höhe der der Klägerin aus der Beteiligung an der G-KGaA zuzurechnenden Gewinnanteile nicht möglich.

  2. 1. Gegenstand der Feststellungen der streitbefangenen Bescheide und der verfahrensgegenständlichen Anfechtungsklage ist die Höhe der der Klägerin zuzurechnenden Gewinnanteile als persönlich haftende Gesellschafterin der G-KGaA, soweit diese nicht auf ihre Anteile am Grundkapital entfallen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Wie der erkennende Senat jedoch mit Urteil vom 16.10.2024 - I R 24/22 (Der Betrieb ‑‑DB‑‑ 2025, 773) entschieden hat, sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KGaA sowie ihre Verteilung auf die KGaA (Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG) und auf deren persönlich haftenden Gesellschafter (Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) sowie mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen entsprechend den für Mitunternehmerschaften geltenden Grundsätzen Gegenstand eines vorzuschaltenden eigenständigen Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, das vorliegend noch für jedes der Streitjahre durchzuführen ist. Entsprechendes gilt für die gesonderte und einheitliche Feststellung der nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte nach Maßgabe von § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO. Zur näheren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des vorgenannten Senatsurteils Bezug genommen. Gegenstand der in den vorrangigen Verfahren zu treffenden Feststellungen ist auch die vorliegend streitige Frage, inwieweit das Schachtelprivileg des DBA-Luxemburg 1958/2009 auf die Ausschüttungen der G-SARL Anwendung findet.

  3. 2. Die im Senatsurteil vom 16.10.2024 - I R 24/22 (DB 2025, 773) entwickelten Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich ‑‑wie im Streitfall‑‑ um eine "Einmann"-KGaA handelt, bei der der persönlich haftende Gesellschafter zugleich Inhaber sämtlicher Kommanditaktien ist. Auch in dieser Konstellation ist zwischen dem Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters einerseits und dem auf die KGaA entfallenden Teil andererseits zu unterscheiden. Da es sich bei der KGaA und dem jeweiligen persönlich haftenden Gesellschafter um verschiedene Personen und unterschiedliche Steuersubjekte handelt, liegen die Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ("wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind") gleichermaßen vor.

  4. 3. Das FG hat das Verfahren im zweiten Rechtsgang zunächst gemäß § 74 FGO auszusetzen, um dem ‑‑offenbar auch für die G-KGaA sachlich und örtlich zuständigen‑‑ FA Gelegenheit zu geben, die vorrangigen Feststellungsverfahren nachzuholen.

  5. 4. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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