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Urteil vom 18. Dezember 2024, I R 45/22

§ 1 Abs. 5 Satz 1 AStG als Einkünftekorrekturvorschrift

ECLI:DE:BFH:2024:U.181224.IR45.22.0

BFH I. Senat

AStG § 1 Abs 1, AStG § 1 Abs 4 S 1 Nr 2, AStG § 1 Abs 5 S 1, AStG § 1 Abs 6, AStG § 1 Abs 5 S 3, BsGaV § 32, EStG § 4, EStG §§ 4ff, EStG VZ 2017

vorgehend FG Nürnberg, 27. September 2022, Az: 1 K 1595/20

Leitsätze

1. Bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 1 des Außensteuergesetzes (AStG), wonach die Absätze 1, 3 und 4 über die "Berichtigung von Einkünften" entsprechend anzuwenden sind, folgt, dass es sich bei § 1 Abs. 5 AStG um eine Einkünftekorrekturnorm und gerade nicht um eine eigenständige Regelung zur Betriebsstättengewinnermittlung handelt. Daher rechtfertigt § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) nicht, eine veranlassungsbezogene Gewinnermittlung einer unselbständigen Betriebsstätte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht einer ausländischen Kapitalgesellschaft ohne weitere Ermittlungen zu verwerfen und an ihre Stelle eine Gewinnermittlung auf Basis einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode (sogenannte Kostenaufschlagmethode) zu setzen.

2. Die in § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG vorausgesetzte Einkünfteminderung muss ‑‑als kausale Bedingung‑‑ "durch" die Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entstehen und sie wird weder durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG noch durch § 32 BsGaV fingiert.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 27.09.2022 - 1 K 1595/20 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts (Korlátolt felelösségü társaság [Kft]), die auf der Grundlage eines Rechtstypenvergleichs einer GmbH deutschen Rechts entspricht; der Sitz und die Geschäftsleitung befinden sich in der Republik Ungarn. Sie unterhielt im Jahr 2017 (Streitjahr) in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) eine Betriebsstätte und erbrachte Werkvertragsleistungen im Bereich der …montage, denen Dienstleistungsverträge mit zwei Auftraggebern aus dem Jahre 2009 zugrunde lagen. Zum …2020 erfolgte die Gewerbeabmeldung für die inländische Betriebsstätte.

  2. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte im Rahmen des Veranlagungsverfahrens den für das Streitjahr deklarierten Besteuerungsgrundlagen nicht. Vielmehr ging das FA unter Verweis auf § 32 der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) vom 13.10.2014 (BGBl I 2014, 1603, BStBl I 2014, 1378) hinsichtlich der inländischen Betriebsstätte von einer "Routinebetriebsstätte" aus und ermittelte den Gewinn in der Weise, dass es aus den Betriebsausgaben (Materialaufwand von … €, Personalaufwand von … € und sonstige betriebliche Aufwendungen von … €) unter Ansatz eines Aufschlagsatzes von 10 % einen Gewinn in Höhe von … € errechnete. Diesen Gewinn legte es dem für das Streitjahr ergangenen Körperschaftsteuerbescheid zugrunde, ebenfalls entsprechend der jeweiligen gewerbesteuerlichen Festsetzung/Feststellung (Bescheide vom 12.04.2019).

  3. Hiergegen legte die Klägerin am 29.04.2019 Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 24.11.2020 änderte das FA die Bescheide dahingehend ab, dass es den Aufschlagsatz auf 5 % der Personalkosten und sonstigen betrieblichen Aufwendungen reduzierte und somit einen Jahresüberschuss in Höhe von nur noch … € ansetzte; der Materialaufwand fand keine Berücksichtigung mehr. An der Einschätzung, dass es sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse um eine "Routinebetriebsstätte" gehandelt habe, hielt das FA fest. Die Körperschaftsteuer 2017 setzte es in der Einspruchsentscheidung auf … € und den Gewerbesteuermessbetrag 2017 auf 0 € herab, den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte es auf den 31.12.2017 in Höhe von … € fest; im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

  4. Die dagegen vor dem Finanzgericht (FG) Nürnberg erhobene Klage war erfolgreich (Urteil vom 27.09.2022 - 1 K 1595/20, Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2023, 527); das FG führte aus, der Anwendungsbereich der einschlägigen Vorschriften des Außensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (AStG) sei nicht eröffnet, weshalb auch eine Anwendung der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung nicht in Betracht komme.

  5. Dagegen richtet sich die auf die Verletzung von Bundesrecht gestützte Revision des FA.

  6. Es beantragt, das Urteil des FG Nürnberg vom 27.09.2022 - 1 K 1595/20 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  7. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat ohne Rechtsfehler dahin erkannt, dass das FA die inländischen Einkünfte der in Deutschland belegenen Betriebsstätte der Klägerin zu Unrecht unter Hinweis auf § 1 Abs. 5 AStG neu ermittelt und der Besteuerung zugrunde gelegt hat.

  2. 1. Gemäß § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG (zum zeitlichen Anwendungsbereich s. § 21 Abs. 20 Satz 3 AStG und z.B. Kaeser in Wassermeyer MA Art. 7 Rz 696; Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Rz 4.31) sind die Absätze 1, 3 und 4 der Norm über die Berichtigung von Einkünften entsprechend anzuwenden, wenn für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch (zum Beispiel) die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert werden. Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung (§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG). Um die Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, sind ihr nach § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG in einem ersten Schritt die Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden (Personalfunktionen), die Vermögenswerte des Unternehmens, die sie zur Ausübung der ihr zugeordneten Funktionen benötigt, die Chancen und Risiken des Unternehmens, die sie aufgrund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte übernimmt, sowie ein angemessenes Eigenkapital (Dotationskapital) zuzuordnen. Auf der Grundlage dieser Zuordnung sind in einem zweiten Schritt die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte und die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen zu bestimmen (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG). Die Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes und dessen einheitliche Anwendung werden in der auf Grundlage des § 1 Abs. 6 AStG ergangenen Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung geregelt.

  3. 2. Geschäftsbeziehungen nach § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG sind Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen). Relevant sind insoweit ausschließlich tatsächliche Handlungen (sogenannte dealings, vgl. van der Ham/Retzer, Internationales Steuerrecht ‑‑IStR‑‑ 2023, 213), das heißt, es muss ein wirtschaftlicher Vorgang, also ein tatsächliches und identifizierbares Ereignis vorliegen, das eine gewisse ökonomische Relevanz hat, sodass fremde Dritte deswegen eine schuldrechtliche Vereinbarung getroffen hätten oder eine Rechtsposition geltend machen würden (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.12.2016, Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung, BStBl I 2017, 182, Rz 165). Dies wird durch § 1 Abs. 4 Satz 2 AStG gesetzlich vermutet, wenn der Steuerpflichtige nicht im Einzelfall etwas Anderes nachweist (FG München, Urteil vom 10.07.2023 - 7 K 1938/22, EFG 2023, 1516, m.w.N., Revision I R 49/23 erledigt mit Urteil vom 18.12.2024).

  4. 3. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BsGaV gilt die Mitwirkung einer Bau- und Montagebetriebsstätte an der Erfüllung des vom Bau- und Montageunternehmen abgeschlossenen Bau- und Montagevertrags widerlegbar als anzunehmende schuldrechtliche Beziehung (im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG), die als Dienstleistung der Bau- und Montagebetriebsstätte gegenüber dem übrigen Unternehmen anzusehen ist. Der Verrechnungspreis für die Dienstleistung ist nach dem Satz 2 der Vorschrift im Regelfall nach einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode zu bestimmen. Nach Satz 3 gehören zu den Kosten der Bau- und Montagebetriebsstätte, die für die Anwendung dieser Methode zu berücksichtigen sind, insbesondere auch alle erforderlichen Personalkosten, die unmittelbar durch die Erbringung von Personalfunktionen in der Bau- und Montagebetriebsstätte verursacht sind. Die Personalfunktionen stellen dabei den wesentlichen Anknüpfungspunkt für die Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken und Geschäftsvorfällen zur Betriebsstätte beziehungsweise dem übrigen Unternehmen sowie für die Identifizierung von anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen zwischen beiden Unternehmensteilen dar (FG München, Urteil vom 10.07.2023 - 7 K 1938/22, EFG 2023, 1516, m.w.N., Revision I R 49/23 erledigt mit Urteil vom 18.12.2024).

  5. Nach § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG sind Personalfunktionen "Funktionen des Unternehmens, die durch ihr Personal ausgeübt werden". Dies konkretisiert § 2 Abs. 3 Satz 1 BsGaV als Geschäftstätigkeit, die von eigenem Personal des Unternehmens und für das Unternehmen ausgeübt wird. Nach § 2 Abs. 4 BsGaV ist eigenes Personal jede natürliche Person, die aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Vereinbarung mit dem Unternehmen für das Unternehmen tätig wird. Nach § 2 Abs. 5 Satz 1 BsGaV ist die Personalfunktion einer Betriebsstätte für die Zuordnung von Vermögenswerten, von Chancen und Risiken oder von Geschäftsvorfällen maßgeblich, wenn der Ausübung dieser Personalfunktion im üblichen Geschäftsbetrieb im Verhältnis zu den Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt werden, die größte Bedeutung für den jeweiligen Zuordnungsgegenstand zukommt.

  6. 4. Obwohl die Klägerin ihren Steuererklärungen für das Streitjahr eine eigenständige veranlassungsbezogene Gewinnermittlung für ihre inländische Betriebsstätte zugrunde gelegt hat (zu diesem grundlegenden Rechtsmaßstab einer Einkünftezuordnung nach nationalem Recht [§ 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung ‑‑EStG‑‑; sinnentsprechend zur Ermittlung des Gewerbeertrags] und nach Abkommensrecht z.B. Senatsbeschluss vom 24.11.2021 - I B 44/21 (AdV), BFHE 275, 136, BStBl II 2022, 431; s.a. Schaumburg/Puls in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 21.20 f.; Korschan in Greil/Hummel, § 1 AStG, Rz 40 ff.; Brandis/Heuermann/Reimer, § 49 EStG Rz 63, 105; Glatz, Abgrenzungsmaßstäbe im Abkommensrecht: Veranlassungsprinzip und Fremdvergleich bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung, 2021, S. 79 ff., m.w.N.), die bezogen auf Außentransaktionen weiterhin und bezogen auf Innentransaktionen letztlich auch Grundlage für den in § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG angeführten "ersten (Ermittlungs-)Schritt" ‑‑wenn auch nun nach den in § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 bis 4 AStG angeführten Parametern‑‑ darstellt (z.B. Schwenke in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder [Hrsg.], Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, S. 377, 385; Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Rz 4.33; Kudert, Praxis Internationale Steuerberatung ‑‑PIStB‑‑ 2024, 191, 194; Kußmaul/Linster/Lang, Der Steuerberater 2024, 121, 124 ff.), hat das FA diese Ermittlung ohne weitergehende Prüfung auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG und § 32 BsGaV verworfen und den anzusetzenden Gewinn auf Basis der in § 32 Abs. 1 Satz 2 BsGaV geregelten kostenorientierten Verrechnungspreismethode bestimmt. Der Senat kann insoweit offenlassen, ob im Streitfall überhaupt vom Vorliegen einer Bau- und Montagebetriebsstätte im Sinne des § 32 BsGaV auszugehen ist und ob die dort geregelten Einzelheiten uneingeschränkt von der Ermächtigungsnorm des § 1 Abs. 6 AStG gedeckt sind. Denn jedenfalls ist § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 2 BsGaV im Streitfall keine ausreichende Rechtsgrundlage dafür, eine veranlassungsbezogene Gewinnermittlung vollständig zu verwerfen und an ihre Stelle ausschließlich eine "Gewinnermittlung" auf Basis der sogenannten Kostenaufschlagsmethode als einer kostenorientierten Verrechnungspreismethode (Betriebsstätte als "Routineunternehmen", obgleich insoweit das operative Kerngeschäft der Klägerin gegenüber dem Kunden des Gesamtunternehmens erbracht wird [zutreffend Kudert, PIStB 2024, 191, 198]), für die beschränkte Steuerpflicht zu setzen.

  7. a) Bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG, wonach die Absätze 1, 3 und 4 über die "Berichtigung von Einkünften" entsprechend anzuwenden sind, folgt, dass es sich bei § 1 Abs. 5 AStG um eine Einkünftekorrekturnorm und gerade nicht um eine ‑‑systematisch dem Regelungsbereich der §§ 4 ff. EStG zuzuordnende‑‑ eigenständige Regelung zur Betriebsstättengewinnermittlung handelt (s. z.B. Wassermeyer, IStR 2012, 277, 278 ff.; Schnitger, IStR 2012, 633, 638; Kaeser in Wassermeyer MA Art. 7 Rz 693; Gosch in Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018, Festschrift für den Bundesfinanzhof, 2018, S. 1027, 1041 = Internationale Steuer-Rundschau ‑‑ISR‑‑ 2018, 404, 407 f.; Schaumburg/Puls in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 21.6, 21.22, 21.67; Kraft in Kraft, AStG, 2. Aufl., § 1 Rz 621; Hofacker in Haase, AStG/DBA, 4. Aufl., § 1 AStG Rz 352; van der Ham/Retzer, IStR 2023, 213; Ehrt, EFG 2023, 1519; Engelen/Spychalski, ISR 2023, 133; BeckOK AStG/Glatz, 9. Ed. 01.09.2024, § 1 Rz 910; Leucht/Hagemeier, Finanz-Rundschau 2024, 1154, 1156; einschränkend Andresen in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl., Rz 4.44 und 4.46 ff.). Dies hat der Senat bereits in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer summarischen Prüfung (Senatsbeschluss vom 24.11.2021 - I B 44/21 (AdV), BFHE 275, 136, BStBl II 2022, 431) so erkannt und dabei ausgeführt, dass § 1 Abs. 5 AStG als Einkünftekorrekturvorschrift "tatbestandlich-systematisch … unverbunden" neben die allgemeine Entstrickungsregelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG als allgemeine Gewinnermittlungsvorschrift tritt. Insbesondere hat der Senat darauf verwiesen, dass § 1 Abs. 5 AStG im unmittelbaren Kontext zu dessen Absatz 1 steht und damit tatbestandlich an eine Einkünfteminderung anknüpft, die durch eine Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht (vgl. auch insbesondere Gosch, a.a.O., S. 1027, 1035 f.). Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung nach erneuter Überprüfung auch nach dem für eine Revisionsentscheidung erforderlichen Maß der Rechtsüberzeugung fest: Dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 AStG und insbesondere dessen Satz 3 lässt sich insoweit gerade nicht entnehmen, dass außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 AStG und insbesondere für die allgemeine Gewinnermittlung nach §§ 4 ff. EStG eine Veranlassungsprüfung (allein) nach den in den jeweiligen Unternehmensteilen ausgeübten Personalfunktionen vorzunehmen wäre. Gegen eine solche "Ausstrahlwirkung" spricht auch die systematische Stellung der Vorschrift im Außensteuergesetz. Mit der Neuregelung verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, "die Besteuerung grenzüberschreitender Vorgänge im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung bzw. Gewinnverteilung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Betriebsstätten) einheitlich zu regeln" (vgl. BTDrucks 17/10000, S. 61). Durch die Einfügung des § 1 Abs. 5 AStG sollte insoweit der Authorized OECD Approach (AOA) des Art. 7 OECD-Musterabkommen (OECD-MustAbk) 2010 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Eine Anpassung des allgemeinen Gewinnbegriffs in den §§ 4 ff. EStG ist insoweit jedoch nicht erfolgt. § 1 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AStG sieht seinem eindeutigen Wortlaut nach lediglich einseitige Gewinnkorrekturen vor (s. nochmals Gosch, a.a.O., S. 1027, 1034), auch wenn der Passus "Aufteilung der Einkünfte" den vollständigen Unternehmensgewinn als "Ausgangsgröße" nahelegt beziehungsweise in den Gesetzesmaterialien der grundsätzliche Wille des Gesetzgebers erkennbar sein sollte, die Selbständigkeits- und Unabhängigkeitsfiktion der Betriebsstätte zum allgemeinen Grundprinzip der betriebsstättenbezogenen Gewinnabgrenzung und -ermittlung zu machen (daher wird ungeachtet der systematischen Zuordnung auch von einer Einkünfteermittlungsnorm ausgegangen, so z.B. von Ditz, ISR 2013, 261, 262 f.; Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 f.; Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Ditz/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz 2812, m.w.N.; wohl auch Kessens, EFG 2023, 528; Bärsch in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 181, 240, 261 und 320). Es handelt sich bei § 1 Abs. 5 AStG gerade nicht um eine Generalvorschrift, nach der bei Bestehen inländischer und ausländischer Betriebsstätten stets eine (Neu-)Aufteilung des Gewinns nach den dort beschriebenen Grundsätzen zu erfolgen hätte. Eine außerbilanzielle Korrektur hat vielmehr (nur) dann zu erfolgen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse von den gegenüber fremden Dritten zu erwartenden fiktiven Bedingungen zu Lasten der inländischen Besteuerung abweichen (so auch FG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2023 - 3 K 70/18 F, EFG 2023, 1705, Rz 59 ff. [anhängige Revision I R 38/23]).

  8. b) Darüber hinaus verlangt § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG, dass bezogen auf eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und "dadurch" (zum Beispiel) die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert werden. Die Einkünfteminderung muss daher ‑‑als kausale Bedingung (vgl. insbesondere Gosch, a.a.O., S. 1027, 1035 f.; Engelen/Spychalski, ISR 2023, 133)‑‑ "durch" die Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entstehen und wird weder durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG noch durch § 32 BsGaV fingiert. Beide Normen enthalten zwar die Fiktion eines "Geschäftsvorfalls" und Vorgaben zum anzusetzenden Fremdvergleichspreis, allerdings keine Aussage zu dem ‑‑dem Fremdvergleichspreis entgegenzustellenden‑‑ "tatsächlich vereinbarten Preis". Jedenfalls reicht die tatsachenersetzende Fiktion ("anzunehmende schuldrechtliche Beziehung"), die auf die von den in Deutschland eingesetzten Arbeitnehmern zur Erfüllung der werkvertraglichen Verpflichtung der Klägerin erbrachten Leistungen (konkret: die Montagearbeiten) als "wirtschaftlicher Vorgang" abzielt, nicht aus, den durch die Leistungserbringung in der Betriebsstätte verursachten Aufwand ("Personalkosten" im weiteren Sinne) als fremdvergleichsungerechten Verrechnungspreis im Verhältnis zum Stammhaus zu fingieren (keine Fiktion der bestehenden Einkünfteminderung) - nur eine solche "komplettierte Fiktionskette" könnte eine Korrektur nach Maßgabe des § 1 Abs. 5 AStG rechtfertigen (so im Ergebnis auch Gosch, a.a.O., S. 1027, 1036).

  9. 5. Nach den vorstehenden Ausführungen hat das FG keine Hilfs- und Nebenrechnung nach § 3 BsGaV anfordern und den von der Klägerin eingereichten Jahresabschluss für das Streitjahr unter Beachtung von § 1 Abs. 5 AStG korrigieren müssen. Eine Verletzung der Aufzeichnungspflichten nach § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 4 AStG liegt nicht vor.

  10. 6. Auf dieser Grundlage ist nicht darüber zu entscheiden, ob der streitgegenständlichen Korrektur auch § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG entgegensteht, soweit dort von einem Vorrang eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) ausgegangen wird ("Schrankenwirkung des DBA"), wenn vom Steuerpflichtigen ‑‑vielleicht schon durch die Vorlage einer (unstreitig) veranlassungsgerechten Zuordnung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zur Betriebsstätte als den nationalen Regeln (§ 1 Abs. 5 AStG) widersprechende Ermittlung nach dem anzuwendenden DBA (s. z.B. Kaeser in Wassermeyer MA Art. 7 Rz 710; Schnitger, IStR 2012, 633, 641; Brandis/Heuermann/Pohl, § 1 AStG Rz 207)‑‑ nachgewiesen wird, dass die Anwendung von Satz 1 bis 7 wegen der dem DBA nicht entsprechenden Gewinnzuordnung zu einer Doppelbesteuerung führt (Hinweis auf Nr. 3 Satz 1 des Protokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 28.02.2011 ‑‑BGBl II 2011, 938, BStBl I 2012, 166‑‑, soweit dort eine Gewinnabgrenzung nach Maßgabe des vor der AOA-Geltung anzuwendenden "Altrechts" [Art. 7 OECD-MustAbk vor der Neufassung 2010] zugrunde zu legen sein kann).

  11. 7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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