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Urteil vom 20. März 2025, IV R 12/21

Verlusttragung bei einem Vorbehaltsnießbrauch an einem Kommanditanteil

ECLI:DE:BFH:2025:U.200325.IVR12.21.0

BFH IV. Senat

EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 2, BGB § 99 Abs 2, BGB § 133, BGB § 157, BGB § 1030, BGB § 1069, HGB § 166, HGB § 167, HGB § 169 Abs 1, GmbHG § 51a, EStG VZ 2012 , EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 23. März 2021, Az: 3 K 1861/18

Leitsätze

1. NV: Ob die auf einen mit einem Nießbrauch belasteten Kommanditanteil entfallenden Verluste dem Kommanditisten oder dem Nießbraucher zuzurechnen sind, richtet sich grundsätzlich danach, wer die Verluste nach den vertraglichen Abreden wirtschaftlich zu tragen hat (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. NV: Wird in dem Vertrag über die Bestellung des Nießbrauchs nicht von dem gesetzlichen Leitbild des Nießbrauchs abgewichen, sind die auf einen Kommanditanteil entfallenden Verluste dem Kommanditisten zuzurechnen (Bestätigung der Rechtsprechung).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.03.2021 - 3 K 1861/18, die Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 sowie die gegenüber den Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 9. ergangenen negativen Gewinnfeststellungsbescheide vom 03.11.2017 aufgehoben.

Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2012 bis 2014 der … GmbH & Co. KG vom 03.11.2017 werden dahin geändert, dass der für die Gesamthand festgestellte Veräußerungsverlust 2012 sowie die festgestellten laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 3. bis 9. entsprechend ihrer Beteiligung anteilig zugerechnet werden.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Tatbestand

A.

  1. Es ist streitig, ob der in den Gewinnfeststellungsverfahren für 2012 bis 2014 (Streitjahre) der … GmbH & Co. KG (KG) für die Gesamthand festgestellte Veräußerungsverlust 2012 sowie die festgestellten laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 den Kommanditisten oder den an ihren Gesellschaftsanteilen Nießbrauchberechtigten als Mitunternehmern zuzurechnen sind.

  2. Die KG wurde mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom xx.12.2005 (GesV) mit Wirkung zum 01.01.2006 gegründet. Sie erzielte in den Streitjahren gewerbliche Einkünfte aus der Vermietung zweier Grundstücke und ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Kommanditisten der KG waren zunächst A und B mit einer (festen) Kommanditeinlage von jeweils 9.000 € sowie D mit einer (festen) Kommanditeinlage von 18.000 €. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG war während der Streitjahre (2012 bis 2014) die nicht am Kapital der KG beteiligte … GmbH (Komplementärin), die einen Anspruch auf eine jährliche Haftungsvergütung in Höhe von 1.800 € hatte. Am Stammkapital der GmbH waren die Kommanditisten A und B mit jeweils 9.000 € und D mit 18.000 € beteiligt.

  3. Mit notariellem Schenkungsvertrag vom yy.08.2006 übertrugen A und B ‑‑neben weiteren Geschäfts- und Kommanditanteilen‑‑ jeweils einen Geschäftsanteil an der GmbH von 4.500 € sowie jeweils einen Kommanditanteil an der KG von 4.500 € im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf ihre beiden Kinder, den Beigeladenen zu 5. und die Beigeladene zu 9. Ebenfalls mit notariellem Schenkungsvertrag vom yy.08.2006 übertrug D ‑‑neben weiteren Geschäfts- und Kommanditanteilen‑‑ jeweils einen Geschäftsanteil an der GmbH von 3.000 € sowie jeweils einen Kommanditanteil an der KG von 3.000 € im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf ihre sechs Kinder - den Kläger und Revisionskläger (Revisionskläger) sowie die Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 8.

  4. In beiden notariellen Schenkungsverträgen vom yy.08.2006 (S-Verträge) wurden den Veräußerern (Übertragenden) jeweils Nießbrauchrechte an den übertragenen Gesellschaftsanteilen "auf Lebensdauer" eingeräumt.

    In § 4 Abs. 2 der S-Verträge wurde Folgendes bestimmt:

    "Den Nießbrauchern stehen jeweils die Gewinne bezüglich der von dem Nießbrauch erfassten Gesellschaftsanteilen zu wie auch die Nießbraucher jeweils die Verluste zu tragen haben. Soweit ein Kommanditanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, haben Entnahmen so lange zu unterbleiben, bis der Kapitalanteil wieder aufgefüllt worden ist."

  5. Weiter wurde in § 4 Abs. 4 der S-Verträge geregelt, dass im Falle der Auflösung einer Gesellschaft oder des Ausscheidens eines Erwerbers aus einer Gesellschaft sich der Nießbrauch auch auf das dem Erwerber zustehende Auseinandersetzungsguthaben erstreckt, ebenso, dass bei einer Umwandlung der KG der Nießbrauch jeweils auch an der Beteiligung der Erwerber an einer neuen Gesellschaft besteht.

  6. Eine Regelung zu den Stimm- und Verwaltungsrechten enthielt § 5 der S-Verträge. Danach standen diese Rechte aus den übertragenen Gesellschaftsanteilen den jeweiligen Erwerbern (Kindern) zu (§ 5 Abs. 1 der S-Verträge). Zugleich bevollmächtigten die Kinder von A und B die Übertragenden (A und B) sowie die Kinder der D die Übertragende (D), für die Dauer des Nießbrauchs die Stimm- und Verwaltungsrechte in den einzelnen Gesellschaften ‑‑und damit auch in der KG‑‑ auszuüben (§ 5 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge). Die Vollmacht wurde mit der Beschränkung erteilt, dass die Bevollmächtigten nicht befugt sind, den Gesellschaftsvertrag zu ändern, die Zinssätze für Guthaben auf den Gesellschafterkonten festzusetzen oder zu ändern sowie die Gesellschaft aufzulösen oder umzuwandeln (§ 5 Abs. 2 Satz 3 der S-Verträge). Zugleich waren die Erwerber, sollten sie ihr Stimmrecht selbst ausüben, bei Beschlüssen über die Änderung des Gesellschaftsvertrags (Buchst. a), die Gewinnverwendung (Buchst. b), die Festsetzung oder Änderung des Zinssatzes für Guthaben auf den Gesellschafterkonten (Buchst. c) sowie die Auflösung oder Umwandlung der Gesellschaft (Buchst. d) an die Weisungen der Übertragenden gebunden (vgl. § 5 Abs. 3 der S-Verträge).

  7. Nach § 8 der S-Verträge mussten die Übertragenden, sollten die Erwerber oder einer von ihnen zur Übernahme einer neuen Stammeinlage oder zur Erhöhung seiner Einlage bei einer Kommanditgesellschaft verpflichtet sein, die Erwerber von der entsprechenden Zahlungsverpflichtung freistellen, es sei denn, die Erwerber hätten unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Buchst. a der S-Verträge für eine Stammkapitalerhöhung oder Einlagenerhöhung gestimmt.

  8. Im Jahr 2011 verstarb A. Alleinerbin war B. In § 4 Abs. 5 deren S-Vertrags war vereinbart, dass dem überlebenden Ehegatten das Nießbrauchrecht des Vorverstorbenen eingeräumt wird.

  9. Mit notarieller Urkunde vom zz.09.2012 veräußerte die KG die in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke für einen am 01.11.2012 fälligen Kaufpreis von 1.656.000 € an die … UG (haftungsbeschränkt), an welcher der Beigeladene zu 5. sowie ein Dritter jeweils zu 1/2 als Gesellschafter beteiligt waren. In dem Bilanzbericht zur "Schlussbilanz Aufgabe der werbenden Tätigkeit" zum 31.10.2012 führte die KG aus, die Grundstücke seien zum 31.10.2012 verkauft worden. Das Gewerbe sei zu diesem Zeitpunkt abgemeldet worden. In ihrer Bilanz zum 31.10.2012 wies die KG ‑‑neben immateriellen Vermögensgegenständen (2.848 €) und Betriebs- und Geschäftsausstattung (388 €)‑‑ Grundstücke mit einem Wert von 3.135.580,16 € aus.

  10. Mit Datum vom 30.07.2014 meldeten der Revisionskläger und die Beigeladenen zu 3. bis 9. (Kommanditisten) zur Eintragung in das Handelsregister an, dass die KG durch Beschluss sämtlicher Gesellschafter aufgelöst, der Geschäftsbetrieb ohne Liquidation eingestellt worden und Vermögen nicht vorhanden sowie die Firma erloschen sei.

  11. In den Feststellungserklärungen für die Streitjahre gab die KG unter anderem Veräußerungsgewinne in Höhe von ./. 1.479.580,16 € für 2012, ./. 20.072,76 € für 2013 und ./. 22.564,37 € für 2014 an, die entsprechend der Beteiligungsverhältnisse auf die Kommanditisten, nicht aber auf B und D (Nießbraucher) verteilt wurden.

  12. In den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide) für 2012 und für 2013, beide vom 04.08.2015, und für 2014 vom 06.07.2016 wich der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) insofern von diesen Erklärungen ab, als der Veräußerungsverlust 2012 in Höhe von 1.479.580,16 €, ebenso der als laufende Gesamthandseinkünfte festgestellte Verlust 2013 in Höhe von 20.072,76 € sowie der als laufende Gesamthandseinkünfte festgestellte Verlust 2014 in Höhe von 22.564,37 € jeweils hälftig den Nießbrauchern zugerechnet wurden. In diesen Gewinnfeststellungsbescheiden 2012 bis 2014 wurden sowohl die Kommanditisten als auch die Nießbraucher als Beteiligte angeführt.

  13. Im Jahr 2017 verstarb B, die von ihren beiden Kindern ‑‑den Beigeladenen zu 5. und 9.‑‑ zu gleichen Teilen beerbt wurde. Die aus diesen beiden Personen bestehende Erbengemeinschaft ist als Beigeladene zu 1. am Gerichtsverfahren beteiligt.

  14. Das FA erließ am 03.11.2017 ‑‑gestützt auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)‑‑ geänderte Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014, die unter Berufung auf § 183 Abs. 2 AO dem Revisionskläger sowie dem Beigeladenen zu 5. einzeln bekanntgegeben wurden. Eine Einzelbekanntgabe dieser Bescheide erfolgte auch an die Beteiligten der Beigeladenen zu 1. und an D.

  15. Der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 2012 wies insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 1.490.554,73 € aus. Darin waren nach Quote verteilte laufende Einkünfte (laufender Gesamthandsverlust) in Höhe von ./. 23.334,57 € und ein Veräußerungsgewinn der Gesamthand in Höhe von ./. 1.479.580,16 € enthalten; der laufende Gesamthandsverlust und der Veräußerungsverlust der Gesamthand wurden jeweils hälftig den Nießbrauchern zugerechnet. Daneben waren noch der Komplementärin zugerechnete Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage in Höhe von 1.800 € sowie ein Sonderbetriebsgewinn in Höhe von insgesamt 10.560 € enthalten, der in Höhe von jeweils 4.800 € dem Revisionskläger und dem Beigeladenen zu 5. und in Höhe von 960 € der Komplementärin zugewiesen wurde.

  16. Der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 2013 wies insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 7.712,76 € aus. Darin waren nach Quote verteilte laufende Einkünfte (laufender Gesamthandsverlust) in Höhe von ./. 20.072,76 € enthalten; ein Veräußerungsgewinn wurde mit "0" ausgewiesen. Der laufende Gesamthandsverlust wurde jeweils hälftig den Nießbrauchern zugerechnet. Daneben waren noch ‑‑wie im geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 2012‑‑ der Komplementärin zugerechnete Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage in Höhe von 1.800 € sowie ein Sonderbetriebsgewinn in Höhe von insgesamt 10.560 € enthalten, der in Höhe von jeweils 4.800 € dem Revisionskläger und dem Beigeladenen zu 5. sowie in Höhe von 960 € der Komplementärin zugewiesen wurde.

  17. Der geänderte Gewinnfeststellungsbescheid 2014 wies insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 10.084,37 € aus. Darin waren nach Quote verteilte laufende Einkünfte (laufender Gesamthandsverlust) in Höhe von ./. 22.564,37 € enthalten; einen Veräußerungsgewinn wies dieser Bescheid nicht aus. Die laufenden Einkünfte wurden erneut jeweils hälftig den Nießbrauchern zugerechnet. Zudem waren noch ‑‑wie in den Vorjahren‑‑ der Komplementärin zugerechnete Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage in Höhe von 1.800 € sowie ein Sonderbetriebsgewinn in Höhe von insgesamt 10.680 € enthalten, der in Höhe von jeweils 4.800 € dem Revisionskläger und dem Beigeladenen zu 5. sowie in Höhe von 1.080 € der Komplementärin zugewiesen wurde.

  18. Ebenso erließ das FA am 03.11.2017 gegenüber den Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 9. jeweils negative Feststellungsbescheide. Zur Erläuterung wurde ausgeführt, die Kommanditisten seien ‑‑mit Ausnahme des Revisionsklägers und des Beigeladenen zu 5., die als angestellte Geschäftsführer der Komplementärin Einfluss auf den Erfolg oder Misserfolg der Gesellschaft hätten‑‑ nicht als Mitunternehmer anzusehen.

  19. Der Beigeladene zu 5. und der Revisionskläger legten gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014 vom 03.11.2017 Einspruch ein. Ebenso legten die Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 9. gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014 sowie gegen den jeweiligen negativen Feststellungsbescheid Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück.

  20. Hiergegen erhoben der Revisionskläger und der Beigeladene zu 5. Klage unter dem Aktenzeichen 3 K 1861/18, die Beigeladenen zu 6. bis 8. Klage unter dem Aktenzeichen 3 K 1868/18 und die Beigeladene zu 9. Klage unter dem Aktenzeichen 3 K 1869/18. Das Finanzgericht (FG) verband diese Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und lud D sowie die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. zum Verfahren bei. Als Kläger begehrten der Revisionskläger und die Beigeladenen zu 5. bis 9. vor dem FG, die Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014 vom 03.11.2017 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 sowie der gegenüber den Beigeladenen zu 6. bis 9. ergangenen negativen Feststellungsbescheide vom 03.11.2017 dahin zu ändern, dass der für 2012 festgestellte Veräußerungsverlust sowie die für 2013 und 2014 festgestellten laufenden Gesamthandseinkünfte nicht den Nießbrauchern, sondern dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 5. bis 9. jeweils im Verhältnis ihrer Beteiligung zugerechnet werden.

  21. Das FG wies die Klage mit Urteil vom 23.03.2021 - 3 K 1861/18 ab. Die in den S-Verträgen getroffenen Vereinbarungen erlaubten es nicht, die Verluste der KG dem Revisionskläger sowie den Beigeladenen zu 5. bis 9. zuzuweisen. Denn nach diesen Vereinbarungen hätten die Nießbraucher nicht nur die laufenden Verluste, sondern auch diejenigen aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens tragen müssen. Außerdem scheitere die beantragte Zurechnung der Verluste auch daran, dass die Kommanditisten nicht Mitunternehmer der KG gewesen seien. Sie hätten zwar ausreichend Mitunternehmerinitiative entfalten können, jedoch nicht im erforderlichen Umfang Mitunternehmerrisiko getragen.

  22. Hiergegen richtet sich die allein vom Revisionskläger eingelegte Revision, mit welcher er eine Verletzung materiellen und formellen Bundesrechts rügt.

  23. Der Revisionskläger beantragt,

    das Urteil des FG vom 23.03.2021 - 3 K 1861/18 und die Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 aufzuheben und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2012 bis 2014 der … GmbH & Co. KG vom 03.11.2017 dahin zu ändern, dass der für die Gesamthand festgestellte Veräußerungsverlust 2012 sowie die festgestellten laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 ihm entsprechend seiner Beteiligung anteilig zugerechnet werden.

  24. Das FA beantragt,

    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

  25. Die vom FG beigeladene D ist im Jahr 2023 verstorben und zu gleichen Teilen von ihren Kindern ‑‑dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 8.‑‑ beerbt worden. Der erkennende Senat hat die Beigeladenen zu 5. bis 9., die am FG-Verfahren als Kläger/Klägerinnen zu 1. und 3. bis 6. beteiligt gewesen sind, jedoch selbst keine Revision eingelegt haben, nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Revisionsverfahren beigeladen.

Entscheidungsgründe

B.

  1. Die Revision des Revisionsklägers ist begründet.

  2. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen FG-Urteils, der Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 und der gegenüber den Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 9. ergangenen negativen Gewinnfeststellungsbescheide vom 03.11.2017 sowie zur Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014, alle vom 03.11.2017, im beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

  3. Gegenstand des Revisionsverfahrens ‑‑wie bereits des Klageverfahrens‑‑ sind die gegenüber allen Kommanditisten versagten Mitunternehmerstellungen, soweit der festgestellte Veräußerungsverlust 2012 und die festgestellten laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 der KG betroffen sind, sowie die Verteilung dieser festgestellten Beträge auf die Nießbraucher (dazu I.). Das FG ist zu Recht (stillschweigend) von der Zulässigkeit der Klage des Revisionsklägers ausgegangen (dazu II.). Es hat aber rechtsfehlerhaft entschieden, dass der Veräußerungsverlust 2012 und die laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 den Nießbrauchern als Mitunternehmern der KG zuzurechnen seien. Diese Verluste sind vielmehr dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 3. bis 9. (Kommanditisten) als Mitunternehmern zuzurechnen (dazu III.). Die Sache ist spruchreif (dazu IV.).

  4. I. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die im Rahmen der Gewinnfeststellungsverfahren 2012 bis 2014 gegenüber den Kommanditisten versagten Mitunternehmerstellungen, soweit der gesamthänderisch erzielte Veräußerungsverlust 2012 und die laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 der KG betroffen sind, sowie die Verteilung dieser Verluste auf die Nießbraucher (dazu 2. und 3.).

  5. 1. a) Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Gewinnfeststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können (z.B. Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 19.10.2023 - IV R 13/22, BFHE 282, 399, Rz 39). Solche selbständig anfechtbaren Feststellungen (Streitgegenstände) sind zum Beispiel das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Mitunternehmerstellung (z.B. BFH-Beschluss vom 14.11.2008 - IV B 136/07, BFH/NV 2009, 597, unter II.2.), die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns (BFH-Vorlagebeschluss vom 19.10.2023 - IV R 13/22, BFHE 282, 399, Rz 39), das Vorliegen eines Veräußerungs-/Aufgabegewinns der Gesamthand (BFH-Urteil vom 17.04.2019 - IV R 12/16, BFHE 264, 306, BStBl II 2019, 745, Rz 19), die Qualifikation des Veräußerungs-/Aufgabegewinns als außerordentlich im Sinne des § 34 des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑ (BFH-Urteil vom 03.09.2020 - IV R 29/19, Rz 34) und die auf Ebene der Gesamthand vorzunehmende Gewinnverteilung (BFH-Urteil vom 01.10.2020 - IV R 4/18, BFHE 271, 154, Rz 28).

  6. b) Welche Besteuerungsgrundlagen mit einer Klage angegriffen und damit zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht werden, ist durch Auslegung zu ermitteln. Der BFH ist dabei nicht an die Auslegung des FG gebunden (z.B. BFH-Urteil vom 30.11.2017 - IV R 33/14, Rz 23, m.w.N.).

  7. c) Hat die Änderung einer ausdrücklich angefochtenen Besteuerungsgrundlage (selbständige Feststellung) zwangsläufig Auswirkungen auf eine andere ‑‑nicht ausdrücklich angefochtene‑‑ Besteuerungsgrundlage, kann sich die Anfechtung des betreffenden Feststellungsbescheids ausnahmsweise auch auf die materiell-rechtlich hiervon ebenfalls betroffene Besteuerungsgrundlage erstrecken mit der Folge, dass der Feststellungsbescheid insoweit nicht teilbestandskräftig wird. Eine solche Erstreckung kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Änderung der angefochtenen Besteuerungsgrundlage im Sinne einer untrennbaren Verknüpfung zwangsläufig Auswirkungen auf eine andere Besteuerungsgrundlage hat und dies von dem Rechtsbehelfsführer nicht gerade in Abrede gestellt wird (z.B. BFH-Urteil vom 03.09.2020 - IV R 29/19, Rz 42).

  8. 2. Das Begehren des Revisionsklägers war vor dem FG ‑‑wie auch jetzt im Revisionsverfahren‑‑ ausdrücklich darauf gerichtet, dass ihm der für 2012 festgestellte Veräußerungsverlust der Gesamthand und die für 2013 und 2014 festgestellten laufenden Gesamthandsverluste entsprechend seiner Beteiligung als Mitunternehmer anteilig zugerechnet werden.

  9. Damit greift der Revisionskläger die ihm gegenüber versagte Mitunternehmerstellung an, soweit die vorstehend genannten Verluste betroffen sind, sowie die Verteilung dieser Verluste auf die Nießbraucher. Nicht angefochten sind hingegen die Höhe dieser Verluste sowie deren (Nicht-)Qualifikation als außerordentlich im Sinne des § 34 EStG.

  10. 3. Ebenso hat der Revisionskläger mit seiner Klage ‑‑obwohl er dies vor dem FG nicht ausdrücklich beantragt hat‑‑ ausnahmsweise aufgrund der im Streitfall gegebenen besonderen Umstände zugleich die gegenüber den übrigen Kommanditisten versagten Mitunternehmerstellungen angefochten, soweit die vorbezeichneten Verluste betroffen sind.

  11. Die vom Revisionskläger begehrten Änderungen der Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014 würden für den Fall des Obsiegens zwangsläufig dazu führen, dass die bezeichneten Verluste auch den übrigen Kommanditisten als Mitunternehmern entsprechend ihrer Beteiligung am Kommanditkapital anteilig zuzurechnen wären. Denn die Beurteilung dieser Rechtsfragen richtet sich im Streitfall für alle Kommanditisten nach den gleichen gesetzlichen und auch den gleichen vertraglichen Regelungen, die ihren Niederschlag in den beiden S-Verträgen vom yy.08.2006 gefunden haben. Im Übrigen hat der Revisionskläger vor dem FG selbst ausgeführt, dass seiner Meinung nach auch die übrigen Kommanditisten als Mitunternehmer der KG anzusehen seien.

  12. II. Das FG ist zu Recht (stillschweigend) von der Zulässigkeit der Klage des Revisionsklägers ausgegangen. Insbesondere war der Revisionskläger befugt, die im Rahmen der Gewinnfeststellungsverfahren 2012 bis 2014 erfolgte Verteilung des Veräußerungsverlusts 2012 und der laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 und seine insoweit versagte Mitunternehmerstellung anzufechten.

  13. Seine Klagebefugnis ergibt sich schon daraus, dass nach zivilrechtlicher Vollbeendigung der KG die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 2012 bis 2014 vom 03.11.2017 ihm gegenüber einzeln bekanntgegeben worden sind (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b FGO; zur Anwendung des § 48 FGO i.d.F. des Art. 27 des Kreditzweitmarktförderungsgesetzes vom 22.12.2023, BGBl. 2023 I Nr. 411, ab dem 01.01.2024 vgl. BFH-Urteil vom 08.08.2024 - IV R 1/20, BStBl II 2025, 122). Im Übrigen konnte er als ehemaliger Gesellschafter der zwischenzeitlich vollbeendeten KG eine eigene Rechtsverletzung durch die angefochtenen selbständigen Feststellungen geltend machen.

  14. III. Das FG hat jedoch zu Unrecht entschieden, dass der Veräußerungsverlust 2012 und die laufenden Gesamthandsverluste 2013 und 2014 den Nießbrauchern zuzurechnen seien. Diese Verluste sind den Kommanditisten zuzurechnen.

  15. Ob die auf einen mit einem Nießbrauch belasteten Gesellschaftsanteil entfallenden Verluste dem Gesellschafter oder dem Nießbraucher zuzurechnen sind, richtet sich grundsätzlich danach, wer die Verluste nach den vertraglichen Abreden wirtschaftlich zu tragen hat. Darüber hinaus ist für die Zurechnung der Verluste im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der gewerblichen Einkünfte einer originär gewerblich tätigen oder ‑‑wie im Streitfall‑‑ einer gewerblich geprägten Personengesellschaft erforderlich, dass der Verlusttragende als Mitunternehmer anzusehen ist (BFH-Urteil vom 03.12.2015 - IV R 43/13, Rz 32).

  16. Im Streitfall sind die vorstehend bezeichneten Verluste wirtschaftlich von den Kommanditisten zu tragen (dazu 1.). Zudem sind diese Personen in den Streitjahren als Mitunternehmer der KG anzusehen (dazu 2.).

  17. 1. Entgegen der Rechtsauffassung des FG sind die Verluste aus der Veräußerung des Anlagevermögens wirtschaftlich nicht von den Nießbrauchern zu tragen. Die den Wortlaut des § 4 Abs. 2 der S-Verträge einseitig in den Vordergrund stellende Vertragsauslegung des FG hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

  18. Die Vertragsauslegung gehört zwar grundsätzlich zu der dem FG obliegenden Feststellung der Tatsachen. Der BFH ist als Revisionsinstanz aber nicht gehindert, die Auslegung des FG daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑), die Denkgesetze und Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind. So hat das Revisionsgericht auch zu prüfen, ob das FG die für die Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und rechtlich zutreffend gewürdigt hat. Es ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 03.12.2015 - IV R 43/13, Rz 34 f.).

  19. Diesen Anforderungen genügt die vom FG vorgenommene Vertragsauslegung nicht. Es fehlt eine nachvollziehbare Ableitung des gewonnenen Ergebnisses aus den festgestellten Tatsachen und Umständen. Das FG ist bei der Auslegung ‑‑ohne den wirklichen Willen der Vertragsbeteiligten in den Vordergrund zu stellen‑‑ insbesondere am Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge haften geblieben und gibt damit der Regelung in § 4 Abs. 2 der S-Verträge im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen der S-Verträge einen nicht mehr verständlichen Inhalt. Der erkennende Senat nimmt die Auslegung selbst vor, weil weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind.

  20. a) Der rechtliche Ausgangspunkt des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

  21. Danach beschränke sich ‑‑so das FG‑‑ das den Nießbrauch kennzeichnende Fruchtziehungsrecht (§ 1030 Abs. 1 i.V.m. § 1069 Abs. 2 BGB) grundsätzlich auf den durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Beschluss der Gesellschafter zur Entnahme freigegebenen Gewinnanteil; darüber hinausgehende Ansprüche auf Zahlung von Gewinn stünden dem Nießbraucher nicht zu. Insoweit schließe das Fruchtziehungsrecht ‑‑nach der gesetzlichen Grundregel‑‑ begrifflich aus, dass der Nießbraucher die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Verluste des Unternehmens wirtschaftlich zu tragen habe.

  22. Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 01.03.1994 - VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, unter III.3.c aa aaa; vom 03.12.2015 - IV R 43/13, Rz 37, 42) und der herrschenden Meinung im Zivilrecht (z.B. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 69, m.w.N.; MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., vor § 230 Rz 23, m.w.N.).

  23. b) Der Hinweis des FG, wonach in § 4 Abs. 3 der S-Verträge nicht nur ein Nießbrauch am "Gewinnstammrecht" beziehungsweise am "Gewinnanteil und am Auseinandersetzungsguthaben", sondern ein Nießbrauch an "den Gesellschaftsanteilen der Erwerber" vereinbart worden sei, hat keinen Erkenntniswert für die Beantwortung der Frage, wer die Verluste aus der Veräußerung des Anlagevermögens zu tragen hat.

  24. Die Vertragsparteien haben ersichtlich keinen ‑‑rechtlich auch zulässigen‑‑ Nießbrauch am "Gewinnanteil und am Auseinandersetzungsguthaben" vereinbart. Bei einer derartigen Vereinbarung trägt der Nießbraucher keine Verluste, weil hiermit lediglich der Nießbrauch an einer Forderung begründet wird. Der Nießbraucher ist zur Einziehung der Forderung und zum Verbrauch des Geldes berechtigt, aber auch zur Rückzahlung der erhaltenen Summe an den Besteller verpflichtet (gesetzliche Wertersatzpflicht, vgl. §§ 1074, 1077, 1079, 1075 Abs. 2, § 1067 Abs. 1 BGB; z.B. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 30; Staudinger/Heinze (2021) Anh. zu §§ 1068, 1069 Rz 65). Danach stehen dem Nießbraucher nur die Zinsen oder die sonstigen Erträge der Forderung zu. Aus dem Umstand, dass eine derartige Nießbrauchbestellung nicht erfolgt ist, lässt sich aber nicht der Rückschluss ziehen, dass dann der Nießbraucher die Verluste zu tragen habe. Denn auch bei der Bestellung eines Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil hat der Nießbraucher nach dem gesetzlichen Leitbild ‑‑wie vorstehend ausgeführt‑‑ keine Verluste zu tragen. Danach hat der Nießbraucher die Verluste nur mittelbar zu tragen, weil er in deren Höhe, soweit hierdurch der Kapitalanteil des Kommanditisten unter den Betrag der Pflichteinlage herabgemindert ist, bis zur Wiederauffüllung des Kapitalanteils keine Entnahmen tätigen darf; der Nießbraucher verliert (lediglich) künftige entnahmefähige Gewinnanteile (z.B. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 69; MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., vor § 230 Rz 23; vgl. auch BFH-Urteil vom 03.12.2015 - IV R 43/13, Rz 42).

  25. Der Umstand, dass die Vertragspartner keinen Nießbrauch am "Gewinnstammrecht" vereinbart haben, ist schon deshalb ohne Aussagekraft, weil die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung im zivilrechtlichen Fachschrifttum ganz überwiegend abgelehnt wird (z.B. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 31; Staudinger/Heinze (2021) Anh. zu §§ 1068, 1069 Rz 66; Wälzholz, Deutsches Steuerrecht ‑‑DStR‑‑ 2010, 1786, 1787).

  26. c) Maßgeblich hat das FG sein Auslegungsergebnis darauf gestützt, dass nach § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge die "Nießbraucher jeweils die Verluste zu tragen haben". Diese Regelung enthalte ‑‑so das FG‑‑ keine Beschränkung auf laufende Verluste. Zudem werde in § 4 Abs. 2 Satz 2 der S-Verträge die Verlusttragung der Nießbraucher vorausgesetzt. Im Übrigen sei der Verlust der KG in Höhe von 1.614.199,06 € zu Lasten der für die Nießbraucher geführten Kapitalkonten gebucht worden.

  27. Hiermit verkennt das FG den wirklichen Willen der Vertragsbeteiligten, der einen deutlichen Niederschlag in weiteren Regelungen der S-Verträge gefunden hat. Danach sind jedenfalls die Verluste aus der Substanz der KG von den Kommanditisten, nicht von den Nießbrauchern zu tragen. Nach Auffassung des erkennenden Senats gilt dies ebenfalls für die laufenden Verluste, auch wenn hierüber im Streitfall nicht zu befinden ist.

  28. aa) Zwischen den Beteiligten steht nicht in Streit, dass der festgestellte Veräußerungsverlust 2012 und die festgestellten laufenden Gesamthandseinkünfte 2013 und 2014 unmittelbar aus der Veräußerung des Anlagevermögens der KG stammen (2012) beziehungsweise es sich um nachlaufende Verluste aus der Veräußerung der Vermögenssubstanz (2013 und 2014) handelt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die KG nach der Veräußerung ihrer beiden Immobilien erneut eine werbende Tätigkeit (Vermietungstätigkeit) aufgenommen hat. Danach ist insgesamt für alle Streitjahre von Verlusten auszugehen, die aus der Veräußerung von Anlagevermögen resultieren.

  29. bb) Der Wortlaut des § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge ist bei isolierter Betrachtung unergiebig. So kann der in Satz 1 verwendete Begriff "Verluste" alle Verluste (laufende Verluste und Substanzverluste) oder nur die laufenden Verluste aus den Kommanditanteilen meinen. Ebenso kann er auch als bloße Konkretisierung der gesetzlichen Regelung verstanden werden, wonach der Nießbraucher nur insofern mittelbar am Verlust teilnimmt, als Verluste seinen künftigen nach Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Beschluss der Gesellschafterversammlung entnahmefähigen Gewinnanteil mindern. Bezieht man allerdings in die Auslegung auch § 4 Abs. 2 Satz 2 der S-Verträge ein, ergibt nur die letztgenannte Auslegung Sinn.

  30. (1) Dabei ist vorab zu berücksichtigen, dass A und B sowie D in den notariellen Schenkungsverträgen vom yy.08.2006 ihre Kommanditanteile insgesamt auf ihre Kinder übertragen haben. Damit sind auch alle Gesellschafterkonten, die den Kapitalanteil des Kommanditisten ausmachen, auf die Kinder übergegangen.

  31. Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG werden für die Kommanditisten drei Einzelkonten (Kapitalkonto I und II sowie Darlehenskonto) und zwei gemeinsame Konten (Verlustvortragskonto und Rücklagenkonto) geführt (vgl. § 5 GesV). Zum jeweiligen Kapitalanteil eines Kommanditisten gehören dabei jedenfalls das Kapitalkonto I (Festkapital), das Kapitalkonto II (variables Kapital) und der Anteil am gemeinsamen Verlustvortragskonto. Auf dem gemeinsamen Verlustvortragskonto sind die Verluste der Gesellschaft und die Gewinne bis zum Ausgleich des Kontos zu buchen (§ 5 Abs. 7 GesV). Solange ein Verlustvortrag besteht, ist dieser durch spätere Gewinne auszugleichen (§ 11 Abs. 3 GesV). Diese Methodik entspricht der gesetzlichen Systematik des § 169 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Denn die Verluste werden auf dem eigenständigen Verlustvortragskonto gebucht, das nach der gesetzlichen Systematik Teil des einheitlichen Kapitalkontos ist.

  32. (2) Wären die Nießbraucher aufgrund der Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge verpflichtet, die Verluste der KG wirtschaftlich zu tragen, müssten sie diese Fehlbeträge ausgleichen (Kruse, Rheinische Notar-Zeitschrift ‑‑RNotZ‑‑ 2002, 69, 81; vgl. auch MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 69). Der in § 4 Abs. 2 Satz 2 der S-Verträge geregelte Fall, wonach künftige Gewinnanteile nicht entnahmefähig sind, soweit ein Kommanditanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert wird, könnte aufgrund der Verlustausgleichspflicht der Nießbraucher nicht eintreten. Die Regelung in Satz 2 ergibt daher nur dann Sinn, wenn die Nießbraucher nicht verpflichtet sind, die Verluste der KG zu tragen. Vielmehr konkretisiert § 4 Abs. 2 Satz 2 der S-Verträge die in Satz 1 begründete Verlusttragung dahingehend, dass die Nießbraucher Verluste wirtschaftlich nur durch eine Reduzierung ihres künftigen entnahmefähigen Gewinnanteils zu tragen haben. Übertragen auf das im Streitfall bei der KG nach ihrem Gesellschaftsvertrag eingerichtete Kontenmodell bedeutet dies, dass die Nießbraucher Gewinne nicht entnehmen dürfen, solange das gemeinsame Verlustvortragskonto der Kommanditisten Verluste ausweist.

  33. (3) Abgesehen davon bestehen keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Nießbraucher die in Rede stehenden Verluste der KG tatsächlich ausgeglichen haben. Vielmehr wurde im Jahr 2013 ‑‑wie sich aus dem vom FG in Bezug genommenen Protokoll der Gesellschafterversammlung der KG vom 13.01.2013 ergibt‑‑ von dem aus dem Verkauf der Immobilien erhaltenen Kaufpreis nur der nach Begleichung des Großteils der Verbindlichkeiten der KG verbliebene Liquiditätsüberschuss (rund 350.000 €) an die Kommanditisten entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausbezahlt und anschließend in die X-GmbH & Co. KG eingelegt. Danach haben die Kommanditisten die seit der Gründung der KG bis zum 31.12.2012 auf dem gemeinsamen Verlustvortragskonto gebuchten Verluste der KG in Höhe von 1.614.199,06 € getragen. Hätten hingegen die Nießbraucher diese Verluste getragen, hätte im Jahr 2013 den Kommanditisten ein entsprechend erhöhter Betrag ausbezahlt werden können.

  34. (4) Abweichendes lässt sich auch nicht aus der in der Bilanz zum 31.12.2012 erfolgten Buchung des Verlustvortrags (1.614.199,06 €) ableiten. Es ist schon fraglich, ob es sich ‑‑wie vom FA behauptet‑‑ bei den in der Bilanz genannten Kapitalkonten (I und II) um solche der B und der D gehandelt hat. Die Anführung der Zusätze "Stamm [B]" und "Stamm [D]" deutet eher darauf hin, dass die Kinder der Übertragenden (Erwerber der Kommanditanteile) gemeint sein sollen und bilanziell die Kapitalkonten I und II der Kommanditisten jeweils in einer Summe ausgewiesen wurden. Im Übrigen muss die Buchführung und Bilanzierung den verwirklichten Lebenssachverhalt ‑‑hier die getroffenen und gelebten Vereinbarungen‑‑ zutreffend abbilden, nicht umgekehrt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ‑‑wie vorstehend ausgeführt‑‑ A und B sowie D in den notariellen Schenkungsverträgen vom yy.08.2006 ihre Kommanditanteile insgesamt und damit auch die zugehörigen Kapitalkonten auf ihre Kinder übertragen haben.

  35. (5) Nach alledem zeichnet § 4 Abs. 2 Satz 1 und 2 der S-Verträge das gesetzliche Leitbild der Verlusttragung nach. Dies schließt es aus, dass die Nießbraucher die Verluste aus der Veräußerung des Anlagevermögens zu tragen haben.

  36. cc) Dieses Auslegungsergebnis wird ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ gerade durch die in § 4 Abs. 2 der S-Verträge bezüglich der Gewinne und die in § 4 Abs. 4 der S-Verträge bezüglich der Auflösung der KG, des Ausscheidens eines Gesellschafters und der Umwandlung der KG getroffenen Regelungen bestätigt. Denn diese Regelungen weichen ebenfalls nicht vom gesetzlichen Leitbild ab, sondern bestätigen jenes, wonach der Nießbraucher nicht an der Substanz des nießbrauchbelasteten Gesellschaftsanteils beteiligt ist.

  37. (1) Den Nießbrauchern steht nicht der volle Bilanzgewinn zu, sondern nur der entnahmefähige Gewinn, und dieser Gewinn auch nur insoweit, als er nicht aus der Veräußerung des Anlagevermögens stammt.

  38. (1.1) Aus § 4 Abs. 2 Satz 2 der S-Verträge ergibt sich, dass die Nießbraucher die Gewinne, die zum Ausgleich des durch Verluste verbrauchten Kapitals benötigt werden, nicht entnehmen dürfen. Insoweit sind ihre künftigen Gewinnanteile gemindert. Den Nießbrauchern kann daher schon aus diesem Grund kein Anspruch auf den gesamten Gewinn zustehen. Ihr Anspruch auf den Gewinn erfasst daher nur den nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen entnahmefähigen Gewinnanteil. Diese vertraglichen Regelungen entsprechen dem gesetzlichen Leitbild, wonach sich das den Nießbrauch kennzeichnende Fruchtziehungsrecht auf den entnahmefähigen Ertrag beschränkt (Urteil des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 20.04.1972 - II ZR 143/69, BGHZ 58, 316, unter II.2.; vgl. auch oben B.III.1.a).

  39. (1.2) Die Regelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge kann nicht dahin ausgelegt werden, dass den Nießbrauchern ‑‑abweichend vom gesetzlichen Leitbild‑‑ auch entnahmefähige Gewinnanteile aus der Veräußerung des Anlagevermögens zustehen und sie damit im Umkehrschluss auch hieraus resultierende Verluste zu tragen haben. Dem stehen die Regelungen in § 4 Abs. 4 der S-Verträge entgegen.

  40. Das FG führt zwar zu Recht aus, dass Gewinne aus der Veräußerung des Anlagevermögens nach der gesetzlichen Grundregel nicht zum bestimmungsgemäßen Ertrag des nießbrauchbelasteten Gesellschaftsanteils gehören (keine Frucht im Sinne des § 99 Abs. 2 BGB der Mitgliedschaft); diese außerordentlichen Erträge stehen den Gesellschaftern zu (z.B. BFH-Urteil vom 01.03.1994 - VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, unter III.3.c aa aaa; MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 55; Staudinger/Heinze (2021) Anh. zu §§ 1068, 1069 Rz 81, m.w.N.; Wälzholz, DStR 2010, 1786, 1788; Frank, Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins 2010, 96, 100).

  41. § 4 Abs. 2 Satz 1 der S-Verträge regelt aber ‑‑entgegen der Auffassung des FG‑‑ nichts hiervon Abweichendes. Im Gegenteil ergibt sich aus der Zusammenschau mit den Regelungen in § 4 Abs. 4 der S-Verträge, dass die Substanz des Gesellschaftsanteils ‑‑dem gesetzlichen Leitbild folgend‑‑ den Gesellschaftern (Kommanditisten) zugeordnet bleiben soll. Nach der gesetzlichen Grundregel ist der bei Auflösung der Personengesellschaft entstehende Anspruch des Gesellschafters auf den Liquidationserlös kein bestimmungsgemäßer Ertrag der Mitgliedschaft; er steht dem Gesellschafter, nicht dem Nießbraucher zu (z.B. BFH-Urteil vom 01.03.1994 - VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, unter III.3.c aa aaa; MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 49, 67, m.w.N.; MüKoHGB/Schmidt, 4. Aufl., vor § 230 Rz 19; Staudinger/Heinze (2021) Anh. zu §§ 1068, 1069 Rz 88, m.w.N.). Gleiches gilt für das Abfindungsguthaben bei Ausscheiden des Gesellschafters (z.B. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 49, 67, m.w.N.; Staudinger/Heinze (2021) Anh. zu §§ 1068, 1069 Rz 88, m.w.N.).

  42. Dieses gesetzliche Leitbild zeichnet § 4 Abs. 4 der S-Verträge nach. Es wurde vereinbart, dass "sich der Nießbrauch jeweils auch auf das ihm [gemeint ist der Erwerber des Kommanditanteils] zustehende Auseinandersetzungsguthaben" erstreckt. Damit ist gemeint, dass sich der Nießbrauch zwar an dem jeweiligen Anspruch (der Forderung) des Kommanditisten fortsetzt. Der Anspruch als solcher steht aber dem Kommanditisten zu. Dass den Kommanditisten die Substanz zugeordnet bleiben soll, zeigt auch die Regelung, wonach der Nießbrauch für den Fall der Umwandlung der KG "auch an der Beteiligung der Erwerber an einer neuen Gesellschaft" besteht.

  43. (1.3) Danach ergeben die Regelungen in § 4 Abs. 2 der S-Verträge insgesamt nur Sinn, wenn man Satz 2 ‑‑wie der Revisionskläger zu Recht ausführt‑‑ auch bezüglich der zustehenden Gewinnansprüche als Konkretisierung des Satzes 1 versteht. Hätten die Vertragsbeteiligten die entnahmefähigen Gewinnansprüche der Nießbraucher auch auf die Gewinne aus der Veräußerung des Anlagevermögens erstrecken wollen, hätte eine vertragliche Regelung erwartet werden dürfen, wonach den Nießbrauchern der entnahmefähige Gewinn auch insoweit zusteht, als er aus der Veräußerung des Anlagevermögens resultiert. Hieran fehlt es jedoch.

  44. (2) Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist unerheblich, dass § 4 Abs. 4 der S-Verträge für die konkret durchgeführte Abwicklung der KG gegebenenfalls nicht eingreift. Denn diese Vorschriften bringen allgemein zum Ausdruck, dass die Nießbraucher nicht an der Substanz der Kommanditanteile beteiligt sein sollen. Sie bestätigen daher das gefundene Auslegungsergebnis, wonach Gewinne und Verluste aus der Veräußerung des Anlagevermögens nicht den Nießbrauchern, sondern den Gesellschaftern (Kommanditisten) zustehen.

  45. dd) Schließlich ergibt sich Abweichendes auch nicht aus § 8 der S-Verträge. Nach Ansicht des FG ergebe diese Regelung, wonach die Nießbraucher die Erwerber in den Fällen, in denen sie zur Erhöhung ihrer Einlage bei der KG verpflichtet sind, von der Zahlungsverpflichtung freizustellen haben, wirtschaftlich nur dann Sinn, wenn den Nießbrauchern auch die Gewinne aus der Veräußerung der im Gesamthandseigentum stehenden Wirtschaftsgüter ‑‑und spiegelbildlich auch hieraus resultierende Verluste‑‑ zustünden. Dieser Beurteilung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen.

  46. (1) Kapitalerhöhungen gegen Einlagen treffen nach der gesetzlichen Grundregel grundsätzlich den Gesellschafter (Nießbrauchbesteller). Wird der Anteil des Gesellschafters aus eigenen Mitteln des Gesellschafters oder aus nicht ausgeschütteten Gewinnen erhöht, steht ‑‑wenn abweichende Vereinbarungen nicht bestehen‑‑ der erhöhte Anteil allein dem Gesellschafter zu (BGH-Urteil vom 20.04.1972 - II ZR 143/69, BGHZ 58, 316, unter II.; MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 44). Es besteht auch Einigkeit darin, dass in diesen Fällen allein dem Gesellschafter die Erträge aus dem neu finanzierten Anteil gebühren (MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 44; BGH-Urteil vom 27.09.1982 - II ZR 140/81, GmbH-Rundschau ‑‑GmbHR‑‑ 1983, 148, unter I.1.). Ist hingegen der Nießbraucher verpflichtet, den Gesellschafter bei Einlagenerhöhungen von seiner Zahlungspflicht freizustellen, so wird dem Nießbraucher der entnahmefähige Gewinn aus dem neu finanzierten Anteil zustehen (vgl. Kruse, RNotZ 2002, 69, 80). Dies führt aber nicht zwangsläufig zu einer Beteiligung des Nießbrauchers an der Substanz der Beteiligung. Für diesen Fall dürfte jedoch eine Vereinbarung sachgerecht sein, wonach der Gesellschafter dem Nießbraucher bei Beendigung des Nießbrauchs den Erhöhungsbetrag auszuzahlen hat (vgl. Kruse, RNotZ 2002, 69, 80).

  47. (2) Danach könnte im Streitfall selbst dann, wenn die Nießbraucher verpflichtet sein sollten, die Gesellschafter ausnahmslos bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen von deren Zahlungspflichten freizustellen, nicht ohne weiteres auf eine Beteiligung der Nießbraucher an der Substanz der Beteiligung geschlossen werden. Im Streitfall kommt noch hinzu, dass gerade keine ausnahmslose Freistellungspflicht der Nießbraucher besteht. Beschließen nämlich die Kommanditisten unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Buchst. a der S-Verträge (das heißt gegen die Weisung der Nießbraucher) eine Erhöhung der Einlagen, sind die Nießbraucher auch nicht verpflichtet, die Kommanditisten von der Zahlungspflicht freizustellen.

  48. d) Nach alledem sind die Nießbraucher nicht an der Substanz der Kommanditanteile beteiligt. Sie haben die Verluste aus der Veräußerung des Anlagevermögens wirtschaftlich nicht zu tragen, so dass ihnen diese Verluste auch nicht zugerechnet werden können.

  49. 2. Der Revisionskläger und die Beigeladenen zu 3. bis 9. sind trotz der Belastung ihrer Kommanditanteile mit dem Nießbrauch als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu beurteilen.

  50. Sie können den allgemeinen Grundsätzen folgend (dazu a) Mitunternehmerinitiative entfalten (dazu b) und ebenso tragen sie Mitunternehmerrisiko (dazu c). Die Frage, ob an einem Gesellschaftsanteil nur eine Mitunternehmerstellung begründet werden kann, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich (dazu d).

  51. a) Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie zum Beispiel Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte obliegen. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg und Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Diese beiden Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung können zwar im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19.07.2018 - IV R 10/17, Rz 29 ff., m.w.N.).

  52. Geht es um die Mitunternehmereigenschaft eines Kommanditisten, muss der Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag und der tatsächlichen Durchführung zumindest eine Stellung haben, die nicht wesentlich hinter derjenigen zurückbleibt, die handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt. Nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs ist der Kommanditist einerseits am laufenden Gewinn, im Falle seines Ausscheidens und der Liquidation auch an den stillen Reserven (einschließlich eines Firmenwerts), andererseits nach Maßgabe des § 167 HGB am Verlust beteiligt. Als Initiativrechte des Kommanditisten sieht das Handelsgesetzbuch insbesondere Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte vor. Wird damit das handelsrechtliche Bild eines Kommanditisten umschrieben, darf die Stellung, die ein Kommanditist nach dem Gesellschaftsvertrag und seiner tatsächlichen Durchführung hat, nicht wesentlich hinter diesem Bild zurückbleiben, um noch als Mitunternehmer anerkannt zu werden. Daraus folgt andererseits, dass es sich bei den dargestellten Voraussetzungen nicht um Mindestvoraussetzungen handelt, jenseits derer ein Kommanditist generell nicht mehr als Mitunternehmer angesehen werden kann (z.B. BFH-Urteil vom 19.07.2018 - IV R 10/17, Rz 32 ff., m.w.N.).

  53. Ein nach dem gesetzlichen Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko des den Nießbrauch bestellenden Erwerbers einer Kommanditbeteiligung nicht entfallen (BFH-Urteil vom 01.03.1994 - VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, unter III.3.c aa; vgl. auch Gschwendtner, Neue Juristische Wochenschrift 1995, 1875, 1876).

  54. b) Daran gemessen hat das FG zutreffend die Mitunternehmerinitiative der Kommanditisten bejaht.

  55. aa) Im Streitfall besteht kein Streit darüber, dass die Kommanditisten ‑‑betrachtet man allein den Gesellschaftsvertrag der KG‑‑ eine Rechtsposition innehaben, wonach sie Mitunternehmerinitiative entfalten können. Der erkennende Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.

  56. bb) Die in den S-Verträgen getroffenen Regelungen führen zu keinem anderen Ergebnis.

  57. Die Ausübung der Stimm- und Verwaltungsrechte ist in § 5 der S-Verträge geregelt. Nach dessen Abs. 1 stehen die Stimm- und Verwaltungsrechte ‑‑was nach wohl überwiegender Auffassung auch dem gesetzlichen Leitbild entspricht (vgl. MüKoBGB/Pohlmann, 9. Aufl., § 1068 Rz 71, m.w.N., im Einzelnen aber sehr strittig)‑‑ den Erwerbern (Kommanditisten) zu. Die Rechtsstellung der Nießbraucher ist zwar dadurch verstärkt, dass ihnen für die Dauer des jeweils bestehenden Nießbrauchs eine Vollmacht zur Ausübung der Stimm- und Verwaltungsrechte erteilt ist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 bis 3 der S-Verträge). Diese Vollmacht ist aber ‑‑wie sich aus § 9 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d der S-Verträge ergibt‑‑ widerruflich. Zudem hindert sie die Kommanditisten als Vollmachtgeber nicht, die Stimmrechte weiterhin selbst auszuüben. Die Bevollmächtigung belässt das Recht bei dem bisherigen Rechtsträger und schafft nur zusätzlich eine weitere Befugnis in der Person des Bevollmächtigten (BGH-Urteil vom 10.11.1951 - II ZR 111/50, BGHZ 3, 354). Außerdem umfasst die erteilte Vollmacht nicht die in § 5 Abs. 2 Satz 3 Buchst. a bis c der S-Verträge genannten Grundlagengeschäfte. Auch wenn die Kommanditisten in diesen Fällen an die Weisungen der Nießbraucher gebunden sind (vgl. § 5 Abs. 3 der S-Verträge), ändert dies nichts daran, dass im Außenverhältnis im Bereich dieser Grundlagengeschäfte allein die Stimmabgabe der Kommanditisten entscheidend ist (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 16.12.2009 - II R 44/08, BFH/NV 2010, 690, unter II.3.).

  58. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem in § 9 Abs. 1 Satz 1 der S-Verträge geregelten Recht der Nießbraucher, die Schenkung des jeweiligen Gesellschaftsanteils bei Widerruf der den Nießbrauchern erteilten Vollmacht (Buchst. d) oder bei einem Verstoß der Kommanditisten gegen ihre Verpflichtungen nach § 5 Abs. 3 bis 5 der S-Verträge zu widerrufen. Denn bis der Widerruf tatsächlich erfolgt, hat ihr Stimmrecht jedenfalls Bestand (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2019 - II R 34/16, BFHE 267, 440, BStBl II 2020, 465, Rz 37).

  59. cc) Weiterhin standen den Kommanditisten ‑‑wie § 14 GesV der KG bestimmte‑‑ uneingeschränkt die Auskunfts- und Einsichtsrechte nach § 51a des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu. Diese Norm räumt dem Kommanditisten sogar weitergehende Informationsrechte als § 166 HGB ein (vgl. Oberlandesgericht München, Urteil vom 31.01.2018 - 7 U 2600/17, GmbHR 2018, 472, unter B.I.1.).

  60. dd) Nach alledem konnten alle Kommanditisten bereits ausreichend aus ihrer Stellung als Gesellschafter der KG Mitunternehmerinitiative entfalten. Im Übrigen wird bei dem Revisionskläger und dem Beigeladenen zu 5., die als Kommanditisten zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen sind, die Mitunternehmerinitiative infolge ihrer Geschäftsführertätigkeit sogar besonders stark ausgeprägt gewesen sein (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2017 - IV R 41/14, BFHE 258, 459, BStBl II 2017, 1133, Rz 26).

  61. c) Die Nießbrauchbelastung ändert auch nichts daran, dass die Kommanditisten Mitunternehmerrisiko tragen.

  62. Dafür reicht es aus, dass sie ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Verluste wirtschaftlich tragen und sie trotz der Bestellung des Nießbrauchs am Kommanditanteil mit den stillen Reserven einen hinreichenden Bestand an vermögensrechtlicher Substanz des belasteten Gesellschaftsanteils zurückbehalten.

  63. d) Die Frage, ob an einem Gesellschaftsanteil nur eine Mitunternehmerstellung begründet werden kann und deshalb dem Revisionskläger sowie den Beigeladenen zu 3. bis 9. auch der festgestellte laufende Gesamthandsverlust 2012 zuzurechnen ist, bedarf im Streitfall keiner Klärung, weil sich die das Streitjahr 2012 betreffende Klage und Revision zulässigerweise nur gegen den festgestellten Veräußerungsverlust der Gesamthand richtet.

  64. IV. Die Sache ist spruchreif. Die Revision des Revisionsklägers hat in vollem Umfang Erfolg.

  65. Der Revisionskläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat im Rahmen seiner Antragstellung erklärt, dass er an den verfahrensgegenständlichen Verlusten in Höhe von 8,33 % (= 1/12) beteiligt sei. Diese Beteiligungsquote ergibt sich aus § 11 Abs. 1, § 5 Abs. 2 und 3 GesV. Danach sind die verfahrensgegenständlichen Verluste dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 3. bis 9. im Ergebnis nach deren Beteiligung am Festkapital der KG (36.000 €) zuzurechnen. Hieran waren der Revisionskläger und die Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 8. mit jeweils 3.000 € (= 8,33 % oder 1/12) sowie die Beigeladenen zu 5. und 9. mit jeweils 9.000 € (= 25 % oder 3/12) beteiligt. Die Berechnung der sich hieraus ergebenden, dem Revisionskläger und den Beigeladenen zu 3. bis 9. als Mitunternehmern zuzurechnenden Verlustanteile wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

  66. Zugleich sind die gegenüber den Beigeladenen zu 3., 4. und 6. bis 9. ergangenen negativen Gewinnfeststellungsbescheide aufzuheben.

  67. V. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat das FA zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO).

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