ECLI:DE:BFH:2025:B.140525.XIS7.25.0
BFH XI. Senat
FGO § 116 Abs 3 S 3, FGO § 76 Abs 2, FGO § 96 Abs 2, FGO § 62 Abs 4, FGO § 133a
vorgehend BFH , 07. März 2025, Az: XI B 25/24
Leitsätze
1. NV: Die richterliche Hinweispflicht gebietet es nicht, dass der Bundesfinanzhof auf die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung vorab hinweist oder einen Beteiligten zur Substantiierung seines Beschwerdevorbringens auffordert.
2. NV: Die fehlende Hinweispflicht ist einer der wesentlichen Gründe dafür, dass die Nichtzulassungsbeschwerde dem Vertretungszwang unterliegt.
Tenor
Die Anhörungsrüge der Rügeführerin gegen den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 07.03.2025 - XI B 25/24 wird als unbegründet zurückgewiesen.Die Kosten des Verfahrens hat die Rügeführerin zu tragen.
Gründe
Die Anhörungsrüge der Klägerin, Beschwerdeführerin und Rügeführerin (Rügeführerin) ist ‑‑bei Zweifeln an ihrer Zulässigkeit‑‑ jedenfalls unbegründet.
1. Nach § 133a Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Die Anhörungsrüge ist auf die Geltendmachung der Verletzung rechtlichen Gehörs beschränkt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 02.08.2007 - XI S 9/07, BFH/NV 2007, 2308; vom 29.07.2020 - XI S 8/20, BFH/NV 2021, 34, Rz 4).
a) Die Rüge muss das Vorliegen der Voraussetzungen der Anhörungsrüge darlegen (§ 133a Abs. 2 Satz 5 FGO). Dazu muss ein Rügeführer schlüssig und substantiiert darlegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht habe äußern können, welches entscheidungserhebliche Vorbringen in diesem Verfahren das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe und woraus der Rügeführer dies meint folgern zu können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26.03.2014 - XI S 1/14, BFH/NV 2014, 1071, Rz 7; vom 26.11.2024 - VIII S 9/24, BFH/NV 2025, 180, Rz 6). Zudem muss er unter anderem vortragen, inwiefern dadurch die mit der Anhörungsrüge angefochtene Entscheidung ‑‑auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Gerichts‑‑ anders hätte ausfallen können (vgl. BFH-Beschlüsse vom 07.02.2011 - XI S 29/10, BFH/NV 2011, 824, Rz 10; vom 05.12.2019 - V S 24/19, BFH/NV 2020, 372, Rz 6). Insbesondere genügen Ausführungen, die sich im Wesentlichen gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wenden, ohne im Übrigen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör substantiiert darzulegen, nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.06.2020 - XI S 11/20, BFH/NV 2021, 26, Rz 5; vom 03.05.2023 - IX S 17/21, BFH/NV 2023, 986, Rz 9).
b) Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO) verlangt von dem erkennenden Gericht vornehmlich, dass es die Beteiligten über den Verfahrensstoff informiert, ihnen Gelegenheit zur Äußerung gibt, ihre Ausführungen sowie Anträge zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11.02.2011 - XI S 1/11, BFH/NV 2011, 829; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25.01.2014 - 1 BvR 1126/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2014, 441, Rz 29). Ein Anspruch darauf, dass das Gericht einen Verfahrensbeteiligten "erhört", sich seinen rechtlichen Ansichten oder seiner Sachverhaltswürdigung anschließt, ergibt sich hingegen aus dem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht (BFH-Beschlüsse vom 08.08.2023 - IX S 5/23, BFH/NV 2023, 1219, Rz 3; vom 14.06.2023 - XI S 2/23, BFH/NV 2023, 1095, Rz 10).
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10.09.2014 - IX S 10/14, BFH/NV 2015, 47; vom 20.08.2020 - IX S 3/20, BFH/NV 2021, 37, Rz 2).
2. Ausgehend davon ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.
a) Der Senat unterstellt zugunsten der Rügeführerin, dass ihr Prozessbevollmächtigter die inhaltliche Verantwortung für die von ihrer Geschäftsführerin verfasste Beschwerdebegründung übernommen hat.
b) Mit ihren Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 07.03.2025 - XI B 25/24 legt die Rügeführerin keine Verletzung rechtlichen Gehörs dar.
c) Im Übrigen hat die Rügeführerin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht vom 11.03.2024 weder einen Beweisantrag gestellt noch die Nichterhebung von Beweisen gerügt. Nach § 155 FGO i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung kann die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden (sogenannte Beweiskraft des Protokolls). Dass die Rügeführerin innerhalb der dafür maßgeblichen Frist mit Erfolg eine Berichtigung des Protokolls beantragt hätte, ergibt sich für den Senat ‑‑wie er in seinem Beschluss vom 07.03.2025 - XI B 25/24 bereits ausgeführt hat‑‑ weder aus den ihm vorliegenden Akten noch aus dem (nun im Rahmen der Anhörungsrüge nochmals ergänzten) Vortrag der Rügeführerin. Den Nachweis der Fälschung des Protokolls hat die Rügeführerin ebenfalls weiterhin nicht erbracht.
d) Soweit die Rügeführerin möglicherweise meint, der Senat habe sie auf die für eine erfolgreiche Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht bestehenden Darlegungsanforderungen vorab hinweisen müssen, ist es nicht Aufgabe des BFH, die Beteiligten zur Substantiierung ihres Beschwerdevorbringens aufzufordern (vgl. BFH-Beschluss vom 27.04.2015 - X B 47/15, BFH/NV 2015, 1356). Es ist auch nicht Aufgabe des BFH, anhand der Akten mögliche Zulassungsgründe selbst zu ermitteln (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23.07.2008 - VI B 78/07, BFHE 222, 54, BStBl II 2008, 878; vom 26.06.2012 - IV B 34/12, BFH/NV 2012, 1621, Rz 5). Ein Gericht ist nicht dazu verpflichtet, vor seiner Entscheidungsfindung seine Rechtsansicht mündlich oder schriftlich mitzuteilen beziehungsweise die für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte und Rechtsfragen im Voraus anzudeuten oder sogar umfassend zu erörtern (vgl. BFH-Beschluss vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 24, m.w.N.). Durch die richterlichen Hinweispflichten nach § 76 Abs. 2 FGO wird die Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten nicht eingeschränkt oder beseitigt (vgl. BFH-Beschluss vom 15.01.2025 - VI B 23/24, BFH/NV 2025, 391, Rz 20, m.w.N.). Auf rechtliche Umstände, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst hätte erkennen können und müssen, muss er nicht hingewiesen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 27.10.2020 - XI B 33/20, BFH/NV 2021, 459, Rz 18, m.w.N.). Gerade die genannten Umstände sind Gründe dafür, dass die Nichtzulassungsbeschwerde dem Vertretungszwang unterliegt (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 116 FGO Rz 163).
3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133a Abs. 4 Satz 4 FGO).
4. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 66 € erhoben (Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).