ECLI:DE:BFH:2024:U.061124.XK7.22.0
BFH X. Senat
GVG § 198 Abs 1, GVG § 198 Abs 2 S 1, GVG § 198 Abs 3, GVG § 198 Abs 4, GVG § 198 Abs 6 Nr 1 Halbs 1, GG Art 2 Abs 1, GG Art 19 Abs 4, GG Art 20 Abs 3
Leitsätze
1. Bei einem finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren und dem sich gegebenenfalls anschließenden Erinnerungsverfahren handelt es sich um ein (einheitliches) Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG). Das schließt eine Begrenzung des Klagebegehrens auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt nicht aus.
2. Für dieses Verfahren gilt zum Zwecke der Typisierung und Rechtsvereinfachung die Vermutung einer noch angemessenen Dauer gemäß § 198 Abs. 1 GVG, sofern ‑‑in der Regel‑‑ der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei der Kostenfestsetzung gut sechs Monate nach Einleitung des Verfahrens durch den Kostenfestsetzungsantrag, der Richter im Erinnerungsverfahren gut zwölf Monate nach Einlegung der Erinnerung mit Maßnahmen zur Vorbereitung einer Entscheidung beginnt und ab diesem Zeitpunkt nicht für nennenswerte Zeiträume inaktiv wird.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Finanzgericht Sachsen-Anhalt geführten Verfahrens 3 KO 212/17 eine weitere Entschädigung von 1.000 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens bis zum 11.03.2024 tragen der Beklagte zu 88 %, die Klägerin zu 12 %, vom 12.03.2024 an der Beklagte zu 63 %, die Klägerin zu 37 %.
Tatbestand
A.
Die Klägerin begehrt gemäß § 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) Entschädigung wegen der aus ihrer Sicht unangemessenen Dauer des ‑‑sich an das Kostenfestsetzungsverfahren zum Klageverfahren 3 K 1135/12 (vormals 3 K 1568/04) anschließenden‑‑ Erinnerungsverfahrens 3 KO 212/17, in welchem über die ‑‑nach dem Kostenfestsetzungsantrag vom 15.01.2014‑‑ gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 02.01.2017 eingelegte Erinnerung vom 07.02.2017 erst mit teilabhelfendem Beschluss des Berichterstatters vom 01.08.2022 entschieden wurde.
Dem Ausgangsverfahren liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin, eine GmbH, erhob im Jahr 2004 beim Finanzgericht (FG) Klage wegen Körperschaftsteuer 1992 sowie gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1992, welche sich gegen die Nichtberücksichtigung von Sonderabschreibungen auf Bergwerkseigentum in Höhe von 18.769.973,80 DM (9.596.934 €) richtete (Aktenzeichen 3 K 1568/04). Auf die Revision der Klägerin hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 25.07.2012 - I R 101/10 (BFHE 238, 362, BStBl II 2013, 165) das klageabweisende Urteil auf und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. In dem unter dem neuen Aktenzeichen 3 K 1135/12 fortgeführten Verfahren erließ das Finanzamt (FA) abhelfende Bescheide, so dass nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch Beschlüsse vom 29.11.2013 und vom 10.12.2013 die Kosten des Verfahrens dem FA auferlegt wurden und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt wurde.
Am 15.01.2014 beantragte die Klägerin, die Kosten des Verfahrens 3 K 1135/12 (vormals 3 K 1568/04) gemäß § 149 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in Höhe von 206.222,54 € festzusetzen; demgegenüber ging das FA von erstattungsfähigen Aufwendungen in Höhe von 61.237,54 € aus. Die Klägerin berechnete den Streitwert (5.902.679,55 €) aus den Erstattungen zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer für den Veranlagungszeitraum 1993 und verwies in einem weiteren Schriftsatz vom 14.02.2014 darauf, dass zwar die Herabsetzung der Körperschaftsteuer 1993 als konkrete Auswirkung des Streits, nicht aber (anders als das FA meine) die gegenläufigen Steuererhöhungen in den Folgejahren (durch die dann geringeren Sonderabschreibungen) für die Streitwertbestimmung maßgebend seien.
Mit Beschluss vom 25.01.2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom FA an die Klägerin zu erstattenden Kosten nach § 149 Abs. 1 FGO auf lediglich 38.090,24 € fest. Sie nahm einen Streitwert von 964.693 € an, davon den Auffangstreitwert von 5.000 € für die Körperschaftsteuer und einen Prozentsatz der streitigen Abschreibungen für die Gewerbesteuer.
Mit ihrer Erinnerung vom 07.02.2017 wiederholte die Klägerin ihre Auffassung zum Streitwert unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 08.09.2003 - III E 1/03 (BFH/NV 2004, 74). Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab. Während die Klägerin den Vorschlag des damals für die Erinnerung zuständigen Berichterstatters zur Abgabe des Erinnerungsverfahrens an den Güterichter befürwortete, vertrat das FA im Schriftsatz vom 23.03.2017 die Auffassung, dass eine Kostenentscheidung einer Güteverhandlung mit gegenseitigem Entgegenkommen nicht zugänglich sei. Weitere verfahrensbezogene Maßnahmen sind nicht aktenkundig.
Am 18.02.2019 erhob die Klägerin im Hinblick auf das Erinnerungsverfahren 3 KO 212/17 eine Verzögerungsrüge.
Zugleich stellte sie gegen den damaligen Berichterstatter einen Befangenheitsantrag, den das FG mit Beschluss vom 21.10.2019 zurückwies, nachdem die Klägerin am 02.08.2019 die Gerichtsleitung über die Verfahrensdauer informiert und am 02.09.2019 eine zweite Verzögerungsrüge erhoben hatte. Am 07.01.2021 brachte sie schließlich eine dritte Verzögerungsrüge an.
Mit einem Schreiben vom 12.01.2021 thematisierte der Berichterstatter seine Zuständigkeit für eine Erinnerung gegen den Kostenansatz nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) und gab ferner der Klägerin Gelegenheit, zu der seines Erachtens wohl fehlenden Passivlegitimation des FA für das Erinnerungsverfahren vorzutragen. Die Klägerin beantwortete dieses Schreiben nicht.
Am 23.12.2021 forderte der Berichterstatter die Klägerin, welche ‑‑seiner Meinung nach‑‑ für die Bestimmung des Streitwerts von den konkret-individuellen Auswirkungen des Streitjahres auf spätere Veranlagungszeiträume ausging, zur Vorlage entsprechender aktueller Steuerbescheide auf.
Im Schriftsatz vom 14.03.2022 betonte die Klägerin erneut, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Streitwertermittlung zwar auf die durch den Verlustvortrag bewirkte Steuerminderung im Folgejahr 1993, aber nicht auf sonstige mittelbare steuerliche Auswirkungen auf Veranlagungszeiträume ankomme, die dem Streitjahr vor- oder nachgelagert seien. Ungeachtet dessen legte sie die aktuellen Steuerbescheide für 1992 bis 2007 ‑‑wie vom FG gefordert‑‑ vor. Außerdem erkundigte sie sich nach dem Stand ihres Antrags auf Einleitung eines Güteverfahrens, welches im Hinblick auf die mehrjährige Verfahrensdauer unverändert befürwortet werde.
Mit Schreiben vom 24.03.2022 teilte das FG dem FA mit, dass die Berichterstattung zum 01.01.2022 gewechselt habe. Auf die Frage, ob im vorliegenden Erinnerungsverfahren ein Güterichterverfahren durchgeführt werden solle, reagierte das FA mit Schriftsatz vom 14.04.2022 weiterhin ablehnend.
Mit Beschluss vom 01.08.2022 - 3 KO 212/17 änderte das FG den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.01.2017 und setzte die vom FA an die Klägerin zu erstattenden Kosten nach § 149 Abs. 1 FGO auf 159.739,86 € fest. Im Übrigen wies es die Erinnerung zurück.
Am 22.12.2022 hat die Klägerin beim BFH Entschädigungsklage erhoben.
Zur Begründung trägt sie im Kern vor, die Dauer des Erinnerungsverfahrens beim FG mit über fünf Jahren sei unangemessen gewesen. Zwar habe der BFH zur Angemessenheit der Verfahrensdauer bei dieser Verfahrensart noch nicht entschieden. In Anlehnung an die Rechtsprechung anderer Gerichtszweige sei aber eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von regelmäßig zwölf Monaten als ausreichend anzusehen. Danach liege hier ab März 2018 ‑‑zwölf Monate nach der am 07.02.2017 eingelegten Kostenerinnerung‑‑ eine Verzögerung vor. Da nicht bekannt sei, wann genau der Berichterstatter mit der Bearbeitung des am 01.08.2022 gefassten Beschlusses begonnen habe, habe die Verzögerung ‑‑unterstellt, der Berichterstatter habe sich ab Juni 2022 in das Verfahren eingearbeitet‑‑ bis Mai 2022 angedauert, umfasse mithin mindestens 51 Monate. Die beiden Schreiben des Berichterstatters vom 12.01.2021 und vom 23.12.2021 hätten das Verfahren erkennbar nicht gefördert. Ausgehend von dem in § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG genannten Jahresbetrag ergebe sich eine Entschädigung in Höhe von 100 € je Monat, so dass eine Entschädigung von insgesamt 5.100 € nebst Zinsen begehrt werde.
Die abweichende Berechnung der Verzögerungszeiten durch den Beklagten überzeuge nicht und könne jedenfalls an der Höhe der begehrten Gesamtentschädigung nichts ändern. Denn angesichts der eklatanten Verletzung des Gebots auf zeitnahen Rechtsschutz, der trotz dreimaliger Verzögerungsrügen nicht habe erreicht werden können, komme hier ‑‑in den Grenzen des Klagebegehrens‑‑ die Festsetzung einer höheren monatlichen Entschädigung wegen Unbilligkeit nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG in Betracht. Vorliegend dürfe angesichts eines weiteren, gleichfalls verzögerten Gerichtsverfahrens bei demselben FG auch die mit der Geldentschädigung verbundene präventive Wirkung nicht vernachlässigt werden.
Mit Schriftsatz vom 07.09.2023 hat der Beklagte den geltend gemachten Anspruch in Höhe von 3.500 € nebst hierauf entfallenden Zinsen anerkannt. Nach Überweisung dieses Betrags durch den Beklagten haben die Beteiligten ‑‑zuletzt auch die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.03.2024‑‑ insoweit den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin wegen der unangemessenen Dauer des vor dem FG Sachsen-Anhalt geführten Verfahrens 3 KO 212/17 noch eine weitere Entschädigung in Höhe von 1.600 € zuzüglich Zinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Über den anerkannten Umfang hinaus stehe der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung zu.
Soweit sie eine entschädigungspflichtige Verzögerung ab März 2018 geltend mache, lasse sie die Rechtsprechung des Senats außer Betracht, nach welcher der Entschädigungsanspruch im Falle einer verspätet erhobenen Verzögerungsrüge auf den Zeitraum von sechs Monaten vor Erhebung der Rüge begrenzt werde. Da die Klägerin erstmalig am 18.02.2019 Verzögerungsrüge erhoben habe, sei der Entschädigungsanspruch auf den Zeitraum ab September 2018 begrenzt.
Außerdem sei ein angemessener Zeitraum ‑‑von zumindest drei Monaten‑‑ bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über den Befangenheitsantrag der Klägerin aus dem Verzögerungszeitraum herauszurechnen, da der frühere Berichterstatter bis dahin das Erinnerungsverfahren nicht habe bearbeiten können. Darüber hinaus stellten auch das gerichtliche Schreiben vom 23.12.2021 sowie die ‑‑von der Klägerin veranlasste‑‑ erneute Anfrage des neuen Berichterstatters vom 24.03.2022 zur Durchführung eines Güterichterverfahrens nach dem Maßstab der Vertretbarkeit verfahrensfördernde Maßnahmen dar. Eine Entschädigung stehe der Klägerin daher lediglich für den Zeitraum von September 2018 bis November 2021 abzüglich von drei Monaten für das Ablehnungsverfahren ‑‑ihrer Berechnung nach für insgesamt 35 Monate‑‑ zu.
Die Präsidentin des FG hatte der Klägerin am 19.10.2022 mitgeteilt, dass sie von dem Berichterstatter eine Stellungnahme angefordert habe. In den Akten befindet sich eine solche Stellungnahme nicht. Der Beklagte hat keine vorgelegt.
Entscheidungsgründe
B.
I. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache in Bezug auf die Entschädigung für eine unangemessene Verfahrensdauer von 35 Monaten in Höhe von 3.500 € infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten erledigt. Da die Entschädigung in Geld nach § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG nach Monaten bemessen werden kann (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 20.08.2014 - X K 9/13, BFHE 247, 1, BStBl II 2015, 33, Rz 38), handelt es sich bei dem Entschädigungsanspruch um einen quantitativ teilbaren Streitgegenstand, so dass ein Teilanerkenntnis möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2017 - X K 1/16, BFHE 259, 499, BStBl II 2018, 132, Rz 21).
II. In Bezug auf den nicht in der Hauptsache erledigten Teil des Rechtsstreits ist die Klage nur teilweise begründet.
Das finanzgerichtliche Kostenfestsetzungsverfahren und das sich gegebenenfalls anschließende Erinnerungsverfahren stellen (einheitlich) ein Gerichtsverfahren im entschädigungsrechtlichen Sinne dar (unter 1.). In einem finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren ist eine angemessene Verfahrensdauer zu vermuten, wenn der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gut sechs Monate nach Einleitung des Verfahrens durch den Kostenfestsetzungsantrag, der Richter gut zwölf Monate nach Eingang der Erinnerung mit der aktiven Bearbeitung beginnt (unter 2.). Die Dauer des hier allein streitgegenständlichen Erinnerungsverfahrens war über das Anerkenntnis des Beklagten hinaus in einem weiteren Umfang von lediglich zehn Monaten unangemessen (unter 3.). Hierfür hat der Beklagte an die Klägerin eine zusätzliche Entschädigung in Höhe von insgesamt 1.000 € zu leisten, so dass die darüber hinausgehende Klage unbegründet ist (unter 4.). Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ‑‑BGB‑‑ (unter 5.).
1. Bei dem finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren und dem sich gegebenenfalls anschließenden Erinnerungsverfahren handelt es sich um ein einheitliches Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 1 GVG.
a) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Im Sinne dieser Vorschrift ist ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (vgl. § 198 Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 1 GVG).
b) Danach ist das hier streitgegenständliche Erinnerungsverfahren als Teil eines finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens tauglicher Gegenstand eines Entschädigungsbegehrens.
aa) Das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 149 Abs. 1 FGO, mit dem die Kostengrundentscheidung durch Festsetzung der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten umgesetzt wird, ist ein eigenständiges, vom Hauptsacheverfahren getrenntes Verfahren (ebenso Urteil des Bundessozialgerichts ‑‑BSG‑‑ vom 21.03.2024 - B 10 ÜG 1/23 R, Rz 11, m.w.N.). Es bildet mit dem sich gegebenenfalls anschließenden Erinnerungsverfahren ein einheitliches Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 1 GVG (ebenso zum sozial- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren BSG-Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rz 13 sowie Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 26.02.2021 - 5 C 15.19 D, BVerwGE 171, 388, Rz 8).
bb) Ungeachtet dessen kann der Entschädigungskläger sein Klagebegehren auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt ‑‑hier das Erinnerungsverfahren‑‑ beschränken und so den Streitgegenstand und damit auch den zulässigen Entscheidungsumfang des Entschädigungsgerichts begrenzen (vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter B.II.3.a).
2. Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese gesetzlichen Maßstäbe beruhen auf der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierzu auf das Senatsurteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 (BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Rz 48 ff.) Bezug genommen.
a) Hiernach ist der Begriff der "Angemessenheit" für Wertungen offen, die dem Spannungsverhältnis zwischen dem Interesse an einem möglichst zügigen Abschluss des Verfahrens einerseits und anderen, ebenfalls hochrangigen sowie verfassungs- und menschenrechtlich verankerten prozessualen Grundsätzen Rechnung tragen. Dazu gehören der Anspruch auf Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes durch inhaltlich möglichst zutreffende und qualitativ möglichst hochwertige Entscheidungen, die Unabhängigkeit der Richter und der Anspruch auf den gesetzlichen Richter. Danach darf die zeitliche Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit der Dauer des Ausgangsverfahrens nicht zu eng gezogen werden. Insbesondere ist die Dauer eines Gerichtsverfahrens nicht schon dann "unangemessen", wenn die Betrachtung eine Abweichung vom Optimum ergibt; vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenzen des Angemessenen feststellbar sein.
aa) Dem Ausgangsgericht ist ein erheblicher Spielraum für die Gestaltung seines Verfahrens ‑‑auch in zeitlicher Hinsicht‑‑ einzuräumen. Zwar schließt es die nach der Konzeption des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG vorzunehmende Einzelfallbetrachtung aus, im Rahmen der Auslegung der genannten Vorschrift konkrete Fristen zu bezeichnen, innerhalb derer ein Verfahren im Regelfall abschließend erledigt sein sollte. Allerdings hat der erkennende Senat jedenfalls für ein finanzgerichtliches Klageverfahren aufgrund der dort vorzufindenden eher homogenen Fallstrukturen sowie der relativ einheitlichen Bearbeitungsweise der einzelnen Gerichte und Spruchkörper für bestimmte typischerweise zu durchlaufende Abschnitte eines solchen Verfahrens ‑‑nicht jedoch für ihre Gesamtdauer‑‑ zeitraumbezogene Konkretisierungen gefunden.
(1) Hierfür hat der Senat den Ablauf eines typischen Klageverfahrens in drei Phasen eingeteilt. Die erste Phase ist durch die Einreichung und den Austausch vorbereitender Schriftsätze (§ 77 Abs. 1 Satz 1 FGO) geprägt, während die sich hieran anschließende zweite Phase dadurch gekennzeichnet ist, dass das Verfahren ‑‑gerichtsorganisatorisch durch die Gesamtzahl der dem Spruchkörper oder Richter zugewiesenen Verfahren bedingt‑‑ wegen der Arbeit an anderen Verfahren noch nicht gefördert werden kann. Die abschließende dritte Phase kann so umschrieben werden, dass das Gericht Maßnahmen trifft, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen. Ihre Dauer ist in besonderem Maße vom Schwierigkeitsgrad des Verfahrens, dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter sowie der Intensität der Bearbeitung durch das Gericht abhängig.
(2) Zum Zwecke der Typisierung hat der Senat die Vermutung aufgestellt, dass die Dauer eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG noch angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach dem Eingang der Klage mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen, und die damit begonnene dritte Phase des Verfahrensablaufs nicht durch nennenswerte Zeiträume unterbrochen wird, in denen das Gericht die Akte unbearbeitet lässt (vgl. Senatsurteil vom 07.11.2013 - X K 13/12, BFHE 243, 126, BStBl II 2014, 179, Rz 53 ff.).
bb) Bei der Frage, welche gerichtlichen Maßnahmen als Förderung des Verfahrens zu betrachten sind, ist dem Spruchkörper zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Die Verfahrensführung des Gerichts darf im Entschädigungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft werden. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist (vgl. Senatsurteil vom 23.03.2022 - X K 2/20, BFHE 275, 533, BStBl II 2023, 38, Rz 28). Da der Rechtssuchende keinen Anspruch auf optimale Verfahrensförderung hat, begründen eine vertretbare Rechtsauffassung des Gerichts oder eine nach der jeweiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 07.05.2014 - X K 11/13, BFH/NV 2014, 1748, Rz 41).
b) Der Senat hat bereits entschieden, dass diese für ein erstinstanzliches Klageverfahren vor einem FG geltende Typisierung nicht ohne Weiteres auf ein isoliert von einem Hauptsacheverfahren geführtes Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) übertragen werden kann. Zum Zwecke der Typisierung und Rechtsvereinfachung kann allerdings der Ablauf eines solchen Verfahrens ebenfalls in drei Phasen eingeteilt werden. Insoweit besteht für ein finanzgerichtliches PKH-Verfahren die Vermutung einer noch angemessenen Dauer gemäß § 198 Abs. 1 GVG, sofern das Gericht gut acht Monate nach der Einleitung des Verfahrens mit Maßnahmen zur Entscheidung beginnt und ab diesem Zeitpunkt nicht für nennenswerte Zeiträume inaktiv bleibt (vgl. Senatsurteil vom 20.03.2019 - X K 4/18, BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16, Rz 56 und Rz 64).
c) Es erscheint ebenfalls nicht sachgerecht, die für das finanzgerichtliche Klageverfahren geltende Typisierung in gleicher Weise auf das hier zu betrachtende Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren zu übertragen.
aa) Ob dies schon daraus folgt, dass nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht im finanzgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 149 FGO ‑‑anders als im finanzgerichtlichen Klage- oder PKH-Verfahren (vgl. hierzu Senatsurteil vom 20.03.2019 - X K 4/18, BFHE 263, 498, BStBl II 2020, 16, Rz 61)‑‑ der Untersuchungsgrundsatz nicht gelten soll, vielmehr wegen der Anwendung der zivilprozessualen Regeln (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. §§ 103 ff. der Zivilprozessordnung ‑‑ZPO‑‑) der Verhandlungsgrundsatz und der Dispositionsgrundsatz zur Anwendung kämen (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 149 FGO Rz 11; Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Rz 1), braucht der Senat nicht zu entscheiden.
bb) Jedenfalls unterscheidet sich das in Rede stehende Verfahren insoweit grundlegend vom finanzgerichtlichen Klage- beziehungsweise (isolierten) PKH-Verfahren, als es aus zwei Abschnitten besteht. Für die Kostenfestsetzung ist innerhalb des Gerichts nach § 149 Abs. 1 FGO zunächst der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig, der in einem justizförmigen Verfahren nach Anhörung des Gegners eigenverantwortlich und richterähnlich über den Antrag befindet, ohne an Weisungen gebunden zu sein (vgl. Schwarz in HHSp, § 149 FGO Rz 11; Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Rz 1). Erst über die gegen die Kostenfestsetzung eingelegte Erinnerung entscheidet, wenn der Urkundsbeamte ihr nicht abhilft, das Gericht durch Beschluss (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 FGO). Für die Entscheidung über die Erinnerung nach § 149 Abs. 2 FGO ist, wenn ‑‑wie hier‑‑ die Kostengrundentscheidung im vorbereitenden Verfahren ergangen ist, funktionell der Berichterstatter gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 4 FGO zuständig (vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.01.2014 - 3 KO 986/13, Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1229, Rz 27, m.w.N.).
cc) Im Falle eines Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens sind daher nichtrichterliche und richterliche Tätigkeiten entschädigungsrechtlich verfahrensmäßig verbunden. Dies steht allerdings einer eigenständigen Bewertung des jeweiligen Verfahrensabschnitts in Bezug auf die Frage, was noch als angemessene Verfahrensdauer anzusehen ist, nicht entgegen.
dd) Infolge der unterschiedlichen Bearbeitungsebenen entspricht das einheitliche Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren zwar insoweit nicht dem oben dargelegten typisierten Ablauf eines finanzgerichtlichen Klageverfahrens, als Letzteres nicht in zwei Abschnitte zerfällt und (lediglich) einmal drei Phasen umfasst.
Auch das Kostenfestsetzungs- sowie das sich anschließende Erinnerungsverfahren sind aber, jedes für sich, typischerweise durch Phasen des Verfahrens geprägt, die von der Einreichung und dem Austausch vorbereitender Schriftsätze über einen Zeitraum zulässiger Inaktivität aufgrund der Vielzahl zu erledigender Verfahren bis hin zu dem Zeitraum reichen, in dem das Verfahren durch Fördermaßnahmen einer Entscheidung (über den Kostenfestsetzungsantrag beziehungsweise über die Erinnerung) zugeführt wird.
d) So wie auch sonst im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung die Dauer der ersten und zweiten Phase finanzgerichtlicher Verfahren zu typisieren ist (vgl. Senatsurteil vom 20.03.2019 - X K 4/18, BFHE 262, 498, BStBl II 2020, 16, Rz 62 ff.), besteht für ein finanzgerichtliches Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren die Vermutung einer noch angemessenen Dauer gemäß § 198 Abs. 1 GVG, sofern ‑‑in der Regel‑‑ der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle bei der Kostenfestsetzung gut sechs Monate nach Einleitung des Verfahrens durch den Kostenfestsetzungsantrag, der Richter im Erinnerungsverfahren gut zwölf Monate nach Einlegung der Erinnerung in die (dritte) Phase der aktiven Bearbeitung eintritt, also mit Maßnahmen zur Herbeiführung einer Entscheidung beginnt und ab diesem Zeitpunkt nicht für nennenswerte Zeiträume inaktiv ist.
3. Nach diesen Maßstäben war die Dauer des vorliegend allein in Rede stehenden Erinnerungsverfahrens (unter a) im Umfang von insgesamt 45 Monaten unangemessen. Nach Abzug der 35 Monate, die der Beklagte bereits anerkannt hat, ist eine unangemessene Verfahrensdauer von (lediglich) 10 weiteren Monaten zu verzeichnen (unter b).
a) Gegenstand der vorliegenden Entschädigungsklage ist allein das Erinnerungsverfahren.
aa) Zwar bilden das Kostenfestsetzungsverfahren und das sich gegebenenfalls anschließende Erinnerungsverfahren ‑‑wie oben dargelegt‑‑ zusammen entschädigungsrechtlich ein (einheitliches) Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Nr. 1 Halbsatz 1 GVG.
bb) Der Entschädigungskläger kann aber sein Klagebegehren auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränken und hierdurch den Streitgegenstand und damit den zulässigen Entscheidungsumfang des Entschädigungsgerichts begrenzen (vgl. BSG-Urteil vom 11.06.2024 - B 10 ÜG 3/23 R, BSGE nn, Rz 17; ebenso BVerwG-Urteil vom 26.02.2021 - 5 C 15.19 D, BVerwGE 171, 388, Rz 9; Röhl in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar Sozialgerichtsgesetz, § 198 GVG, (Stand: 18.06.2024), Rz 183.1).
cc) Eine solche Beschränkung ist hier erfolgt. Die Klägerin begehrt eine Entschädigung ausschließlich wegen der überlangen Dauer des Erinnerungsverfahrens. Dies ergibt sich eindeutig aus der Formulierung ihres Klageantrags, der das Verfahren "3 KO 212/17", also das Erinnerungsverfahren, betrifft, sowie aus dem Umstand, dass die Klägerin ihr Entschädigungsbegehren allein auf der Grundlage dieses Verfahrenszeitraums berechnet hat. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, dass sie auch das Kostenfestsetzungsverfahren zum Gegenstand der entschädigungsrechtlichen Entscheidung machen wollte.
dd) Soweit zwischen der von der Klägerin angenommenen Verzögerung (51 Monate) und der tatsächlichen Verzögerung (45 Monate) eine Lücke von sechs Monaten verbleibt, kann diese ‑‑aufgrund der prozessrechtlichen Begrenzung‑‑ nicht mittels etwaiger Verzögerungsmonate des nicht streitgegenständlichen Kostenfestsetzungsverfahrens geschlossen werden.
b) Das Erinnerungsverfahren weist eine unangemessene Verfahrensdauer im Gesamtumfang von (lediglich) 45 Monaten auf. Sie setzt sich zusammen aus den Monaten März 2018 bis Januar 2019 (elf Monate), Juli 2019 bis Februar 2022 (32 Monate) sowie Mai 2022 und Juni 2022 (zwei Monate).
aa) Ausgehend von dem Beginn der dritten Phase nach zwölf Monaten seit Einlegung der Erinnerung am 07.02.2017 hätte das FG das Erinnerungsverfahren ab März 2018 aktiv auf eine Verfahrensbeendigung hin fördern müssen. In der Folgezeit ist das Ausgangsgericht jedoch bis zur Erteilung des rechtlichen Hinweises am 23.12.2021 in der Sache nicht in einer das Verfahren fördernden Weise tätig geworden.
bb) Davon ausgenommen und damit als nicht verzögert anzusehen ist lediglich die Zeit, binnen derer über den Befangenheitsantrag der Klägerin vom 18.02.2019 hätte befunden werden müssen. Das umfasst den Zeitraum von Februar bis Juni 2019.
(1) Denn für den betroffenen Richter besteht eine Wartepflicht. Vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs darf er lediglich unaufschiebbare Maßnahmen treffen (vgl. § 47 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der damalige Berichterstatter war daher bis zur Entscheidung über das Ablehnungsgesuch rechtlich daran gehindert, dem Erinnerungsverfahren in der Sache Fortgang zu geben. Der Monat Februar 2019 gehört wegen der monatsweisen Berechnung der Entschädigung daher nicht mehr zu dem Verzögerungszeitraum.
(2) Unter entschädigungsrechtlichen Aspekten steht allerdings ‑‑wie der Beklagte selbst eingeräumt hat‑‑ der vorläufig bis zur tatsächlichen Entscheidung über den Befangenheitsantrag bestehende Schwebezustand der Annahme einer Verzögerung nicht zeitlich unbegrenzt entgegen. Denn die haftende Körperschaft kann sich auf die Wartepflicht des abgelehnten Richters nur insoweit berufen, als die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch nicht ihrerseits aus in der gerichtlichen Sphäre liegenden Gründen unangemessen verzögert wurde.
(3) Zwar lassen sich diesbezüglich der Rechtsprechung keine festen Bearbeitungszeiträume entnehmen (vgl. z.B. Landessozialgericht ‑‑LSG‑‑ für das Saarland, Urteil vom 21.03.2018 - L 2 SF 4/17 EK AS, juris, Rz 34: keine zögerliche Bearbeitung, wenn das Gericht circa viereinhalb Monate nach Stellung des Befangenheitsantrags und zwischenzeitlich beantragter Fristverlängerung zur Antragsbegründung entscheidet; Thüringer Oberverwaltungsgericht ‑‑OVG‑‑, Urteil vom 08.01.2014 - 2 SO 182/12, Thüringer Verwaltungsblätter 2014, 165, Rz 79: Zu langsame Bearbeitung des Befangenheitsantrags, über den erst nach sechs Monaten entschieden wurde).
Allerdings verdichtet sich mit zunehmender Verfahrensdauer die Pflicht des Gerichts, sich nachhaltig um eine Förderung, Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. Senatsurteil vom 27.06.2018 - X K 3-6/17, BFH/NV 2019, 27, Rz 69). Diese Pflicht betrifft nicht nur den für die Sachentscheidung ‑‑hier für das Erinnerungsverfahren‑‑ zuständigen Richter, sondern auch die zur Entscheidung über den Befangenheitsantrag berufenen Richter in der Weise, das bereits erheblich verzögerte finanzgerichtliche Verfahren nicht noch zusätzlich durch längere Nichtbearbeitung des Ablehnungsgesuchs ungebührlich zu verzögern. Die überlange Verfahrensdauer liegt im staatlichen Verantwortungsbereich und ist nicht auf den jeweiligen Justizangehörigen bezogen (vgl. Senatsurteil vom 17.04.2013 - X K 3/12, BFHE 240, 516, BStBl II 2013, 547, Rz 43).
(4) Da im Streitfall allein das Erinnerungsverfahren im Zeitpunkt der Stellung des Ablehnungsgesuchs bereits seit circa zwei Jahren anhängig war, hätte daher der Befangenheitsantrag nach Einschätzung des Senats jedenfalls innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten ‑‑spätestens im Juni 2019‑‑ beschieden werden müssen. Ab Juli 2019 ist daher wiederum von einer verfahrensverzögernden Inaktivität auszugehen.
cc) Die nächste Verfahrenshandlung des FG, das Schreiben des Berichterstatters vom 12.01.2021, förderte das Verfahren nicht und unterbrach deshalb den Verzögerungszeitraum nicht. Sie kann auch unter Beachtung des weiten Gestaltungsspielraums des Gerichts nicht mehr als vertretbar qualifiziert werden, weil sie eine falsche Prozesssituation annimmt. Das Kostenfestsetzungsverfahren nach § 149 FGO ist ein anderes Verfahren als der Ansatz der Gerichtsgebühren sowie gegebenenfalls ein Erinnerungsverfahren nach dem Gerichtskostengesetz. Im Kostenfestsetzungsverfahren muss der Gegner des Ursprungsverfahrens Beteiligter sein, weil er zur Erstattung der fraglichen Kosten verpflichtet werden soll. Soweit im Rubrum der dritten Verzögerungsrüge vom 07.01.2021 formuliert ist "wg. Erinnerung Kostenansatz", handelte es sich offenkundig um ein sprachliches Versehen; ein Eingehen darauf war überflüssig. Unerheblich ist, dass die Klägerin auf das Schreiben vom 12.01.2021 nicht mehr reagiert hatte. Reagiert der Adressat auf eine nicht verfahrensfördernde Verfügung nicht, kann das nicht dazu führen, dass der Monat, in den die objektiv unnötige gerichtliche Handlung fällt, als Teil der angemessenen Verfahrensdauer angesehen werden kann.
dd) Soweit schließlich das FG die Klägerin mit Schreiben vom 23.12.2021 zur Vorlage aktueller Steuerbescheide aufforderte, die die Klägerin mit Schriftsatz vom 14.03.2022 zur Verfügung stellte, beruht diese Maßnahme ebenfalls nicht mehr auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung und vermag den Zeitraum bis März 2022 daher nicht aus dem Verzögerungszeitraum auszunehmen.
(1) Die Anforderung von Steuerbescheiden gegenüber der Klägerin erfolgte nämlich nicht, weil sich der Richter diesbezüglich eine eigene Rechtsauffassung gebildet gehabt hätte und ihm deshalb eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich erschien. Vielmehr hat er sich auf eine vermeintliche Rechtsauffassung der Klägerin gestützt, die diese jedoch in dieser Form nicht vertreten hatte. Sie hatte zwar tatsächlich den Streitwert nach den "konkreten" steuerlichen Auswirkungen berechnet. Damit hatte sie jedoch unmissverständlich im Einklang mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur damaligen Rechtslage (für Verfahren, die ab dem 01.08.2013 eingeleitet worden sind, vgl. aber § 52 Abs. 3 Satz 2, § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG) nur direkte, nicht aber mittelbare steuerliche Auswirkungen auf Veranlagungszeiträume gemeint, die dem Streitjahr vor- oder nachgelagert seien. In ihrem Schriftsatz vom 14.03.2022 hat sie diese Auffassung später noch einmal bestätigt.
(2) Einer Aufklärungsverfügung ohne eigene Prüfung die Rechtsauffassung eines Beteiligten zugrunde zu legen wäre aber, wenn überhaupt, allenfalls noch als vertretbar anzusehen gewesen, wenn es sich tatsächlich um die Rechtsauffassung dieses Beteiligten gehandelt hätte und die Aufklärungsverfügung insoweit folgerichtig gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Verfügung auch von dem Umstand getragen war, dass kurz darauf der Richter die Zuständigkeit für die Sache verlor und er dies bereits wusste und möglicherweise deshalb den Schein einer Aktivität erwecken wollte.
ee) Der Monat Januar 2022 und gegebenenfalls eine gewisse weitere Zeit danach sind auch nicht deshalb als Verfahrensförderungszeit zu betrachten, weil zum 01.01.2022 der Berichterstatter gewechselt hatte und sich der neue Berichterstatter naturgemäß in das ihm bisher unbekannte Verfahren einarbeiten musste.
(1) Die Frage, ob beziehungsweise in welchem Umfang nach einem Wechsel in der Berichterstattung eine Einarbeitungszeit zu gewähren ist, die ungeachtet einer nicht nach außen in Erscheinung tretenden Aktivität nicht als Verzögerungszeit zu werten wäre, ist nach entschädigungsrechtlichen Aspekten zu beantworten.
(a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind dem Staat auch solche Verzögerungen zuzurechnen, die durch eine anderweitige Organisation oder auch gleichmäßige Sachbearbeitung hätten verhindert werden können (vgl. stattgebender Kammerbeschluss des BVerfG vom 30.07.2009 - 1 BvR 2662/06, Deutsches Verwaltungsblatt 2009, 1164, unter IV.1.b bb (1); vgl. auch Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 29.11.2012 - L 10 SF 5/12 ÜG, Anwalt/Anwältin im Sozialrecht ‑‑ASR‑‑ 2013, 59, Rz 218).
(b) Die Entschädigungsrelevanz des Zeitraums der Nichtbearbeitung infolge eines Berichterstatterwechsels ist von dem konkreten Verfahrens- beziehungsweise Verzögerungsstand einerseits und der gerichtsorganisatorischen Vermeidbarkeit der Verzögerung andererseits abhängig. Grundsätzlich ist ein Berichterstatterwechsel unerheblich, da es nicht darauf ankommt, ob eine Verzögerung in den Verantwortungsbereich des einzelnen Richters (hier: des Berichterstatters) oder der Gerichtsorganisation fällt (vgl. Senatsurteil vom 26.10.2016 - X K 2/15, BFHE 255, 407, BStBl II 2017, 350, Rz 44).
In Abhängigkeit von der jeweiligen konkreten Verfahrenssituation kann es gleichwohl angemessen sein, nach einem Berichterstatterwechsel einen gewissen Zeitraum für die Einarbeitung in das Verfahren als Verfahrensförderung zu qualifizieren. Ein für alle Fallgestaltungen gleicher Zeitraum für die erforderliche Einarbeitung existiert jedoch nicht. Soweit das BVerwG in seinem Urteil vom 14.11.2016 - 5 C 10.15 D (BVerwGE 156, 229, Rz 163) dem neuen Berichterstatter eine Einarbeitungszeit von (mindestens) einem Monat zugebilligt hat, beruhte dies auf den Umständen jenes Streitfalls (so zutreffend Beschluss des OVG für das Land Schleswig-Holstein vom 22.09.2022 - 4 P 2/19 EK, Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland, 2022, 595, Rz 59 f.). Hätte etwa bei bereits erhöhter Verfahrensdauer und der sich verdichtenden Pflicht zur Verfahrensförderung unter stringenter Führung des Gerichts das Verfahren bereits erledigt werden können (statt, wie im dortigen Fall, auf die "häppchenweisen" Teilabhilfeentscheidungen des Beklagten zu warten), so ist allerdings wegen eines nachfolgenden Berichterstatterwechsels kein weiterer Zeitraum mehr als Bearbeitungs- und Bedenkzeit abzuziehen (vgl. Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen vom 28.09.2015 - 13 D 12/15, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 2016, 124, Rz 64 f.).
(2) Nach den sich aus den Akten ergebenden Umständen hatte das FG bereits vor dem Berichterstatterwechsel in nicht hinnehmbarer Weise eine jahrelange Verfahrensverzögerung geduldet, so dass eine entschädigungsrechtliche Karenzfrist von ein oder zwei Monaten für die notwendige Einarbeitung des neuen Berichterstatters nicht mehr anzusetzen ist. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass trotz zweier Verzögerungsrügen im Jahr 2019 und einer dritten Verzögerungsrüge Anfang 2021 vom damaligen Berichterstatter keinerlei Maßnahmen zur Verfahrensbeendigung ergriffen wurden. Darüber hinaus war die Gerichtsleitung mit Schreiben der Klägerin vom 02.08.2019 auf die seinerzeit schon mehr als fünfjährige Dauer des Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahrens und die Wirkungslosigkeit der ersten Verzögerungsrüge hingewiesen und um Überprüfung des Geschäftsgangs gebeten worden. Danach hätte das Ausgangsgericht bereits lange Zeit vor dem 01.01.2022 durch eine Änderung der gerichts- oder senatsinternen Geschäftsverteilung eine Verfahrensförderung und -beendigung sicherstellen können und müssen.
ff) Für die Monate März und April 2022 ist eine Verfahrensförderung durch den neuen Berichterstatter gegeben.
(1) Die mit gerichtlichem Schreiben vom 24.03.2022 wiederholte Anfrage beim FA über dessen Einverständnis zur Durchführung eines Güterichterverfahrens, welches vom FA mit Schriftsatz vom 14.04.2022 versagt wurde, erfolgte auf Veranlassung der Klägerin, die mithin selbst seinerzeit von der Tauglichkeit der gerichtlichen Maßnahme zur möglichen Beendigung des Streits bei der Kostenfestsetzung ausging, die sie nunmehr in Abrede stellt. Die gerichtliche Anfrage bewegte sich deshalb im Rahmen vertretbarer Verfahrensgestaltung.
(2) Zwar lag die Durchführung eines Güterichterverfahrens von seinem Zweck her, ein Lösungsangebot bei Streitfällen bereitzustellen, in denen besondere Konflikte zwischen den Beteiligten bestehen, die über das eigentliche Rechtsproblem hinausgehen, vorliegend mangels eines solchen besonderen Konflikts zwischen der Klägerin und dem FA nicht unbedingt nahe. Im Hinblick auf eine mögliche Verfahrenserledigung kann dies aber gerade angesichts der Anregung der Klägerin nicht als völlig ungeeignet bewertet werden.
(3) Dem Vorschlag des FG lag erkennbar die Vorstellung zugrunde, dass sich die Beteiligten über die Höhe der außergerichtlichen Kosten hätten einigen können, ein Güteverfahren deshalb zulässig gewesen wäre. Diese Auffassung ist auf der Grundlage der oben genannten Literaturansicht, nach welcher im Kostenfestsetzungsverfahren der Dispositionsgrundsatz gelte, vertretbar. Folgte man dieser Ansicht, so bedeutete dies, dass der zu erstattende Betrag nicht höher festgesetzt werden darf, als der Antrag des Erstattungsgläubigers reicht, und nicht niedriger angesetzt werden darf, als der Erstattungsschuldner ihn ‑‑jedenfalls im Rahmen des rechtlich Zulässigen‑‑ anerkannt hat (vgl. dazu Schwarz in HHSp, § 149 FGO Rz 6a, 11; ebenso Brandis in Tipke/Kruse, § 149 FGO Rz 1). Innerhalb dieses Rahmens wäre eine Einigung über die Höhe der außergerichtlichen Kosten möglich - auch im Rahmen eines Güterichterverfahrens.
gg) Für den Zeitraum von Mai 2022 bis einschließlich Juni 2022 sind gerichtliche Fördermaßnahmen aus den vorliegenden Akten nicht ersichtlich; für die Monate Juli und August 2022 ist demgegenüber wieder von einer gerichtlichen Aktivität auszugehen. Die Klägerin gesteht dem neuen Berichterstatter eine Einarbeitungszeit zu, die sie mit zwei Monaten (Juni/Juli 2022) veranschlagt, bis dieser schließlich mit Beschluss vom 01.08.2022 über die Erinnerung entschied und den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.01.2017 zugunsten der Klägerin abänderte. Der Senat erachtet indes den Juni 2022 ebenfalls für verzögert. Eine generelle Einarbeitungszeit für den neuen Berichterstatter ist entschädigungsrechtlich nicht anzusetzen (s. oben unter ee). Allerdings versteht es sich, dass die Fertigung des schließlich am 01.08.2022 ergangenen Beschlusses im Juli 2022 begonnen haben muss, so dass dieser Monat nicht als verzögert anzusehen ist.
4. Über den Entschädigungsanspruch im Umfang von 35 Monaten (3.500 €) hinaus, den der Beklagte bereits anerkannt hat, steht der Klägerin für die restliche Dauer der Verzögerung lediglich im Umfang von weiteren zehn Monaten eine Geldentschädigung in Höhe von weiteren 1.000 € zu; das darüber hinausgehende Entschädigungsbegehren (600 €) ist daher unbegründet.
a) Das Bestehen eines Nichtvermögensnachteils wird in Fällen unangemessener Verfahrensdauer gemäß § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet (vgl. auch Senatsurteil vom 29.11.2017 - X K 1/16, BFHE 259, 499, BStBl II 2018, 132, Rz 35). Umstände, die die gesetzliche Vermutung widerlegten (vgl. Senatsurteil vom 23.03.2022 - X K 6/20, BFHE 276, 308, BStBl II 2022, 811, Rz 38, m.w.N.), sind vom Beklagten nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Allein die Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um eine Kapitalgesellschaft handelt, entkräftet die Vermutungswirkung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Entschädigungsanspruch wegen immaterieller Nachteile infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens auch einer juristischen Person des Privatrechts zustehen kann (vgl. BSG-Urteil vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 1/13 R, BSGE 118, 91, Rz 34 ff.; Senatsurteil vom 29.11.2017 - X K 1/16, BFHE 259, 499, BStBl II 2018, 132, Rz 37).
b) Für die Kompensation des erlittenen Nachteils ist im Streitfall eine Wiedergutmachung auf andere Weise statt der Zuerkennung einer Geldentschädigung nicht ausreichend.
aa) Nach § 198 Abs. 2 Satz 2 GVG kann für einen Nichtvermögensnachteil eine (Geld-)Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist.
(1) Nach der Rechtsprechung des Senats begründet der Gesetzeswortlaut keinen Vorrang der Geldentschädigung vor einem Feststellungsausspruch, so dass vor der Zuerkennung einer Geldentschädigung jeweils konkret zu prüfen ist, ob die bloße Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer als Wiedergutmachung ausreichend ist. Dies kann nicht pauschal, sondern muss unter Abwägung aller Belange im Einzelfall entschieden werden (vgl. zum Ganzen Senatsurteile vom 23.03.2022 - X K 6/20, BFHE 276, 308, BStBl II 2022, 811, Rz 42, m.w.N. und vom 06.11.2024 - X K 1/24, seit dem 17.04.2025 abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidungen/entscheidungen-online, unter II.9.a, c).
(2) In der Rechtspraxis hat sich gleichwohl gezeigt, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung die Regel, die Wiedergutmachung auf andere Weise eine typischerweise in bestimmten Fallgruppen (dazu noch unten cc) auftretende Ausnahme ist.
Die Rechtsprechung des BSG stimmt damit in ihren Ergebnissen überein, betont aber schon seit jeher ausdrücklich, dass die Kompensation eines Nichtvermögensschadens auf andere Weise als durch eine Geldentschädigung nur ausnahmsweise in Betracht komme (so bereits BSG-Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL, BSGE 113, 75, Rz 45, unter ausführlicher Analyse der Rechtsprechung des EGMR, der ebenfalls im Regelfall Geldentschädigungen zuerkenne und nur ausnahmsweise einen bloßen Feststellungsausspruch tätige; ferner z.B. BSG-Urteile vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 12/13 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 4, Rz 59; vom 12.02.2015 - B 10 ÜG 11/13 R, BSGE 118, 102, Rz 36 und vom 26.10.2023 - B 10 ÜG 1/22 R, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 2024, 1683, Rz 23). Dem schließt sich der Senat an, wobei ‑‑auch nach Auffassung des BSG‑‑ weiterhin eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls erforderlich ist (s. dazu unten cc).
bb) Die häufigste dieser Fallgruppen ist dadurch gekennzeichnet, dass das Ausgangsverfahren für den Beteiligten objektiv keine besondere Bedeutung hatte. Ferner wird eine Geldentschädigung versagt, wenn der Beteiligte aufgrund der unangemessenen Verfahrensdauer in den Genuss eines ausgleichenden Vorteils gekommen ist. Schließlich können Besonderheiten im eigenen Verhalten des Beteiligten die Geldentschädigung ausschließen, soweit diese Besonderheiten nicht schon dazu führen, dass bereits gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Unangemessenheit der Verfahrensdauer als solche zu verneinen wäre. Geldentschädigung ist allerdings nicht schon deshalb abzulehnen, weil der Verfahrensbeteiligte neben der Überlänge des Verfahrens keinen weitergehenden immateriellen Nachteil erlitten hat (vgl. im Einzelnen Senatsurteile vom 23.03.2022 - X K 6/20, BFHE 276, 308, BStBl II 2022, 811, Rz 47, und vom 06.11.2024 - X K 1/24, seit dem 17.04.2025 abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidungen/entscheidungen-online, unter II.9.b, m.w.N.).
cc) Ungeachtet dieser Typisierung hält der Senat jedoch mit dem BSG weiterhin eine Betrachtung der Umstände des Einzelfalls für erforderlich. Die beschriebenen Fallgruppen begründen keine Vermutungswirkung (wie bei § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG); jedoch kommt den tatsächlichen Umständen die ihnen zugrunde liegen, eine indizielle Bedeutung zu. Die Fallgruppen sind auch nicht abschließend. Es bleibt erforderlich, eine Abwägung aller Belange im Einzelfall vorzunehmen (s. oben B.II.4.a aa(1)).
In diese Abwägung ist regelmäßig einzustellen, ob das Ausgangsverfahren für den Entschädigungskläger eine besondere Bedeutung hatte. Darüber hinaus kann aber auch bedeutsam sein, ob der Entschädigungskläger durch sein Prozessverhalten erheblich zur Verzögerung des Ausgangsverfahrens beigetragen hat, ob er weitergehende immaterielle Schäden erlitten hat oder ob die Überlänge den einzigen Nachteil darstellt. Schließlich kann im Rahmen des Abwägungsvorgangs vom Entschädigungsgericht zu berücksichtigen sein, von welchem Ausmaß die Unangemessenheit der Dauer des Verfahrens ist und ob das Ausgangsverfahren für den Verfahrensbeteiligten eine besondere Dringlichkeit aufwies oder ob diese zwischenzeitlich entfallen war oder ob sich das Ausgangsgericht in besonderem Maße unkooperativ oder uneinsichtig verhalten hat (vgl. BSG-Beschluss vom 11.11.2019 - B 10 ÜG 1/19 B, juris, Rz 8, m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
dd) Für verzögerte Kostenfestsetzungsverfahren hat es die Rechtsprechung insbesondere mit Rücksicht auf die fehlende Bedeutung des Verfahrens, aber auch unter dem Aspekt des Vorteilsausgleichs, in einer Reihe von Einzelfällen abgelehnt, Geldentschädigung zuzusprechen.
(1) Das BVerfG hat einen bloßen Feststellungsausspruch wegen objektiv fehlender besonderer Bedeutung des Verfahrens als Wiedergutmachung ausreichen lassen, als ein Rechtsanwalt in eigener Sache ein Kostenfestsetzungsverfahren geführt hatte. Ein solches Verfahren sei für die Partei im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren regelmäßig nur von untergeordneter Bedeutung. Materiell sei die Verfahrensdauer in gewisser Weise sogar günstig, da der Kostenerstattungsanspruch verzinst werde. Dem Grunde nach stehe der Kostenerstattungsanspruch durch die Kostengrundentscheidung bereits fest, und bei einem Rechtsanwalt, der die Wirkungszusammenhänge gerichtlicher Verfahren einschätzen könne, bestehe ein immaterieller Nachteil in weitaus geringerem Maße als bei einem Laien (BVerfG-Beschluss vom 11.12.2023 - 2 BvR 739/17 - Vz 5/23, NJW 2024, 1331, Rz 77).
Die Überlegung, der Kostenerstattungsanspruch werde verzinst, entspringt dem im Entschädigungsrecht allgemein anerkannten Prinzip des Vorteilsausgleichs, das auch im Rahmen der §§ 198 ff. GVG Anwendung findet und aufgrund dessen in den Abwägungsvorgang die von dem Beteiligten durch die Verfahrensdauer erlangten finanziellen Vorteile einzubeziehen sind (vgl. BVerwG-Urteil vom 12.07.2018 - 2 WA 1.17 D, NJW 2019, 320, Rz 36). Auf diesem Grundsatz beruht die zweite Fallgruppe (s. oben B.II.4.b bb).
(2) Vor allem mit Rücksicht auf die fehlende Bedeutung der Sache vertritt das BSG die Auffassung, ein Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren sei nach Erledigung des vorangegangenen Hauptsacheverfahrens für dessen Beteiligte im Allgemeinen von untergeordneter Bedeutung. Im Mittelpunkt dürften finanzielle Interessen des Prozessbevollmächtigten stehen, der nicht Beteiligter des Kostenfestsetzungsverfahrens sei (vgl. BSG-Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rz 31).
Die dieser Wertung folgenden Landessozialgerichte stützen sich zudem jeweils auf weitere Aspekte zur subjektiven Bedeutungslosigkeit (vgl. Urteil des Hessischen LSG vom 01.08.2018 - L 6 SF 2/18 EK SB, ASR 2019, 123, Rz 38: Gegenstand der Erinnerung Kopierkosten von 15,30 €; Urteil des Bayerischen LSG vom 16.12.2015 - L 8 SF 128/12 EK, Das Juristische Büro, 2016, 265, Rz 54: Keine Mitwirkung und Selbstwiderspruch; Urteil des Sächsischen LSG vom 22.01.2018 - L 11 SF 45/16 EK, juris, Rz 69: Gegenstand der Erinnerungen in vier Ausgangsverfahren Kopier- und Portokosten von insgesamt 89,72 € [52,62 €, 17,05 €, 13,55 €, 6,50 €]; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.09.2022 - L 37 SF 131/21 EK SF, juris, Rz 26: Keine Kostenlast für den Beteiligten wegen PKH).
(3) Auch in anderen Gerichtszweigen werden als Ausfluss des Prinzips des Vorteilsausgleichs die materiellen Vorteile, die sich wegen der Verfahrensdauer aus der Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs ab Eingang des Festsetzungsantrags in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ergeben, in den Abwägungsvorgang einbezogen. Immaterielle Nachteile infolge einer Verzögerung der Bearbeitung wögen im Vergleich dazu eher gering (vgl. BVerwG-Urteil vom 12.07.2018 - 2 WA 1.17 D, NJW 2019, 320, Rz 36; Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 27.05.2020 - 15 EK 3/19, Monatsschrift für Deutsches Recht 2020, 1250, Rz 13).
ee) Aufgrund der insgesamt als außergewöhnlich zu bezeichnenden Besonderheiten des Streitfalls hält der Senat dennoch aufgrund der gebotenen Abwägung im konkreten Einzelfall (s. oben unter B.II.4.b cc) die Feststellung einer unangemessenen Verfahrensdauer zur Wiedergutmachung nach § 198 Abs. 4 GVG für nicht ausreichend und spricht der Klägerin eine weitere Geldentschädigung im Umfang von 1.000 € zu.
Der Senat kann offenlassen, ob er sich der Auffassung, einem Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren komme im Hinblick auf eine mögliche Verursachung immaterieller Nachteile für den Verfahrensbeteiligten selbst regelmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung zu, mit der Folge, dass als Wiedergutmachung lediglich die Überlänge des Ausgangsverfahrens festgestellt wird, im Allgemeinen anschließen könnte.
Jedenfalls vorliegend würde eine bloße Feststellung den Gegebenheiten des Streitfalls nicht gerecht, der sich durch eine besonders schwerwiegende Verfahrensverzögerung auszeichnet. Dass der Fall hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht mit denjenigen verglichen werden kann, über die die oben genannten Landessozialgerichte zu entscheiden hatten (s. oben B.II.4.b dd (2)), bedarf keiner weiteren Erläuterung.
Ausgehend von dem Kostenfestsetzungsantrag vom 15.01.2014 hat das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren bis zu seinem Abschluss durch den Beschluss vom 01.08.2022 rund achteinhalb Jahre gedauert, ohne dass der Klägerin Versäumnisse bei der Mitwirkung anzulasten wären oder die Kostenfestsetzung besondere Schwierigkeiten aufgewiesen hätte, was auch vom Beklagten nicht vorgetragen wird. Die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens als solche ist zwar im Ausgangspunkt lediglich Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs dem Grunde nach. Allerdings nimmt mit der Dauer der Verzögerung auch das Gewicht des zu entschädigenden Nachteils zu.
Letzterer wird nicht bereits durch die materiellen Vorteile ausgeglichen, die der Klägerin dadurch erwachsen sind, dass der Beschluss vom 01.08.2022 die Verzinsung der zu erstattenden Kosten in Höhe von 159.739,86 € seit dem 15.01.2014 angeordnet hat. Im Streitfall sind ‑‑für ein Gerichtsverfahren dieser Art‑‑ nicht allein extreme Verfahrensverzögerungen festzustellen. Es kommt hinzu, dass der frühere Berichterstatter auf die erstmals am 18.02.2019 erhobene Verzögerungsrüge, aber auch auf die nachfolgenden Verzögerungsrügen während eines Zeitraums von drei Jahren nicht sachlich nachvollziehbar reagierte und der Klägerin keinen Zeitpunkt in Aussicht stellte, ab dem mit einer Verfahrensförderung hätte gerechnet werden können (vgl. Senatsurteil vom 19.03.2014 - X K 8/13, BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584, Rz 35). Insoweit steht vorliegend nicht nur das erkennbare Interesse des Verfahrensbeteiligten an einer zügigen Entscheidung eines Hauptsacheverfahrens in Rede, sondern vor allem das Interesse daran, überhaupt irgendwann das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren abschließen zu können.
Darüber hinaus war nicht nur der Berichterstatter, sondern auch das Gericht institutionell aus Sicht der Klägerin lange Zeit untätig geblieben. Sie hatte die Gerichtsleitung mit Schreiben vom 02.08.2019 informiert. Dass die Gerichtsleitung etwas unternommen hätte, ist nicht aktenkundig. Jedenfalls haben trotz der ausbleibenden Reaktion des Berichterstatters weder das Präsidium des FG noch der dort zuständige Senat durch Änderung der gerichts- oder senatsinternen Geschäftsverteilung etwas unternommen, damit das Verfahren gegebenenfalls durch einen anderen Berichterstatter erledigt werde. Erst zum 01.01.2022 fand ein Wechsel in der Berichterstattung statt.
Unter diesen Umständen, die der Klägerin den Eindruck vermitteln mussten, sie habe auf unabsehbare Zeit jegliche Einwirkungsmöglichkeit zur Beendigung ihres Gerichtsverfahrens verloren, erscheint die Wiedergutmachung auch in Form einer Geldentschädigung geboten.
Denn der bloßen Feststellung einer überlangen Verfahrensdauer käme hier aufgrund der besonderen Dauer und Hartnäckigkeit der Verweigerung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und des Justizgewährleistungsanspruchs aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. BVerwG-Urteil vom 11.07.2013 - 5 C 23.12 D, BVerwGE 147, 146, Rz 38) nicht die gebotene Wirkung zu.
Bezweckt die Regelung des § 198 GVG einen umfassenden und möglichst lückenlosen (zunächst präventiven, notfalls kompensatorischen) Schutz gegen überlange Gerichtsverfahren (vgl. BSG-Urteil vom 10.07.2014 - B 10 ÜG 8/13 R, SozR 4-1720 § 198 Nr. 2, Rz 24), so liefe der beabsichtigte Schutz nach Einschätzung des erkennenden Senats letztlich ins Leere, wenn ein Ausgangsgericht selbst unter Umständen wie den Vorliegenden allenfalls mit einem Feststellungsausspruch, jedoch nicht damit rechnen müsste, dass es wegen seiner Untätigkeit zu einer Verurteilung des Landes oder Bundes (§ 200 GVG) zur Zahlung einer Geldentschädigung kommt.
c) Dem Entschädigungsanspruch der Klägerin für die Verzögerungszeiten vor dem September 2018 bis zur Grenze des nicht streitgegenständlichen Zeitraums des Kostenfestsetzungsverfahrens steht die im Regelfall lediglich begrenzte Rückwirkung einer wirksamen Verzögerungsrüge nicht entgegen.
aa) Voraussetzung für die Zuerkennung einer Geldentschädigung ist gemäß § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die Erhebung einer Verzögerungsrüge. Diese kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird (§ 198 Abs. 3 Satz 2 GVG). Eine zu früh erhobene Verzögerungsrüge ist daher unwirksam (vgl. nur Senatsurteil vom 08.10.2019 - X K 1/19, BFH/NV 2020, 98, Rz 59, m.w.N.). Dagegen wirkt eine erst deutlich nach Überschreiten der Unangemessenheitsgrenze eingereichte Verzögerungsrüge nicht ohne Weiteres bis auf den Zeitpunkt zurück, ab dem die Verfahrensdauer bei objektiver Betrachtung als unangemessen anzusehen ist. Vielmehr hat der Senat auf Grundlage einer Gesamtschau der gesetzlichen Regelungen über die Verzögerungsrüge entschieden, dass von einer im Regelfall gut sechsmonatigen Rückwirkung auszugehen ist, da einerseits Geduld nicht bestraft werden soll, andererseits eine bewusst sehr spät im Sinne der unzulässigen Methode "dulde und liquidiere" eingelegte Verzögerungsrüge keine präventive Wirkung mehr entfalten kann (grundlegend Senatsurteil vom 06.04.2016 - X K 1/15, BFHE 253, 205, BStBl II 2016, 694, Rz 40 ff.; ebenso Senatsurteil vom 25.10.2016 - X K 3/15, BFH/NV 2017, 159, Rz 39, m.w.N.). Eine solche gut sechsmonatige Rückwirkung ist jedoch nicht als starre Grenze zu verstehen, sondern auch im Zusammenhang mit den weiteren Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten (vgl. Senatsurteil vom 23.03.2022 - X K 2/20, BFHE 275, 533, BStBl II 2023, 38, Rz 46).
bb) Im Streitfall ist das Verhalten der Klägerin bei Würdigung der Gesamtumstände nicht als Ausdruck eines unzulässigen "Duldens und Liquidierens" zu verstehen. Es liegt insoweit ein Ausnahmefall vor, als der Senat für den Bereich der Finanzgerichtsbarkeit bislang noch keine entschädigungsrechtliche Entscheidung zu der in Rede stehenden Verfahrensart getroffen hat, an der sich die Klägerin im Hinblick auf den Zeitpunkt der zu besorgenden Unangemessenheit der Verfahrensdauer und damit der Einlegung einer Verzögerungsrüge hätte orientieren können.
Die Klägerin ging in der damaligen Zeit augenscheinlich rechtsirrig davon aus, dass auf das Erinnerungsverfahren die vom Senat für das Klageverfahren aufgestellten Grundsätze auch vorliegend anwendbar seien, namentlich, dass die Verfahrensdauer noch angemessen ist, wenn das Gericht gut zwei Jahre nach Verfahrenseinleitung mit Maßnahmen beginnt, die das Verfahren einer Entscheidung zuführen sollen. Dafür spricht, dass sie die Verzögerungsrüge am 18.02.2019 und somit ungefähr zwei Jahre nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin beziehungsweise der Einlegung der Erinnerung erhob.
Vor dem Hintergrund, dass es seinerzeit noch keine Entscheidung in Bezug auf eine Typisierung der im Regelfall als angemessen anzusehenden Dauer eines Erinnerungsverfahrens gab, erscheint es im Streitfall sachgerecht, den vom Senat ansonsten betonten Präventivgedanken (vgl. Senatsurteil vom 06.04.2016 - X K 1/15, BFHE 253, 205, BStBl II 2016, 694, Rz 44) hier zurückzunehmen und der Verzögerungsrüge der Klägerin ausnahmsweise eine über den typisierten Regelzeitraum von sechs Monaten hinausgehende Rückwirkung beizumessen.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen im Streitfall keine Gründe, vom gesetzlichen Regelbetrag der Entschädigung nach oben abzuweichen.
aa) Die Geldentschädigung beträgt grundsätzlich 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG), wobei dieser Betrag zeitanteilig nach Monaten bemessen werden kann (Senatsurteil vom 20.08.2014 - X K 9/13, BFHE 247, 1, BStBl II 2015, 33, Rz 38). Ist der genannte Betrag nach den Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG).
bb) Der erkennende Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung von der Billigkeitsregelung des § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG noch keinen Gebrauch gemacht und dementsprechend keine abstrakten Maßstäbe hierzu entwickelt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist das Entschädigungsgericht im Hinblick auf den Vereinfachungszweck der Pauschalierung nur beim Vorliegen besonderer Umstände gehalten, aus Billigkeitsgründen von dem normierten Pauschalsatz abzuweichen (BGH-Urteil vom 14.11.2013 - III ZR 376/12, BGHZ 199, 87, Rz 46), etwa durch Erhöhung für die besondere Bedeutung eines Pilotverfahrens bei gleichzeitigem Fortfall der Entschädigung für die Folgeverfahren (BGH-Urteile vom 15.12.2022 - III ZR 192/21, BGHZ 236, 10 und vom 09.03.2023 - III ZR 80/22, BGHZ 236, 246) oder aufgrund schwerwiegender Beeinträchtigungen aufgrund der Verzögerung (BGH-Urteil vom 06.05.2021 - III ZR 72/20, BGHZ 230, 14).
cc) Solche besonderen Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Klägerin beruft sich zwar darauf, dass die Festsetzung einer höheren monatlichen Entschädigung wegen Unbilligkeit nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG angesichts der eklatanten Verletzung des Anspruchs auf zeitnahen Rechtsschutz in Betracht komme. Mit diesem Vorbringen kann im Streitfall aber noch keine auf Billigkeitsgründe gestützte Abweichung vom gesetzlichen Regelbetrag der Entschädigung begründet werden. Erachtet der Gesetzgeber die gesetzlich vorgesehene Entschädigungshöhe für das im Grundsatz bedeutsamere Hauptsacheverfahren für angemessen, so gilt dies erst recht für das hier in Rede stehende Nebenverfahren. Dem Umstand, dass das Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren bis zu seiner Erledigung rund achteinhalb Jahre angedauert hat, hätte die Klägerin ‑‑was die begehrte Gesamtentschädigung anbelangt‑‑ durch die Nichtbegrenzung des Streitgegenstandes und Einbeziehung des Kostenfestsetzungsverfahrens Rechnung tragen können.
5. Der Zinsausspruch folgt aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 19.03.2014 - X K 8/13, BFHE 244, 521, BStBl II 2014, 584, Rz 39 f.).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 138 Abs. 1 FGO i.V.m. § 155 Satz 2 FGO. Der Senat entscheidet über die Kosten nach Verfahrensabschnitten.
Bis zu den übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache in Höhe von 3.500 € hatte die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 5.100 € begehrt; über den vom Beklagten anerkannten Betrag hinaus ist die Klage in Höhe von weiteren 1.000 € begründet. Hinsichtlich des Teilbetrags von 1.600 €, der Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist, folgt die Kostenentscheidung aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Insoweit hat die Klägerin zu einem Anteil von 1.000 € obsiegt. Hinsichtlich des vom Beklagten anerkannten Teilbetrags von 3.500 € folgt sie aus § 138 Abs. 1 FGO. Nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO fielen der Klägerin die Prozesskosten nur zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch "sofort" anerkannt hätte, das heißt, jedenfalls innerhalb der ihm gesetzten (verlängerten) Klageerwiderungsfrist bis zum 02.05.2023 das Teilanerkenntnis in Höhe von 3.500 € abgegeben hätte. Er hat es aber erst mit Schriftsatz vom 07.09.2023 ausgesprochen (vgl. Senatsurteil vom 29.11.2017 - X K 1/16, BFHE 259, 499, BStBl II 2018, 132, Rz 53 ff.).
Daraus ergibt sich bis zum 11.03.2024 ‑‑dem Zeitpunkt der letzten Erledigungserklärung‑‑ eine Obsiegensquote der Klägerin von 88 % (4.500 € von 5.100 €).
Ab dem 12.03.2024 war der Entschädigungsanspruch lediglich noch im Umfang von 1.600 € streitig. Aufgrund der Zuerkennung einer Entschädigung in Höhe von 1.000 € ergibt sich eine Obsiegensquote der Klägerin von 63 %.
Hieraus errechnen sich die tenorierten Prozentsätze.