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Beschluss vom 30. Mai 2025, IX B 19/25

Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO im finanzgerichtlichen Verfahren

ECLI:DE:BFH:2025:B.300525.IXB19.25.0

BFH IX. Senat

EUV 2016/679 Art 4 Nr 7, EUV 2016/679 Art 15, AEUV Art 267

Leitsätze

Ein im gerichtlichen Verfahren gestellter Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) richtet sich nicht gegen den zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufenen Spruchkörper, sondern gegen die Behördenleitung als Datenverantwortlichen im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts … vom xx.xx.2025 - … wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) führt, vertreten durch ihre Eltern, vor dem Finanzgericht (FG) … unter dem Aktenzeichen … ein Klageverfahren gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) wegen Auskunft nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Am xx.xx.2025 beantragte die Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens Akteneinsicht gemäß § 78 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Auskunft nach Art. 15 DSGVO.

  2. Nachdem der Klägerin Akteneinsicht gewährt worden ist, hat das FG den Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO mit Beschluss vom xx.xx.2025 zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Klägerin vom xx.xx.2025 hat das FG nicht abgeholfen.

  3. Die Klägerin beantragt,

    den Beschluss des FG … vom xx.xx.2025 - … aufzuheben und der Klägerin die begehrte Auskunft nach Art. 15 DSGVO durch den Spruchkörper des FG zu erteilen.

  4. Zudem beantragt die Klägerin die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

  5. Das FA hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

  2. 1. Die Beschwerde ist zulässig.

  3. Insbesondere ist sie gemäß § 128 FGO statthaft. Gemäß § 128 Abs. 1 FGO steht den Beteiligten gegen die Entscheidungen des FG, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Beschwerdefähig sind danach Entscheidungen der FG, die im Rahmen der rechtsprechenden Tätigkeit ergangen sind (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 24.01.2025 - IX B 99/24, Rz 5). Dies ist hier der Fall.

  4. Der Beschluss vom xx.xx.2025 stellt keinen Justizverwaltungsakt dar, sondern ist im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergangen. Das FG hat über einen Prozessantrag der Klägerin entschieden. Wie die Klägerin selbst ausführt, war es insbesondere das Ziel des Antrags auf Auskunft Angriffs- und Verteidigungsmittel zu erlangen, um einen effektiven Rechtsschutz gegen die Richter zu ermöglichen. So sollten etwaige Befangenheitsgründe aufgedeckt und prozessuale Schritte eingeleitet werden könnten. Die Klägerin macht damit einen Auskunftsanspruch als prozessuales Recht im finanzgerichtlichen Verfahren geltend. Die Entscheidung darüber, ob ein solches prozessuales Recht tatsächlich besteht, ist Bestandteil der rechtsprechenden Tätigkeit.

  5. Ausschlussgründe nach § 128 Abs. 2 FGO bestehen nicht. Es liegt weder eine prozessleitende Verfügung, noch eine der in § 128 Abs. 2 FGO aufgezählten Entscheidungen vor.

  6. 2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

  7. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin im Rahmen eines finanzgerichtlichen Verfahrens kein Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Spruchkörper zusteht.

  8. a) Das FG hat den Antrag zu Recht nicht in einen Antrag auf Akteneinsicht umgedeutet. Akteneinsicht auf Grundlage des § 78 Abs. 1 FGO hat die Klägerin bereits genommen.

  9. b) Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Spruchkörper in einem anhängigen Klageverfahren ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus Art. 15 DSGVO.

  10. Nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf die im Einzelnen aufgezählten Informationen. Der Auskunftsanspruch richtet sich also gegen den Verantwortlichen. Dies ist nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet.

  11. Abzustellen ist auf die jeweilige datenverarbeitende rechtliche Einheit (Taeger/Gabel/Arning/Rothkegel, 4. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 4 Rz 177). So richtet sich ein im gerichtlichen Verfahren gestellter Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht gegen den zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufenen Spruchkörper, sondern gegen die Behördenleitung als Datenverantwortlichen im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.07.2023 - I ZB 10/23, Rz 8).

  12. 3. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV. Die Rechtslage ist nach Auffassung des Senats aus den oben genannten Gründen (II.2.b) eindeutig ("acte clair"; Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 16).

  13. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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