Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 08. April 2025, IX R 22/22

Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem Finanzamt

ECLI:DE:BFH:2025:U.080425.IXR22.22.0

BFH IX. Senat

EUV 2016/679 Art 12 Abs 5 S 2, EUV 2016/679 Art 15, EUV 2016/679 Art 13 Abs 4, EUV 2016/679 Art 14 Abs 5 Buchst a, AO § 32c Abs 1 Nr 1, AO § 32a Abs 1, AO § 32b Abs 1, AEUV Art 267

vorgehend FG München, 19. Mai 2022, Az: 15 K 2067/18

Leitsätze

1. NV: Rechtliche Analysen als solche unterfallen nicht dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung, wohl aber die darin enthaltenen personenbezogenen Daten.

2. NV: Ein Auskunftsbegehren gilt nicht bereits als exzessiv, wenn die betroffene Person Einsicht in die Akten genommen hat, auf welche sich ihr Auskunftsbegehren bezieht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Streitig ist das Bestehen und der Umfang des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 und 3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

  2. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) nahm den Kläger und Revisionskläger (Kläger) für fremde Steuerschulden in Haftung. Zudem war die Steuerfahndungsstelle des FA im Rahmen eines gegen den Kläger gerichteten Steuerstrafverfahrens tätig.

  3. Das Begehren des Klägers auf Auskunft über die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 15 DSGVO lehnte das FA ab. Soweit der Kläger Auskunft nach Art. 15 DSGVO in Form der Überlassung von Kopien der bei der Steuerfahndungsstelle des FA vorhandenen Schriftstücke mit Bezug zu ihm begehrte, trennte das Finanzgericht (FG) im anschließenden Klageverfahren das Verfahren ab und verwies die Sache an das Verwaltungsgericht München. Im Übrigen blieb die Klage ohne Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1249).

  4. Mit seiner Revision rügt der Kläger im Wesentlichen die Verletzung materiellen Rechts (Art. 15 DSGVO). Dem Auskunftsbegehren stünden weder §§ 32a ff. der Abgabenordnung (AO) noch Art. 13 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 5 Buchst. a DSGVO entgegen. Inhaltlich erstrecke sich der Auskunftsanspruch auch auf die in den Papierakten enthaltenen personenbezogenen Daten und schließe die in sämtlichen Kommunikationswegen enthaltenen personenbezogenen Daten ein. Zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs sei die Zurverfügungstellung von Kopien der Akten mit personenbezogenen Daten unerlässlich.

  5. Der Kläger beantragt,
    das Urteil des FG München vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 aufzuheben und der Klage stattzugeben.

  6. Das FA beantragt,
    die Revision als unbegründet abzuweisen.

  7. Der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung erstrecke sich nicht auf Papierakten. Jedenfalls erwachse aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein Recht auf eine Kopie der Steuerakten. Im Übrigen habe das Auskunftsersuchen nach Art. 12 Abs. 5 DSGVO verweigert werden dürfen. Zudem sei der Anspruch des Klägers vorliegend durch § 32c AO ausgeschlossen, wonach auch die Beschränkungen des Art. 13 Abs. 4 und Art. 14 Abs. 5 DSGVO für das Recht auf Auskunft anzuwenden seien.

  8. Neben dem Revisionsvorbringen hat der Kläger sich in der mündlichen Verhandlung gegen den Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss des FG vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 gewandt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Streitgegenstand ist aufgrund des Abtrennungs- und Verweisungsbeschlusses des FG vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO, soweit das FA als Finanzbehörde und nicht als Steuerfahndungsstelle im Sinne von § 208 Abs. 1 Satz 1 AO personenbezogene Daten verarbeitet hat.

  2. 1) Eine Verweisung, mit der ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Überprüfung entzogen und gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) bindend, sobald sie unanfechtbar geworden ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 11.08.2015 - X ARZ 174/15, Rz 9).

  3. Nach § 155 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG spricht das Gericht die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Gegen einen solchen Verweisungsbeschluss eines oberen Landesgerichts an einen obersten Gerichtshof des Bundes steht den Beteiligten die Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist.

  4. Daran fehlt es hier. Das FG als ein oberes Landesgericht (§ 2 FGO) hat in dem Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 die Beschwerde an den Bundesfinanzhof ‑‑ein oberster Gerichtshof des Bundes (Art. 95 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑)‑‑ ausdrücklich unter Hinweis auf § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG nicht zugelassen. Der Verweisungsbeschluss ist damit rechtskräftig und bindend.

  5. 2) Eine Durchbrechung dieser Bindungswirkung kommt allenfalls bei extremen Verstößen gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung regelnden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht (vgl. z.B. BGH-Beschlüsse vom 29.04.2014 - X ARZ 172/14, Rz 13, m.w.N. und vom 16.04.2024 - X ARZ 101/24, Rz 27; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.02.2023 - 6 AV 1.22, Rz 10). Das ist nur der Fall, wenn sich die Verweisungsentscheidung bei der Auslegung und Anwendung der Zuständigkeitsnormen so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entfernt hat, dass sie schlechthin nicht mehr zu rechtfertigen ist (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 26.08.1991 - 2 BvR 121/90, Neue Juristische Wochenschrift ‑‑NJW‑‑ 1992, 359; BGH-Beschluss vom 09.04.2002 - X ARZ 24/02, NJW 2002, 2474).

  6. Daran fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob der Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss des FG vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 zu Recht erfolgt ist. Eine ‑‑aus Sicht des übergeordneten Gerichts‑‑ fehlerhafte Auslegung des Gesetzes allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Es kommt daher nicht darauf an, ob das übergeordnete Gericht die gleiche Rechtsauffassung vertreten würde, sondern ob die vom untergeordneten Gericht vertretene Rechtsauffassung noch vertretbar ist (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts vom 01.10.2024 - B 4 SF 4/24 S, Rz 3).

  7. Das FG legt im Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 umfassend und nachvollziehbar dar, dass die Tätigkeit der Steuerfahndung nicht in den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung fällt und daher der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nach § 32i Abs. 2 AO nicht eröffnet ist, sondern der allgemeine Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung zu beschreiten ist. Diese Auffassung ist nicht schlechterdings unvertretbar.

III.

  1. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Rechtsfehlerhaft hat das FG den Anspruch des Klägers auf Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO gegenüber dem FA versagt (dazu unter 1.). Es fehlt an den für eine abschließende Prüfung des Umfangs des Auskunftsanspruchs erforderlichen Feststellungen (dazu unter 2.).

  2. 1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO gegenüber dem FA zu.

  3. a) Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde unterliegt den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 13). Auf die Art der Aktenführung (Papier, elektronisch, hybrid), die Art der Dokumente (interne Vermerke, Gutachten, interne E-Mails et cetera) oder die Form der Bearbeitung durch den zuständigen Sachbearbeiter (anhand von Ausdrucken oder digital) kommt es nicht an, da die Akten jedenfalls der Durchführung des zumindest teilweise digitalisierten Besteuerungsverfahrens, mithin einer zumindest teilautomatisierten Datenverarbeitung, dienen (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 17 ff., insbesondere Rz 20).

  4. b) Personenbezogene Daten sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann. Schreiben des Betroffenen an den Verantwortlichen sind danach ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen (vgl. BGH-Urteile vom 06.02.2024 - VI ZR 15/23, Rz 8; vom 27.09.2023 - IV ZR 177/22, Rz 48).

  5. Rechtliche Analysen als solche unterfallen nicht dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO, wohl aber die darin verwendeten personenbezogenen Daten. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat bereits zur Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 281 vom 23.11.1995, S. 31) ‑‑Datenschutz-Richtlinie‑‑ entschieden (EuGH-Urteil YS gegen Minister voor Immigratie, Integratie en Asiel und Minister voor Immigratie, Integratie en Asiel gegen M und S vom 17.07.2014 - C-141/12 und C-372/12, EU:C:2014:2081, Rz 48), dass eine rechtliche Analyse als solche nicht dem Begriff der personenbezogenen Daten unterfällt, wohl aber die hierin verwendeten Daten. Zwar wurde die Datenschutz-Richtlinie durch die Datenschutz-Grundverordnung abgelöst. Da Art. 4 Nr. 1 DSGVO jedoch vergleichbar wie Art. 2 Buchst. a der Datenschutz-Richtlinie regelt, welche Daten als personenbezogen anzusehen sind, gelten die vom EuGH bereits aufgestellten Rechtsgrundsätze fort (vgl. EuGH-Urteil Latvijas Republikas Saeima (Points de pénalité) vom 22.06.2021 - C-439/19, EU:C:2021:504, Rz 65, wonach der EuGH zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a DSGVO auch auf die zu Art. 3 Abs. 2 der Datenschutz-Richtlinie ergangene Rechtsprechung zurückgreift).

  6. Entgegen der Auffassung des FG bedarf es für die Qualifikation als personenbezogene Daten weder eines "Hebens" in Form eines Interpretationsakts noch der Absicht des Verantwortlichen, eine personenbezogene Angabe unter einem spezifischen, personenbezogenen (Feld-)Bezeichner zu speichern. Eine derartige Einschränkung steht nicht im Einklang mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung, die von einem weiten Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO ausgeht (vgl. BGH-Urteile vom 27.09.2023 - IV ZR 177/22, Rz 47 und vom 06.02.2024 - VI ZR 15/23, Rz 7). In der Verwendung der Formulierung "alle Informationen" bei der Bestimmung des Begriffs "personenbezogene Daten" in Art. 4 Nr. 1 DSGVO kommt das Ziel des Unionsgesetzgebers zum Ausdruck, diesem Begriff eine weite Bedeutung beizumessen, die potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen umfasst, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen "über" die in Rede stehende Person handelt (EuGH-Urteile IAB Europe vom 07.03.2024 - C-604/22, EU:C:2024:214, Rz 36 und Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 23, m.w.N.). Insoweit hat der EuGH entschieden, dass es sich um eine Information über eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person handelt, wenn sie aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer identifizierbaren Person verknüpft ist (EuGH-Urteile IAB Europe vom 07.03.2024 - C-604/22, EU:C:2024:214, Rz 37; Österreichische Datenschutzbehörde vom 04.05.2023 - C-487/21, EU:C:2023:369, Rz 24 und die dort angeführte Rechtsprechung). Weiter weist der EuGH darauf hin, dass die Verwendung des Begriffs "indirekt" durch den Unionsgesetzgeber darauf hindeutet, dass es für die Einstufung einer Information als personenbezogenes Datum nicht erforderlich ist, dass die Information für sich genommen die Identifizierung der betreffenden Person ermöglicht (EuGH-Urteil OC/Kommission vom 07.03.2024 - C-479/22 P, EU:C:2024:215, Rz 47, m.w.N.).

  7. c) Soweit das FG der Auffassung ist, dass das FA den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO durch Übersendung des "Allgemeinen Informationsschreibens" erfüllt hat, ist dem nicht zu folgen.

  8. Es fehlen bereits jedwede Feststellungen, ob und gegebenenfalls in welcher Fassung das "Allgemeine Informationsschreiben" der Finanzverwaltung dem Kläger übersandt wurde.

  9. Ungeachtet dessen stellt das "Allgemeine Informationsschreiben" auf der Internetseite www.finanzamt.de (unter der Rubrik "Datenschutz"), auf das in der Ablehnung des Auskunftsersuchens Bezug genommen wird, bereits deshalb keine Auskunft im Sinne von Art. 15 Abs. 1 DSGVO dar, weil ein Bezug zu den konkreten personenbezogenen Daten des Klägers fehlt. Allgemeine Informationen zur Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben der Art. 12 bis 14 DSGVO genügen diesen Anforderungen nicht, weil sie die in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO geforderten Informationen ‑‑bezogen auf den Betroffenen‑‑ nicht enthalten.

  10. d) Rechtsfehlerhaft ist das FG davon ausgegangen, dass der durch den Kläger geltend gemachte Anspruch aufgrund eines exzessiven Antrags im Sinne von Art. 12 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 DSGVO ausgeschlossen ist.

  11. aa) Die in Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchst. b DSGVO aufgeführten Gründe, bei denen der Verantwortliche die Auskunftserteilung verweigern kann, beziehen sich auf Fälle von Rechtsmissbrauch, in denen die Anträge der betroffenen Person "offenkundig unbegründet" oder ‑‑insbesondere im Fall häufiger Wiederholung‑‑ "exzessiv" sind (EuGH-Urteil FT (Copies du dossier médical) vom 26.10.2023 - C-307/22, EU:C:2023:811, Rz 31). Dies ist nicht bereits der Fall, wenn die betroffene Person Auskunft zu ihren personenbezogenen Daten begehrt, ohne dieses Begehren in sachlicher beziehungsweise zeitlicher Hinsicht zu beschränken (Senatsurteil vom 14.01.2025 - IX R 25/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 45). Aus der dem Verantwortlichen gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DSGVO obliegenden Nachweispflicht folgt, dass ein Ausschluss des Auskunftsrechts nach Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO nur in Betracht kommt, wenn sich der Verantwortliche hierauf beruft und darlegt, dass ein offenkundig unbegründeter oder exzessiver Antrag vorliegt (vgl. zum Ganzen Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 31, m.w.N.).

  12. bb) Diesen Maßstäben genügen die Ausführungen der Vorinstanz zu Art. 12 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 DSGVO nicht. Es fehlt bereits an der Darlegung des FA zu einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten. Allein die fehlende Präzisierung des Auskunftsbegehrens reicht nicht aus.

  13. Der Senat vermag außerdem der Würdigung des FG nicht zu folgen, dass die zuvor erfolgte Akteneinsicht zu einer exzessiven Antragstellung führt. Selbst wenn die Daten bekannt wären, würde dies nach der Rechtsprechung des BGH den Auskunftsanspruch nicht ausschließen (vgl. BGH-Urteile vom 15.06.2021 - VI ZR 576/19, Rz 25 und vom 16.04.2024 - VI ZR 223/21, Rz 13). Aus der erfolgten Akteneinsicht folgt mangels Erfordernis zur Begründung des Auskunftsbegehrens keine Pflicht des Klägers zu "substantiieren", welche Daten ihm vorenthalten worden seien.

  14. e) Rechtsfehlerhaft hält das FG nationale Ausschlussgründe nach § 32c AO für gegeben. Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden, inwieweit die Vorschrift den Anforderungen des Art. 23 DSGVO genügt, um ein Auskunftsbegehren im Sinne von Art. 15 DSGVO einschränken zu können.

  15. aa) Ein Ausschlussgrund liegt nicht vor, wenn die betroffene Person die Daten bereits kennt. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32a Abs. 1 AO und § 32b Abs. 1 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 4 DSGVO bzw. Art. 14 Abs. 5 Buchst. a DSGVO.

  16. Das Recht auf Auskunft der betroffenen Person gegenüber einer Finanzbehörde gemäß Art. 15 DSGVO besteht danach nicht, soweit die betroffene Person nach § 32a Abs. 1 AO oder nach § 32b Abs. 1 oder 2 AO nicht zu informieren ist. Weder § 32a Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AO noch § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO regeln dabei den Fall, dass der Betroffene über die Informationen bereits verfügt. Dieser Tatbestand findet sich allein in Art. 13 Abs. 4 DSGVO und Art. 14 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a DSGVO. Diese Vorschriften betreffen allein die Informationspflichten des Verantwortlichen, jedoch nicht das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO.

  17. Die Erwähnung der Art. 13 Abs. 4 DSGVO in § 32a AO und des Art. 14 Abs. 5 DSGVO in § 32b AO lässt nicht den Schluss zu, dass gemäß § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO die Auskunftserteilung auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn der Betroffene bereits über die Informationen verfügt. Eine solche weite Auslegung steht nicht im Einklang mit Art. 23 DSGVO, da eine solche Maßnahme nicht die in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a bis j DSGVO genannten Gesichtspunkte sicherstellen würde.

  18. bb) Auch steht dem Auskunftsbegehren nicht § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 1a AO entgegen.

  19. Danach besteht ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht, soweit die Erteilung der Informationen die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der Finanzbehörden oder anderer öffentlicher Stellen liegenden Aufgaben im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. d bis h DSGVO gefährden würde und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss. Gemäß § 32a Abs. 2 Nr. 1 AO, auf den § 32b Abs. 1 Satz 2 AO Bezug nimmt, ist dies insbesondere der Fall, wenn die Erteilung der Information die betroffene Person oder Dritte in die Lage versetzen könnte, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern (Buchst. a), steuerlich bedeutsame Spuren zu verwischen (Buchst. b) oder Art und Umfang der Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einzustellen (Buchst. c) und damit die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich erschwert würde.

  20. Entsprechende Umstände wurden nicht durch das FG festgestellt. Das FG führt lediglich aus, dass die Offenbarung interner Kommunikationsvorgänge ‑‑insbesondere in Fällen eines konkreten Tatverdachts einer Steuerhinterziehung‑‑ gegenüber dem Beschuldigten ‑‑gemeint ist der Kläger‑‑ die Aufgabenerfüllung der Finanzbehörden gefährden würde. Sachverhaltsfeststellungen hierzu fehlen. So ergibt sich aus dem Urteil zwar, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2018 wegen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen in Untersuchungshaft befand. Angaben zum Sachstand im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 19.05.2022 fehlen jedoch. So wäre zum Beispiel von Bedeutung, ob zu diesem Zeitpunkt das Steuerstrafverfahren noch anhängig oder bereits rechtskräftig abgeschlossen war.

  21. cc) Ferner steht dem Auskunftsbegehren § 32c Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 2 AO nicht entgegen.

  22. Danach besteht ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO nicht, wenn die Daten, ihre Herkunft, ihre Empfänger oder die Tatsache ihrer Verarbeitung nach § 30 AO oder einer anderen Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, insbesondere wegen überwiegender berechtigter Interessen eines Dritten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DSGVO, geheim gehalten werden müssen und deswegen das Interesse der betroffenen Person an der Informationserteilung zurücktreten muss.

  23. Das FG hat entsprechende Umstände nicht festgestellt. Insbesondere genügt es ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ nicht, auf ein nicht näher erläutertes "immanent gegenläufiges Interesse des Autors" von Bearbeitungsvermerken hinzuweisen. Selbst wenn man das informelle Selbstbestimmungsrecht der Bearbeiter berücksichtigt, kann dem durch Schwärzung der Namen ausreichend Genüge getan werden.

  24. f) Schließlich kann das FA nicht mit dem Einwand durchdringen, die Auskunftserteilung verursache einen unverhältnismäßigen Aufwand. Eine Einschränkung des Auskunftsanspruchs bei unverhältnismäßigem Aufwand für die Auskunftserteilung ergibt sich weder aus der Datenschutz-Grundverordnung noch aus den Vorschriften des nationalen Rechts (vgl. hierzu Senatsurteil vom 14.01.2025 - IX R 25/22, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 27 ff.).

  25. 2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es fehlen die erforderlichen Feststellungen, die dem Senat eine abschließende Prüfung des Umfangs des Auskunftsanspruchs des Klägers ermöglichen.

  26. a) Verarbeitet der Verantwortliche personenbezogene Daten des Betroffenen, hat er ‑‑neben den in Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO genannten Informationen‑‑ grundsätzlich gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 1 und Abs. 3 DSGVO dem Betroffenen eine Kopie der ihn betreffenden personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 27, m.w.N.). Nur wenn die Zurverfügungstellung einer Kopie unerlässlich ist, um der betroffenen Person die wirksame Ausübung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen, wobei insoweit die Rechte und Freiheiten anderer zu berücksichtigen sind, besteht nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO ein Anspruch darauf, eine Kopie von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken zu erhalten. Hierfür besteht keine generelle Vermutung. Vielmehr obliegt es der betroffenen Person darzulegen, dass die Kopie der personenbezogenen Daten sowie die Mitteilung der Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO für die Wahrnehmung der ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte nicht genügt. Begehrt die betroffene Person die Zurverfügungstellung von Kopien von Dokumenten mit ihren personenbezogenen Daten, ist es an ihr zu benennen, welche ihr durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte sie auszuüben gedenkt und darzulegen, aus welchen Gründen die Zurverfügungstellung von Kopien von Akten mit personenbezogenen Daten hierfür unerlässlich ist (Senatsurteil vom 12.03.2024 - IX R 35/21, BFHE 283, 266, BStBl II 2024, 682, Rz 28, m.w.N.). Ein Anspruch auf Akteneinsicht erwächst hingegen aus Art. 15 DSGVO unter keinen Umständen. Das Akteneinsichtsrecht ist gegenüber dem Auskunftsrecht ein Aliud (vgl. Senatsurteil vom 12.11.2024 - IX R 20/22, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen, Rz 42).

  27. b) Ausgehend von anderen Rechtsgrundsätzen hat es das FG unterlassen, die erforderlichen Feststellungen für eine abschließende Beurteilung zu treffen. Es fehlt an Feststellungen, ob und inwiefern der Kläger geltend gemacht hat, dass die begehrten Kopien ganzer Dokumente für ihn unerlässlich sind, um ihm die wirksame Ausübung der ihm durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte zu ermöglichen. Ferner fehlt es an Feststellungen, welche Rechte der Datenschutz-Grundverordnung der Kläger überhaupt beabsichtigt geltend zu machen. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

  28. c) Rein vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die erstmals im Revisionsverfahren getätigten Verweise des FA auf ein "gegenläufiges Interesse des Autors des Vermerks" und dessen "eigenes Datenschutzrecht" nicht ausreichen. Soweit sich das FA auf Art. 15 Abs. 4 DSGVO beziehen will, bedürfte es der Nennung eines konkreten Sachverhaltes, anhand dessen geprüft werden könnte, ob durch die Auskunftserteilung tatsächlich die Rechte und Freiheiten anderer Personen beschränkt werden würden. Nur der Verantwortliche ist kraft Sachnähe in der Lage vorzutragen, welche konkreten personenbezogen Daten nicht herausgegeben werden können, ohne dass schützenswerte Interessen Dritter tangiert werden. Nur dann ist den Gerichten die notwendige Einzelfallabwägung überhaupt möglich (vgl. BGH-Urteil vom 22.02.2022 - VI ZR 14/21). Selbst wenn man danach das informelle Selbstbestimmungsrecht der Bearbeiter berücksichtigt, könnte dem möglicherweise durch Schwärzung der Namen ausreichend Genüge getan werden.

  29. 3. Inwieweit die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler vorliegen, kann dahinstehen bleiben, da das Verfahren bereits aus materiellen Gründen an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

  30. 4. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bedarf es nicht. Die Rechtslage ist aus den jeweils genannten Gründen eindeutig ("acte clair", BVerfG-Beschlüsse vom 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78, unter C.I.2.e und vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 16) beziehungsweise bereits durch die aufgezeigte Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé", BVerfG-Beschluss vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 14).

  31. 5. Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren nochmals ausdrücklich den Abtrennungs- und Verweisungsbeschluss des FG vom 19.05.2022 - 15 K 2067/18 angreift, wurden die geltend gemachten Einwände bereits im Senatsbeschluss vom 08.08.2023 - IX B 112/22 berücksichtigt.

  32. 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Seite drucken