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Beschluss vom 29. Juli 2025, XI B 73/24

(Zurechnung der Umsätze in einem Bordell)

ECLI:DE:BFH:2025:B.290725.XIB73.24.0

BFH XI. Senat

FGO § 115 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 3, UStG § 1 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 2 Abs 1

vorgehend FG Nürnberg, 25. Juli 2024, Az: 8 K 122/21

Leitsätze

1. NV: Für die Zurechnung von sexuellen Dienstleistungen gelten die allgemeinen Grundsätze.

2. NV: Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt.

3. NV: Vereinbarungen können unter anderem dann umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich sein, wenn sie der wirtschaftlichen Realität nicht entsprechen.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 25.07.2024 - 8 K 122/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

  1. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

  2. 1. Der Vortrag, dass das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 (Umsatzsteuer-Rundschau ‑‑UR‑‑ 2022, 794) abweiche, so dass die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑) zuzulassen sei, trifft nicht zu.

  3. a) Der Senat verweist dazu auf seine Beschlüsse vom 10.01.2024 - XI B 117/22 (BFH/NV 2024, 394), vom 16.07.2024 - XI B 43/23 (BFH/NV 2024, 1181), vom 17.07.2024 - XI S 19/23 (AdV) (BFH/NV 2024, 1183) und vom 30.04.2025 - XI B 33/24 (Rz 50 ff.). Eine zur Zulassung der Revision führende Divergenz im Sinne einer Nichtübereinstimmung im Rechtsgrundsätzlichen liegt nicht vor, wenn das FG ausgehend von denselben Rechtsgrundsätzen bei der Würdigung des ihm zur Entscheidung gestellten Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis gelangt (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10.01.2024 - XI B 117/22, BFH/NV 2024, 394, Rz 9 f., m.w.N.; vom 16.07.2024 - XI B 43/23, BFH/NV 2024, 1181, Rz 3; vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 51). Von den übereinstimmenden Grundsätzen des BFH und des BGH zur Bestimmung, wer Leistender ist, weicht das BGH-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 (UR 2022, 794) nicht ab, was sich schon daran zeigt, dass der BGH sie in den Rz 12 f. umfassend zitiert.

  4. b) Zwar spricht auch aus Sicht des erkennenden Senats die im Streitfall fehlende prozentuale Beteiligung an den Erlösen der Prostituierten indiziell eher dafür, dass die Prostituierten Leistende sind (vgl. BFH-Beschluss vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 55). Allerdings hat das FG auf den Seiten 13 und 14 seines Urteils weiter in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass die Zeugin F glaubhaft angegeben habe, dass sie als Repräsentantin des Clubs unter anderem mündliche Beschwerden von Besuchern über "Damenmangel" sowie bezüglich der Qualität der Dienstleistungen der Prostituierten entgegennahm und gelegentlich auch als Vermittler bei auftretenden Konflikten zwischen Prostituierten und Kunden tätig wurde. Wären die Kunden aufgrund des Auftretens der Klägerin und der Prostituierten nach außen der Auffassung gewesen, dass die Prostituierten und die sexuellen Dienstleistungen unabhängig vom Betrieb der Klägerin waren, so wäre aus Sicht des FG zu erwarten gewesen, dass sich die Gäste bei Unstimmigkeiten ausschließlich mit der jeweiligen Dame auseinandersetzen.

  5. aa) Dies hat das FG zu Recht als Umstand gewürdigt, der für die Klägerin als Leistungserbringerin spricht, da Dritte, die an der Leistung nicht beteiligt sind, üblicherweise nicht für aus Kundensicht bestehende Mängel der sexuellen Dienstleistung oder für "Damenmangel" einstehen (vgl. auch BFH-Beschluss vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 55 am Ende).

  6. bb) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang an anderer Stelle darauf hinweist, dass der sogenannte Kummerkasten ausschließlich der Kontrolle der Leistungen des Unternehmens gedient habe, hat das FG dies auf Seite 14 des Urteils (2. Absatz) ebenso gesehen und daher zutreffend berücksichtigt.

  7. 2. Soweit mit der Beschwerde auch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend gemacht wird, kommt eine Zulassung der Revision nicht in Betracht.

  8. a) Die Beschwerde kann möglicherweise dahin gehend verstanden werden, dass die Klägerin die Rechtsfrage (Beschwerdebegründungsschrift, S. 18), ob "einem Bordellbetreiber auch dann die Prostitutions-Dienstleistung der in seinen Räumen selbständig tätigen Prostituierten zugerechnet werden [kann], wenn der Bordellbetreiber durch veröffentlichte Hinweise (zum Beispiel bei seinem Internetauftritt und/oder im Bordell) kenntlich macht, dass die Prostituierten selbständig, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig werden, die Prostituierten ausschließlich vertragliche Vereinbarungen mit den Kunden (Freiern) über Art, Umfang und Höhe der Vergütung schließen und der Bordellbetreiber nicht unmittelbar an den Vergütungen für die Prostitutions-Dienstleistungen beteiligt ist", für grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hält.

  9. b) Diese Rechtsfrage ist indes im Streitfall nicht klärbar, da sie von einer Sachverhaltswürdigung ausgeht, die von der des FG abweicht. Das FG ist auf den Seiten 10 ff. seines Urteils davon ausgegangen, dass die Klägerin nach ihrer Außendarstellung als Erbringerin sämtlicher vom Kunden erwarteten Dienstleistungen einschließlich der Verschaffung von Geschlechtsverkehr aufgetreten ist. Daher bestanden nach Auffassung des FG insoweit vertragliche Vereinbarungen zwischen den Kunden und der Klägerin, was aus Sicht des FG auch erklärt, warum sich die Kunden an die Klägerin gewendet haben, wenn sie sich bei einer Repräsentantin des Clubs über die Qualität der sexuellen Dienstleistung beschwert haben.

  10. c) Außerdem ist die aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig (vgl. BFH-Beschluss vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 30 ff.). Falls eine Prostituierte Unternehmerin ist und nach außen als Leistende auftritt, erbringt sie die Dienstleistungen. Leistungsempfänger ihrer Dienstleistungen können ‑‑je nach Fallgestaltung‑‑ der Bordellbetreiber oder die einzelnen Kunden sein. Weiteren abstrakten, über die Entscheidung des Einzelfalls hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

  11. 3. Der gerügte Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Berücksichtigung des Streitstoffs (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO) liegt nicht vor.

  12. a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung.

  13. aa) Das Gesamtergebnis des Verfahrens umfasst den gesamten durch das Klagebegehren begrenzten und durch die Sachaufklärung des Gerichts und die Mitverantwortung der Beteiligten konkretisierten Prozessstoff. Insbesondere verpflichtet § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO das Gericht, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen.

  14. bb) § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist zum Beispiel verletzt, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde legt, der dem schriftlich festgehaltenen Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn eine nach den Akten klar feststehende Tatsache oder sonst Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt geblieben sind (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26.06.2021 - VIII B 46/20, BFH/NV 2021, 1511, Rz 23; vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295, Rz 27; jeweils m.w.N.).

  15. cc) Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der ‑‑gegebenenfalls auf einer anderen Vertragsauslegung und Sachverhaltswürdigung beruhende‑‑ materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15.12.2008 - IX B 39/08, unter 2.b; vom 20.09.2022 - VIII B 82/21, BFH/NV 2022, 1295, Rz 27).

  16. b) Gemessen daran liegt der gerügte Verstoß nicht vor.

  17. aa) Die Klägerin bringt vor, das FG habe bei seiner Entscheidung den BGH-Beschluss vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 (UR 2022, 794, mit Anmerkung Nieskens) trotz eines vergleichbaren Sachverhalts und abweichender Sachverhaltswürdigung bei Annahme eines Verstoßes gegen Denk- und Sprachgesetze beziehungsweise gegen das Gebot umfassender Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände im Falle konträrer Würdigung nur im Sachverhalt des Urteils und in der Begründung der Nichtzulassung der Revision erwähnt, ohne sich mit den Entscheidungsgründen auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. Es habe damit gegen das Gebot der Heranziehung offenkundiger und gerichtsbekannter Tatsachen verstoßen und hierdurch eine Auseinandersetzung mit den vom BGH getroffenen Feststellungen unterlassen. Damit habe das FG seine zum Auftreten der Prostituierten nach außen, dokumentiert durch den vom BGH als wesentlich bezeichneten Hinweis im Internet und im Bordell selbst, gewonnene Überzeugung nicht aus dem notwendigen vollständigen Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen.

  18. bb) Dies trifft aus mehreren Gründen nicht zu.

  19. (1) Das FG hat erstens den Beschluss des BGH zitiert, was zeigt, dass er nicht unberücksichtigt geblieben ist. An welcher Stelle das Zitat erfolgt ist, ist insoweit nicht entscheidend. Im Übrigen hat das FG mit den Ausführungen auf den Seiten 10 ff., insbesondere unter bb (S. 11 f.) und dd (S. 13 f.) sowie ff (S. 17 f.), den vorliegenden Streitfall von dem vom BGH entschiedenen Streitfall abgegrenzt. Dass das FG herausgearbeitet hat, wodurch sich aus seiner Sicht der Streitfall maßgeblich von dem vom BGH entschiedenen Fall unterscheidet, zeigt, dass nicht davon gesprochen werden kann, dass das FG die Entscheidung des BGH nicht zur Kenntnis genommen habe.

  20. (2) Im Übrigen berücksichtigt die Beschwerde den BGH-Beschluss vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 (UR 2022, 794, Rz 16 ff.) unvollständig, wenn sie meint, dass dort der Hinweis im Internet und im Bordell selbst maßgeblich gewesen sei. Es trifft zwar zu, dass der BGH in Rz 16 seines Beschlusses auf diesen Hinweis abgestellt hat. Allerdings hat er seine Prüfung damit nicht beendet, sondern in Rz 16 ff. weiter geprüft (und im dortigen Fall bejaht), ob der Hinweis der im Bordell "tatsächlich gelebten" Übung entsprach. Dieses Vorgehen des BGH entspricht der auch nach der Rechtsprechung des BFH notwendigen Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität (vgl. BFH-Beschluss vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 57, m.w.N.), weil Vereinbarungen unter anderem dann steuerrechtlich unbeachtlich sind, wenn sie der wirtschaftlichen Realität nicht entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 29.09.2022 - V R 29/20, BFHE 278, 363, BStBl II 2023, 986, Rz 51; Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union Newey vom 20.06.2013 - C-653/11, EU:C:2013:409, Rz 44; KrakVet Marek Batko vom 18.06.2020 - C-276/18, EU:C:2020:485, Rz 64 f.).

  21. (3) Im Streitfall hat das FG das Auftreten nach außen bereits aufgrund der Gestaltung der Internetseiten und der Werbung (trotz der anders lautenden Aushänge und Hinweise) als eindeutig in der Weise angesehen, dass sich daraus (anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall) die Leistungserbringung durch die Klägerin ergibt.

  22. (4) Die Klägerin hingegen berücksichtigt bei ihrem Vortrag, mit dem sie ihre tatsächliche Würdigung an die Stelle der tatsächlichen Würdigung des Streitfalls durch das FG setzt, nicht, dass die tatsächliche Würdigung des FG für den BFH als Revisionsgericht selbst in einem gedachten Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO auch dann bindend wäre, wenn sie nicht zwingend, aber möglich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.09.2021 - XI R 12/21 (XI R 25/19), BFHE 274, 317, BStBl II 2022, 417, Rz 47; vom 18.10.2023 - XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 43). Ob die tatsächliche Würdigung des FG zwingend oder naheliegend ist, hätte der Senat auch in einem gedachten Revisionsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 02.07.2021 - XI R 29/18, BFHE 274, 8, BStBl II 2022, 205, Rz 28; vom 18.10.2023 - XI R 22/20, BFH/NV 2024, 182, Rz 43; vom 19.02.2025 - XI R 11/22, Rz 41).

  23. 4. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang vorbringt, dass das FG aus Sicht der Klägerin den Rechtsstreit falsch entschieden habe, stellt es die materielle Rechtmäßigkeit der Vorentscheidung in Frage. Dies vermag die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13.03.2019 - XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 9; vom 23.03.2021 - XI B 69/20, BFH/NV 2021, 1108, Rz 16). Dies gilt auch für Einwendungen gegen die vom FG vorgenommene Beweiswürdigung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12.03.2014 - XI B 97/13, BFH/NV 2014, 1062, Rz 18; vom 26.11.2020 - VI B 29/20, BFH/NV 2021, 443, Rz 17; vom 18.03.2021 - VIII B 76/20, BFH/NV 2021, 1076, Rz 9). Die Einwendungen der Klägerin geben keinen Anlass, von dieser ständigen Rechtsprechung abzurücken. Eine "qualifizierte revisionsrechtlich abweichende Sachverhaltswürdigung" liegt aus Sicht des Senats aufgrund der vom FG festgestellten Umstände, die der Senat unter 1.b benannt hat, nicht vor, so dass auch kein schwerwiegender Rechtsanwendungsfehler vorliegt, der zu einer Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO führen könnte (vgl. dazu allgemein BFH-Beschlüsse vom 26.09.2017 - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 27 bis 30; vom 24.10.2023 - VIII B 70/22, BFH/NV 2024, 34, Rz 9).

  24. 5. Die angebliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) als Verfahrensmangel im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt. Um einen solchen Mangel hinreichend darzulegen, hätte die (im Klageverfahren und vorliegend) fachkundig vertretene Klägerin unter anderem vortragen müssen, weshalb sie nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und weshalb sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich habe aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2016 - XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599, Rz 18; vom 04.03.2020 - XI B 30/19, BFH/NV 2020, 611, Rz 11). Die Sachaufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche ein Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (vgl. BFH-Beschluss vom 26.04.2018 - XI B 117/17, BFH/NV 2018, 953, Rz 32). Da es sich um einen Verfahrensmangel handelt, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann, hätte die Klägerin außerdem vortragen müssen, dass sie den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei (vgl. BFH-Beschluss vom 05.12.2013 - XI B 1/13, BFH/NV 2014, 547, Rz 9). Dies ist nicht geschehen.

  25. 6. Mit der Rüge, aufgrund einer Divergenz sei die Zuständigkeit des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes gegeben, dringt die Beschwerde nicht durch, weil keine Divergenz vorliegt (s. unter 1. sowie BFH-Beschlüsse vom 16.07.2024 - XI B 43/23, BFH/NV 2024, 1181, Rz 4; vom 30.04.2025 - XI B 33/24, Rz 53).

  26. a) Regelmäßig ergibt sich sowohl nach der Rechtsprechung des BFH als auch nach der Rechtsprechung des BGH aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. BFH-Urteil vom 27.09.2018 - V R 9/17, BFH/NV 2019, 127, Rz 15; BGH-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21, UR 2022, 794, Rz 12, m.w.N.). Tritt jemand im Rechtsverkehr im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet und dem "Strohmann" sind die Leistungen zuzurechnen (vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 - V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.b). Vereinbarungen sind unter anderem dann steuerrechtlich unbeachtlich, wenn sie der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität nicht entsprechen (s. dazu oben unter 3.b bb (2)).

  27. b) Ob nach diesen Grundsätzen sexuelle Dienstleistungen unmittelbar von der Prostituierten an den Kunden oder vom Betreiber eines Bordells an den Kunden erbracht werden, ist eine Frage der tatsächlichen Würdigung im Einzelfall, die vornehmlich dem Tatrichter obliegt und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.09.2018 - V R 9/17, BFH/NV 2019, 127, Rz 17; BGH-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21, UR 2022, 794, Rz 14).

  28. c) Die Klägerin bringt darüber hinaus vor, der Streitfall werfe die abstrakte und über den entschiedenen Einzelfall hinaus bedeutsame Rechtsfrage auf (Beschwerdebegründungsschrift, S. 32), ob "der Primat der zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen mit der Zurechnung der Leistung bei einer anderen Person als derjenigen, die im eigenen Namen, wenn eventuell auch auf fremde Rechnung, gehandelt hat, branchenunabhängig oder … für die Leistungszurechnung der von einer in den Räumen eines Bordells im eigenen Namen tätigen Prostituierten erbrachten Prostitutionsdienstleistungen eine andere Bewertung aufgrund des alleinigen Abstellens auf eine geschaffene und unterhaltene organisatorische Struktur [gilt]?", die eine Entscheidung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes verlangt.

  29. aa) Die Beschwerde legt bereits nicht dar, wieso für die Beantwortung dieser abstrakten Rechtsfrage der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zuständig sein soll. Der Gemeinsame Senat entscheidet nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, wenn ein oberster Gerichtshof in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs oder des Gemeinsamen Senats abweichen will.

  30. bb) Im Übrigen stellt sich diese Frage nicht. Sowohl der BGH als auch der BFH gehen davon aus, dass für die Zurechnung von sexuellen Dienstleistungen die allgemeinen (und keine besonderen) Grundsätze gelten (vgl. BFH-Urteile vom 21.02.1991 - V R 11/91, BFH/NV 1991, 844, unter II.1.b; vom 27.09.2018 - V R 9/17, BFH/NV 2019, 127, Rz 13; BFH-Beschlüsse vom 26.09.2017 - XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 18; vom 25.11.2009 - V B 31/09, BFH/NV 2010, 959, unter 1.; vom 29.01.2008 - V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, unter II.2.a; vom 31.03.2006 - V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138, unter II.1.; BGH-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21, UR 2022, 794, Rz 12). Es kommt auch ‑‑wie allgemein‑‑ nicht darauf an, ob eine Tätigkeit gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (§ 40 der Abgabenordnung).

  31. 7. Mit der Rüge, das Urteil der Vorinstanz verletze Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, dringt die Beschwerde vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht durch.

  32. Anders als die Beschwerde meint, bemüht der BFH bezogen auf Prostitutionsdienstleistungen keinen von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Bewertungsansatz, sondern stellt auf die allgemeinen Grundsätze und das Auftreten nach außen ab (s. dazu unter 6.). Der Senat teilt ausdrücklich die Auffassung der Beschwerde, dass ein sachlicher Grund für einen branchenbezogenen Bewertungsansatz nicht ersichtlich wäre.

  33. 8. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung und ohne Wiedergabe des Tatbestands.

  34. 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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