Zum Hauptinhalt springen Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen
Zur Hauptnavigation springen Zum Footer springen

Urteil vom 14. Mai 2025, VI R 8/23

Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 14.05.2025 - VI R 9/23 - Keine gewerbliche Tätigkeit bei bloßer Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks

ECLI:DE:BFH:2025:U.140525.VIR8.23.0

BFH VI. Senat

EStG § 4 Abs 1, EStG § 6b, EStG § 6c, EStG § 15 Abs 2, EStG § 4 Abs 1, EStG § 6b, EStG § 6c, EStG § 15 Abs 2, BBauG § 123, BBauG § 124, BBauG § 129 Abs 1 S 3, EStG VZ 2008 , EStG VZ 2009 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011

vorgehend FG Münster, 20. April 2023, Az: 8 K 328/21 E

Leitsätze

NV: Die bloße Übernahme der Kosten der Erschließung eines land- und forstwirtschaftlichen Grundstücks aufgrund eines Vertrags mit dem von der Gemeinde beauftragten Erschließungsträger führt nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20.04.2023 - 8 K 328/21 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden für die Streitjahre (2008 bis 2011) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Neben anderen Einkünften erzielte der Kläger solche aus Land- und Forstwirtschaft. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

  2. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb umfasste unter anderem das Grundstück Gemarkung …, Flur …, Flurstück … Im Rahmen eines Umlegungsverfahrens erhielt der Kläger hierfür … Flurstücke mit der Nutzungsart "Bauplatz", das Flurstück … mit der Nutzungsart "Gartenland" und das Flurstück … mit der Nutzungsart "Ackerland" sowie eine Ausgleichszahlung. Die Grundstücke der Nutzungsarten "Bauplatz" und "Gartenland" lagen innerhalb des Bebauungsplangebiets Nr. … "…" der Stadt X. Auf die Aufstellung des Bebauungsplans und dessen Finanzierung hatte der Kläger keinen Einfluss genommen.

  3. Am 14.09.2007 schlossen die Firma … (H-KG) und der Kläger einen Vertrag über die Beteiligung an Herstellungskosten im Bebauungsplangebiet Nr. … "…". Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass zwischen der Stadt X und der H-KG ein städtebaulicher Erschließungsvertrag für das Bebauungsplangebiet abgeschlossen wird. Der Vertrag regelte die anteilige Beteiligung des Grundstückseigentümers an den Kosten der H-KG, wobei sich diese vorbehielt, unvorhersehbare Mehrkosten und Mehrkosten aufgrund etwaiger Preisgleitklauseln oder Preisvorbehalte nachträglich auf den Kläger umzulegen. Zur Sicherung der Zahlungsansprüche hatte der Kläger der H-KG eine brieflose Gesamtgrundschuld einschließlich dinglicher Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung in Höhe von … € zu bestellen. Der Vertrag sah zudem ein Rücktrittsrecht zugunsten der H-KG für den Fall vor, dass der Abschluss des Erschließungsvertrags mit der Stadt X und der Kostenbeteiligungsvereinbarungen mit allen anderen Eigentümern der Fremdanliegergrundstücke im Bebauungsplangebiet nicht zustande kommen sollte. Die erste Ratenzahlung leistete der Kläger bereits am 18.10.2007.

  4. Am 19.12.2007 schlossen die Stadt X, die Entsorgungsbetriebe und die Stadtwerke X GmbH als Wasserversorger mit der H-KG als Erschließungsträger einen Erschließungsvertrag nach § 124 des Baugesetzbuchs in der damals geltenden Fassung (BauGB). Darin übertrug die Stadt X der H-KG die Erschließung des betroffenen Bebauungsplangebiets. Letztere verpflichtete sich, die Erschließung im eigenen Namen und auf eigene Kosten vorzunehmen. Dabei war es der H-KG überlassen, zur Refinanzierung eine Beteiligung der Eigentümer der Fremdanliegergrundstücke an den Erschließungskosten zu erreichen. Einen Anspruch auf eine Beteiligung an den Erschließungskosten gegenüber der Stadt X hatte die H-KG nicht. Zudem war vereinbart, dass die Stadt X ‑‑bei ordnungsgemäßer Erfüllung des Erschließungsvertrags‑‑ die Eigentümer der Grundstücke im Bebauungsplangebiet nicht zur Zahlung von Erschließungsbeiträgen für die vom Erschließungsträger hergestellten Erschließungsanlagen heranziehen werde. Für Schäden aufgrund einer Verletzung der dem Erschließungsträger obliegenden Verkehrssicherungspflicht und für Schäden an bereits verlegten Leitungen infolge der Erschließungsmaßnahmen oder auf sonstige Weise haftete die H-KG gegenüber der Stadt X. Dieser gegenüber war sie auch gewährleistungsverpflichtet. Zur Sicherung aller sich aus diesem Vertrag für die H-KG ergebenden Verpflichtungen hatte diese zudem eine Sicherheit in Höhe von circa … € durch Übergabe einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu leisten.

  5. In den Streitjahren veräußerte der Kläger schließlich mehrere Baugrundstücke. Im jeweiligen Kaufpreis waren alle Erschließungslasten enthalten. Zudem tauschte der Kläger in den Streitjahren weitere Baugrundstücke gegen Flurstücke der Nutzungsart "Landwirtschaftsfläche" sowie ein Flurstück der Nutzungsart "Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, Grünanlage, Teich" nebst entsprechenden Ausgleichszahlungen. In den Tauschverträgen wurden die vom Kläger hingegebenen Flurstücke jeweils unter Berücksichtigung der Erschließungskosten bewertet. Zudem veräußerte der Kläger das Flurstück mit der Nutzungsart "Gartenland". Die Veräußerungsgewinne setzte er bei seinen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft an und stellte sie zunächst vollständig in eine Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG ein, die er zum Teil gewinnerhöhend auflöste und auf Reinvestitionswirtschaftsgüter im Sinne des § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG übertrug.

  6. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt ‑‑FA‑‑) vertrat die Auffassung, die Veräußerungen der Grundstücke seien ‑‑mit Ausnahme des Gartenlandgrundstücks‑‑ im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt. Zwar habe der Kläger die Grundstücke nicht selbst erschlossen. Ihm seien jedoch die dahingehenden Aktivitäten der H-KG zuzurechnen. Denn er habe die gesamten Erschließungskosten getragen, die erschlossenen Grundstücke eigeninitiativ vermarktet und im Zuge dessen seine Kosten auf die Erwerber der Grundstücke überwälzt. Damit habe der Kläger das wirtschaftliche Risiko der Erschließung wie ein Erschließungsunternehmer getragen. Die veräußerten Baugrundstücke seien daher zum Buchwert aus dem Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs in das Umlaufvermögen des Gewerbebetriebs "gewerblicher Grundstückshandel" überführt worden, so dass die Veräußerungsgewinne nicht in eine Rücklage gemäß §§ 6b, 6c EStG hätten eingestellt werden können.

  7. Entsprechend dieser Rechtsauffassung änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre und erließ erstmalig ‑‑vorliegend nicht streitige‑‑ Gewerbesteuermessbescheide.

  8. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Veräußerung der Grundstücke stelle keinen gewerblichen Grundstückshandel dar. Es handele sich hierbei vielmehr um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Daher habe der Kläger die streitigen Rücklagen nach § 6b Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG bilden können.

  9. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

  10. Es beantragt,
    das Urteil des FG Münster vom 20.04.2023 - 8 K 328/21 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

  11. Die Kläger beantragen,
    die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision des FA ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑). Das FG hat zutreffend entschieden, dass es sich bei den streitigen Grundstücksveräußerungen um Hilfsgeschäfte des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers handelt, so dass dieser bis zu der Höhe der bei den Veräußerungen entstandenen Gewinne eine Rücklage nach § 6c i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG bilden konnte.

  2. 1. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung ist. Das gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch dann, wenn ein großes, bisher landwirtschaftlich genutztes Areal parzelliert wird und zahlreiche Parzellen an verschiedene Erwerber mit erheblichem Gewinn veräußert werden. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet (BFH-Urteile vom 08.11.2007 - IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl II 2008, 231 und vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, jeweils unter II.1., m.w.N.).

  3. a) Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen (BFH-Urteil vom 08.09.2005 - IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl II 2006, 166, unter 1.a und b). Denn damit verwertet der Landwirt die Grundstücke seines Anlagevermögens wie ein Gewerbetreibender und erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG. Zum Zeitpunkt der in Veräußerungsabsicht vorgenommenen werterhöhenden Aktivitäten werden die Grundstücke zum gewerblichen Umlaufvermögen (BFH-Urteile vom 08.11.2007 - IV R 34/05, BFHE 219, 306, BStBl II 2008, 231 und vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, jeweils unter II.1.a).

  4. b) Ob die Aktivitäten im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen zu einer gewerblichen Tätigkeit führen, muss zur Abgrenzung von der privaten Vermögensverwaltung und von den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft nach gleichen Grundsätzen entschieden werden (BFH-Urteil vom 05.10.1989 - IV R 35/88, BFH/NV 1991, 317, unter 1.). Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II.).

  5. aa) Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind danach etwa die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung (BFH-Urteil vom 25.10.2001 - IV R 47, 48/00, BFHE 197, 109, BStBl II 2002, 289, unter 2.b cc) oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung (BFH-Urteil vom 28.06.1984 - IV R 156/81, BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798, unter 1.a).

  6. bb) Demgegenüber reichen die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt einschließlich der entsprechenden Baulastbewilligung nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.1984 - IV R 156/81, BFHE 141, 513, BStBl II 1984, 798, unter 1.b). Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht; maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist (BFH-Urteil vom 28.09.1987 - VIII R 306/84, BFH/NV 1988, 301).

  7. Unschädlich sind nach der Rechtsprechung des BFH außerdem die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner bauplanungsrechtlichen Mitwirkungsrechte tätig wird. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen die bloße Übernahme von Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich (BFH-Urteil vom 08.09.2005 - IV R 38/03, BFHE 211, 195, BStBl II 2006, 166, unter 1.b).

  8. cc) Die Erschließung des Baugeländes ist dem Verkäufer allerdings dann als eigene Tätigkeit zuzurechnen, wenn er sich zu ihrer Durchführung eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art eigengewerblich betreibt (BFH-Urteil vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.c). Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer die durch die Beauftragung des Dritten entstehenden Kosten als Teil des Gesamtkaufpreises von den Parzellenkäufern verlangt (BFH-Urteil vom 14.11.1972 - VIII R 71/72, BFHE 107, 501, BStBl II 1973, 239).

  9. Dagegen können dem Grundstückseigentümer Aktivitäten eines Dritten nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Denn in einem solchen Fall bedient sich der Grundstückseigentümer nicht des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt; die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten (BFH-Urteil vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.c). Insofern kommt es maßgeblich darauf an, ob der Vertrag mit dem Grundstückseigentümer der Absicherung des bei der Erschließung von dem Bauunternehmer übernommenen Risikos dient (BFH-Urteil vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.2.c).

  10. 2. Danach hat der Kläger im Streitfall die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten. Vielmehr handelt es sich bei den streitigen Grundstücksveräußerungen einschließlich der Tauschgeschäfte um land- und forstwirtschaftliche Hilfsgeschäfte.

  11. a) Ausweislich des Erschließungsvertrags vom 19.12.2007 hat die Stadt X die ihr nach § 123 BauGB obliegende kommunale Aufgabe der inneren Erschließung des Bebauungsplangebiets und damit auch der darin belegenen Grundstücke des Klägers auf die H-KG übertragen. Aufgrund dessen hat diese das Baugebiet im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung erschlossen. Damit hat allein die H-KG als Erschließungsträger und nicht der Kläger die wertsteigernde gewerbliche Tätigkeit betreffend die streitigen Grundstücke entfaltet und dadurch die streitigen Grundstücke zu Objekten anderer Marktgängigkeit gemacht.

  12. b) Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat sich der Kläger an der Erschließung des Bebauungsplangebiets durch die H-KG auch nicht (schädlich) beteiligt.

  13. aa) So hat das FG zunächst festgestellt, dass der Kläger auf die Aufstellung des Bebauungsplans und dessen Finanzierung keinen Einfluss genommen hat.

  14. bb) Der Umstand, dass der Kläger die Grundstücke eigenständig vermarktet und sich insoweit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt hat, führt nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels, da ‑‑wie das FG zutreffend ausgeführt hat‑‑ nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auch umfangreiche Veräußerungen mit erheblichem Gewinn nicht als gewerbliche Tätigkeit einzustufen sind.

  15. cc) Im Übrigen begründet das vom Kläger durch die Vorfinanzierung der Erschließungskosten und Bestellung der Grundschuld entstandene (teilweise) Kostentragungsrisiko, falls deren Überwälzung auf die Erwerber der Grundstücke nicht (vollständig) gelingen sollte, keine gewerbliche Tätigkeit (so bereits BFH-Urteil vom 08.11.2007 - IV R 35/06, BFHE 220, 28, BStBl II 2008, 359, unter II.1.b bb, m.w.N.). Denn die dahingehende Gefahr gründet auf der erschließungsbeitragsrechtlichen Grundentscheidung, dem anliegenden Eigentümer/Erbbauberechtigten als Nutznießer die Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen (teilweise) aufzuerlegen (§§ 127 ff. BauGB). Diese sind daher stets mit den dahingehenden Kosten und dem damit einhergehenden "Refinanzierungsrisiko" belastet, unabhängig davon, ob die Gemeinde die Erschließung beitragsbewehrt in "Eigenregie" durchführt, oder ob sie die Erschließung ‑‑wie vorliegend‑‑ auf einen Dritten überträgt, der sie in "Fremdregie" unternimmt und sich privatrechtlich refinanziert (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ‑‑BVerwG‑‑ vom 01.12.2010 - 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 48).

  16. Dies gilt auch, soweit der Steuerpflichtige ‑‑wie im Streitfall‑‑ die Erschließungskosten vollständig und damit über die gesetzliche Beitragspflicht von maximal 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) hinaus übernommen hat. Auch dies ist nicht als aktive Mitwirkung an der Baureifmachung anzusehen.

  17. Die Rechtsprechung des BFH, nach der eine aktive Mitwirkung bei der Erschließung seines Baugeländes darin zu erblicken ist, dass der Landwirt die Erwerber seiner Grundstücke verpflichtet, Erschließungskosten über ihre gesetzliche Verpflichtung von 90 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands hinaus zu tragen (s. BFH-Urteile vom 05.12.1968 - IV R 164/68, BFHE 94, 457, BStBl II 1969, 236 und vom 29.08.1973 - I R 214/71, BFHE 110, 348, BStBl II 1974, 6), steht dem nicht entgegen. Denn diese betrifft ‑‑anders als der Streitfall‑‑ zum einen nicht die Frage der Übernahme "überobligatorischer" Kosten durch den Grundstückseigentümer, sondern deren Weitergabe im Interesse der Gemeinde und damit ersichtlich einen anderen Sachverhalt. Zum anderen können die Gemeinden seit dem Inkrafttreten des Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetzes vom 22.04.1993 am 01.05.1993 (BGBl I 1993, 466 ff.) gemäß § 124 Abs. 2 BauGB a.F. trotz der gesetzlich vorgesehenen Beteiligungspflicht am Erschließungsaufwand von mindestens 10 % (gemeindlicher Eigenanteil nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) im Rahmen eines Erschließungsvertrags oder sonstiger städtebaulicher Verträge die Erschließungskosten auch ganz auf einen Dritten abwälzen (z.B. BVerwG-Urteil vom 30.01.2013 - 9 C 11.11, BVerwGE 145, 354, Rz 15). Jedenfalls seither kann die Überwälzung sämtlicher (vertraglich übernommener) Erschließungskosten auf die Erwerber der Grundstücke keine Gewerblichkeit (mehr) begründen.

  18. c) Schließlich sind die Erschließungsmaßnahmen der H-KG dem Kläger ‑‑entgegen der Auffassung des FA‑‑ auch nicht (wirtschaftlich) zuzurechnen. Denn im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger vorliegend zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eines Dritten ‑‑hier der H-KG‑‑ bedient hat. Vielmehr hat die Stadt X ‑‑und nicht der Kläger‑‑ die H-KG mit den Erschließungsmaßnahmen mit Erschließungsvertrag vom 19.12.2007 beauftragt. Bei dem zwischen dem Kläger und der H-KG geschlossenen Vertrag vom 14.09.2007 handelt es sich, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, lediglich um eine zivilrechtliche Kostentragungsregelung, die kein dahingehendes Auftragsverhältnis begründet und daher keine Zurechnung der Erschließungsaktivitäten rechtfertigen kann.

  19. aa) Zwar weist das FA zutreffend darauf hin, dass zwischen der Stadt X, der H-KG und dem Kläger aufgrund der vorliegenden Vertragsgestaltung ein Dreiecksverhältnis ("Erschließungsdreieck") bestand. Danach hat die Stadt X die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung auf die H-KG als Erschließungsträger übertragen. Diese refinanzierte sich privatrechtlich beim Kläger als Grundstückseigentümer, indem dieser sich verpflichtete, der H-KG die dieser aus der Erfüllung des mit der Stadt X geschlossenen Erschließungsvertrags entstehenden Kosten zu ersetzen. Der Vertrag vom 14.09.2007 ist damit nicht unabhängig von dem Erschließungsvertrag geschlossen worden (vgl. BVerwG-Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 26). Vielmehr besteht wegen der Refinanzierungsverpflichtung eine "Akzessorietät" zwischen Erschließungsvertrag und Kostenvereinbarung (vgl. BVerwG-Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 26). An dem Umstand, dass allein die H-KG die Erschließung als privater Erschließungsträger und als "Investor" durchgeführt hat und sich dabei von kaufmännischen Überlegungen hat leiten lassen und unter Ausnutzung der Möglichkeiten des "Marktes" mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist (vgl. BTDrucks 12/3944, S. 24 und 29; BVerwG-Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09, BVerwGE 138, 244, Rz 40), ändert sich dadurch jedoch nichts.

  20. bb) Insbesondere folgt aus der Übernahme der Erschließungskosten durch den Kläger ‑‑trotz Vorfinanzierung‑‑ nicht, dass er das wirtschaftliche Risiko betreffend die Erschließung des Bebauungsplangebietsgetragen hat. Vielmehr lag das dahingehende Kostenrisiko ausweislich der Vertragsgestaltung ausschließlich bei der H-KG als Erschließungsunternehmen. Denn diese ist die Verpflichtung zur Erschließung des Bebauungsplangebiets eingegangen und hätte diese ‑‑abgesehen von der Möglichkeit grundsätzlich vom Vertrag zurückzutreten‑‑ auch dann durchführen müssen, wenn die Refinanzierung fehlgeschlagen wäre und/oder sich die Erschließung für sie nicht gerechnet hätte, weil sie die ihr entstehenden Kosten nicht oder nicht ausreichend auf die Anlieger hätte überwälzen können. Der Umstand, dass der H-KG die Refinanzierung im Streitfall vorzeitig gelungen ist, mag den vorliegenden vertraglichen Gegebenheiten, den kommunalen Rahmenbedingungen und/oder dem unternehmerischen Geschick des Erschließungsträgers geschuldet sein. Auf einer steuererheblichen Risikoverlagerung dahingehend, dass die Erschließung auf eigene Rechnung des Klägers erfolgte und dieser deshalb als Erschließungsunternehmer anzusehen wäre, gründet der wirtschaftliche Erfolg der H-KG jedenfalls nicht.

  21. 3. Hinsichtlich der sich hieraus für die Steuerfestsetzung ergebenden Auswirkungen, insbesondere betreffend die Höhe und Entwicklung der Rücklage nach § 6b EStG, besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, weshalb der Senat von Ausführungen hierzu absieht. Auch ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Betriebsvermögenseigenschaft der in das Umlegungsverfahren eingeworfenen Grundstücke an den im Zuteilungswege erlangten Grundstücken als "Surrogat" unverändert fortgesetzt hat und die eingebrachten und erlangten Flächen als wirtschaftlich identisch zu werten sind (s. Senatsurteil vom 12.04.2022 - VI R 22/20, BFHE 277, 126, BStBl II 2023, 384, Rz 42, m.w.N.).

  22. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Seite drucken