ECLI:DE:BFH:2025:U.290725.XR23.21.0
BFH X. Senat
AO § 5, AO § 146 Abs 1 S 2, AO § 158, AO § 162 Abs 1, AO § 162 Abs 2, FGO § 96 Abs 1 S 1 Halbs 2
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz , 23. März 2021, Az: 3 K 1862/19
Leitsätze
1. Ein formeller Buchführungsmangel, der eine Schätzungsbefugnis nach § 162 der Abgabenordnung (AO) begründet, kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch dann vorliegen, wenn ein Kassensystem Stornierungen zulässt und diese systembedingt in den Tagesabschlüssen oder in den Z-Bons nicht ausgewiesen werden.
2. Finanzamt (FA) und Finanzgericht (FG) sind in der Wahl ihrer Schätzungsmethoden grundsätzlich frei. Jedoch ist diese Freiheit bei mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den allgemeinen für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (§ 5 AO) geltenden Grundsätzen eingeschränkt.
3. Im Rahmen der Ermessensausübung sind tendenziell ungenauere Schätzungsmethoden gegenüber genaueren Schätzungsmethoden nachrangig. In der Regel ist der innere Betriebsvergleich im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen.
4. FA und FG müssen das Ergebnis ihrer Schätzung nachvollziehbar begründen. Eine fehlende oder nicht nachvollziehbare Begründung kann zu einem sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils führen, der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann.
Tenor
Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 23.03.2021 - 3 K 1862/19 und 3 K 1996/20, soweit sich Letzteres auf die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2013 bezieht, aufgehoben.
Die Sachen werden insoweit an das Finanzgericht Rheinland-Pfalz zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten der Verfahren übertragen.
Tatbestand
I.
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Kläger führte neben einer anderweitigen, gewinnbringenden gewerblichen Betätigung seit dem Jahr 2008 auch einen Gastronomiebetrieb. Um das Tagesgeschäft kümmerten sich zwei angestellte Geschäftsführer. Der Gewinn wurde durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.
Für die Streitjahre 2011 bis 2013 hatte der Kläger bei Umsatzerlösen in Höhe von 507.108 € (2011), 574.320 € (2012) und 620.671 € (2013) Gewinne beziehungsweise Verluste aus dem Gastronomiebetrieb in Höhe von 3.454,23 € (2011), 198,01 € (2012) und ./. 5.957,05 € (2013) erklärt.
Nach einer für die Streitjahre 2011 bis 2013 durchgeführten Außenprüfung nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) bei dem Gastronomiebetrieb Hinzuschätzungen zu den Erlösen und Umsätzen mit der Begründung vor, dass die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Grund hierfür war, dass die in den Streitjahren genutzte EDV-Kasse, die der Kläger von dem vorherigen Inhaber des Gastronomiebetriebs übernommen hatte, als "Tagesabschlüsse" bezeichnete Belege ausgab, die zwar mit einem Datum versehen waren und eine Gesamtsumme auswiesen, aber nicht fortlaufend nummeriert waren. Es wurden auch keine Stornobuchungen aufgeführt, obwohl diese möglich waren. Des Weiteren enthielten die Belege keine Angaben zur jeweiligen Zahlungsweise, zu der Uhrzeit, zu der sie gefertigt worden waren, und dazu, ob es sich um den einzigen Tagesabschluss handelte oder ob an dem betreffenden Tag mehrere Tagesabschlüsse erstellt worden waren. Der Kläger hatte zudem weder eine Programmier- und Bedienungsanleitung noch Organisationsunterlagen für die Kasse vorlegen können. Schließlich waren zu den Bilanzstichtagen keine Inventuren zur Ermittlung des Warenbestands durchgeführt worden. Abgesehen von der Kassenführung und der fehlenden Inventur war die Buchhaltung, die die Prüferin stichprobenartig überprüft hatte, im Wesentlichen ohne Beanstandung geblieben.
Eine sogenannte Ausbeutekalkulation hatte die Prüferin für "nicht zielführend" gehalten und zur Begründung ausgeführt, bei "Portionsgrößen und Personalverköstigung" habe es "so große Unwägbarkeiten gegeben", dass eine betriebsinterne Kalkulation nicht möglich gewesen sei. Stattdessen hatte sie Hinzuschätzungen auf der Grundlage der vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) veröffentlichten Richtsatzsammlungen für das Kalenderjahr 2011 (BMF-Schreiben vom 21.06.2012, BStBl I 2012, 626) ‑‑RSS 2011‑‑ vorgenommen, dabei aber, ebenfalls mit Blick auf die besonderen betrieblichen Gegebenheiten ("z.B. hochwertiger Wareneinkauf und hohe Abfallquote"), den untersten in der RSS 2011 für Gastronomiebetriebe ausgewiesenen Rohgewinnaufschlagsatz (186 %) in Ansatz gebracht und von dem auf diese Weise kalkulierten Mehrergebnis zusätzlich noch einen "Sicherheitsabschlag" von 30 % vorgenommen. Hierzu hatte sie ausgeführt, auch die Personalverköstigung sei damit hinreichend berücksichtigt worden.
Die Erlöse und Umsätze des Klägers erhöhten sich dadurch für das Streitjahr 2011 um 82.212,62 € (+ 16,21 %), für das Streitjahr 2012 um 56.970,54 € (+ 9,92 %) und für das Streitjahr 2013 um 80.816,56 € (+ 13,02 %).
Die Kläger legten Einsprüche gegen die im Anschluss an die Außenprüfung ergangenen Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbeträge ein, mit denen sie die Schätzungen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach angriffen. Sie machten unter anderem geltend, der Kläger habe, da die Kassenabrechnungen von den Fremdgeschäftsführern vorgenommen worden seien, keinerlei Zugriff auf die Kasse und keinerlei Einfluss- oder Manipulationsmöglichkeiten in Bezug auf die Einnahmenerfassung gehabt. Zudem seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Falle einer Schätzung interne Überprüfungsmethoden vorrangig anzuwenden, da diese zu genaueren Ergebnissen führten als externe Betriebsvergleiche oder statistische Methoden. Die Behauptung der Prüferin, eine Nachkalkulation sei wegen der betrieblichen Gegebenheiten nicht möglich gewesen, könne nicht nachvollzogen werden. Wieviel Fleisch bei den verschiedenen Gerichten im Durchschnitt eingesetzt werde und wie hoch die Abfallquoten seien, sei der Prüferin mitgeteilt worden. Ein interner Betriebsvergleich mit den Rohgewinnaufschlagsätzen und den Betriebsgewinnen der Vorjahre zeige darüber hinaus, dass die erklärten Erlöse in sich konsistent und plausibel seien. Eine Nachkalkulation hätte dieses Ergebnis bestätigt. Eine Schätzung auf der Grundlage der Richtsatzsammlung sei daher unzulässig gewesen. Die Prüferin sei selbst der Auffassung gewesen, dass die Richtsatzsammlung im vorliegenden Fall zu unzutreffenden Ergebnissen führe, und habe den untersten Wert um 30 % unterschritten. Dies sei allerdings ein willkürlicher Wert, weil nicht nachvollzogen werden könne, warum der unterste Wert nicht um 40 %, 50 % oder 70 % hätte unterschritten werden müssen. Auch müsse generell die Tauglichkeit der amtlichen Richtsatzsammlung in Frage gestellt werden; denn es sei völlig unklar, wie die Richtsätze entstünden, welche Daten darin enthalten seien, welche Besonderheiten die erfassten Betriebe hätten und ob sie in wirtschaftsschwachen oder in wirtschaftsstarken Regionen lägen. Solange die Richtsatzsammlung eine "Black-Box" darstelle, könne der Datenbestand nicht als Vergleichsparameter herangezogen werden. Schließlich habe die Betriebsprüfung außer Acht gelassen, dass der Kläger in seinem anderen Betrieb völlig unbeanstandete und korrekte Erklärungen eingereicht habe und mehrere Betriebsprüfungen ohne Änderungen abgeschlossen worden seien. Es passe überhaupt nicht zum Bild des Klägers, dass er Einnahmen nicht ordnungsgemäß erklärt haben solle.
Das FA wies die Einsprüche zurück.
Die dagegen gerichtete Klage (Aktenzeichen 3 K 1432/17) hatte im ersten Rechtsgang keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) als erfüllt an. Es ließ offen, ob sich im Streitfall Verstöße gegen die formelle Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung bereits daraus ergäben, dass sich nicht feststellen lasse, ob und in welchem Umfang die EDV-Kasse Manipulationsmöglichkeiten zugelassen habe. Denn die Schätzungsbefugnis gründe sich zum einen bereits auf den ‑‑zwischen den Beteiligten nicht streitigen‑‑ Umstand, dass Stornobuchungen jederzeit durch die Bediener der Kasse hätten vorgenommen werden können, aber in den Tagesabschlüssen nicht ausgewiesen worden seien. Zum anderen folge aus der Tatsache, dass die Tagesabschlüsse keine Angaben darüber enthielten, zu welcher Uhrzeit sie erstellt worden seien und ob es sich jeweils um den einzigen Tagesabschluss gehandelt habe, dass die vollständige Dokumentation der Umsätze nicht gewährleistet sei. Diese beiden Mängel seien besonders schwerwiegend, so dass Hinzuschätzungen auch ohne den konkreten Nachweis einer materiellen Unrichtigkeit des Buchführungsergebnisses gerechtfertigt und geboten gewesen seien.
Allerdings verwarf das FG die Aufschlagkalkulation des FA und nahm selbst eine Schätzung vor, indem es die Umsatzerlöse des Klägers auf der Grundlage einer vom FG selbst ermittelten Größe "erzielbare Tageserlöse" durch "pauschale Sicherheitszuschläge" erhöhte. Andere Schätzungsmethoden kämen "wegen zu vieler Unwägbarkeiten (Portionsgröße, Abfallquote, Personalverköstigung)" und wegen veränderter betrieblicher Verhältnisse in den Folgejahren nicht in Betracht. Die vom FA angewandte Schätzungsmethode überzeuge nicht, weil die Höhe des vorgenommenen Abschlags nicht näher begründet worden sei; es könne daher nicht nachvollzogen werden, weshalb das FA nicht einen anderen, geringeren oder höheren Prozentsatz als zutreffend angesehen habe.
Da die eigene Schätzung des FG jedoch im Ergebnis zu höheren Hinzuschätzungsbeträgen führte, bestätigte das FG unter Berufung auf das sogenannte Verböserungsverbot die Hinzuschätzung des FA auch der Höhe nach.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hin hob der erkennende Senat das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil mit Beschluss vom 21.08.2019 - X B 120/18 (BFH/NV 2022, 744) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Zur Begründung führte der Senat aus, das FG habe eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen, indem es die Richtsatzschätzung des FA durch einen Sicherheitszuschlag ersetzt habe, ohne zuvor auf den beabsichtigten Wechsel der Schätzungsmethode hinzuweisen. Im Übrigen wies der Senat darauf hin, dass zwar gegen die Bejahung der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach keine durchgreifenden Bedenken bestünden, die vom FG angeführten Erwägungen gegen die Vornahme eines inneren Betriebsvergleichs in Gestalt einer Aufschlagkalkulation aber nicht vollständig überzeugen könnten.
Im zweiten Rechtsgang trugen die Kläger ergänzend vor, dass der Kläger Ende 2016 eine sogenannte fiskalisierte Kasse neu angeschafft habe, die nicht manipulierbar sei. Diese Kasse zeige im Verhältnis zu den Vorjahren keine höheren Umsätze und Gewinne. Auch dies belege, dass der Kläger die Erlöse im Streitzeitraum nicht manipuliert, sondern korrekt erfasst habe.
Das FG hat gleichwohl mit Urteilen vom 23.03.2021 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 145) im Wesentlichen seine Entscheidung aus dem ersten Rechtsgang bestätigt. Es hat unter Berufung auf die Ausführungen des erkennenden Senats im Beschluss vom 21.08.2019 - X B 120/18 (BFH/NV 2022, 744) eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach erneut bejaht und ist in Bezug auf die Schätzungsmethode und die Höhe der Hinzuschätzung nunmehr dem FA gefolgt. Dieses habe bei seiner Schätzung ausdrücklich nicht den ansonsten üblichen mittleren Rohgewinnaufschlagsatz angewendet, sondern den untersten Rohgewinnaufschlagsatz. Damit habe das FA zugunsten der Kläger "großzügig" alle Unsicherheiten berücksichtigt, die eine Abweichung vom Mittelwert nach unten gebieten könnten, wie etwa die besonderen betrieblichen Gegebenheiten im Streitfall (hochwertiger Wareneinkauf, hohe Abfallquote, Personalverköstigung). Mit dem zusätzlichen Sicherheitsabschlag von 30 % habe das FA weitere mögliche Unschärfen ausreichend gewürdigt. Das so gewonnene Schätzungsergebnis sei jedenfalls als maßvoll anzusehen und auch wirtschaftlich möglich. Andere Schätzungsmethoden stünden im Streitfall nicht zur Verfügung. Im Ergebnis seien daher die Schätzungen des FA rechtlich nicht zu beanstanden.
Mit ihrer Revision greifen die Kläger die rechtliche Beurteilung des FG sowohl hinsichtlich der Schätzungsbefugnis dem Grunde nach als auch in Bezug auf die Höhe der Schätzung an. Darüber hinaus machen sie Verfahrensmängel geltend.
Die Kläger beantragen,
das vorinstanzliche Urteil sowie die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2013, jeweils vom 22.04.2016, und die Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 aufzuheben.Der Kläger beantragt,
das vorinstanzliche Urteil sowie die Umsatzsteuerbescheide und die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2011 bis 2013, jeweils vom 22.04.2016, und die Einspruchsentscheidung vom 30.03.2017 aufzuheben.Das FA beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.Es erwidert ergänzend, es gebe keinen Rechtssatz, dass interne Betriebsvergleiche den externen grundsätzlich vorzuziehen seien. Zwar habe sich der Senat in seinem Urteil vom 25.03.2015 - X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) für einen Vorrang derjenigen Schätzungsmethoden, die die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigten, gegenüber dem Zeitreihenvergleich ausgesprochen, und zwar für den Fall, dass die Buchführung des Steuerpflichtigen formell nicht ordnungsgemäß sei, materielle Unrichtigkeiten aber nicht konkret hätten nachgewiesen werden können. Jedoch habe der Senat ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass er damit nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweiche, der zufolge der Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode habe. Vor diesem Hintergrund stelle die amtliche Richtsatzsammlung nach wie vor ein wichtiges Hilfsmittel für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dar, das als Schätzungsgrundlage herangezogen werden dürfe. Im Übrigen sei eine Nachkalkulation auch deshalb nicht möglich gewesen, weil die hierzu erforderlichen Einzeldaten nicht mehr vorhanden seien. Insbesondere sei nicht bekannt, was im Einzelnen verkauft worden sei und wofür das Fleisch (jeweils) eingesetzt worden sei. Die Betriebsprüferin habe dies nicht klären können.
Das BMF ist den Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten. Einen eigenen Antrag hat es nicht gestellt.
Mit Beschluss vom 29.07.2025 sind die Verfahren X R 23/21 und X R 24/21 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Zwar hat das FG zutreffend eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bejaht (unter 1.). Allerdings ist die vom FG unter Verwendung von Kennzahlen der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF sowie eines griffweisen Abschlags vorgenommene Hinzuschätzung nicht nachvollziehbar begründet worden und kann daher nicht auf ihre Angemessenheit hin überprüft werden (unter 2.). Da dem Senat keine eigene Schätzungsbefugnis zukommt, muss die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (unter 3.). Der Senat weist ergänzend und nicht tragend darauf hin, dass erhebliche Zweifel an der Eignung der Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung bestehen (unter 4.).
1. Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass im Streitfall eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bestand.
a) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO gibt dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis.
aa) Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt.
Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO gilt das Gleiche, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 Abs. 2 AO ‑‑in den Streitjahren: § 158 AO a.F.‑‑ zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 AO nicht erteilt.
Gemäß § 158 AO a.F. sind die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
bb) Formelle Buchführungsmängel berechtigen nach ständiger Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (z.B. Senatsurteil vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 34; BFH-Urteile vom 12.12.2017 - VIII R 5/14, BFH/NV 2018, 602, Rz 38, vom 16.12.2021 - IV R 2/18, BFH/NV 2022, 313, Rz 32, und vom 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 43; Senatsbeschlüsse vom 12.07.2017 - X B 16/17, BFHE 257, 523, BFH/NV 2017, 1204, Rz 56, und vom 21.08.2019 - X B 120/18, BFH/NV 2022, 744, Rz 21).
Ein formeller Buchführungsmangel liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter anderem dann vor, wenn ein Kassensystem Stornierungen zulässt und diese systembedingt in den Tagesabschlüssen beziehungsweise in den Z-Bons nicht ausgewiesen werden. Denn infolge des fehlenden Ausweises solcher Stornierungen ist nicht mehr feststellbar, ob lediglich Fehlbuchungen korrigiert oder aber auch reguläre, nach § 146 Abs. 1 AO zu erfassende Einnahmebuchungen gelöscht worden sind (BFH-Beschluss vom 14.08.2018 - XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 10, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 21.08.2019 - X B 120/18, BFH/NV 2022, 744, Rz 21).
Auch wenn ein solcher Mangel im Allgemeinen noch keinen sicheren Schluss auf die tatsächliche Verkürzung von Einnahmen und folglich auf die sachliche Unrichtigkeit der Buchführung zulässt, gibt es doch in diesem Fall systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen. Bei einem Betrieb, der überwiegend Bargeschäfte tätigt, stellt dies die gesamte Buchführung in Frage und nimmt daher dem Buchführungsergebnis die Beweiskraftwirkung des § 158 AO a.F. (vgl. Senatsurteile vom 21.02.1990 - X R 54/87, BFH/NV 1990, 683, unter 1.e, und vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27; BFH-Urteil vom 14.12.2011 - XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921, Rz 34; BFH-Beschluss vom 14.08.2018 - XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 10; Senatsbeschluss vom 08.08.2019 - X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 18). Es bedarf in solchen Fällen keines Nachweises, dass das Kassensystem tatsächlich manipuliert wurde und tatsächlich Betriebseinnahmen verkürzt wurden.
Eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation oder eine anderweitige Heilung des Mangels ist in einem solchen Fall ebenfalls nicht möglich (Senatsurteil vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 27; Senatsbeschluss vom 21.08.2019 - X B 120/18, BFH/NV 2022, 744, Rz 21).
b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat das FG im Streitfall zu Recht eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach bejaht.
aa) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Buchführung des Klägers wegen des fehlenden Ausweises der vom Kassensystem ermöglichten Stornierungen in den jeweiligen Tagesabschlüssen und der Möglichkeit, mehrere Tagesabschlüsse an einem Tag zu fertigen, unter gravierenden formellen Mängeln leidet, die ihr die Beweiskraftwirkung des § 158 AO a.F. nehmen. Dies genügt nach den vorstehenden Grundsätzen bereits, eine Schätzungsbefugnis des FA und des FG nach § 162 AO zu begründen.
bb) Unerheblich ist in Anbetracht dessen, ob und in welchem Umfang die von dem Kläger in den Streitjahren genutzte EDV-Kasse weitere, über den Nichtausweis von Stornierungen hinausgehende Manipulationsmöglichkeiten zugelassen hat. Die von den Klägern beantragte Vernehmung der in diesem Zusammenhang benannten Zeugen war daher ebenso wenig geboten wie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Eine Heilung des Buchführungsmangels ist nicht ersichtlich und bei der von dem Kläger verwendeten Kasse auch nicht mehr denkbar.
Damit erübrigen sich auch die von den Klägern hierzu erhobenen Verfahrensrügen. Sie sind für den Streitfall nicht entscheidungserheblich.
2. Zwar waren demnach FA und FG im Streitfall dem Grunde nach zur Schätzung befugt. Die von dem FG vorgenommene Hinzuschätzung auf der Grundlage eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 186 % abzüglich eines "Sicherheitsabschlags" von 30 % ist aber nicht nachvollziehbar begründet worden.
a) Gemäß § 162 Abs. 1 Satz 2 AO (i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) sind bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind. Die daraus resultierenden Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (s. statt vieler Senatsurteil vom 17.06.2020 - X R 26/18, BFH/NV 2021, 314, Rz 23).
aa) Unter diesen Voraussetzungen sind FA und FG in der Wahl ihrer Schätzungsmethoden grundsätzlich frei (unter (1)). Eingeschränkt wird diese Freiheit durch die allgemein geltenden gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung (unter (2)).
(1) Der BFH hat wiederholt den Grundsatz bestätigt, dass das FA und gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO auch das FG in der Wahl ihrer Schätzungsmethoden frei sind. Es ist letztlich Sache der Tatsacheninstanz, zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, vorausgesetzt, diese ist geeignet, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Der Steuerpflichtige selbst hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode. Weder das FA noch das FG sind zudem grundsätzlich verpflichtet, das aufgrund einer Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern (BFH-Urteil vom 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 49; Senatsbeschlüsse vom 07.02.2017 - X B 79/16, BFH/NV 2017, 774, Rz 25, und vom 21.07.2017 - X B 167/16, BFH/NV 2017, 1447, Rz 18, jeweils m.w.N.).
(2) Allerdings ergibt sich aus § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Wahlfreiheit des FA beziehungsweise des FG bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den allgemeinen für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dass dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen anzustellen sind.
(a) Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Ermessensleitend ist deshalb das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte Schätzungsmethode unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig (Senatsurteil vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 60; ebenso BFH-Urteile vom 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 50, und vom 23.11.2023 - VI R 15/21, BFHE 283, 42, BStBl II 2024, 361, Rz 30).
Die weitgehende Freiheit des FA und des FG besteht folglich nur dann, wenn mehrere gleich geeignete Schätzungsmethoden zur Auswahl stehen (s.a. Kulosa, DB 2015, 1797, 1798). Ist dies nicht der Fall, wird das Ermessen von FA und FG eingeschränkt. Sie müssen sich für diejenige Schätzungsmethode entscheiden, welche die größere Gewähr dafür bietet, mit zumutbarem Aufwand das wahrscheinlichere Ergebnis zu erzielen (so zutreffend Seer in Tipke/Kruse, § 162 AO Rz 52). Tendenziell ungenauere Methoden sind gegenüber genaueren Methoden nachrangig (vgl. Senatsurteil vom 25.03.2015 - X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 59; Kulosa, DB 2015, 1797, 1798).
(b) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schätzung der Wirklichkeit möglichst nahekommt, wird umso größer sein, je umfangreicher und detaillierter sich der der Schätzung zugrunde gelegte Sachverhalt (Ausgangssachverhalt) aufklären lässt und je zuverlässiger die angewandte Schätzungsmethode ist. Eine genaue Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen kann allerdings im Schätzungswege trotz Bemühens um Zuverlässigkeit allenfalls zufällig erreicht werden (BFH-Urteile vom 26.04.1983 - VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618, unter 4.a, b, und vom 18.12.1984 - VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 2.).
(c) Unterschieden wird (unter anderem) zwischen Umsatzschätzungen durch äußeren und durch inneren Betriebsvergleich.
Im Allgemeinen haftet dem äußeren Betriebsvergleich ein starkes Unsicherheitsmoment an, da kaum ein Betrieb dem anderen gleicht. Daher ist grundsätzlich ein innerer Betriebsvergleich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen (BFH-Urteil vom 26.04.1983 - VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618, unter 4.c). Zwar ist auch eine Nachkalkulation nicht frei von Unsicherheiten; doch ist hier die Möglichkeit von Fehlern stärker eingeengt (BFH-Urteil vom 26.04.1983 - VIII R 38/82, BFHE 138, 323, BStBl II 1983, 618, unter 4.c).
Eine besondere Form des äußeren Betriebsvergleichs ist die sogenannte Richtsatzschätzung, also eine Schätzung anhand der Kennzahlen der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF. Diese Schätzungsmethode wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang als grundsätzlich zulässig anerkannt (vgl. u.a. aus jüngerer Zeit BFH-Urteile vom 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 60, und vom 16.12.2021 - IV R 2/18, BFH/NV 2022, 313, Rz 49; Senatsbeschluss vom 08.08.2019 - X B 117/18, BFH/NV 2019, 1219, Rz 37; BFH-Beschlüsse vom 14.08.2018 - XI B 2/18, BFH/NV 2019, 1, Rz 20; vom 01.08.2014 - V S 16/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1768, Rz 25, sowie vom 05.12.2007 - X B 4/07, BFH/NV 2008, 587, unter 1.c; ebenso zum Steuerstrafrecht Urteile des Bundesgerichtshofs ‑‑BGH‑‑ vom 08.03.2022 - 1 StR 360/21, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht ‑‑wistra‑‑ 2022, 338, Rz 13; BGH-Beschlüsse vom 11.03.2021 - 1 StR 521/20, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2021, 743, Rz 14, und vom 14.05.2020 - 1 StR 6/20, wistra 2021, 28, Rz 25, jeweils m.w.N.).
bb) Sowohl das FA als auch das FG müssen das Ergebnis ihrer Schätzung nachvollziehbar begründen.
(1) Sie müssen die der Schätzung zugrunde liegenden konkreten, betriebsbezogenen Annahmen benennen, damit die Beteiligten ‑‑und auch das Revisionsgericht‑‑ nachprüfen können, ob die Schätzung den gesetzlichen Vorgaben entspricht, ob sie also insbesondere schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig ist (vgl. Senatsurteile vom 19.07.2011 - X R 48/08, BFH/NV 2011, 2032, Rz 20, und vom 20.03.2017 - X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 52; BFH-Urteil vom 18.12.1984 - VIII R 195/82, BFHE 142, 558, BStBl II 1986, 226, unter 3.).
Das FA und das FG haben darzulegen, wie sie ihre Überzeugung gewonnen haben und dass die Überzeugungsbildung in rechtlich zulässiger und einwandfreier Weise zustande gekommen ist (BFH-Urteil vom 16.12.2021 - IV R 1/18, BFH/NV 2022, 305, Rz 48, m.w.N.; Senatsurteil vom 28.11.2023 - X R 3/22, BFHE 283, 66, BStBl II 2024, 329, Rz 56). Zwar ist die tatrichterliche Überzeugungsbildung revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, sie muss aber gleichwohl verstandesmäßig einsichtig und logisch nachvollziehbar sein. Sie darf keine inneren Widersprüche aufweisen, lückenhaft oder unklar sein oder gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen. Außerdem muss sie sich auf festgestellte Tatsachen stützen.
(2) Die Begründungspflicht gilt auch dann, wenn eine griffweise Schätzung in Form eines Sicherheitszuschlags oder -abschlags vorgenommen werden soll (vgl. Senatsurteil vom 20.03.2017 - X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51). Denn auch solche Zu- oder Abschläge müssen in einem vernünftigen, nachvollziehbaren Verhältnis zu den erklärten oder nicht erklärten Einnahmen stehen.
Dementsprechend muss, ungeachtet der Zweifel, die der Senat zuletzt an der Belastbarkeit der Richtsatzschätzung geäußert hat (Senatsbeschluss vom 14.12.2022 - X R 19/21, BFHE 278, 428, Rz 26, m.w.N.; Senatsurteil vom 18.06.2025 - X R 19/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; s. dazu unter 4.), auch eine griffweise Schätzung, die sich der Kennzahlen der Richtsatzsammlung des BMF bedient, die unter II.2.a aa dargestellten Anforderungen erfüllen und die Wahl der Kennzahl bei etwaigen Besonderheiten nachvollziehbar begründen.
(3) Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann dies bereits einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils begründen, der auch ohne besondere Rüge vom Revisionsgericht beanstandet werden kann (vgl. allgemein zur gerichtlichen Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO Senatsurteil vom 16.09.2015 - X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40).
b) Den genannten Anforderungen entspricht die Begründung des FG nicht.
aa) Das FG hat ausgeführt (auf S. 13 des angefochtenen Urteils), es sehe im Streitfall eine "Schätzung mittels amtlicher Richtsätze als geeignete Schätzungsmethode an"; andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht. Gleichzeitig hat das FG aber, ebenso wie zuvor das FA, deutlich gemacht, dass die Richtsatzsammlung seiner Ansicht nach ungeeignet ist, die besonderen Gegebenheiten des Betriebs des Klägers zu erfassen. Sie haben daher ‑‑wie eingangs dargelegt‑‑ den untersten in der RSS 2011 für Gastronomiebetriebe ausgewiesenen Rohgewinnaufschlagsatz von 186 % in Ansatz gebracht und von dem auf diese Weise kalkulierten Mehrergebnis zusätzlich noch einen "Sicherheitsabschlag" von 30 % vorgenommen.
Diese Vorgehensweise ist aber tatsächlich keine Richtsatzschätzung mehr, sondern letztlich eine griffweise Schätzung. Sie hat zwar den unteren Rahmensatz der Richtsatzsammlung als Ausgangspunkt gewählt, gelangt aber durch einen griffweisen Abschlag hiervon zu einem ebenfalls griffweisen Sicherheitsaufschlag, der sich deutlich außerhalb (hier: unterhalb) der vom BMF ausgewiesenen Richtsatzspanne bewegt.
bb) Die Begründungsanforderungen, die nach der Rechtsprechung an eine griffweise Schätzung zu stellen sind, erfüllt das angefochtene Urteil nicht.
Das FG hatte im ersten Rechtsgang noch selbst ausgeführt (auf S. 21 des Urteils vom 14.08.2018), die von dem FA angewandte Schätzungsmethode überzeuge nicht, weil das FA die Höhe des Abschlags von 30 % nicht näher begründet habe. Das FG könne deshalb nicht nachvollziehen, weshalb das FA nicht einen anderen, geringeren oder höheren Prozentsatz als zutreffend angesehen habe.
Der Senat hält diesen Einwand auch weiterhin für berechtigt. Folglich hätte das FG im zweiten Rechtsgang seine nunmehr vertretene Auffassung, dass das vom FA gewonnene Schätzungsergebnis "jedenfalls als maßvoll anzusehen und auch wirtschaftlich möglich" sei, näher begründen müssen. Denn ohne eine entsprechende Begründung kann auch der Senat nicht nachvollziehen, weshalb das FG inzwischen einen (Sicherheits-)Abschlag von 30 % von einem auf der Grundlage der amtlichen Richtsatzsammlung angesetzten Wert für zutreffend erachtet und warum nicht ein geringerer oder höherer Prozentsatz besser geeignet erscheint, "noch weitere mögliche Unschärfen ausreichend" ‑‑wie es in dem angefochtenen Urteil heißt‑‑ zu würdigen.
Die Überzeugungsbildung des FG ist in diesem Punkt lückenhaft. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils dar, der auch ohne besondere Rüge vom Senat beanstandet werden kann und hier die Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertigt.
cc) Ungeachtet dessen ist auch die nach den oben (unter II.2.a aa (2)) dargestellten Grundsätzen sowohl gegenüber der Richtsatzschätzung als auch gegenüber der griffweisen Schätzung grundsätzlich vorrangige Schätzungsmethode der Aufschlagkalkulation vom FG nicht mit tragfähigen Erwägungen ausgeschlossen worden.
Obgleich der Senat in seinem Beschluss vom 21.08.2019 - X B 120/18 (BFH/NV 2022, 744, Rz 28, a.E.) ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die von dem FG im ersten Rechtsgang geäußerten Vorbehalte gegen einen inneren Betriebsvergleich in Form einer Ausbeutekalkulation (dort auf S. 20 f.) "nicht vollständig" überzeugten, hat das FG im zweiten Rechtsgang diese Ausführungen wörtlich wiederholt (hier auf S. 13 f.), ohne weitere Gründe zu nennen und ohne die bislang von ihm geäußerten Gründe näher zu erläutern.
An der fehlenden Überzeugungskraft dieser Ausführungen hat sich allerdings nichts geändert. Warum die vom FG genannten betrieblichen Besonderheiten wie (außerordentliche) Portionsgrößen, (hohe) Abfallquoten und (höhere) Personalverköstigung nicht im Rahmen einer Aufschlagkalkulation durch den Ansatz entsprechend höherer Werte berücksichtigt werden können, ist für den Senat so nicht nachvollziehbar. Unklar bleibt damit auch, weshalb eine Richtsatzschätzung oder ‑‑wie hier tatsächlich vorgenommen‑‑ eine griffweise Schätzung genauer sein soll als eine Aufschlagkalkulation, selbst wenn es bei den genannten Unwägbarkeiten bleiben sollte. Dass die Nachkalkulation durch die Berücksichtigung solcher Besonderheiten aufwendiger wird, ist nicht ohne Weiteres einsichtig, weil allein die Verwendung möglicherweise ungewöhnlicher Zahlen die Berechnung nicht aufwendiger macht, und wäre im Übrigen kein hinreichender Grund, davon Abstand zu nehmen, solange der Aufwand für das zur Schätzung berufene Finanzamt oder Finanzgericht zumutbar bleibt.
Soweit das FA in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vorgetragen hat, es lägen tatsächlich keine Einzeldaten zu den in den Streitjahren verkauften Gerichten und zum Wareneinsatz vor, hat das FG dazu bislang keine Feststellungen getroffen.
3. Die Vorentscheidung war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Eine eigene Schätzungsbefugnis steht dem BFH ‑‑als Rechtsinstanz‑‑ nicht zu (Senatsurteil vom 19.07.2011 - X R 48/08, BFH/NV 2011, 2032, Rz 22).
a) Da die Revision somit insgesamt zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung führt, ist auch über die weiteren vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr zu entscheiden.
b) Für den dritten Rechtsgang weist der Senat ohne Bindungswirkung auf Folgendes hin:
aa) Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass, wie vom FA im Revisionsverfahren vorgetragen, tatsächlich keine Einzeldaten zu den in den Streitjahren verkauften Gerichten und zum Wareneinsatz vorliegen, wäre eine Aufschlagkalkulation auf der Grundlage von Daten der Streitjahre (wohl) ausgeschlossen.
bb) Die Gründe, die das FG gegen einen inneren Betriebsvergleich auf der Grundlage der Betriebsdaten der Folgejahre vorgebracht hat, überzeugen den erkennenden Senat allerdings nicht.
Zwar führt das FG an, dass es in den Folgejahren Erhöhungen der Verkaufspreise und der Materialkosten gegeben habe; es legt aber nicht dar, warum es nicht möglich sein soll, diese Erhöhungen entsprechend zu korrigieren und die korrigierten Daten dann auf die Streitjahre zu übertragen. Die vom FG darüber hinaus angeführten Änderungen bei den Personalkosten sind für den Rohgewinnaufschlag ohne Belang, weil Personalkosten nicht in die Ermittlung des Rohgewinnaufschlagsatzes einfließen.
Die auf diese Weise gewonnenen Daten wären jedenfalls ‑‑aller Voraussicht nach‑‑ eher geeignet, den betrieblichen Gegebenheiten des geschätzten Betriebs möglichst nahezukommen, als es ein letztlich gegriffener Sicherheitszuschlag ist, der zunächst an Daten der amtlichen Richtsatzsammlung anknüpft und sodann einen weiteren pauschalen Abschlag vorsieht.
c) Käme das FG zu dem Ergebnis, dass im Streitfall weder eine Aufschlagkalkulation noch ein innerer Betriebsvergleich auf der Grundlage der Betriebsdaten der Folgejahre möglich ist, bliebe nur eine griffweise Schätzung in Form eines Sicherheitszuschlags zu den von dem Kläger erklärten Betriebsergebnissen.
Hinsichtlich der Höhe eines solchen Sicherheitszuschlags wäre gegebenenfalls auch zu berücksichtigen, dass dem FG zufolge keine belastbaren Anhaltspunkte für konkrete materielle Mängel bei der Einnahmenerfassung festgestellt werden konnten. Des Weiteren wäre dem Vorbringen des Klägers nachzugehen, dass er Ende 2016 eine sogenannte fiskalisierte Kasse angeschafft habe, die im Verhältnis zu den Vorjahren keine höheren Umsätze und Gewinne zeige. Schließlich spräche wohl auch der Gesichtspunkt, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers sein weiterer Gewerbebetrieb, mit dem er erhebliche Gewinne erzielt hat, bisher ohne Beanstandung geblieben sei, gegen allzu hohe Hinzuschätzungsbeträge.
4. Ergänzend und nicht tragend weist der Senat schließlich ‑‑auch unter Bezugnahme auf seinen Beschluss vom 14.12.2022 - X R 19/21 (BFHE 278, 428)‑‑ darauf hin, dass erhebliche Zweifel an der Eignung der Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung bestehen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil vom 18.06.2025 - X R 19/21 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) Bezug genommen.
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.