ECLI:DE:BFH:2025:B.041125.IXB72.25.0
BFH IX. Senat
GVG § 17a Abs 2 S 1, GVG § 17a Abs 4 S 1, GVG § 17a Abs 4 S 2, EUV 2016/679 Art 15, EUV 2016/679 Art 77, EUV 2016/679 Art 78 Abs 2, AO § 6 Abs 2, AO § 32i Abs 1 S 1, FGO § 33 Abs 1 Nr 4, VwGO § 40 Abs 1
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 22. Juli 2025, Az: 12 K 12075/25
Leitsätze
NV: Die Rechtswegzuweisung nach § 32i Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) für Klagen zwischen einer betroffenen Person und der zuständigen Aufsichtsbehörde zur Finanzgerichtsbarkeit setzt voraus, dass Ausgangspunkt des Streits eine Auseinandersetzung zwischen der betroffenen Person und einer Finanzbehörde (§ 6 Abs. 2 AO) in steuerlichen Angelegenheiten ist.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 22.07.2025 - 12 K 12075/25 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob am 15.10.2024 eine Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH), weil er eine Auskunft des Präsidenten des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (FG) vom 25.09.2024 nach Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für unvollständig hielt. Der BFH erklärte sich mit Beschluss vom 24.01.2025 - IX B 99/24 für unzuständig und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht (VG) …
Am 13.11.2024 erhob der Kläger in dieser Angelegenheit bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg (Beklagte und Beschwerdegegnerin ‑‑Beklagte‑‑) eine Beschwerde nach Art. 77 DSGVO. Eine Reaktion auf seine Beschwerde erhielt der Kläger nicht.
Am 08.06.2025 erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage nach Art. 78 Abs. 2 DSGVO gegen die Beklagte. Er begehrte eine Verurteilung der Beklagten dahingehend, dass diese das FG nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DSGVO anweise, seinen Antrag beim Präsidenten des FG nach Art. 15 DSGVO unverzüglich vollständig und zutreffend zu beantworten. Im Fall der unvollständigen Antwort solle die notwendige Erzwingung durchgesetzt werden.
Mit Beschluss vom 22.07.2025 - 12 K 12075/25 verwies das FG den Rechtsstreit an das VG. Der Rechtsweg zu den Finanzgerichten nach § 32i der Abgabenordnung (AO) sei nicht eröffnet. Die Rechtswegzuweisung nach § 32i AO zu den Finanzgerichten bei Streitigkeiten über Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DSGVO habe zur Voraussetzung, dass es sich um Streitigkeiten in Bezug auf die Verarbeitung von nach § 30 AO geschützten Daten handele. Das Anliegen des Klägers beziehe sich allein auf die unvollständige Beantwortung seines Antrags nach Art. 15 DSGVO und damit nicht auf die Verarbeitung von durch das Steuergeheimnis geschützten Daten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde. Er bringt unter anderem vor, der Verweisungsbeschluss sei rechtswidrig. Nach § 32i AO sei der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet. Es handele sich um eine Streitigkeit nach Art. 78 DSGVO. Organe der Rechtspflege wie das FG seien öffentliche Stellen der Länder. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei in steuerrechtlichem Zusammenhang erfolgt. Da die Tätigkeit der Gerichtsleitung als Verwaltungstätigkeit einzuordnen sei, sei die Zuständigkeit der Beklagten als Datenschutzaufsichtsbehörde gegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des FG vom 22.07.2025 - 12 K 12075/25 aufzuheben.Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Das FG hat den Rechtsstreit ohne Verstoß gegen Bundesrecht gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes an das sachlich und örtlich zuständige VG verwiesen. Das FG war für die Klage sachlich nicht zuständig.
1. Die Erteilung beziehungsweise die Verweigerung der Auskunft nach Art. 15 DSGVO durch ein Gericht stellt keine Rechtsprechungstätigkeit dar. Es handelt sich um eine Aufgabe der allgemeinen Verwaltung außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Der Senat verweist dazu auf seine Entscheidung vom 24.01.2025 - IX B 99/24, Rz 6.
Aus diesem Grund ist für einen gerichtlichen Rechtsbehelf gemäß Art. 78 Abs. 2 DSGVO, wenn wegen dieser Angelegenheit eine Beschwerde nach Art. 77 DSGVO erhoben worden ist und der Beschwerdeführer nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der Beschwerde in Kenntnis gesetzt worden ist, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Denn insoweit richtet sich die Rechtswegzuständigkeit nach dem Recht der Mitgliedstaaten (vgl. Ehmann/Selmayr/Nemitz, 3. Aufl., DS-GVO Art. 78 Rz 6; Sydow in Sydow/Marsch, DS-GVO BDSG, 3. Aufl., Art. 78 Rz 38). Da es sich um eine (allgemeine) öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art (Untätigkeitsklage nach Art. 78 Abs. 2 DSGVO) handelt und keine spezialgesetzliche Rechtswegzuweisung eingreift, ist gemäß § 40 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.
Der Finanzrechtsweg ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO i.V.m. § 32i Abs. 1 Satz 1 AO. Danach ist für Streitigkeiten über Rechte gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 DSGVO hinsichtlich der Verarbeitung nach § 30 AO geschützter Daten unter anderem zwischen einer betroffenen Person und der zuständigen Aufsichtsbehörde eines Landes der Finanzrechtsweg gegeben (vgl. Tormöhlen in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 32i AO Rz 15; Krumm in Tipke/Kruse, § 32i AO Rz 3; Schober in Gosch, AO § 32i Rz 11; Baum in AO - eKomm, § 32i AO Rz 8, Stand: 25.05.2023). § 32i AO weist Streitigkeiten im Anwendungsbereich der Abgabenordnung dem Finanzrechtsweg zu und stellt auf Finanzbehörden (§ 6 Abs. 2 AO) ab. Die Justizverwaltung fällt nicht unter die Norm (vgl. Tormöhlen in HHSp, § 32i AO Rz 15; Krumm in Tipke/Kruse, § 32i AO Rz 3; Halder, juris PraxisReport IT-Recht 8/2025, Anm. 5, unter C.). Die Rechtswegzuweisung an die Finanzgerichte nach § 32i Abs. 1 Satz 1 AO soll nur bei Streitigkeiten mit der Aufsichtsbehörde in steuerlichen Angelegenheiten eröffnet sein (vgl. BTDrucks 18/12611, S. 92; Brandt, juris PraxisReport Steuerrecht 20/2025, Anm. 5, unter D.). Dies folgt auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift, die eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch eine Finanzbehörde beziehungsweise deren Auftragsverarbeiter oder die Mitwirkung gegenüber einer Finanzbehörde voraussetzen (vgl. BTDrucks 18/12611, S. 92 f.). Die Rechtswegzuweisung setzt daher voraus, dass Ausgangspunkt des Streits zwischen der betroffenen Person und der Aufsichtsbehörde eine Auseinandersetzung zwischen der betroffenen Person und einer Finanzbehörde in steuerlichen Angelegenheiten ist.
Ausgangspunkt des Streits zwischen dem Kläger und der Beklagten ist der Antrag des Klägers an die Gerichtsverwaltung nach Art. 15 DSGVO. Die Gerichtsverwaltung ist jedoch weder eine Finanzbehörde noch ist sie im Anwendungsbereich der Abgabenordnung und damit in steuerlichen Angelegenheiten tätig.
2. Die örtliche Zuständigkeit ist gemäß § 52 Nr. 3 Satz 2 und 5 VwGO aufgrund der Zuständigkeit der Beklagten für mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke nach dem Wohnort des Antragstellers zu bestimmen. Der angegebene Wohnort gehört zum Verwaltungsgerichtsbezirk …
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Die Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsweg löst ein selbstständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Vorschriften über die Kosten zu befinden ist (BFH-Beschluss vom 07.04.2020 - II B 82/19, BFHE 268, 489, BStBl II 2020, 624, Rz 23).