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Urteil vom 24. Juli 2025, III R 4/24

Zur Zulässigkeit einer Revision der beklagten Behörde gegen ein klageabweisendes Prozessurteil

ECLI:DE:BFH:2025:U.240725.IIIR4.24.0

BFH III. Senat

GG Art 20 Abs 3, EStG § 62 Abs 1 S 1, EStG § 74 Abs 1 S 4, EStG § 74 Abs 1 S 3, FGO § 44 Abs 2, FGO § 46, FGO § 57 Nr 2, FGO § 63 Abs 2, FGO § 110 Abs 1 S 1 Nr 1, FGO § 115, EStG VZ 2018 , EStG VZ 2019 , FVG § 5 Abs 1 S 1 Nr 11 S 4

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 13. Dezember 2023, Az: 16 K 16111/23

Leitsätze

NV: Die für die Zulässigkeit der Revision erforderliche materielle Beschwer der beklagten Behörde kann gegeben sein, wenn das Finanzgericht annimmt, der Behörde fehle die passive Prozessführungsbefugnis, und deshalb durch Prozess- statt durch Sachurteil entscheidet.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.12.2023 - 16 K 16111/23 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Dem Finanzgericht wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. In der Sache streiten die Beteiligten im Revisionsverfahren über die Höhe der Abzweigung (§ 74 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum ‑‑Oktober 2018, Dezember 2018, April 2019 und Mai 2019‑‑ geltenden Fassung ‑‑EStG‑‑; jetzt § 74 Abs. 1 Satz 3 EStG) des für den Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) festgesetzten Kindergelds an die Beigeladene.

  2. Die Klägerin ist für ihren xxxx geborenen Sohn (Kind) dem Grunde nach kindergeldberechtigt. Das Kind hat einen Grad der Behinderung von xx. Es bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente sowie Grundsicherung und wohnt in einer stationären Einrichtung, die Eingliederung für Menschen mit Behinderung gewährt. Die Kosten der stationären Eingliederungshilfe werden von der Beigeladenen getragen. An diese wurde ein Teil des zugunsten der Klägerin festgesetzten Kindergelds abgezweigt.

  3. Mit Bescheid der Familienkasse Berlin-Brandenburg (Familienkasse) vom 28.02.2019 wurde ein früherer Bescheid (vom 18.05.2018) dahingehend geändert, dass Kindergeld für das Kind für Februar 2018 bis November 2018 in Höhe von monatlich 100,62 €, für Dezember 2018 in Höhe von 47,22 € und ab Januar 2019 in Höhe von monatlich 63,60 € an die Beigeladene abgezweigt wird. Mit Bescheid vom 27.04.2020 setzte die Familienkasse nach einem Änderungsantrag der Klägerin den Abzweigungsbetrag für die Zeit von Februar 2018 bis November 2018 auf monatlich 100,62 €, für Dezember 2018 auf 107,22 € und ab Januar 2019 auf monatlich 123,60 € fest.

  4. Gegen den Bescheid der Familienkasse vom 27.04.2020 legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.05.2020, nunmehr anwaltlich vertreten, Einspruch ein. In der Folge kam es zu einem Schriftwechsel. Eine Einspruchsentscheidung erging zunächst nicht.

  5. Mit Beschluss Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 errichtete der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA) die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse Zentraler Kindergeldservice bei der Agentur für Arbeit Sachsen-Anhalt Nord ‑‑Familienkasse ZKGS‑‑ mit Sitz in Magdeburg) als weitere Familienkasse mit Sonderzuständigkeit ab 01.02.2022 (Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit ‑‑ANBA‑‑, Nr. 5/2022, S. 5 ff.). Er übertrug der Familienkasse ZKGS mit diesem Beschluss und mit dem Beschluss Nr. 129/2022 vom 03.11.2022 (ANBA, Nr. 12/2022, S. 11 ff., ANBA, Nr. 4/2023, S. 10 ff.) unter anderem die Zuständigkeit für Kinder mit Behinderung.

  6. Mit Schreiben vom 23.01.2023 teilte die Familienkasse ZKGS der Klägerin mit, es habe sich ein Wechsel in der Zuständigkeit ergeben; künftig sei sie zuständig.

  7. Nach einem Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Familienkasse ZKGS erhob die Klägerin am 17.10.2023 gegen die Familienkasse ZKGS Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  8. Mit der während des Klageverfahrens ergangenen Einspruchsentscheidung vom 21.11.2023 wies die Familienkasse ZKGS den Einspruch vom 26.05.2020 gegen den Bescheid vom 27.04.2020 als unbegründet zurück.

  9. Mit Schreiben vom 24.10.2023 wies das Finanzgericht (FG) die Beteiligten darauf hin, dass der Vorstandsbeschluss der BA Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 wegen Unbestimmtheit nichtig sein könnte, was zur Unzulässigkeit der Klage führen könnte.

  10. Die Klägerin antwortete, dass sie ihre Klage gleichwohl gegen die Familienkasse ZKGS fortführen wolle. Sie beantragte, den Bescheid der Familienkasse vom 27.04.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung der Familienkasse ZKGS vom 21.11.2023 dahingehend zu ändern, dass der Abzweigungsbescheid vom 28.02.2019 dahingehend geändert wird, dass die Abzweigung an die Beigeladene für Oktober 2018 statt 100,62 € nur 59,12 €, für Dezember 2018 statt 107,22 € nur 103,27 €, für April 2019 statt 123,60 € nur 53,61 € und für Mai 2019 statt 123,60 € nur 103,61 € beträgt, hilfsweise, die Einspruchsentscheidung der Familienkasse ZKGS vom 21.11.2023 aufzuheben.

  11. Das FG entschied, die Klage sei im Hauptantrag unzulässig, weil sie gegen die falsche Familienkasse gerichtet sei. Zu einem Zuständigkeitswechsel sei es nicht gekommen, weil der diesem zugrunde liegende Vorstandsbeschluss der BA Nr. 12/2022 vom 27.01.2022, soweit er die Zuständigkeit der Familienkasse ZKGS betreffe, zu unbestimmt und daher nichtig sei.

  12. Bezüglich des Hilfsantrages sei die Klage zulässig und begründet. Die Familienkasse ZKGS sei für den Erlass der Einspruchsentscheidung sachlich nicht zuständig gewesen und die Einspruchsentscheidung daher formell rechtswidrig. Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Interesse an der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidung, denn die Entscheidung durch eine sachlich unzuständige Behörde begründe eine selbständige Beschwer.

  13. Hiergegen wendet sich die Familienkasse ZKGS mit der Revision. Sie macht geltend, das FG habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass eine wirksame Aufgabenzuweisung zur Familienkasse ZKGS nicht stattgefunden habe und diese nicht passiv prozessführungsbefugt sei. Zu Unrecht sei das FG daher vom Fortbestehen der Zuständigkeit der Wohnort-Familienkasse ausgegangen.

  14. Die Familienkasse ZKGS beantragt,
    den Gerichtsbescheid des FG Berlin-Brandenburg vom 13.12.2023 - 16 K 16111/23 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Gerichtsbescheid aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

  15. Die Klägerin beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die zulässige Revision der Familienkasse ZKGS ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids, der gemäß § 90a Abs. 3 FGO als Urteil wirkt, und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat rechtsirrig angenommen, der Familienkasse ZKGS sei die Zuständigkeit für die streitgegenständlichen Abzweigungsentscheidungen nicht wirksam übertragen worden. Es hat die gegen die Familienkasse ZKGS gerichtete Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Abzweigungsbeträge begehrt hat, in der Folge zu Unrecht als unzulässig abgewiesen und den angefochtenen Bescheid in der Sache nicht geprüft. Außerdem hat das FG zu Unrecht entschieden, dass die Einspruchsentscheidung der Familienkasse ZKGS vom 21.11.2023 ohne Sachprüfung aufzuheben sei.

  2. 1. Die Revision der Familienkasse ZKGS ist zulässig. Die Familienkasse ZKGS ist durch die Vorentscheidung insgesamt beschwert.

  3. a) Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision ist unter anderem, dass der Rechtsmittelführer durch die von ihm angefochtene Entscheidung beschwert ist. Denn wenn ein Prozessbeteiligter in vollem Umfang obsiegt hat, kann er kein berechtigtes Interesse an einer nochmaligen Entscheidung des Rechtsstreits durch ein Rechtsmittelgericht haben. Es fehlt dann an einem Rechtsschutzbedürfnis und das Rechtsmittel ist unzulässig (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.11.1971 - GrS 7/70, BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120, Rz 18). Für die beklagte Behörde ist dabei die materielle Beschwer entscheidend. Die Behörde ist materiell beschwert, wenn der Verwaltungsakt durch das FG nicht in vollem Umfang bestätigt wurde (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15.11.1971 - GrS 7/70, BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120, Rz 27 ff.). Eine materielle Beschwer kann auch dann vorliegen, wenn das FG statt durch Sachurteil durch Prozessurteil entscheidet (BFH-Urteil vom 05.08.1986 - VII R 2-3/86, BFH/NV 1987, 195, Rz 11; Krumm in Tipke/Kruse, § 115 FGO Rz 22; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 115 FGO Rz 81; Werth in Gosch, § 115 FGO Rz 40, jeweils m.w.N.).

  4. b) Im Streitfall ist die Familienkasse ZKGS nach diesen Grundsätzen durch die Vorentscheidung beschwert.

  5. aa) Dies ist, soweit das FG die Einspruchsentscheidung der Familienkasse ZKGS aufgehoben hat, evident.

  6. bb) Aber auch soweit das FG die Klage der Klägerin hinsichtlich des Ausgangsbescheids durch ein bloßes Prozessurteil und nicht durch Sachurteil abgewiesen hat, dabei der Familienkasse ZKGS die Zuständigkeit im Streitfall abgesprochen und den Verwaltungsakt somit nicht in vollem Umfang bestätigt hat, ist die Familienkasse ZKGS nach den genannten Grundsätzen (materiell) beschwert. Würde das klageabweisende Prozessurteil in Rechtskraft erwachsen, stünde gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO zwischen den Parteien zumindest für die streitgegenständlichen Monate rechtskräftig fest, dass der Familienkasse ZKGS hinsichtlich des Ausgangsbescheids die passive Prozessführungsbefugnis fehlt (s. hierzu Rauda in HHSp, § 110 FGO Rz 73). Gleichzeitig könnte sich aber im Verfahren betreffend die vom FG (isoliert) aufgehobene Einspruchsentscheidung der hierzu im Widerspruch stehende Ausspruch ergeben, dass die Familienkasse ZKGS wirksam gegründet wurde sowie sachlich und örtlich für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständig war. Dann wären der Ausgangsbescheid und die Einspruchsentscheidung entgegen der Annahme des FG nicht als separate Verwaltungsakte, sondern gemäß § 44 Abs. 2 FGO nur als Verfahrenseinheit anfechtbar gewesen (s. hierzu Krumm in Tipke/Kruse, § 44 FGO Rz 24) und die Familienkasse ZKGS gegebenenfalls nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO sowohl für den Ausgangsbescheid als auch für die Einspruchsentscheidung passiv prozessführungsbefugt. Die Familienkasse ZKGS hat zudem mit Blick auf die Beschlüsse des Vorstands der BA Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 und Nr. 129/2022 vom 03.11.2022 ein rechtliches Interesse, dass die Klägerin ‑‑nach einer eventuellen Aufhebung des die Einspruchsentscheidung betreffenden Ausspruchs des FG‑‑ nicht die aus ihrer Sicht unzuständige Wohnort-Familienkasse mit einem Einspruchs- und Klageverfahren befasst, sondern die Höhe des Abzweigungsbetrags in einem mit ihr (der Familienkasse ZKGS) geführten Klageverfahren klärt.

  7. 2. Die Revision der Familienkasse ZKGS ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Vorentscheidung beruht auf einer unzutreffenden Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Satz 4 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) und stellt zu hohe Anforderungen an das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑) wurzelnde Bestimmtheitsgebot. Das FG hätte der Familienkasse ZKGS die Zuständigkeit im Streitfall nicht absprechen und weder über den Ausgangsbescheid durch ein bloßes Prozessurteil entscheiden noch die Einspruchsentscheidung ohne Sachprüfung isoliert aufheben dürfen. Mangels Spruchreife ist die Vorentscheidung insgesamt aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

  8. a) § 63 FGO bestimmt, welche Behörde am finanzgerichtlichen Verfahren als Beklagte (§ 57 Nr. 2 FGO) zu beteiligen ist. Nach § 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Klage im Fall eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit zwischen dem Erlass des Ausgangsbescheids und der Einspruchsentscheidung nicht gegen die Ausgangsbehörde, sondern gegen die Behörde zu richten, welche die Einspruchsentscheidung erlassen hat. Nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Klage, wenn über einen Einspruch ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist (§ 46 FGO), im Fall eines Wechsels der örtlichen Zuständigkeit gegen diejenige Behörde zu richten, die vor Erlass der Entscheidung über den Einspruch örtlich zuständig geworden ist.

  9. b) Die örtliche Zuständigkeit für sämtliche Kindergeldangelegenheiten derjenigen Berechtigten, die (auch) Kindergeld für ein Kind mit einer Behinderung beziehen oder begehren, war ab dem 01.02.2022 wirksam auf die Familienkasse ZKGS übertragen worden.

  10. aa) Die Familienkasse ZKGS wurde durch den Beschluss des Vorstands der BA Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 wirksam errichtet. Der Vorstand der BA war dafür gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 Satz 4 FVG zuständig (Senatsurteil vom 17.10.2024 - III R 11/23, BStBl II 2025, 207, Rz 22 ff., 25).

  11. bb) Ziff. 2.1.5 des Anhangs zu den Vorstandsbeschlüssen Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 und Nr. 129/2022 vom 03.11.2022 sieht vor, dass bereits dann, wenn nur eines von mehreren Kindern eines Berechtigten zum Kreis der Personen mit Behinderung gehört, der gesamte Fall ‑‑die Kindergeldansprüche und -verfahren des Berechtigten für sämtliche Kinder sowie die Streitigkeiten über Abzweigungen‑‑ in die Zuständigkeit der Familienkasse ZKGS in Magdeburg fällt (vgl. Senatsurteil vom 17.10.2024 - III R 11/23, BStBl II 2025, 207, Rz 32; s. zum Grundsatz der Gesamtzuständigkeit Senatsurteil vom 25.02.2021 - III R 36/19, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712, Rz 20 ff.). Selbst wenn die weiteren in dem Vorstandsbeschluss angesprochenen Fallgruppen nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden sein sollten, wäre jedenfalls die Zuständigkeit der Familienkasse für Berechtigte, die Kindergeld (auch) für ein Kind mit einer Behinderung begehren, hiernach auf die Familienkasse ZKGS übergegangen. Der in Ziff. 2.1.5 des Anhangs zum Vorstandsbeschluss Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 ebenso wie in Ziff. 2.1.5 des Anhangs zum Vorstandsbeschluss Nr. 129/2022 vom 03.11.2022 verwendete Begriff "Kind mit Behinderung" ist hinreichend bestimmt und durch Rückgriff auf die Definition in § 2 Abs. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, welche der Senat bereits zur Auslegung des in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG enthaltenen gleichlautenden Begriffs herangezogen hat, auszulegen (Senatsurteil vom 17.10.2024 - III R 11/23, BStBl II 2025, 207, Rz 31, m.w.N.). Soweit die Vorentscheidung zu einem anderen Ergebnis kommt, stellt sie zu hohe Anforderungen an das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde Bestimmtheitsgebot.

  12. cc) In zeitlicher Hinsicht ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus dem Wortlaut des Anhangs zum Vorstandsbeschluss Nr. 12/2022 vom 27.01.2022 (Vorbemerkung Satz 1), dass die (Sonder-)Zuständigkeit der neu gegründeten Familienkasse ZKGS ab dem 01.02.2022 besteht. Der anschließende Hinweis auf den stufenweisen Vollzug des Beschlusses, das heißt auf seine Umsetzung, steht dem nicht entgegen (Senatsurteil vom 17.10.2024 - III R 11/23, BStBl II 2025, 207, Rz 30).

  13. dd) Hiernach war die Familienkasse ZKGS im Streitfall ab dem 01.02.2022 für die Kindergeldangelegenheiten der Klägerin einschließlich der Abzweigungsentscheidungen örtlich und sachlich zuständig, weil ein Kind, für das die Klägerin Kindergeld beansprucht, zum Personenkreis der Menschen mit Behinderung gehört. Infolge des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit war die Familienkasse ZKGS somit ab dem 01.02.2022 ‑‑vor Erhebung der Untätigkeitsklage am 17.10.2023 und vor dem Erlass der Einspruchsentscheidung am 21.11.2023‑‑ örtlich (und sachlich) für den Erlass der Einspruchsentscheidung zuständig.

  14. c) Die Familienkasse ZKGS war danach im Klageverfahren in vollem Umfang, das heißt hinsichtlich des Ausgangsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 2 FGO), passiv prozessführungsbefugt.

  15. aa) Im Streitfall, in dem zunächst die Wohnsitz-Familienkasse der Klägerin örtlich zuständig gewesen war, wurde wegen des oben dargestellten Zuständigkeitswechsels ab dem 01.02.2022 die Familienkasse ZKGS für die am 17.10.2023 ‑‑vor Ergehen der Einspruchsentscheidung‑‑ als Untätigkeitsklage erhobene Klage zur richtigen Beklagten (§ 63 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

  16. bb) Nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 21.11.2023 war die Familienkasse ZKGS weiterhin die richtige Beklagte, weil sie die Einspruchsentscheidung erlassen hat (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Klägerin hat somit zu Recht an der Klage gegen die Familienkasse ZKGS festgehalten.

  17. d) Der Senat hebt die Vorentscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das FG hat ‑‑von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig‑‑ nicht geprüft, ob der angefochtene Bescheid materiell rechtmäßig ist. Die Feststellungen des FG lassen keine Entscheidung darüber zu, in welcher Höhe das Kindergeld an die Beigeladene abzuzweigen ist; die Sache ist nicht spruchreif.

  18. 3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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