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Beschluss vom 10. November 2025, V B 47/24

Beschwer bei Berichtigungsantrag nach § 107 FGO

ECLI:DE:BFH:2025:B.101125.VB47.24.0

BFH V. Senat

FGO § 107 Abs 1, FGO § 143

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 06. August 2024, Az: 2 K 114/20

Leitsätze

NV: Betrifft die begehrte Berichtigung die Höhe der im Tenor des Urteils festgesetzten Steuer, liegt eine Beschwer vor, wenn der Beschwerdeführer schlüssig darlegt, dass eine Berichtigung nach § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung deshalb möglich ist, weil das Finanzgericht eine nach den Steuerakten klar erkennbare Besteuerungsgrundlage übersehen hat (Anschluss an Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 18.06.1986 - V S 5/86, BFH/NV 1986, 621).

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 06.08.2024 - 2 K 114/20 aufgehoben.

Das Urteil des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 13.06.2024 - 2 K 114/20 wird wie folgt berichtigt:

Im Tenor zu Nummer 2 wird der Betrag "81.535,80 €" durch den Betrag "82.200,70 €" ersetzt.

In den Entscheidungsgründen auf Seite 18 des Urteils des Finanzgerichts ist anstelle des vorletzten Absatzes folgender Absatz einzufügen:

"Ausgehend von der durch den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 20.04.2018 festgesetzten Umsatzsteuer in Höhe von 86.375,26 € ergibt sich durch die vorstehenden Rückgängigmachungen in Höhe von insgesamt 4.174,56 € eine durch das Urteil festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 82.200,70 €."

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) reichte im Jahr 2015 ihre zu einer Vorbehaltsfestsetzung führende Umsatzsteuererklärung für 2014 (Streitjahr) ein, in der sie eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 77.733,11 € berechnete.

  2. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte die Betriebsprüferin unter anderem zu der Auffassung, Rechnungsstornierungen, die die Klägerin im Streitjahr vorgenommen hatte, seien nicht anzuerkennen, so dass insoweit die Umsatzsteuer um insgesamt 7.977,24 € zu erhöhen sei. Weiter sei die Umsatzsteuer des Streitjahres wegen einer bisher nicht berücksichtigten unentgeltlichen Wertabgabe um 665 € zu erhöhen. Der Beklagte und Beschwerdeführer (Finanzamt ‑‑FA‑‑) erließ dementsprechend am 20.04.2018 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr, mit dem die Umsatzsteuer auf 86.375,26 € festgesetzt wurde, woraus sich ein Nachzahlungsbetrag von 8.642,15 € ergab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 27.02.2020 zurück.

  3. Das Finanzgericht (FG) gab der anschließenden Klage mit Urteil vom 13.06.2024 teilweise statt und ließ die Revision nicht zu. Es erkannte unter anderem für Recht, dass "[a]bweichend von dem geänderten Bescheid für 2014 über Umsatzsteuer vom 20.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2020 […] die Umsatzsteuer auf 81.535,80 € festgesetzt [wird]". In den Entscheidungsgründen führte es aus, dass die Rechnungsstornierungen teilweise anzuerkennen seien. Die Festsetzung der Umsatzsteuer sei "somit wie folgt zu ändern", wobei das FG in einer Tabelle von der bisherigen Erhöhung der Umsatzsteuer durch die die Rechnungsstornierungen betreffenden Textziffern 14 und 15 des Betriebsprüfungsberichts in Höhe von 7.977,25 € ausging, die teilweise um insgesamt 4.174,56 € rückgängig zu machen sei, so dass eine Erhöhung der Umsatzsteuer in Höhe von 3.802,69 € verbleibe. Ausgehend von der "angemeldeten Umsatzsteuer vor der Außenprüfung in Höhe von 77.733,11 €" ergebe sich "somit eine durch das Urteil festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 81.535,80 €" (FG-Urteil S. 18, Entscheidungsgründe unter II.3.c aa[3]γ).

  4. Das FA beantragte am 09.07.2024 beim FG, das ihm am 01.07.2024 zugestellte Urteil zu berichtigen, da das FG bei der Festsetzung der Umsatzsteuer versehentlich die Erhöhung der Umsatzsteuer um die unentgeltliche Wertabgabe, die zwischen den Beteiligten nicht streitig gewesen sei, nicht berücksichtigt habe. Von der durch Änderungsbescheid vom 20.04.2018 festgesetzten Umsatzsteuer sei (nur) der vom FG anerkannte Betrag in Höhe von 4.174,56 € abzuziehen, so dass das Urteil insoweit zu berichtigen und eine Umsatzsteuer in Höhe von 82.200,70 € festzusetzen sei. Das FG lehnte die Berichtigung mit Beschluss vom 06.08.2024 ab. Der hiergegen gerichteten Beschwerde des FA half das FG nicht ab. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision legte das FA nicht ein.

  5. Das FA beantragt sinngemäß,
    das Urteil des FG vom 13.06.2024 - 2 K 114/20 dahingehend zu berichtigen, dass die Umsatzsteuer für den Besteuerungszeitraum 2014 auf 82.200,70 € festgesetzt wird.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Das angefochtene Urteil ist gemäß § 107 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen offenbarer Unrichtigkeit zu berichtigen.

  2. 1. Das für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis des FA für eine ‑‑auch nach Eintritt der Rechtskraft mögliche (Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 10.07.1996 - XI B 134/95, BFH/NV 1997, 48, unter II.1.)‑‑ Berichtigung im Sinne des § 107 Abs. 1 FGO besteht, obwohl dieses keine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt hat. Betrifft die begehrte Berichtigung die Höhe der im Tenor des Urteils festgesetzten Steuer, liegt eine Beschwer vor, wenn der Beschwerdeführer schlüssig darlegt, dass eine Berichtigung nach § 107 Abs. 1 FGO deshalb möglich ist, weil das FG eine nach den Steuerakten klar erkennbare Besteuerungsgrundlage übersehen hat (BFH-Beschluss vom 18.06.1986 - V S 5/86, BFH/NV 1986, 621). Dem steht der BFH-Beschluss vom 10.07.1996 - XI B 134/95 (BFH/NV 1997, 48, unter II.1.), der die Zulässigkeit der Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses verneint hat, da kein Rechtsmittel gegen das Urteil selbst eingelegt worden sei, nicht entgegen, da der dortige Streitfall ein Urteil betraf, das auch in der begehrten berichtigten Form unanfechtbar geworden war.

  3. 2. Nach § 107 Abs. 1 FGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit zu berichtigen. Diese Unrichtigkeit kann alle Bestandteile des Urteils im Sinne des § 105 Abs. 2 FGO betreffen. Die Berichtigung darf nur dazu dienen, das vom Gericht erkennbar Gewollte zu verwirklichen, nicht aber, die gewollte Entscheidung inhaltlich zu korrigieren. Eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 107 Abs. 1 FGO ist nur dann gegeben, wenn es sich um ein "mechanisches" Versehen handelt, aufgrund dessen ‑‑wie bei einem Schreib- oder Rechenfehler‑‑ das wirklich Gewollte nicht zum Ausdruck gelangt. Bereits die Möglichkeit eines Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung schließt die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit aus (z.B. BFH-Beschluss vom 26.03.2021 - X B 113/20, BFH/NV 2021, 1201, Rz 2).

  4. 3. Ein Urteil ist nach § 107 Abs. 1 FGO wegen einer einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit zu berichtigen, wenn das FG eine nicht im Streit befindliche Besteuerungsgrundlage, die sich eindeutig aus den Akten ergibt, bei der Berechnung der sich aus der Entscheidung ergebenden Steuer ohne jegliche Begründung außer Acht gelassen hat (BFH-Beschlüsse vom 06.07.1972 - VIII B 11/68, BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954; vom 18.06.1986 - V S 5/86, BFH/NV 1986, 621, und vom 15.11.2001 - VIII B 62/01, juris). Danach sind die Urteilsformel und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zu berichtigen, da das FG bei der Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer die im angefochtenen Änderungsbescheid erfasste, aber ‑‑zwischen den Beteiligten nicht streitige‑‑ Erhöhung durch die unentgeltliche Wertabgabe übersehen hat und dies auf einem offenbaren "mechanischen" Versehen beruht.

  5. a) Die Urteilsformel benennt ausdrücklich den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid vom 20.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung, der nach der Außenprüfung ergangen war, und setzt einen bestimmten Umsatzsteuerbetrag fest, dessen Zustandekommen das FG in den Entscheidungsgründen näher erläutert. Dort führt das FG aus, dass es nur eine teilweise Korrektur der streitigen Rechnungsstornierungen zugunsten der Klägerin für rechtmäßig hält. So befasst sich das FG eingehend damit, dass die Rechnungsstornierungen allein in Bezug auf zwei Rechnungen in Höhe von insgesamt 26.145,93 € (= 9.630,02 € + 16.515,91 €; jeweils einschließlich Umsatzsteuer) nachvollziehbar seien. Nur hinsichtlich dieser zwei Rechnungen ging das FG im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Änderung der Festsetzung der Umsatzsteuer davon aus, dass es zu einer Korrektur der Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 4.174,56 € (= 26.145,93 € : 119 * 19) komme. Hinsichtlich der im Übrigen streitigen Rechnungsstornierungen (Tz. 14 und 15 des Betriebsprüfungsberichts) folgt das FG demgegenüber der Auffassung des FA, so dass es von einer insoweit zutreffenden Erhöhung der Umsatzsteuer in Höhe von 3.802,69 € ausging (FG-Urteil S. 18, Entscheidungsgründe unter II.3.c aa[3]γ).

  6. b) Infolge eines "mechanischen" Versehens rechnete das FG diese Erhöhung der mit der als Vorbehaltsfestsetzung wirkenden Umsatzsteuererklärung erklärten Umsatzsteuer in Höhe von 77.733,11 € ‑‑ohne die im Umsatzsteuerbescheid vom 20.04.2018 festgesetzte Umsatzsteuer in Höhe von 86.375,26 € zu berücksichtigen‑‑ hinzu (FG-Urteil S. 18, Entscheidungsgründe unter II.3.c aa[3]γ).

  7. aa) Die Ausführungen des FG zur Hinzurechnung des Erhöhungsbetrags auf Grundlage der Umsatzsteuererklärung in den Entscheidungsgründen stehen im Widerspruch zu dem Tenor des Urteils, in dem das FG ausdrücklich den geänderten Umsatzsteuerbescheid erwähnt, sowie zu dem im Tatbestand enthaltenen Antrag der Klägerin, wonach diese die Korrektur des angefochtenen Änderungsbescheids um den Betrag der streitigen Rechnungskorrekturen (7.977,25 €) begehrte. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zum Rechenweg des FG, das sich nur mit den streitigen Rechnungsstornierungen befasst hat und auch nur insoweit eine Korrektur vornehmen wollte, steht die Bezugnahme auf die ursprüngliche Steuererklärung im Widerspruch mit dem Erklärungswillen des FG. Das FG wollte nur diejenigen steuerlichen Auswirkungen teilweise beseitigen, die auf den streitigen Rechnungsstornierungen beruhten.

  8. bb) Die vom FG nach seinen Ausführungen zur Begründung der vorzunehmenden Korrektur nicht gewollte Bezugnahme auf die Umsatzsteuererklärung ist ein bloßes "mechanisches" Versehen. Dem steht nicht entgegen, dass das FG ‑‑wie es in seiner Begründung des Beschlusses meint‑‑ nach seiner objektiv unzutreffenden Auffassung davon ausging, dass außer den streitgegenständlichen Feststellungen der Außenprüfung "keine weiteren Prüfungsfeststellungen steuerliche Auswirkungen auf den Veranlagungszeitraum 2014" hatten. Denn diese Auffassung beruhte darauf, dass das FG die in den Akten klar erkennbare und feststehende Tatsache, dass der angefochtene geänderte Umsatzsteuerbescheid neben den streitigen Rechnungsstornierungen auch die unstreitige unentgeltliche Wertabgabe erfasst hatte, schlicht übersehen hat (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 06.07.1972 - VIII B 11/68, BFHE 107, 4, BStBl II 1972, 954; vom 18.06.1986 - V S 5/86, BFH/NV 1986, 621, und vom 15.11.2001 - VIII B 62/01, juris). Das bloße Übersehen dieser Tatsache ergibt sich auch daraus, dass hierzu jegliche rechtliche Überlegungen des FG fehlen.

  9. c) Das "mechanische" Versehen ist auch offenbar, da es eindeutig der Aktenlage zu entnehmen ist. Der streitgegenständliche Änderungsbescheid wertete die Feststellungen der Betriebsprüfung aus, zu denen auch die Erhöhung durch die unentgeltliche Wertabgabe gehörte. Weiter ergibt sich die Bezugnahme auf den Änderungsbescheid aus dem Tatbestand des Urteils, in dem das FG erwähnt, dass die Außenprüfung weitere ‑‑nicht streitgegenständliche‑‑ Feststellungen getroffen hatte und das FA die Feststellungen der Außenprüfung im geänderten Steuerbescheid vom 20.04.2018 umsetzte. Auch der vom FG wiedergegebene Antrag der Klägerin bezieht sich nur auf die Reduzierung der mit dem Änderungsbescheid vom 20.04.2018 festgesetzten Umsatzsteuer in Bezug auf die streitigen Rechnungsstornierungen und letztlich wird die vom FG beabsichtigte Änderung durch die Darstellung in den Entscheidungsgründen zur Berechnung der Minderung der vom FA vorgenommenen Erhöhung der Umsatzsteuer ersichtlich. Damit ist offenkundig erkennbar, dass das FG in Wirklichkeit gewollt hat, die teilweise Korrektur auf den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid und nicht auf die vorangegangene Steueranmeldung zu beziehen.

  10. 4. Danach ist das Urteil des FG im Tenor zu Nummer 2 insoweit zu berichtigen, dass der geänderte Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 20.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.02.2020 dahingehend geändert wird, dass die Umsatzsteuer auf 82.200,70 € festgesetzt wird.

  11. Weiter ist in den Entscheidungsgründen auf Seite 18 des FG-Urteils anstelle des vorletzten Absatzes folgender Absatz einzufügen:"Ausgehend von der durch den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2014 vom 20.04.2018 festgesetzten Umsatzsteuer in Höhe von 86.375,26 € ergibt sich durch die vorstehenden Rückgängigmachungen in Höhe von insgesamt 4.174,56 € eine durch das Urteil festzusetzende Umsatzsteuer in Höhe von 82.200,70 €."

  12. 5. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da die Beschwerde erfolgreich ist und in einem solchen Fall die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu den Kosten des Klageverfahrens als Hauptsacheverfahren gehören (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 143 FGO Rz 7).

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