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Beschluss vom 24. November 2025, V B 23/25

Anforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde bei kumulativer Begründung des Urteils der Vorinstanz

ECLI:DE:BFH:2025:B.241125.VB23.25.0

BFH V. Senat

FGO § 115 Abs 2, UStG § 15, UStG VZ 2017 , UStG VZ 2018 , UStG VZ 2019

vorgehend FG München, 11. März 2025, Az: 5 K 1826/23

Leitsätze

NV: Hat das Finanzgericht sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung dargelegt werden und vorliegen (Bestätigung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs vom 13.03.2024 - V B 67/22, BFH/NV 2024, 682).

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 11.03.2025 - 5 K 1826/23 wegen Umsatzsteuer 2018 und 2019 wird als unzulässig verworfen.

Im Übrigen wird sie als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

  1. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Nichtzulassung der Revision ist, soweit sie überhaupt zulässig ist, unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. 1. Die gegen das gesamte Urteil des Finanzgerichts (FG) ‑‑und damit nicht beschränkt auf einzelne Streitgegenstände‑‑ eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit der Umsatzsteuerbescheid für 2018 betroffen ist. Es fehlt insoweit an einer formellen Beschwer. Das FG hat diese Festsetzung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt ‑‑FA‑‑) dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer "auf einen Negativbetrag von 8.194,51 € festgesetzt wird". Angesichts der von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren beantragten Aufhebung der durch das FA erfolgten Festsetzung und des von ihr in ihrer Erklärung für das Streitjahr 2018 als Überschuss zu ihren Gunsten berechneten Betrages in Höhe von 8.194,51 € hat das FG insoweit dem Begehren der Klägerin in vollem Umfang entsprochen.

  3. 2. Ähnliches gilt, soweit der Umsatzsteuerbescheid für 2019 betroffen ist. Insoweit hat das FG die Klage als unzulässig angesehen, da sich das FG ‑‑zu Recht‑‑ angesichts des Klagebegehrens der Klägerin von vornherein gehindert sah, eine verbösernde Entscheidung zu erlassen. Die Klägerin hatte im finanzgerichtlichen Verfahren die Festsetzung einer höheren Steuer begehrt, da durch ihren Antrag auf Aufhebung des auf 0 € lautenden Bescheids vom 31.03.2021 ihre ‑‑einer Festsetzung gleichstehende‑‑ Umsatzsteuererklärung wieder in Kraft getreten wäre, in der sie eine Umsatzsteuer in Höhe von 267,59 € berechnet hatte. Einen Verfahrensmangel im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO hat die Klägerin, deren Vorbringen sich ausschließlich zu den die Streitjahre 2017 und 2018 betreffenden Entscheidungsgründen des FG verhält, indes insoweit nicht ‑‑auch nicht im Ansatz‑‑ geltend gemacht.

  4. 3. Soweit sich die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in Bezug auf den Umsatzsteuerbescheid 2017 richtet, ist die Revision nicht zuzulassen.

  5. a) Hat das FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, muss hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 13.03.2024 - V B 67/22, BFH/NV 2024, 682, Rz 21; zu § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO z.B. BFH-Beschluss vom 09.07.2025 - X B 111/24, BFH/NV 2025, 1305, Rz 30; zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO z.B. BFH-Beschluss vom 02.07.2019 - VIII B 99/18, BFH/NV 2019, 1348, Rz 13; zu § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, falls es sich nicht um einen absoluten Revisionsgrund handelt, z.B. BFH-Beschluss vom 02.12.2020 - II B 38/20, BFH/NV 2021, 636, Rz 10).

  6. b) Das FG hat seine Entscheidung, den für das Jahr 2017 geltend gemachten Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Lamborghini zu versagen, wobei es davon ausgegangen ist, dass die Klägerin Unternehmer sei, zum einen damit begründet, dass die Klägerin nicht Leistungsempfänger einer Lieferung des Fahrzeugs gewesen sei, für den sie den Vorsteuerabzug geltend macht. Zum anderen war das FG der Auffassung, dass, selbst wenn von einem Erwerb des Lamborghini durch die Klägerin ausgegangen werden sollte, es für das Jahr der Anschaffung ‑‑mangels tatsächlicher unternehmerischer Nutzung des Lamborghini‑‑ an der objektiv belegten Absicht der Klägerin fehle, dieses Fahrzeug für steuerpflichtige Umsätze zu verwenden.

  7. c) Hinsichtlich der zweiten selbständig tragenden Begründungsalternative des FG liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.

  8. aa) Das FG hat insoweit verfahrensfehlerfrei entschieden.

  9. (1) Die Klägerin rügt, die Ablehnung des Vorsteuerabzugs aus dem Erwerb des Lamborghinis verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten (§ 96 Abs. 1 Satz 1, § 76 FGO). Das FG gehe insoweit von einem Sachverhalt aus, der dem Vorbringen der Klägerin widerspreche. Entgegen der Darstellung des FG, dass das vorgelegte Muster eines Leasingvertrags nicht ausgefüllt worden sei und sie nur ein nicht weiter konkretisiertes Mitglied des "R-Clans" als Interessenten hierfür benannt habe, habe sie im finanzgerichtlichen Verfahren konkret dargelegt, dass sich im Jahr 2019 zwei Personen für den Lamborghini als Leasingfahrzeug interessiert hätten. Ferner habe das FG die Aktivierung des Lamborghinis im Anlagevermögen unzutreffend damit begründet, dass sie, die Klägerin, diese Buchung mit der hohen Wertstabilität des Fahrzeugs erklärt habe, während sie demgegenüber im finanzgerichtlichen Verfahren ausgeführt habe, die Buchung sei im Hinblick auf das beabsichtigte Leasinggeschäft vorgenommen worden. Des Weiteren habe das FG Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt gelassen. Es habe den Vortrag vollkommen außer Acht gelassen, dass ein "Verleasen" des Lamborghinis bereits im Jahr 2017 über das Autohaus M geplant gewesen sei. Die Klägerin habe vorgebracht, Ende November 2017 habe K als Geschäftsführer der Klägerin den Lamborghini dort vorgestellt, der Leasingvertrag sei aber letztlich nur wegen der Unzuverlässigkeit des vom Autohaus M vermittelten Leasingnehmers nicht zustande gekommen, was in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert worden sei, dass dieser ein Mitglied des "R-Clans" gewesen sei. Der Umstand, dass die Klägerin gerade zur Abwicklung des geplanten Leasinggeschäfts genutzt werden sollte und K nur deshalb alle Gesellschaftsanteile der Klägerin erworben habe, habe das FG entgegen der Aktenlage bei seiner Gesamtwürdigung nicht berücksichtigt. Des Weiteren habe das FG insoweit auch die erstmalige Zulassung des Lamborghinis auf die Klägerin und die Gründe der Klägerin für die Buchung der Anschaffung des Lamborghinis im Anlagevermögen bei der Beurteilung der Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anschaffung außen vor gelassen. Das FG habe danach lediglich einzelne Aspekte, nicht aber die Gesamtumstände des Verfahrens seiner Würdigung zugrunde gelegt. Darüber hinaus treffe der vom FG angelegte Maßstab bei der Würdigung des geplanten Leasinggeschäfts nicht die Besonderheiten von Luxusfahrzeugen, bei denen es denkbar sei, dass angesichts der Knappheit des Angebots auch hohe Leasingraten erzielt werden könnten. Dass die Klägerin durch Geltendmachung des gesamten Vorsteuerbetrags aus dem Erwerb des Lamborghinis in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2017 den Lamborghini insgesamt ihrem Unternehmen zugeordnet habe, habe das FG gleichfalls nicht gewürdigt. Schließlich missachte das FG seine eigene Beurteilung über eine unternehmerische Tätigkeit in den Streitjahren 2017 bis 2019, wenn es davon ausgehe, die Klägerin habe im Jahr 2018 die Vermietung als neuen Geschäftszweig begonnen. Denn dies spräche dafür, dass auch schon zuvor ein Geschäftskonzept, und zwar ‑‑wie von der Klägerin vorgetragen‑‑ das Leasinggeschäft, bestanden haben müsse.

  10. (2) Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin indes keine Verfahrensfehler, sondern wendet sich inhaltlich gegen die materiell-rechtliche Würdigung des FG, womit die Zulassung der Revision aber grundsätzlich nicht erreicht werden kann (BFH-Beschluss vom 16.04.2019 - X B 16/19, BFH/NV 2019, 925, Rz 19). Ausgehend von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG war nicht entscheidungserheblich, ob im Jahr 2019, also im zweiten Jahr nach Ablauf des maßgebenden Besteuerungszeitraums, etwaige Interessenten für ein Leasinggeschäft bei der Klägerin vorstellig geworden sind. Weiter kommt es auf die Zuordnung eines Gegenstands zum unternehmerischen Vermögen nicht an, wenn ‑‑wie vom FG vorgenommen‑‑ zu entscheiden ist, ob ein Gegenstand überhaupt für eine wirtschaftliche Tätigkeit erworben wurde (BFH-Urteil vom 08.09.2022 - V R 26/21, BFHE 278, 348, BStBl II 2023, 361, Rz 20). Die Zuordnung eines Gegenstands ist auch nicht maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als solche anzunehmen ist. Die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung des Gegenstands bestimmt nur den Umfang des Vorsteuererstabzugs, zu dem der Steuerpflichtige befugt ist. Ob ein Steuerpflichtiger den Gegenstand aber in dieser Eigenschaft, das heißt für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, erworben hat, ist eine Tatfrage, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhalts zu beurteilen ist, zu denen die Art des betreffenden Gegenstands und der zwischen seinem Erwerb und seiner Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehören (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Eon Aset Menidjmunt vom 16.02.2012 - C-118/11, EU:C:2012:97, Rz 57 und 58). Schließlich hat das FG auch das Vorbringen der Klägerin zu dem von ihr beabsichtigten Leasinggeschäft, das nicht zustande gekommen sei, in diesem Zusammenhang ‑‑allerdings anders als die Klägerin‑‑ gewürdigt.

  11. bb) Auch die Rüge, das FG habe in Bezug auf die von ihm angenommene nicht hinreichend objektiv belegte Absicht zur unternehmerischen Verwendung des Lamborghinis im Streitjahr 2017 gegen Denkgesetze verstoßen, was zur Zulassung der Revision wegen eines qualifizierten Rechtsfehlers nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO führen müsse, hat keinen Erfolg.

  12. (1) Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn der vom FG gezogene Schluss schlechthin unmöglich ist, das heißt, wenn nach dem festgestellten Sachverhalt nur eine Folgerung möglich, jede andere denkgesetzlich ausgeschlossen ist und das Gericht die in diesem Sinne allein denkbare Folgerung nicht gezogen hat (BFH-Beschluss vom 07.03.2025 - XI B 25/24, BFH/NV 2025, 529, Rz 13). Ein bloßer Verstoß gegen Denkgesetze reicht indes für die Zulassung der Revision nicht aus.

  13. (2) Die Klägerin bringt insoweit vor, das FG bejahe die Unternehmereigenschaft der Klägerin für alle Streitjahre, obwohl es davon ausgehe, dass die die unternehmerische Tätigkeit erfüllende Vermietung im Jahr 2017 nicht erfolgt sei, da die Klägerin in diesem Besteuerungszeitraum keine Umsätze ausgeführt habe, und dass die Vermietungstätigkeit auf einem neuen Entschluss der Klägerin beruhe. Die Bejahung der Unternehmereigenschaft könne daher nur auf die Festlegungen des Gesellschaftsvertrags zum Unternehmensgegenstand gestützt werden, was allerdings auch für den Erwerb des Lamborghinis im Jahr 2017 gelte, sodass der dann vom FG geforderte Nachweis einer konkret geplanten Leistung in einem logischen Widerspruch hierzu stehe.

  14. (3) Danach erhebt die Klägerin nur Einwendungen gegen die verfahrensfehlerfrei (s. oben 3.c aa) zustande gekommene materiell-rechtliche Einzelfallwürdigung des FG, womit die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht erreicht werden kann (BFH-Beschluss vom 16.04.2019 - X B 16/19, BFH/NV 2019, 925, Rz 19). Zwar weist die Klägerin darauf hin, dass das FG davon ausgegangen ist, sie sei bereits im Streitjahr 2017 als Unternehmer und Steuerpflichtiger anzusehen. Allerdings reicht dieser Umstand allein noch nicht aus, den begehrten Vorsteuerabzug zu gewähren. Denn auch bei Erfüllung dieses Umstands ist noch nachzuweisen, dass ein Investitionsgut für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen erworben wurde. Die Anwendung des Mehrwertsteuersystems hängt vom Erwerb des Gegenstands durch einen als solchen handelnden Steuerpflichtigen ab. Die tatsächliche oder beabsichtigte Verwendung des Gegenstands bestimmt hingegen nur den Umfang des Vorsteuererstabzugs, zu dem der Steuerpflichtige befugt ist (s. oben 3.c aa (2)).

  15. Dem entsprechend hat das FG, dessen Entscheidung zugrunde liegt, dass das Recht auf Vorsteuerabzug für den Voranmeldungszeitraum (Besteuerungszeitraum) auszuüben ist, in dem das Abzugsrecht entstanden ist und die Ausübungsvoraussetzungen vorliegen (BFH-Urteil vom 13.02.2014 - V R 8/13, BFHE 245, 263, BStBl II 2014, 595, Leitsatz), die Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Es hat den Vorsteuerabzug aus dem Kauf des Lamborghinis auch deshalb abgelehnt, weil im Streitjahr 2017 keine tatsächliche Verwendung des Lamborghinis erfolgte und aus einer tatsächlichen Verwendung im Folgejahr keine Rückschlüsse für das Anschaffungsjahr gezogen werden konnten, da diese Verwendung auf einem neuen Entschluss der Klägerin beruhte. Soweit die Klägerin vorgebracht habe, der Erwerb sei für ein Leasinggeschäft erfolgt, reichte der Vortrag der Klägerin mangels Konkretisierung nicht aus, um das FG von einer im Zeitpunkt des Erwerbs bestehenden Absicht, den Lamborghini zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden, zu überzeugen.

  16. (4) Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich auch nicht, dass eine nicht auf einen Verfahrensmangel bezogene Rechtsverletzung (Sachrüge) vorliegt, die zu einer begründeten Revision (§ 118 Abs. 2 FGO i.V.m. § 126 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 FGO) führt, wobei ohne Weiteres erkennbar ‑‑und damit ohne Befassung mit einer nach ihrer sachlichen Tiefe dem Revisionsverfahren vorbehaltenen Argumentation‑‑ mit einem Erfolg der Revision zu rechnen ist (BFH-Beschluss vom 07.04.2025 - V B 7/24, BFH/NV 2025, 710, Rz 35).

  17. d) Liegen danach keine Zulassungsgründe in Bezug auf die zweite Begründungsalternative vor, kommt es auf die weiteren Darlegungen hinsichtlich der ersten Begründungsalternative nicht an.

  18. 4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

  19. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

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