ECLI:DE:BFH:2025:BA.261125.VIIB81.25.0
BFH VII. Senat
EUV 833/2014 Art 3s Abs 1 Buchst c, EUV 833/2014 Art 3s Abs 3, EUV 833/2014 Anh 42, EUV 2025/395 Anh 10, EUV 952/2013 Art 45 Abs 2, EUV 952/2013 Art 45 Abs 3, EUV 952/2013 Art 198 Abs 1 Buchst b Ziff 4, ZollVG § 13 Abs 1 S 1, FGO § 69 Abs 2, FGO § 69 Abs 3, SeeRÜbk Art 17, SeeRÜbk Art 18
vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern , 09. Mai 2025, Az: 3 V 33/25
Leitsätze
1. Der unionsrechtliche Ausfuhrbegriff des Art. 3s Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 in der bis zum 24.02.2025 geltenden Fassung der Verordnung (EU) 2024/3192 (Verordnung (EU) Nr. 833/2014) ist weit, funktional und zweckorientiert auszulegen und erfasst grundsätzlich jedes physische Verbringen eines in Anh. XLII der Verordnung gelisteten Schiffs aus dem Gebiet der Union.
2. Gelangt ein Schiff infolge einer Seenotsituation in Gewässer der Union und wird erst später durch die Verordnung (EU) 2025/395 in Anh. XLII zu Art. 3s der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 aufgenommen, begründen der Ausnahmetatbestand des Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, das völkergewohnheitsrechtliche Nothafenrecht sowie das Recht auf friedliche Durchfahrt nach Art. 17, 18 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen erhebliche Zweifel im Sinne des Art. 45 Abs. 2 des Zollkodex der Union (UZK) daran, ob das Auslaufen als verbotene Ausfuhr zu qualifizieren und eine Einziehung nach Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 des Zollverwaltungsgesetzes gerechtfertigt ist.
3. Die Einziehung eines gelisteten Schiffs, das den einzigen wesentlichen Vermögenswert des Betroffenen bildet, führt zu einem irreversiblen Substanzverlust und damit zu einem unersetzbaren Schaden im Sinne des Art. 45 Abs. 2 UZK. Hohe, durch verwaltungsinterne Sicherungsmaßnahmen entstandene Verwahrkosten begründen kein überwiegendes öffentliches Vollzugsinteresse.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 09.05.2025 - 3 V 33/25 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) einer auf Art. 198 Abs. 1 des Zollkodex der Union (UZK) gestützten Einziehungsverfügung, die sich auf ein Schiff bezieht.
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ‑‑eine Gesellschaft mit Sitz auf M‑‑ war im hier maßgeblichen Zeitraum zunächst als Eigentümerin des streitgegenständlichen Öltankers im Schiffsregister der Republik P eingetragen. Dessen technische Managerin war ausweislich der Eintragung im Marine Sanctions Due Diligence Questionnaire ‑‑dem Fragebogen zur sanktionsrechtlichen Risikoüberprüfung im Schiffsverkehr‑‑ eine in D sitzende Gesellschaft. Beladen war das Schiff mit "Fuel Oil", das Gegenstand eines internationalen Handelsgeschäfts war. Der Tanker war hierfür in der Russischen Föderation (Russland) befüllt worden; sein Zielhafen lag in der Republik I.
Am 09.01.2025 befuhr das Schiff auf seiner Route durch die Ostsee die vor Rügen gelegenen internationalen Gewässer. Aufgrund eines Stromausfalls wurde es manövrierunfähig, trieb in der Folge in deutsche Hoheitsgewässer und wurde schließlich auf die Reede vor S geschleppt, wo man es für eine Weiterfahrt wieder ertüchtigte. Parallel untersuchten deutsche Behörden den Vorfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Mit Verfügung vom 13.01.2025 untersagte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (Hauptzollamt ‑‑HZA‑‑) der Schiffsführung das Auslaufen, um eine zollamtliche Kontrolle durchführen zu können, und begründete dies mit einem möglichen Verstoß gegen auf Russland abzielende Embargomaßnahmen. Mineralöl der geladenen Art sei im Anh. XXV der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31.07.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (Amtsblatt der Europäischen Union ‑‑ABlEU‑‑ 2014, Nr. L 229, 1), in der bis zum 24.02.2025 geltenden Fassung der Verordnung (EU) 2024/3192 des Rates vom 16.12.2024 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABlEU L 2024/3192) ‑‑Verordnung (EU) Nr. 833/2014‑‑, aufgeführt. Das Verbringen dort gelisteter Waren in die Europäische Union (EU) und deren Wiederausfuhr seien unzulässig.
Das HZA holte zu dem Vorfall zudem eine rechtliche Bewertung des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission (Legal Service) ein. Der Legal Service gelangte in seiner Stellungnahme vom 12.02.2025 zu dem Ergebnis, dass das Schiff die Bundesrepublik Deutschland nur verlassen dürfe, wenn die geladene, nach Art. 3i Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verbotene Ware zuvor entladen werde, weil bereits das bloße Verbringen in das Zollgebiet der Union als Import gelte und ein anschließender Transfer untersagt sei. Nach Entladung könne das Schiff zwar auslaufen; werde es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt selbst in Anh. XLII der Verordnung gelistet, dürften ihm auch Dienstleistungen wie Schlepperdienste nicht mehr erbracht werden. Das Schiff wäre dann faktisch im Hafen blockiert, solange keine ‑‑im vorliegenden Fall allerdings nicht ersichtliche‑‑ Ausnahme eingreife.
Durch die Verordnung (EU) 2025/395 des Rates vom 24.02.2025 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABlEU L 2025/395) ‑‑Verordnung (EU) 2025/395‑‑, wurde das Schiff in Anh. XLII zu Art. 3s der ab 25.02.2025 geltenden Fassung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 des Rates vom 31.07.2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren (ABlEU 2014, Nr. L 229, 1) ‑‑im Folgenden: Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F.‑‑, aufgenommen und unterlag damit den dort genannten Restriktionen in Bezug auf die Gewässer der EU. Aus Sicht des HZA zählte es seither ‑‑durch die Listung anerkannt‑‑ zu einer "Schattenflotte", die zur Umgehung der russische Mineralöle betreffenden Handelssanktionen und jedenfalls indirekt zur Finanzierung des völkerrechtswidrigen russischen Vorgehens in der Ukraine eingesetzt werde.
Am 26.02.2025 erließ das HZA gestützt auf Art. 198 UZK i.V.m. § 13 Abs. 1 des Zollverwaltungsgesetzes (ZollVG) eine auf das Schiff bezogene Sicherstellungsverfügung. Für das Schiff würden die Sanktionen des Art. 3s der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. gelten; die Sicherstellung sei daher zwingend. Mit Anhörungsschreiben vom selben Tag kündigte das HZA außerdem die Einziehung und Verwertung des Schiffs zugunsten der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK an.
Am 07.03.2025 löschte P den Tanker aus seinem Schiffsregister.
Mit gegenüber der technischen Managerin ergangener Verfügung vom 14.03.2025 zog das HZA das Schiff zugunsten der Bundesrepublik Deutschland ein und ordnete dessen Verwertung an. Zur Begründung führte das HZA aus, dass mit der Aufnahme des Schiffs in Anh. XLII zu Art. 3s der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. durch die Verordnung (EU) 2025/395 ab dem 25.02.2025 die Restriktionen des Art. 3s Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. uneingeschränkt anwendbar seien. Daraus folge, dass sowohl das Verbringen des Schiffs aus dem Zollgebiet der Union als auch seine Ausfuhr verboten seien. Der Begriff der "Ausfuhr" sei weit auszulegen und erfasse jedes Verlassen des Zollgebiets der Union durch ein gelistetes Schiff. Aus dem erteilten Transportauftrag nach I ergebe sich im Streitfall die Absicht, das Schiff auszuführen. Die Zollbehörden seien gemäß Art. 198 Abs. 1 UZK vor diesem Hintergrund verpflichtet, die für die Verwirklichung des Sanktionszwecks erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Nur auf die vorliegend gewählte Weise könne der Zweck der Regelung ‑‑nämlich die Entziehung des Schiffs aus der sogenannten russischen Schattenflotte und die Verhinderung seiner Verwendung zur Umgehung von Handelssanktionen‑‑ erreicht werden. Ob das Schiff infolge einer Notsituation in das Zollgebiet der Union gelangt sei, erweise sich demgegenüber als unerheblich, da die Listung erst ab dem 25.02.2025 wirksam geworden sei. Auch aus dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGBl II 1994, 1799) ‑‑Seerechtsübereinkommen (SeeRÜbk)‑‑ ergebe sich kein Hindernis für die getroffene Maßnahme.
Die Antragstellerin wehrte sich fristgerecht mittels Einspruchs und ersuchte parallel beim Finanzgericht (FG) um Eilrechtsschutz. Sie berief sich insbesondere auf maritimes Recht und betonte, dass ihr Schiff keinesfalls der ominösen, in den Medien kolportierten "russischen Schattenflotte" zugerechnet werden könne. Es erscheine kaum vertretbar, dass das europäische Sanktionsrecht die Enteignung eines Schiffs rechtfertigen könne, bei dem eine dokumentierte Notlage vorgelegen habe und bei dem das HZA kein sanktionsrelevantes Verhalten festzustellen vermochte. Das Schiff sei erst nach dem Eintritt in die Gewässer der Union auf die Sanktionsliste genommen worden. Die angegriffene Maßnahme diene erkennbar allein politischen Demonstrationszwecken und untergrabe das Vertrauen in die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns sowie in die Rechtssicherheit des internationalen Schiffsverkehrs. Die Einziehung verletze die Eigentumsgarantie (Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABlEU 2007, Nr. C 303, 1, BGBl II 2008, 1165 ‑‑EUGrdRCh‑‑), das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 EUGrdRCh) sowie den Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz (Art. 47 EUGrdRCh). Durch die Vollziehung der Einziehungsverfügung drohe ihr, der Antragstellerin, zudem ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Schaden im Sinne des Art. 45 UZK und damit zugleich eine unbillige Härte im Sinne des § 69 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Da das Schiff ihren einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand bilde, sei ihre wirtschaftliche Existenz durch die Einziehung evident gefährdet.
Mit Beschluss vom 09.05.2025 - 3 V 33/25 setzte das FG die Vollziehung der Einziehungsverfügung vom 14.03.2025 bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung über den dagegen eingelegten außergerichtlichen Rechtsbehelf aus und ließ gemäß § 128 Abs. 3 FGO die Beschwerde zu. Den weitergehenden Antrag ‑‑gerichtet auf Aufhebung der Vollziehung bereits ergriffener Maßnahmen wie Umflaggung und Umklassifizierung des Schiffs‑‑ wies es zurück.
Das FG ‑‑das die nicht in der Einziehungsverfügung adressierte Antragstellerin als betroffene Eigentümerin und damit als antragsbefugt anerkannte‑‑ hegte begründete Zweifel im Sinne von Art. 45 Abs. 2 UZK an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme.
Bereits die Annahme eines verbotenen Verbringens erscheine in der gegebenen Notsituation fraglich. Der Ausnahmetatbestand des Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 erlaube es in Anh. XLII aufgeführten (sanktionierten) Schiffen, in Fällen von Havarien ungeachtet der bestehenden Restriktionen in den Gewässern der Union einen Notliegeplatz zu suchen. Das streitgegenständliche Schiff sei zum Zeitpunkt der Havarie zwar noch kein sanktioniertes Schiff gewesen. Es erscheine aber ernsthaft möglich, dass dieser Ausnahmetatbestand für die Bewertung des Streitfalls entsprechend heranzuziehen sei. Er trage dem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Nothafenrecht Rechnung, der es Schiffen in Seenot grundsätzlich ermöglichen solle, einen nahegelegenen Hafen anzulaufen beziehungsweise sich in einen solchen Hafen schleppen zu lassen. Dass dies auch das Recht umfasse, diesen wieder zu verlassen, liege auf der Hand. Das Seerechtsübereinkommen gewähre zudem Schiffen aller Staaten das Recht auf friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer. Nach summarischer Prüfung erscheine es zudem möglich, dass sich die Antragstellerin auf die Eigentumsgarantie des Art. 17 EUGrdRCh berufen könne. Nach Aktenlage sei schließlich nicht nachgewiesen, dass sich die Antragstellerin als verlängerter Arm eines Drittstaates ‑‑konkret Russlands‑‑ darstelle oder unfriedlich gehandelt habe. Insgesamt sei die Sach- und Rechtslage nicht so eindeutig, dass ernstliche Zweifel ausgeschlossen werden könnten.
Der fristgerecht seitens des HZA erhobenen Beschwerde hat das FG nicht abgeholfen und die Sache dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt.
Das HZA stützt seine Beschwerdebegründung im Wesentlichen darauf, dass die tragenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses des FG unzutreffend seien. Dieses habe seine Entscheidung auf eine vermeintliche Anwendbarkeit des Nothafenprivilegs aus Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 und einen möglichen Verstoß gegen Art. 17 EUGrdRCh gestützt. Keine dieser Erwägungen verfange.
Art. 3s der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, einschließlich Abs. 3, sei zu dem Zeitpunkt, als das Schiff in deutsche Hoheitsgewässer und auf die Reede vor S gelangte, auf dieses nicht anwendbar gewesen, da es zu diesem Zeitpunkt nicht in Anh. XLII der Verordnung gelistet gewesen sei. Gegen die Annahme einer durch analoge Anwendung zu schließenden Regelungslücke spreche, dass dem Verordnungsgeber der Verordnung (EU) 2025/395 zum Zeitpunkt der Listung des streitgegenständlichen Schiffs bekannt gewesen sei, dass sich dieses in deutschen Gewässern befunden habe. Gleichwohl sei es in Anh. XLII zur Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. aufgenommen worden, ohne dass der Verordnungsgeber Art. 3s der Verordnung dahingehend angepasst habe, eine Regelung für bereits bei ihrer Listung in Unionsgewässern befindliche Schiffe zu schaffen.
Im entscheidenden Zeitpunkt des Erlasses der Einziehungsverfügung habe bezogen auf das Schiff zudem weder das Nothafenrecht noch das Recht auf friedliche Durchfahrt nach Art. 17 SeeRÜbk bestanden. Völkerrechtliche Schutzmechanismen wie das Nothafenrecht, dem Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 Rechnung trage, seien an dieser Stelle mangels Flaggenstaates für das Schiff nicht einschlägig gewesen. Das Recht auf friedliche Durchfahrt stehe nur "Schiffen aller Staaten" im Sinne von Art. 17 SeeRÜbk zu und gelte nicht für staatenlose Schiffe.
Mit dem Verlust der Flagge hätten die an Bord befindlichen Zertifikate zudem ihre Gültigkeit verloren, sodass das Schiff nicht mehr über die erforderlichen gültigen Unterlagen verfügt habe. Es sei daher zum Zeitpunkt der Einziehungsverfügung rechtlich gar nicht mehr in der Lage gewesen, den Liegeplatz zu verlassen.
Art. 17 EUGrdRCh gewährleiste ‑‑nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)‑‑ das Eigentumsrecht nicht schrankenlos. Die Einziehung von Gegenständen auf Grundlage des Art. 198 UZK bei sanktionsrechtlichen Verstößen erscheine auch unter Berücksichtigung des Art. 17 EUGrdRCh verhältnismäßig. Sanktionsmaßnahmen müssten eine abschreckende Wirkung entfalten, um Zuwiderhandlungen zu verhindern. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung sei hier zudem zu berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Sanktionen der Unterstützung der Beilegung des Ukraine-Konflikts und damit völkerrechtlichen Grundprinzipien sowie dem Schutz von Menschenleben dienten. Auf die Eigentumsgarantie des Art. 17 EUGrdRCh könne sich bei einer Einziehung ferner allenfalls ein gutgläubiger Dritter berufen. Die Entscheidung der Antragstellerin, das streitgegenständliche Schiff für den Transport von Erdöl aus Russland durch die Ostsee einzusetzen, schließe ihre Gutgläubigkeit im Hinblick auf den vorliegenden Sanktionsverstoß aus. Das Anlaufen des Gemeinschaftsgebiets möge nicht beabsichtigt gewesen sein, die Antragstellerin habe ein solches Ereignis im Hinblick auf Wetterphänomene und Havarien indes auch nicht ausschließen können, sondern durch die gewählte Route vielmehr in Kauf genommen.
Die sofortige Vollziehung der Einziehungsverfügung stelle keine unbillige Härte dar, da etwaige Nachteile durch Amtshaftungsansprüche ausreichend abgesichert seien. Es verhalte sich umgekehrt aber so, dass die Zollverwaltung derzeit monatlich etwa … € für den sicheren Unterhalt des Schiffs aufwende, was das überwiegende öffentliche Vollzugsinteresse belege. Für den Fall, dass die Rechtmäßigkeit der Einziehungsverfügung ‑‑wie erwartet‑‑ festgestellt werde, benötige es mithin eine Sicherheit, dass die vermeidbaren Kosten von der Antragstellerin ersetzt würden. Hilfsweise werde daher angeregt, eine mögliche AdV von der Leistung einer angemessenen Sicherheit abhängig zu machen.
Ergänzend verweist das HZA darauf, dass das Schiff inzwischen auch von den Vereinigten Staaten von Amerika, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft sanktioniert worden sei. Zudem lägen Erkenntnisse vor, wonach eine hinter dem Schiff stehende Person enge Verbindungen zur iranischen Staatsführung unterhalte, als zentraler Akteur der sogenannten Schattenflotte und wichtiger Geschäftspartner Russlands im Rohölhandel und bei der Finanzierung des Krieges in der Ukraine auftrete sowie als Schlüsselfigur in Tauschgeschäften betreffend iranische Waffen gegen russisches Öl agiere.
Das HZA beantragt,
den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag abzuweisen;
hilfsweise, die AdV lediglich gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen;
den Hilfsantrag auf Gestellung einer Sicherheit zurück- beziehungsweise abzuweisen.Der angegriffene Beschluss des FG sei zu bestätigen. Das FG hege zu Recht ‑‑überzeugend und umfassend begründete‑‑ Rechtmäßigkeitszweifel an den angegriffenen Maßnahmen des HZA im Sinne des Art. 45 Abs. 2 UZK.
Das HZA habe die zwingende und hier analog anwendbare Ausnahmeregelung des geltenden EU-Sanktionsrechts ‑‑Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014‑‑ unberücksichtigt gelassen, obwohl das Schiff unstreitig infolge einer Seenotsituation in deutsche Hoheitsgewässer gelangt sei, keine Sanktionsumgehung beabsichtigt habe und die Voraussetzungen für eine Sanktionierung objektiv nicht vorgelegen hätten. Zudem verletze eine entschädigungslose Einziehung die in Art. 17 EUGrdRCh verankerte Eigentumsgarantie. Des Weiteren sei es dringend geboten, einen schweren, irreversiblen Schaden abzuwenden, der im Verlust des Schiffs, in einer faktischen Enteignung ohne Entschädigung sowie in einer unmittelbaren Existenzbedrohung bestehe. Da die Sach- und Rechtslage ersichtlich komplex sei und das HZA deswegen sogar eine Stellungnahme des Legal Service einholen musste, sei offensichtlich, dass die Lage nicht so eindeutig sei, dass eine irreversible Vollstreckung gerechtfertigt wäre.
Im Übrigen betone sie, dass der beabsichtigte Transport russischen Öls nach I ohne vorherigen Import in die EU durch nicht in der EU ansässige Parteien nicht von den EU-Sanktionen erfasst und mithin weder verboten noch sonst rechtswidrig gewesen sei. Sie sei erst seit (…) Eigentümerin des Schiffs. Dessen Operationen hätten seither vollumfänglich internationalen Standards sowie den durch europäisches und US-amerikanisches Recht auferlegten Beschränkungen entsprochen. Diese Fakten seien derzeit Gegenstand des anhängigen und auf De-Listing des Schiffs abzielenden Nichtigkeitsverfahrens vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG). Sie bestreite zudem die vom HZA behaupteten Verstrickungen mit sanktionierten Personen oder Netzwerken. Der Anwendungsbereich der zollrechtlichen ‑‑und damit auch sanktionsrechtlichen‑‑ Vorschriften dürfte zudem mangels eines willentlichen "Verbringens" in die EU nicht eröffnet sein. Denn das Schiff sei lediglich samt Ladung manövrierunfähig in das Zollgebiet der EU gedriftet.
Bei verständiger Auslegung erfasse Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nicht nur das notfallbedingte Einlaufen in die Gewässer und Häfen der EU, sondern selbstverständlich auch das unbehelligte Auslaufen. Auf den völkerrechtlichen Status eines Schiffs und dessen Flagge komme es nach der Regelung des Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 dabei nicht an. Im Übrigen sei das Schiff zum Zeitpunkt seiner Seenot und damit der Inanspruchnahme des Nothafenrechts unter der Flagge P gefahren. Eine Listung durch die EU bedinge zudem weder einen Ausschluss aus dem internationalen Handel noch Rechts- oder Staatenlosigkeit auf See. So sei vorliegend konkret das Register der K ohne Weiteres bereit, das Schiff unter seine Flagge zu stellen und damit die Voraussetzungen für ein Auslaufen zu schaffen.
Abschließend merke sie an, dass die zuständigen deutschen Behörden erst vor Kurzem einem anderen Schiff (…) in identischer Situation, nämlich bei Notlage und sanktionierter Ladung, das Ein- und Auslaufen gestattet hätten.
Die Einziehung und Verwertung des Schiffs würde einen unersetzbaren Schaden verursachen; auf einen etwaigen Amtshaftungsanspruch müsse sie sich unter diesen Umständen nicht verweisen lassen.
Eine Sicherheitsleistung dürfe von ihr nicht verlangt werden. Die behaupteten Kosten für die Sicherstellung und das Festhalten des Schiffs seien unbelegt und würden daher bestritten. Im Übrigen beruhten diese Kosten allein darauf, dass das HZA die Weiterfahrt des Schiffs unter rechtswidrigem Verweis auf vermeintliche Sanktionsverstöße verweigert habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Insbesondere hat das FG die Beschwerde in dem angefochtenen Beschluss zugelassen. Nach § 128 Abs. 3 Satz 1 FGO steht den Beteiligten die Beschwerde gegen Entscheidungen über die AdV nach § 69 Abs. 3 FGO zu, sofern sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Als relevante Entscheidungen sind im Zollrecht auch solche anzusehen, die auf Grundlage oder nach den Maßstäben des Art. 45 UZK ergehen, da das finanzgerichtliche Aussetzungsverfahren in Zollsachen ein nationales Verfahren im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO bleibt (vgl. zur Vorläuferregelung in Art. 244 des Zollkodex ‑‑ZK‑‑ Senatsbeschluss vom 18.03.1997 - VII B 267/96, BFH/NV 1997, 723 [Rz 5]).
2. Die Beschwerde gegen die vorliegend zu überprüfende Entscheidung des FG erweist sich bei der nach den einschlägigen nationalen und unionsrechtlichen Rechtsgrundlagen gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag als unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV bezogen auf die Einziehungsverfügung vom 14.03.2025 ohne Sicherheitsleistung vorliegen.
a) Der Senat hat das Aussetzungsbegehren der Antragstellerin im Rahmen ihrer Anträge eigenständig zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 18.08.1987 - VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374 [Rz 13]). Der Prüfungsmaßstab richtet sich nach Art. 45 Abs. 2 UZK i.V.m. § 69 Abs. 3 FGO. Nach Art. 45 Abs. 2 UZK setzen die Zollbehörden die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn begründete Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn dem Beteiligten durch die Vollziehung ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Die Begriffe der "begründeten Zweifel" im Sinne von Art. 45 Abs. 2 UZK und der "ernstlichen Zweifel" im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind im Wesentlichen deckungsgleich. Begründete Zweifel im Sinne von Art. 45 Abs. 2 UZK bestehen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Entscheidung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen auch gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die eine Unentschiedenheit in der Beurteilung der Rechtslage oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (Senatsbeschlüsse vom 22.11.1994 - VII B 140/94, BFHE 176, 170, unter II.2. [Rz 7], und vom 11.08.2005 - VII B 292/04, BFH/NV 2005, 2074, unter II.1. [Rz 8], zu Art. 244 Unterabs. 2 ZK, der Vorgängerregelung des Art. 45 Abs. 2 UZK). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rechts- und/oder die Sachlage unklar sind.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Vollziehung der Einziehungsverfügung vom 14.03.2025 ohne Sicherheitsleistung auszusetzen. Der Senat teilt im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung die vom FG geäußerten begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts.
aa) Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 ZollVG ist eine zollamtliche Sicherstellung von Waren durch Wegnahme oder durch ein Verfügungsverbot zulässig, soweit unionsrechtliche Vorschriften ‑‑wie insbesondere der Zollkodex der Union‑‑ vorsehen, dass Waren von den Zollbehörden veräußert werden können. Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK eröffnet den Zollbehörden insoweit die Möglichkeit, Waren einzuziehen und zu veräußern, wenn diese Verboten oder Beschränkungen unterliegen.
bb) In diesem Regelungskontext vermag der Umstand, dass die Einziehungsverfügung an die technische Managerin des Schiffs adressiert wurde, keine begründeten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu begründen. Im Zollrecht können derartige Anordnungen auch gegenüber demjenigen ergehen, der die tatsächliche Sachherrschaft über die betroffenen Gegenstände ausübt, ohne dass es zwingend auf die zivilrechtliche Eigentümerstellung ankommt. Dies ergibt sich bereits aus der Legaldefinition des "Besitzers der Waren" in Art. 5 Nr. 34 UZK, wonach nicht nur der Eigentümer, sondern auch die Person erfasst ist, die eine ähnliche Verfügungsbefugnis besitzt oder in deren tatsächlicher Verfügungsgewalt sich die Waren befinden. Das FG hat im Übrigen zutreffend hervorgehoben, dass die Antragstellerin als Eigentümerin gleichwohl in eigenen Rechten betroffen ist und daher zur Anfechtung der Einziehungsverfügung aktivlegitimiert bleibt. Denn im Anwendungsbereich des Unionszollrechts ist nach Art. 44 Abs. 1 UZK jede Person anfechtungsbefugt, die von der erlassenen Entscheidung unmittelbar und persönlich betroffen ist.
cc) Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Einziehung nach Art. 198 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv UZK i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 ZollVG ‑‑dass das Schiff unionsrechtlichen Verboten oder Beschränkungen unterfällt‑‑ im Streitfall vorliegen, ist bei summarischer Prüfung zweifelhaft.
(1) Eindeutig geregelt ist insoweit zwar zunächst, dass das streitgegenständliche Schiff seit seiner gemäß Art. 2 der Verordnung (EU) 2025/395 zum 25.02.2025 wirksam gewordenen Aufnahme in Anh. XLII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. als gelistetes Schiff im Sinne des Art. 3s Abs. 1 dieser Verordnung gilt. Art. 3s Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 verbietet die Ausfuhr eines gelisteten Schiffs aus der Union. Das beabsichtigte Auslaufen des Schiffs aus den Gewässern der EU fällt damit unter den unionsrechtlichen Ausfuhrbegriff und wäre damit grundsätzlich im sanktionsrechtlichen Sinne verboten. Denn der Begriff einer Ausfuhr im Sinne des Sanktionsrechts der EU umfasst jede Handlung, die dazu führt, dass Waren das Zollgebiet der EU verlassen, unabhängig von der Art und Weise des Verbringens. Als Begriff des Unionsrechts ist derjenige der "Ausfuhr" autonom auszulegen (s. Niestedt in Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, V. Embargo- und Sanktionsmaßnahmen, 50. Systematische Darstellung von Embargo- und Sanktionsmaßnahmen, Rz 44). Das unionsrechtliche Sanktionsregime zielt darauf ab, Umgehungstatbestände effektiv zu unterbinden. Folglich ist der Begriff der "Ausfuhr" im Sanktionsrecht weit und nicht formalistisch, sondern funktional und zweckorientiert auszulegen. Entscheidend ist das tatsächliche physische Verbringen der betroffenen Ware aus dem jeweils benannten Gebiet. Der EuGH betont in seiner Rechtsprechung dementsprechend, dass Begriffe im Sanktionsrecht im Lichte des Schutzzwecks der Maßnahmen auszulegen sind. Beispielsweise hat der EuGH in seinem Urteil Möllendorf und Möllendorf-Niehuus vom 11.10.2007 - C-117/06 (EU:C:2007:596, Rz 63) ausgeführt, dass die restriktiven Maßnahmen der Union ‑‑dort gegen Osama bin Laden, das Al-Qaida-Netzwerk und die Taliban‑‑ möglichst effektiv angewendet werden müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Dies impliziert ein weites Verständnis des Ausfuhrbegriffs, das Umgehungstatbestände weitestmöglich verhindert.
(2) Im Streitfall ist allerdings ‑‑worauf das FG zu Recht hingewiesen hat‑‑ zu berücksichtigen, dass Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 im Einklang mit dem völkerrechtlich anerkannten Nothafenrecht Ausnahmen von den in Abs. 1 definierten Beschränkungen vorsieht. Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 bestimmt, dass die in Abs. 1 genannten Restriktionen dann nicht gelten, sofern ein gelistetes Schiff, das Hilfe benötigt, einen Notliegeplatz sucht.
(a) Für die Auffassung des HZA, dass diese Ausnahmeregelung im Streitfall nicht eingreift, spricht zwar, dass das Schiff zum Zeitpunkt seiner Eintragung in Anh. XLII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. bereits sicher auf der Reede vor S lag und seine Seenotlage nach der Reparatur behoben war. Im Zeitpunkt einer etwaigen Ausfuhr wäre somit keine Notlage mehr gegeben. Die ausdrücklich für gelistete Schiffe normierte Ausnahme des Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 könnte daher nach ihrem Wortlaut als tatbestandlich nicht einschlägig angesehen werden. Angesichts der zeitlichen Abläufe ‑‑das Schiff wurde in Kenntnis der Gesamtumstände seitens der Union im Februar 2025 gelistet‑‑ dürfte auch davon ausgegangen werden können, dass der Verordnungsgeber einen Fall wie den vorliegenden nicht übersehen hat, haben doch deutsche Behörden den hier zu beurteilenden Fall dem Legal Service der Europäischen Kommission im Rahmen einer Anfrage unterbreitet.
(b) Dem steht indes der vom FG herangezogene Gesichtspunkt gegenüber, dass Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 seinem Sinn und Zweck nach im Streitfall entsprechend anzuwenden sei. So fällt auf, dass das Schiff ‑‑wäre es bereits zum Zeitpunkt des notfallbedingten Einlaufens in die Reede gelistet gewesen‑‑ in den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift gefallen wäre. Dass es allein aufgrund seiner Nichtlistung in der hier gegebenen Konstellation schlechter stehen soll, mutet widersprüchlich an. Das Nothafenrecht als völkergewohnheitsrechtliches Prinzip gewährt Schiffen in Seenot zudem das Recht, den nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen. Zwar ist das Recht, den Hafen nach Beseitigung der Notlage wieder zu verlassen, nicht ausdrücklich geregelt; es wird jedoch anerkanntermaßen jedenfalls durch das in Art. 17 und 18 SeeRÜbk verankerte Recht der friedlichen Durchfahrt umfasst, das unter anderem auch das Verlassen eines im Rahmen friedlicher Durchfahrt angelaufenen Hafens einschließt (vgl. EuGH-Urteil Sea Watch vom 01.08.2022 - C-14/21 und C-15/21, EU:C:2022:604, Rz 103). Das Seerechtsübereinkommen ist für die Union verbindlich und bildet einen integralen Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sind die Bestimmungen des Sekundärrechts ‑‑und dies stützt die Rechtsauffassung des FG‑‑ so weit wie möglich im Einklang mit den für die Union verbindlichen völkerrechtlichen Übereinkommen sowie mit den einschlägigen Regeln und Grundsätzen des allgemeinen Völkerrechts auszulegen (EuGH-Urteil Sea Watch vom 01.08.2022 - C-14/21 und C-15/21, EU:C:2022:604, Rz 3, 92 und 94). Zudem käme Art. 3s Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 nie zum Tragen, wenn ein Schiff im Gebiet der Union repariert würde, weil nach der Auslegung des HZA jedenfalls die Ausfuhr untersagt wäre. Dies spricht dafür, dass im Falle einer Notsituation nicht nur die Einfuhr, sondern stets auch die darauf folgende Ausfuhr erlaubt sein muss. Für den Streitfall ergibt sich aus diesen Gesichtspunkten, dass jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass das streitgegenständliche Schiff sich auf das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Nothafenrecht in Verbindung mit dem Recht der friedlichen Durchfahrt berufen darf und damit ein Auslaufen aus den Gewässern der EU nicht am Verbot des Art. 3s Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 scheitert.
(c) Der Einwand des HZA, das Schiff habe nach Entzug der Flagge als staatenlos gegolten und könne sich daher nicht auf völkerrechtliche Schutzmechanismen wie das Nothafenrecht oder das Recht auf friedliche Durchfahrt berufen, trägt im Rahmen der summarischen Prüfung nicht. Maßgeblich ist, dass das Schiff seine Seenotlage zunächst noch unter Flagge P erlitten hat. Auch nach dem Verlust der Flagge stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang staatenlosen Schiffen jedenfalls die elementaren völkerrechtlichen Schutzrechte ‑‑etwa das aus dem Seerechtsübereinkommen abzuleitende Recht der friedlichen Durchfahrt oder das völkergewohnheitsrechtlich anerkannte Nothafenrecht‑‑ zumindest in Grundzügen verbleiben. Die Rechtslage ist insoweit nicht eindeutig und wird in einem etwaigen Hauptsacheverfahren näher zu prüfen sein.
(d) Soweit das HZA ergänzend auf die Einordnung des Schiffs durch Drittstaaten und auf angebliche Verbindungen zu einer im iranischen Staatsapparat verankerten Person verweist, die als zentraler Akteur der sogenannten Schattenflotte im Rohölhandel und bei der Finanzierung des Krieges in der Ukraine tätig sei, ergibt sich daraus für die rechtliche Beurteilung im vorliegenden Verfahren nichts anderes. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass Sicherheitsinteressen des Küstenstaates Vorrang haben und das Recht der friedlichen Durchfahrt nur insoweit gilt, als es in friedlicher Weise ausgeübt wird. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Rechtsstaat ist und die Anwendung unionsrechtlicher wie völkerrechtlicher Vorschriften rechtsstaatlichen Maßstäben unterliegt. Soweit der sogenannten Schattenflotte in der öffentlichen Diskussion Spionage- oder Sabotageaktionen in der Ostsee zugeschrieben werden, finden sich in den Verfahrensakten keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass gerade das streitgegenständliche Schiff hiermit in Verbindung steht. Entsprechend hat das FG hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Ob insoweit weitere tatsächliche Aufklärung oder ergänzende Angaben erforderlich sind, wird dem weiteren Verwaltungsverfahren und gegebenenfalls einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
(e) Der Hinweis des HZA, dem Auslaufen des Schiffs stünden ohnehin fehlende Unterlagen wie Klassifizierungs- und Versicherungsnachweise, Zertifikate oder eine gültige Beflaggung entgegen, ist für die Frage der Rechtmäßigkeit der Einziehungsverfügung ohne Bedeutung. Denn nach Art. 198 Abs. 1 UZK setzt eine Einziehung voraus, dass die betroffenen Waren unionsrechtlichen Verboten oder Beschränkungen unterliegen; tatsächliche Betriebshindernisse wie fehlende Papiere können diesen Tatbestand nicht ersetzen oder erweitern.
(f) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Listung des streitgegenständlichen Schiffs nach Anh. X der Verordnung (EU) 2025/395 i.V.m. Anh. XLII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 n.F. derzeit Gegenstand eines beim EuG anhängigen Klageverfahrens ist. Die Antragstellerin begehrt dort die Nichtigerklärung der Listung. Bereits der Umstand, dass die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden unionsrechtlichen Maßnahme Gegenstand eines eigenständigen gerichtlichen Verfahrens auf Unionsebene ist, verdeutlicht, dass die unionsrechtliche Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung nicht eindeutig geklärt ist. Auch dieser Gesichtspunkt trägt zur Annahme begründeter Zweifel im Sinne des Art. 45 Abs. 2 UZK bei.
dd) Soweit die Antragstellerin darüber hinaus Verletzungen ihrer in der EUGrdRCh verbrieften Rechte auf gute Verwaltung, Schutz des Eigentums und wirksamen Rechtsschutz geltend macht, greifen diese Rügen nach summarischer Prüfung zwar nicht durch. Darauf kommt es für die Entscheidung des Senats aber nach dem vorstehend Gesagten nicht mehr an.
c) Eilrechtsschutz ist der Antragstellerin im Streitfall zusätzlich auch unter dem Gesichtspunkt eines drohenden unersetzbaren Schadens im Sinne des Art. 45 Abs. 2 UZK zu gewähren. Diese zweite Begründungslinie trägt die Entscheidung über die AdV eigenständig. Selbst wenn man die vom FG aufgezeigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einziehungsverfügung nicht für durchgreifend hielte, wäre die Aussetzung bereits wegen des drohenden irreversiblen Substanzverlusts des Schiffs geboten.
aa) Nach Art. 45 Abs. 2 UZK ist die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung auszusetzen, wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden droht. Bei der Auslegung des Begriffs "unersetzbarer Schaden" ist an den unionsrechtlich gleichbedeutenden Begriff des "nicht wiedergutzumachenden Schadens" anzuknüpfen, der auch zu den Voraussetzungen für die in Art. 279 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgesehene einstweilige Anordnung gehört. Danach liegt ein solcher Schaden vor, wenn die durch den sofortigen Vollzug einer Entscheidung geschaffene Lage selbst im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren nicht mehr vollständig rückgängig gemacht werden könnte. Entscheidend ist mithin, ob der drohende Nachteil allein durch einen späteren finanziellen Ausgleich ‑‑wie Amtshaftungsansprüche‑‑ kompensiert werden kann oder ob er in seiner Substanz irreversibel wirkt. Reine Vermögenseinbußen sind demnach grundsätzlich nicht ausreichend, weil sie regelmäßig durch Rückerstattung oder Schadensersatz behoben werden können. Unersetzbar sind dagegen Schäden, die in der endgültigen Vernichtung oder dem unwiederbringlichen Verlust eines Vermögensgegenstands oder einer Rechtsposition bestehen - wie etwa die erzwungene Auflösung einer Gesellschaft oder der Verkauf der eigenen Wohnung (EuGH-Urteil Giloy/Hauptzollamt Frankfurt am Main-Ost vom 17.07.1997 - C-130/95, EU:C:1997:372, Rz 35 ff., dort noch zu Art. 185 EG-Vertrag; Senatsbeschluss vom 11.08.2005 - VII B 292/04, BFH/NV 2005, 2074, unter II.2. [Rz 16]).
bb) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist im Streitfall von einem im Falle der Vollziehung der Einziehungsverfügung drohenden unersetzbaren Schaden im Sinne des Art. 45 Abs. 2 UZK auszugehen. Gegenstand der angefochtenen Verfügung ist nicht lediglich eine Geldforderung, sondern die Einziehung und anschließende Verwertung oder Vernichtung eines einzelnen, individuellen Vermögensgegenstands. Das streitgegenständliche Schiff stellt nach ihrem Vorbringen den einzigen wesentlichen Vermögenswert der Antragstellerin dar. Würde die Verfügung vollzogen, ginge die Substanz dieses Vermögensgegenstands unwiederbringlich verloren. Anders als bei austauschbaren Waren oder standardisierten Handelsgütern handelt es sich bei einem Schiff dieser Größenordnung um ein wertvolles Einzelstück mit spezifischen technischen Eigenschaften, das nicht ohne Weiteres ersetzt werden kann. Der durch eine solche Vernichtung eintretende Substanzverlust könnte auch im Falle einer späteren Kompensation in Geld nicht vollständig rückgängig gemacht werden.
cc) Der drohende unersetzbare Schaden ist im Streitfall auch nicht im Hinblick auf ein überwiegendes Vollzugsinteresse hinzunehmen.
(1) Nach der Rechtsprechung des EuGH ist bei der Entscheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht nur zu prüfen, ob die durch den sofortigen Vollzug geschaffene Lage später wieder rückgängig gemacht werden könnte, sondern auch, ob die AdV die Erreichung der mit der angefochtenen Entscheidung verfolgten Ziele ernstlich beeinträchtigen würde, falls sich diese in der Hauptsache als rechtmäßig erweist (EuGH-Beschlüsse Europäische Kommission gegen Republik Polen vom 08.04.2020 - C-791/19 R, EU:C:2020:277, Rz 104, und Evonik Degussa GmbH gegen Europäische Kommission vom 02.03.2016 - C-162/15 P-R, EU:C:2016:142, Rz 103). Das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung ist daher mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung abzuwägen.
(2) Die Abwägung fällt vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Sofern die Einziehungsverfügung in einem Hauptsacheverfahren bestätigt werden sollte, könnte sie noch vollständig vollzogen werden, solange das Schiff im Hafen festgehalten und gesichert bleibt. Es ist daher nicht erforderlich, den sofortigen Vollzug anzuordnen, um die Wirksamkeit der Maßnahme sicherzustellen. Das vom HZA angeführte fiskalische Interesse, die mit der Verwahrung des Schiffs auf der Reede verbundenen Kosten zu vermeiden, vermag im Rahmen dieser Abwägung nicht durchzugreifen. Zum einen sind die geltend gemachten Kosten bislang nicht substantiiert dargetan, zum anderen können selbst nachgewiesene Aufwendungen dieser Art nicht das Gewicht beanspruchen, das erforderlich wäre, um den endgültigen Substanzverlust des erheblichen Vermögenswerts der Antragstellerin aufzuwiegen. Die Kosten stellen vielmehr eine Folge der vom HZA selbst getroffenen Sicherungsmaßnahmen dar und begründen keine zwingenden Gemeinwohlbelange. Ein fiskalisches Kostenargument reicht nicht aus, um die AdV trotz eines drohenden unersetzbaren Schadens wegen überwiegenden öffentlichen Vollzugsinteresses zu versagen.
d) Die AdV war ‑‑wie vom FG zutreffend entschieden‑‑ ohne Sicherheitsleistung anzuordnen. Der Hilfsantrag des HZA bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
aa) Nach der Rechtslage ist eine Sicherheitsleistung im Zusammenhang mit Art. 45 Abs. 2 UZK nicht stets erforderlich. Art. 45 Abs. 3 UZK ordnet eine Sicherheitsleistung nur für die Fälle an, in denen aus der angefochtenen Entscheidung die Pflicht zur Entrichtung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben folgt. In allen anderen Konstellationen ‑‑etwa bei Einziehungsmaßnahmen, die auf unionsrechtliche Verbote oder Beschränkungen gestützt werden‑‑ greift Art. 45 Abs. 3 UZK dagegen nicht ein. In solchen Fällen besteht keine zwingende Vorgabe, die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen; vielmehr obliegt es den nationalen Gerichten ‑‑im nationalen Verfahrensrecht geregelt in § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO‑‑, im Einzelfall zu prüfen, ob und in welcher Höhe eine Sicherheitsleistung angezeigt ist. Diese Entscheidung setzt eine Abwägung der widerstreitenden Interessen voraus: Einerseits soll durch die Sicherheitsleistung verhindert werden, dass dem Staat bei einem für den Verpflichteten ungünstigen Ausgang des Hauptsacheverfahrens finanzielle Nachteile entstehen; andererseits darf der Zugang zum Rechtsschutz nicht durch unangemessene Belastungen faktisch vereitelt werden (BFH-Beschlüsse vom 08.05.2024 - VIII R 9/23, BFHE 284, 142, Rz 27, und vom 06.02.2013 - XI B 125/12, BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, Rz 18).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben bestand im Streitfall keine Veranlassung, die AdV von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Im Streitfall erwächst aus der angefochtenen Einziehungsverfügung keine Pflicht zur Entrichtung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, sondern es geht allein um die Einziehung und Verwertung des Schiffs. Damit ist Art. 45 Abs. 3 UZK seinem Anwendungsbereich nach nicht einschlägig; eine Sicherheitsleistung konnte unionsrechtlich nicht verlangt werden. Auch nach nationalem Verfahrensrecht rechtfertigen die Umstände des Streitfalls keine andere Beurteilung. Zwar sieht das Zollrecht in Art. 52 UZK und ergänzend im nationalen Recht Möglichkeiten vor, Kosten für in Anwendung zollrechtlicher Vorschriften durchgeführte Handlungen geltend zu machen. Ob und in welchem Umfang das HZA im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren solche ‑‑nach eigenem Vorbringen sehr hohe‑‑ Kosten wegen der Sicherung des streitgegenständlichen Schiffs auf der Reede gegenüber der Antragstellerin geltend machen könnte, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. So zeigt jedenfalls der Rechtsgedanke des Art. 45 Abs. 3 Halbsatz 2 UZK, dass eine Sicherheitsleistung nicht in einer Weise angeordnet werden darf, die den Betroffenen finanziell oder wirtschaftlich überfordert. Wird dieser Maßstab auf die vorliegende Sachlage übertragen, so würde eine Sicherheitsleistung in Höhe der vom HZA pauschal veranschlagten Verwahrungskosten in Höhe von monatlich etwa … € für die Antragstellerin eine unzumutbare Beeinträchtigung effektiven Rechtsschutzes darstellen. Eine derartige Belastung erscheint nicht gerechtfertigt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.