ECLI:DE:BFH:2025:B.150925.IXR10.23.0
BFH IX. Senat
EUV 2016/679 Art 79, EUV 2016/679 Art 82, EUV 2016/679 Art 15, FGO § 40 Abs 2, FGO § 67, FGO § 44 Abs 1, AO § 347, AO §§ 347ff, AO § 32i, SGG § 54 Abs 5, AEUV Art 267 Abs 3
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg , 09. März 2023, Az: 16 K 16155/21
Leitsätze
NV: Die (finanzgerichtliche) Klage auf Schadenersatz nach Art. 82 der Datenschutz-Grundverordnung ist unzulässig, wenn es an einer vorherigen Ablehnung des Anspruchs seitens der Finanzbehörde und damit an einer für die Klageerhebung notwendigen Beschwer fehlt.
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 09.03.2023 - 16 K 16155/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Dem Rechtsstreit liegt die unter dem Aktenzeichen 16 K 2059/21 geführte Klage zugrunde, über die das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) mit Urteil vom 26.01.2022 entschieden hat (Entscheidungen der Finanzgerichte ‑‑EFG‑‑ 2022, 985). In dem genannten Verfahren 16 K 2059/21 machte der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nach Aufforderung durch das FG, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen, erstmals im Schriftsatz vom 18.04.2021 neben einem Auskunftsanspruch und verschiedenen Feststellungsanträgen unter anderem Schadenersatz nach Art. 82 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46 EG (Datenschutz-Grundverordnung ‑‑DSGVO‑‑) geltend. Der Kläger beantragte zunächst, den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ‑‑FA‑‑) zu verpflichten, an ihn einen Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO, § 83 des Bundesdatenschutzgesetzes zu leisten.
Mit Beschluss vom 26.10.2021 - 16 K 2059/21 trennte das FG das Verfahren hinsichtlich der Geltendmachung von Schadenersatz ab und verwies es mit Beschluss vom 27.10.2021 - 16 K 16155/21 an das Landgericht Potsdam. Auf die Beschwerde sowohl des Klägers als auch des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 28.06.2022 - II B 92/21 (BFHE 275, 571, BStBl II 2022, 535) den Verweisungsbeschluss auf, so dass das Verfahren unter dem Aktenzeichen 16 K 16155/21 beim FG fortgesetzt wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG bezifferte der Kläger den begehrten Schadenersatz sodann auf 5.000 €.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG urteilte, die Klage sei zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger habe einen konkreten (immateriellen) Schaden nicht nachgewiesen. Das FG-Urteil vom 09.03.2023 - 16 K 16155/21 ist in EFG 2023, 1443 abgedruckt.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von Bundesrecht und macht Verfahrensfehler geltend.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben.Das FA beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.Das FA ist der Ansicht, der Kläger, der nicht zu den in § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Personen zählt, habe sich in dem Verfahren selbst vertreten, so dass die Revision nicht entsprechend § 120 Abs. 2 FGO begründet worden sei. Eine rechtliche Sichtung und Überprüfung des Streitstoffs durch die Prozessbevollmächtigte sei nicht erkennbar und erscheine deshalb zweifelhaft.
Nach Aufforderung durch den Senatsvorsitzenden hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert, dass sie dem Kläger Recherche-Aufträge zu bestimmten Rechtsfragen und Rechtsansichten gegeben habe. Die Ergebnisse der Recherche habe sie gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet und nach eigener Durchdringung des Streitstoffs in ihre Revisionsbegründung eingearbeitet. Sie übernehme die Verantwortung für den Inhalt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die zulässige Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Revision ist zulässig, aber unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
1. a) Nach § 120 Abs. 2 FGO ist die Revision zu begründen. Zur Vertretung vor dem BFH sind nach § 62 Abs. 4 FGO ‑‑soweit es sich wie hier nicht um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt‑‑ nur Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 StBerG handeln, berechtigt. Aus beiden Normen der Finanzgerichtsordnung ergibt sich, dass der jeweilige Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die Begründung der Revision übernehmen muss; die Begründung der Revision muss daher von dem Prozessbevollmächtigten selbst stammen und erkennen lassen, dass dieser sich mit dem Streitstoff befasst, ihn insbesondere gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 16.10.1984 - IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470, m.w.N.). Diesem Erfordernis ist nicht genügt, wenn die vertretungsberechtigte Person im Sinne von § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO sich damit begnügt, auf die Revisionsbegründung des nicht postulationsfähigen Revisionsklägers hinzuweisen, und die Revisionsschrift nicht erkennen lässt, dass er sich selbst mit dem Prozessstoff befasst, ihn gesichtet, geprüft sowie rechtlich durchgearbeitet hat (vgl. BFH-Beschluss vom 10.09.1985 - VIII R 263/83, BFH/NV 1986, 175).
b) Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Revision formgerecht begründet worden ist. Denn die Prozessbevollmächtigte hat auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden anwaltlich versichert, dass sie die Ergebnisse der klägerischen Recherche gesichtet, geprüft und rechtlich durchgearbeitet habe und die Verantwortung übernehme.
2. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar hätte es die Klage richtigerweise als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil der Tenor des Urteils richtig ist.
a) Das FG hätte in der Sache nicht über den erstmals im Klageverfahren geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO entscheiden dürfen, weil keine zulässige Klageänderung im Sinne von § 67 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO vorlag. Die Klage war insoweit unzulässig, weil der Kläger nicht nach § 40 Abs. 2 FGO beschwert war. Weder die Datenschutz-Grundverordnung noch weitere unionsrechtliche Vorschriften stehen dem Erfordernis der Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO entgegen.
aa) Bei der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs im ursprünglichen Verfahren 16 K 2059/21 handelt es sich um eine Klageänderung in der Form einer objektiven Klagehäufung, also um eine Änderung des Streitgegenstands während der Rechtshängigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1993 - I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210, unter II.3.). Denn in der Klageschrift hatte sich der Kläger in keiner Weise zu einem Schadenersatzanspruch verhalten. Das nunmehr vorliegende Verfahren mit dem Aktenzeichen 16 K 16155/21 stellt keine neu beim FG eingegangene Klage dar, sondern den abgetrennten Teil der ursprünglichen Klage mit dem Aktenzeichen 16 K 2059/21.
bb) Eine Klageänderung gemäß § 67 Abs. 1 Halbsatz 1 FGO ist nur zulässig, wenn nicht nur für das ursprüngliche, sondern auch für das geänderte Klagebegehren die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind. Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen steht nicht zur Disposition der Beteiligten, es kommt also nicht allein darauf an, ob das FG die Klageänderung für sachdienlich hält oder der Beklagte zustimmt (vgl. BFH-Beschluss vom 20.07.2012 - VII R 12/10, Rz 9). Durch eine Klageänderung dürfen die Sachurteilsvoraussetzungen nicht unterlaufen werden (vgl. Gräber/Herbert, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 67 Rz 18; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler ‑‑HHSp‑‑, § 41 FGO Rz 587).
Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen hat der BFH als Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Senatsurteil vom 23.01.2024 - IX R 7/22, BFHE 284, 12, BStBl II 2024, 406, Rz 17). Er kann dazu eigene Feststellungen treffen (vgl. BFH-Urteil vom 20.12.2012 - III R 59/12, Rz 15, m.w.N.).
cc) Die Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO muss als Sachurteilsvoraussetzung schon zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegeben sein und kann nicht durch eine nachträgliche Korrektur des Begehrens während der Instanz bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung geschaffen werden (Senatsurteil vom 12.11.2024 - IX R 20/22, BFHE 284, 551, Rz 23; Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 40 Rz 76; Münch in HHSp, § 40 FGO Rz 160).
dd) § 40 Abs. 2 FGO macht im Fall der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und allgemeinen Leistungsklage die Zulässigkeit der Klage ausdrücklich davon abhängig, dass der Kläger die Verletzung eigener Rechte geltend macht (von Beckerath in Gosch, FGO § 40 Rz 25). Die in § 40 Abs. 2 FGO benannte Ablehnung durch die Behörde setzt zwingend voraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts oder die bestimmte Handlung der Behörde vorher beantragt wurde (Senatsurteil vom 12.11.2024 - IX R 20/22, BFHE 284, 551, Rz 25). Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob es sich im Fall der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO um eine Leistungsklage (ausdrücklich Urteil des Bundessozialgerichts ‑‑BSG‑‑ vom 24.09.2024 - B 7 AS 15/23 R, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14; offengelassen in BFH-Beschluss vom 28.06.2022 - II B 92/21, BFHE 275, 571, BStBl II 2022, 535) handelt.
ee) Der Senat hat bereits entschieden, dass eine auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO gerichtete Klage mangels Beschwer grundsätzlich unzulässig ist, wenn es an einem dem Klageverfahren vorausgehenden außergerichtlich gestellten Antrag auf Auskunftserteilung fehlt (Senatsurteil vom 12.11.2024 - IX R 20/22, BFHE 284, 551; vgl. auch Senatsurteile vom 08.04.2025 - IX R 8/24 und vom 06.05.2025 - IX R 2/23, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Diese Grundsätze gelten entsprechend und ungeachtet der Klageart für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs nach Art. 82 DSGVO.
aaa) Aus der Datenschutz-Grundverordnung ergibt sich nichts Abweichendes.
Die nationalen Verfahrensvorschriften bestimmen, wie die von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzuführen sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ‑‑EuGH‑‑ Budapesti Elektromos Művek vom 12.01.2023 - C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 46). Das gilt auch, soweit der Schutz der dem Einzelnen aus Art. 82 DSGVO erwachsenen Rechte gewährleistet werden soll (EuGH-Urteile Natsionalna agentsia za prihodite vom 14.12.2023 - C-340/21, EU:C:2023:986, Rz 60, und Österreichische Post (Préjudice moral lié au traitement de données personnelles) vom 04.05.2023 - C-300/21, EU:C:2023:370, Rz 54). Zu beachten ist allerdings, dass diese Modalitäten bei unter das Unionsrecht fallenden Sachverhalten nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren ‑‑Effektivitätsgrundsatz‑‑ (vgl. z.B. EuGH-Urteil Patērētāju tiesību aizsardzības centrs vom 04.10.2024 - C-507/23, EU:C:2024:854, Rz 31 und 32, m.w.N.). Danach ist es zwar grundsätzlich Sache des nationalen Rechts, die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu bestimmen; doch verlangt das Unionsrecht, dass die nationalen Rechtsvorschriften das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht beeinträchtigen (vgl. EuGH-Urteil Deutsche Lufthansa vom 21.11.2019 - C-379/18, EU:C:2019:1000, Rz 60, m.w.N.; Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).
(1) Art. 82 DSGVO enthält in seinem Abs. 6 Regelungen zur gerichtlichen Geltendmachung des Schadenersatzes. Danach sind mit den Gerichtsverfahren zur Inanspruchnahme des Rechts auf Schadenersatz die Gerichte zu befassen, die nach den in Art. 79 Abs. 2 DSGVO genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats zuständig sind. Die Regelungen in Art. 79 Abs. 2 DSGVO betreffen allerdings lediglich die Zuständigkeit, indem sie dem Betroffenen grundsätzlich ein Wahlrecht einräumen, vor welchem Gericht er seine Ansprüche gegen den Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter geltend machen will, dem der Niederlassung des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters oder dem des Ortes seines gewöhnlichen Aufenthalts.
(2) Dies folgt auch aus den Regelungen in Art. 82 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO.
Der immaterielle Schadenersatzanspruch kann auch durch eine Entschuldigung erfüllt werden. Die Form des Schadenersatzes hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. EuGH-Urteile Patērētāju tiesību aizsardzības centrs vom 04.10.2024 - C-507/23, EU:C:2024:854, Rz 36, und Quirin Privatbank vom 04.09.2025 - C-655/23, EU:C:2025:655, Rz 79), weshalb die Entscheidung über die Art der Schadenersatzleistung primär dem Verantwortlichen als Verursacher des Schadens obliegt.
Der Verantwortliche wird nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO von der Haftung befreit, wenn er nachweist, dass er in keinerlei Hinsicht für den Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, verantwortlich ist. Es macht prozessökonomisch Sinn, dass der Verantwortliche seine Einwände zu einem frühen Zeitpunkt geltend macht, um dem Betroffenen die Einschätzung seines gerichtlichen Risikos zu ermöglichen. Schließlich überprüfen die Finanzgerichte die Entscheidung der Behörde. Hierzu ist der tatsächliche Vortrag der Behörde notwendig.
(3) Anders als der Kläger meint, schließt Art. 79 DSGVO nicht das Erfordernis der Beschwer aus. Nach Art. 79 DSGVO besteht das Recht auf gerichtlichen Rechtsbehelf unbeschadet eines verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs. Das bedeutet, dass der gerichtliche Rechtsbehelf nicht durch anderweitige Rechtsbehelfe beschränkt werden darf. Art. 79 DSGVO spricht von einem verfügbaren verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelf, mithin von einem Vorverfahren nach § 44 Abs. 1 FGO. Die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs und die Befassung der Finanzbehörde mit diesem Begehren stellt kein Vorverfahren dar, denn es handelt sich gerade nicht um das Einspruchsverfahren nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 der Abgabenordnung.
(4) Was den Äquivalenzgrundsatz betrifft, bestehen keine Zweifel an der Vereinbarkeit des § 40 Abs. 2 FGO mit diesem Grundsatz. Denn eine Differenzierung nach innerstaatlichen und unionsrechtlichen Sachverhalten erfolgt nicht. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Unterschiede in verschiedenen Verfahrensordnungen des deutschen Rechts an.
Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist ausgeschlossen, dass die vorherige Befassung des Verantwortlichen mit dem Schadenersatzbegehren des Betroffenen die Ausübung der durch das Unionsrecht und insbesondere durch die Datenschutz-Grundverordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert. Denn dem Betroffenen steht gegen die Entscheidung des Verantwortlichen der Rechtsweg zu den Finanzgerichten offen. Von einem Verstoß gegen das "Gebot eines zügigen und wirksamen Rechtsschutzes" und einer "faktischen Entwertung" kann deshalb keine Rede sein.
bbb) Das Erfordernis der vorherigen Befassung durch eine Behörde findet sich auch in anderen datenschutzrechtlich geprägten Zusammenhängen.
So hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den Löschungsanspruch nach Art. 17 DSGVO entschieden, dass eine Klage auf Löschung unzulässig ist, wenn es an einem entsprechenden vorherigen Antrag bei der Behörde fehlt (vgl. BVerwG-Urteil vom 02.03.2022 - 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76, Rz 57). Dies gilt unabhängig davon, ob für den Löschungsantrag die Verpflichtungsklage oder die allgemeine Leistungsklage statthaft ist. Das Erfordernis der behördlichen Vorbefassung hat für beide Klagearten Geltung.
ccc) Dem steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des BSG der Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO vorprozessual nicht gegenüber der Behörde geltend gemacht werden muss (BSG-Urteil vom 24.09.2024 - B 7 AS 15/23 R, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 14). Eine Verwaltungsentscheidung vor Klageerhebung sei weder nach der Datenschutz-Grundverordnung noch nach nationalem Recht vorgesehen. Dem Interesse des Verantwortlichen, im Fall der unmittelbaren Klageerhebung durch Gerichtskosten nicht belastet zu werden, könne danach durch ein sofortiges Anerkenntnis der Behörde (§ 197a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes ‑‑SGG‑‑ i.V.m. § 156 der Verwaltungsgerichtsordnung) Rechnung getragen werden.
Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil sich die jeweiligen Verfahrensordnungen erheblich unterscheiden. Denn § 54 Abs. 5 SGG sieht für die allgemeine Leistungsklage ‑‑anders als § 40 Abs. 2 FGO‑‑ keine vorherige Ablehnung der Leistung durch die Behörde vor. Diese unterschiedliche Behandlung, welche im Übrigen auch bei Schadenersatzklagen gegen private Verantwortliche gegeben sein kann, widerspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ‑‑GG‑‑). Der Gesetzgeber kann zulässigerweise verschiedene Verfahrensordnungen unterschiedlich ausgestalten. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG) liegen darin nicht.
b) Im Streitfall fehlt die vorprozessuale Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs. Auch nach einem entsprechenden Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 04.06.2025 hat der Kläger nicht vorgetragen, dass und wann er sich wegen des Schadenersatzes an das FA gewandt hatte.
aa) Zwar kann es nach der Rechtsprechung des BVerwG aus prozessökonomischen Gründen angezeigt sein, auf das Erfordernis des vorherigen Antrags bei der Behörde zu verzichten, wenn das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. BVerwG-Urteil vom 02.03.2022 - 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76, Rz 58).
bb) So liegt der Fall hier jedoch nicht. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob unter Anwendung dieser Grundsätze eine konkludente Ablehnung ‑‑wie sie der Kläger behauptet‑‑ ausreichen kann. Denn jedenfalls hat das FA den Schadenersatzanspruch bereits deshalb vorprozessual nicht konkludent abgelehnt, weil ein solcher Anspruch in keiner Weise angesprochen worden war. Selbst wenn ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO rechtswidrig abgelehnt worden wäre, liegt darin keine konkludente Ablehnung eines Schadenersatzanspruchs.
3. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen, die der Senat sämtlich zur Kenntnis genommen hat, greifen nicht durch oder sind nicht entscheidungserheblich.
a) Soweit der Kläger rügt, das Urteil sei bei seiner nach der mündlichen Verhandlung erfolgten Akteneinsicht fehlerhaft, weil es wegen des Fehlens von Tatbestand, Anträgen, Gründen und Rechtsmittelbelehrung nicht mit Gründen versehen sei (§ 96 Abs. 1 Satz 3, § 119 Nr. 6 FGO), liegt kein Verfahrensfehler vor.
aa) Ein Begründungsmangel in diesem Sinne liegt nur vor, wenn Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung nicht "alsbald" im Sinne des § 105 Abs. 4 Satz 3 FGO, also binnen einer genau bestimmten Frist von fünf Monaten nach Verkündung, schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 23.08.2002 - IV B 89/01, BFH/NV 2003, 177, unter 2.a).
bb) Das Urteil lag ‑‑ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung‑‑ innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 105 Abs. 4 Satz 1 FGO vor. Das vollständige Urteil ist dem Kläger am 02.06.2023 zugestellt worden, mithin innerhalb der genannten Frist von fünf Monaten.
b) Es handelt sich bei dem am 02.06.2023 zugestellten Urteil nicht um ein "Scheinurteil". Insbesondere liegt kein "vollständig neues Urteil" vor, weil der Senat den zur Geschäftsstelle gelangten Tenor später ‑‑innerhalb des 5-Monats-Zeitraums‑‑ mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung vervollständigt hat. Das FG ist auch nicht verpflichtet, in den Akten zu dokumentieren, dass und warum eine Ausnahme nach § 105 Abs. 4 Satz 2 FGO vorlag.
c) Das vom Kläger gerügte Unterlassen einer Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO kann zwar einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen (vgl. Senatsbeschluss vom 30.10.2020 - IX B 18/20, Rz 3). Soweit seine Rüge überhaupt als ausreichend erachtet würde, lag schon deshalb keine Vorgreiflichkeit vor, weil die Klage unzulässig war.
d) Die von dem Kläger gestellten Befangenheitsanträge sind vom FG sämtlich mit nachvollziehbarer Begründung und keinesfalls willkürlich beschieden worden. § 119 Nr. 2 FGO ist daher nicht verletzt.
e) Die von dem Kläger mehrfach formulierte Rüge, das FG habe seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, greift nicht durch.
aa) Die Gewährung rechtlichen Gehörs besteht nach § 96 Abs. 2 FGO in der Verschaffung einer ausreichenden Gelegenheit zur Äußerung zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO umfasst danach das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und ‑‑gegebenenfalls‑‑ Beweisergebnissen zu äußern sowie in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diese Gelegenheit zur Äußerung wird den Beteiligten durch Einreichung der Klagebegründung und weiterer Schriftsätze sowie durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gegeben. Es ist Sache der Beteiligten, diese Gelegenheiten wahrzunehmen. Insoweit wird der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die prozessuale Mitverantwortung der Beteiligten begrenzt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28.02.2024 - VIII B 130/22, Rz 4).
bb) Soweit der Kläger rügt, das FG habe seinen Antrag auf Durchführung einer Güteverhandlung abgelehnt und dadurch den "Versuch der Einigung zunichte gemacht", liegt kein Verfahrensfehler vor. Die Güteverhandlung nach § 278 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehen (BFH-Beschluss vom 03.06.2008 - VIII B 95/07, Rz 5).
cc) Die vom Kläger gerügte Begrenzung seiner Redezeit stellt keinen Verfahrensfehler dar. Ungeachtet der Möglichkeit, sich umfassend in Schriftsätzen zu äußern, ist es Ziel der mündlichen Verhandlung, dass die Sache erschöpfend erörtert und die Verhandlung ohne Unterbrechung zu Ende geführt wird (§ 155 FGO i.V.m. § 136 ZPO; Schallmoser in HHSp, § 92 FGO Rz 14). Dies erfordert gegebenenfalls, die Beteiligten zum Kern des Streits zurückzuführen, wenn sie in ihren mündlichen Vorträgen zu Wiederholungen neigen (vgl. Schallmoser in HHSp, § 92 FGO Rz 14). Im Übrigen hatte der Kläger ausweislich der Sitzungsprotokolle vom 01.03.2023 und vom 09.03.2023 ausreichend Zeit (mehr als drei beziehungsweise mehr als eine Stunde) zur Äußerung und hat schließlich seinen Vortrag abgebrochen.
dd) Soweit schließlich der Kläger moniert, er habe noch umfangreich zum immateriellen Schaden vortragen wollen, fehlt die Erheblichkeit dieses Vortrags, weil die Klage unzulässig war.
f) Die mündliche Verhandlung vor dem FG fand auf Antrag des Klägers nicht öffentlich statt (§ 52 Abs. 2 FGO). Die Tatsache, dass sich nicht angeschaltete Videokameras im Sitzungssaal befanden und der Kläger deren Ausschaltung bestreitet, führt nicht zu einem Verstoß gegen § 119 Nr. 5 FGO. Denn der absolute Revisionsgrund des § 119 Nr. 5 FGO liegt nur vor, wenn in einem zwingend öffentlichen Verfahren die Öffentlichkeit nicht hergestellt war, nicht hingegen, wenn ‑‑wie hier‑‑ nur das private Interesse an der Nichtöffentlichkeit geschützt werden soll (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.2005 - VIII B 166/04, BFH/NV 2006, 752, unter 1.a; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 119 Rz 33). Soweit zugleich ein einfacher Verfahrensmangel gerügt werden soll (§ 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 171b des Gerichtsverfassungsgesetzes, § 52 Abs. 2 FGO), ist die Rüge nicht schlüssig erhoben, weil Ausführungen dazu fehlen, inwieweit das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen soll.
g) Auf die vom Kläger gerügte Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) kommt es nicht entscheidungserheblich an, da die Klage unzulässig ist.
h) Es liegt auch kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vom Amts wegen zu beachten wäre (z.B. BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R 34/15, Rz 16). Soweit der Kläger rügt, das FG habe nicht beachtet, dass er seinen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz auf mehrere Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung stützt, ist das FG zwar gehalten, den Klageantrag auszuschöpfen (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1998 - I R 44/97, BFH/NV 1999, 314, unter II.1.), im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an, weil die Klage bereits unzulässig ist.
i) Soweit der Kläger schließlich ausführlich die rechtliche und tatsächliche Würdigung des FG in Bezug auf die behaupteten Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung angreift, ist diese Rüge unerheblich, weil die Klage als unzulässig abzuweisen war.
4. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bedarf es im vorliegenden Verfahren nicht. Die Klage ist unzulässig und die Rechtslage ist eindeutig ("acte clair", Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ‑‑BVerfG‑‑ vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55; EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 16) beziehungsweise bereits durch die aufgezeigte Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt ("acte éclairé", BVerfG-Beschluss vom 04.03.2021 - 2 BvR 1161/19, Rz 55, sowie EuGH-Urteil Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA gegen Ministero della Sanità vom 06.10.1982 - C-283/81, EU:C:1982:335, Rz 14). Insbesondere hat der EuGH geklärt, dass die nationalen Verfahrensvorschriften bestimmen, wie die von der Datenschutz-Grundverordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzuführen sind (vgl. EuGH-Urteile Budapesti Elektromos Művek vom 12.01.2023 - C-132/21, EU:C:2023:2, Rz 46; Österreichische Post (Préjudice moral lié au traitement de données personnelles) vom 04.05.2023 - C-300/21, EU:C:2023:370, Rz 54; Natsionalna agentsia za prihodite vom 14.12.2023 - C-340/21, EU:C:2023:986, Rz 60).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.