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Urteil vom 15. Oktober 2025, I R 27/22

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen einer KGaA

ECLI:DE:BFH:2025:U.151025.IR27.22.0

BFH I. Senat

EStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 3, AO § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a, KStG § 14 Abs 3 S 1, KStG § 14 Abs 5

vorgehend FG Hamburg, 30. Juni 2022, Az: 6 K 40/21

Leitsätze

NV: Die Grundsätze der Senatsurteile vom 16.10.2024 - I R 24/22 (BFH/NV 2025, 597) und vom 18.12.2024 - I R 14/21 (BFH/NV 2025, 865) zur Erforderlichkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der KGaA und ihrer persönlich haftenden Gesellschafter gelten auch dann, wenn Streitgegenstand der Körperschaftsteuerbescheid der KGaA ist. Im Fall einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft betrifft das vorzuschaltende Feststellungsverfahren zumindest bis zum Jahr 2013 auch die Höhe der (fiktiven) Gewinnausschüttungen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes aufgrund vororganschaftlich verursachter Mehrabführungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 30.06.2022 - 6 K 40/21 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Hamburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer vororganschaftlich verursachten Mehrabführung beziehungsweise eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten.

  2. Geschäftsgegenstand der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer im Jahr 2011 gegründeten KGaA, ist "…". Persönlich haftende Gesellschafter sind die A GmbH und die B mbH und Co. KG als Treuhänderin für sieben natürliche Personen. Kommanditaktionärin ist die C GmbH.

  3. Die Klägerin gründete im Jahr 2011 die im Großherzogtum Luxemburg ansässige X-SARL, der sie am 30.05.2012 ein Darlehen in Höhe von … € gewährte. Darüber hinaus gründete die Klägerin im Jahr 2012 die in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Y-GmbH. Deren Geschäftsgegenstand ist "…". Am 22.11.2012 verkaufte die Klägerin ihre Beteiligung an der X-SARL einschließlich der Darlehensforderung an die Y-GmbH. Anschließend gewährte die Y-GmbH der X-SARL ein weiteres Darlehen in Höhe von … Mio. €. Am 12.12.2012 verzichtete die Y-GmbH auf ihre Darlehensforderungen und die bis dahin angefallenen Zinsen. Die X-SARL schüttete daraufhin am 18.12.2012 eine Dividende in Höhe von … € an die Y-GmbH aus.

  4. Am 04.03.2013 gewährte die Y-GmbH der X-SARL erneut ein Darlehen in Höhe von … €, auf das sie am 05.04.2013 einschließlich Zinsen verzichtete. Daraufhin schüttete die X-SARL am 10.04.2013 nochmals … € an die Y-GmbH aus. Am 30.04.2013 schloss die Klägerin mit der Y-GmbH einen Ergebnisabführungsvertrag, der ab Beginn des Jahres 2013 (Streitjahr) gelten sollte.

  5. In der am 08.04.2013 aufgestellten Handelsbilanz der Y-GmbH zum 31.12.2012 wurde die Beteiligung an der X-SARL mit einem Buchwert von … € ausgewiesen. Eine handelsrechtliche Abschreibung erfolgte insoweit ‑‑ebenso wie eine steuerliche Teilwertabschreibung‑‑ erst in der Bilanz zum 31.12.2013.

  6. Eine Außenprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Beteiligung an der X-SARL wegen einer dauernden Wertminderung handelsrechtlich bereits im Jahr 2012 hätte abgeschrieben werden müssen. Dadurch sei es im Streitjahr zu einer vororganschaftlich verursachten Mehrabführung im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG) gekommen, die bei der Klägerin als fiktive Dividende nach § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG zu versteuern sei.

  7. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ‑‑FA‑‑) folgte den Ergebnissen der Außenprüfung und erließ für das Streitjahr einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid. Ein Einspruch blieb erfolglos, wobei sich das FA nunmehr auf einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 der Abgabenordnung (AO) berief.

  8. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) Hamburg mit Urteil vom 30.06.2022 - 6 K 40/21 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2022, 1628) als unbegründet ab. Die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft nach § 14 Abs. 1 KStG seien erfüllt. Darüber hinaus sei es im Streitjahr zu einer vororganschaftlich verursachten Mehrabführung im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG gekommen. Da die Darlehensgewährung vom 04.03.2013 sowie der anschließende Darlehensverzicht als wertbegründende (und nicht als wertaufhellende) Tatsachen zu qualifizieren seien, hätte die Beteiligung an der X-SARL wegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung handelsrechtlich schon zum 31.12.2012 abgeschrieben werden müssen. Steuerlich habe dies wegen des Wahlrechts nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG nicht nachvollzogen werden müssen. Allerdings habe die steuerlich erst zum 31.12.2013 vorgenommene Teilwertabschreibung zu einer zeitlichen Verschiebung der vororganschaftlich erwirtschafteten Verluste in das erste Organschaftsjahr geführt. Deshalb dürfe für die Feststellung einer Mehrabführung auf die fiktive Handelsbilanz zum 31.12.2012 abgestellt werden.

  9. Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über Körperschaftsteuer für das Jahr 2013 vom 15.03.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.01.2021 dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um die darin enthaltene vororganschaftlich verursachte Mehrabführung in Höhe von … € gemindert wird.

  10. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und mangels Spruchreife zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).

  2. In dem streitgegenständlichen Verfahren über Körperschaftsteuer der Klägerin für das Jahr 2013 ist eine Entscheidung über die Höhe der Gewinnanteile, die auf das von den Kommanditaktionären gehaltene Grundkapital entfallen, zurzeit nicht möglich. Hierfür ist zunächst die Durchführung der vorrangigen Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung der im Rahmen der KGaA erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb und deren Verteilung auf die persönlich haftenden Gesellschafter und das von den Kommanditaktionären gehaltene Grundkapital der KGaA sowie damit im Zusammenhang stehender anderer Besteuerungsgrundlagen erforderlich (vgl. auch Senatsurteil vom 18.12.2024 - I R 14/21, BFH/NV 2025, 865).

  3. 1. Wie der Senat mit Urteil vom 16.10.2024 - I R 24/22 (BFH/NV 2025, 597) entschieden hat, sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KGaA sowie deren Verteilung auf das von den Kommanditaktionären gehaltene Grundkapital der KGaA (Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG) und auf die persönlich haftenden Gesellschafter (Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG) sowie damit im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen entsprechend den für Mitunternehmerschaften geltenden Grundsätzen Gegenstand eines vorzuschaltenden eigenständigen Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Zur näheren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des vorgenannten Senatsurteils Bezug genommen. Im Streitfall sind diese Verfahren für das Streitjahr noch durchzuführen.

  4. 2. Wie bei Mitunternehmerschaften ist Gegenstand der in diesen vorrangigen Verfahren zu treffenden Feststellungen auch die Frage, ob und in welcher Höhe in den Einkünften aus Gewerbebetrieb Bestandteile enthalten sind, die unter § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG oder unter § 8b KStG fallen und deren Besteuerung sich dementsprechend danach richtet, wem sie im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung zuzurechnen sind (Senatsurteil vom 16.10.2024 - I R 24/22, BFH/NV 2025, 597, m.w.N.). Dies betrifft somit auch die Höhe der (fiktiven) Gewinnausschüttungen nach § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG aufgrund vororganschaftlich verursachter Mehrabführungen.

  5. In welchem Verhältnis hierzu die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.2013 (BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188) ‑‑KStG n.F.‑‑ aufgrund einer Organschaft steht, braucht im Streitfall nicht abschließend entschieden zu werden. Nach § 34 Abs. 9 Nr. 9 KStG n.F. gilt diese Vorschrift erstmalig für nach dem 31.12.2013 beginnende Feststellungszeiträume und damit noch nicht im Streitjahr.

  6. 3. Das FG hat das Verfahren im zweiten Rechtsgang zunächst gemäß § 74 FGO auszusetzen, um den Finanzbehörden Gelegenheit zu geben, die vorrangigen Feststellungsverfahren nachzuholen.

  7. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

  8. 5. Die Entscheidung ergeht mit Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).

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