ECLI:DE:BFH:2025:B.281125.XB27.25.0
BFH X. Senat
EStG § 24 Nr 1 Buchst a, EStG § 24 Nr 1 Buchst b, EStG § 34 Abs 2 Nr 2, FGO § 115 Abs 2 Nr 2, EStG VZ 2020
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht , 05. Februar 2025, Az: 1 K 56/24
Leitsätze
NV: Erhält ein Gewerbetreibender Finanzhilfen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Einschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie, die in dem Veranlagungszeitraum gewinnerhöhend erfasst werden, für den sie bewilligt worden sind, fehlt es an der für die Annahme außerordentlicher Einkünfte erforderlichen Zusammenballung von Einkünften.
Tenor
Die Beschwerde der Kläger wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 05.02.2025 - 1 K 56/24 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2020 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielte als Schausteller Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens infolge der Covid-19-Pandemie erhielt er für das Jahr 2020 staatliche Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 152.803,46 €. Ein Teil dieser Hilfen wurde noch im Jahr 2020 ausgezahlt; die darüber hinausgehenden Ansprüche aktivierte der Kläger in seiner Bilanz zum 31.12.2020.
In den Jahren 2018 bis 2020 entwickelten sich die betrieblichen Kennzahlen des Klägers wie folgt:
Jahr
2018
2019
2020
Finanzhilfen
-
-
152.803,46 €
Sonstige Betriebseinnahmen
474.597,62 €
483.775,66 €
132.723,79 €
Betriebsausgaben
407.881,87 €
388.121,55 €
169.419,64 €
Jahresüberschuss
66.715,75 €
95.654,11 €
116.107,61 €
Die Kläger vertraten die Auffassung, bei den Finanzhilfen handele es sich um Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene Einnahmen (§ 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes ‑‑EStG‑‑) oder für die Nichtausübung einer Tätigkeit (§ 24 Nr. 1 Buchst. b EStG) gewährt worden seien und die nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑) gewährte die Steuerermäßigung im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2020 vom 05.06.2023 nicht. Er war der Ansicht, die Finanzhilfen sollten keine entgangenen Einnahmen ersetzen, sondern weiterlaufende Betriebsausgaben ausgleichen.
Nach Zurückweisung des Einspruchs blieb auch die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, es könne offenbleiben, ob einer der in § 24 Nr. 1 Buchst. a oder b EStG enthaltenen Tatbestände einschlägig sei, da es jedenfalls an der für die Anwendung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG erforderlichen Zusammenballung von Einkünften fehle. Sämtliche Finanzhilfen seien nur für das Jahr 2020 bewilligt und vom Kläger in diesem Veranlagungszeitraum gewinnwirksam erfasst worden. Sie seien nicht mit regulären Einkünften aus anderen Veranlagungszeiträumen zusammengetroffen. Auch seien die Einnahmen des Klägers deutlich geringer als in den Vorjahren gewesen; der höhere Gewinn habe vielmehr auf einem erheblichen Rückgang der Betriebsausgaben beruht.
Die Kläger begehren die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts.
Das FA hält die Beschwerde wegen Nichterfüllung der Darlegungsanforderungen für unzulässig, hilfsweise für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Keiner der von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe ist tatsächlich gegeben.
1. Dies gilt zunächst in Bezug auf die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung ‑‑FGO‑‑).
a) Die Revisionszulassung wegen Divergenz setzt voraus, dass das FG in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde, diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (BFH-Beschluss vom 18.04.2023 - IX B 7/22, BFH/NV 2023, 856, Rz 8, m.w.N.).
b) Die Kläger sind der Auffassung, das FG sei von den BFH-Urteilen vom 17.12.1959 - IV 223/58 S (BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72) und vom 12.03.1975 - I R 180/73 (BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485, unter I.) abgewichen. Diesen Entscheidungen entnehmen die Kläger ‑‑insoweit noch zutreffend‑‑ den Rechtssatz, dass die Tarifbegünstigung für Entschädigungen auch dann gewährt werden kann, wenn die Entschädigung an die Stelle entgangener Einnahmen zwar nur eines einzigen Jahres tritt, sie aber im Jahr ihrer Zahlung mit anderen Einkünften zusammentrifft, die in dem Jahr des Einnahmenausfalls nicht angefallen wären. Dabei wird dieses Zusammentreffen der Entschädigungszahlungen mit anderen Einkünften im BFH-Urteil vom 12.03.1975 - I R 180/73 (BFHE 115, 261, BStBl II 1975, 485, unter I.) als "Voraussetzung" für die Bejahung der Außerordentlichkeit bezeichnet, während im BFH-Urteil vom 17.12.1959 - IV 223/58 S (BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72) der Begriff "namentlich" verwendet wird, diese Fallgruppe also nur beispielhaft genannt wird.
Eine Divergenz zu dem in diesen Entscheidungen enthaltenen Rechtssatz kann im Streitfall indes schon deshalb nicht vorliegen, weil hier der Veranlagungszeitraum des Einnahmenausfalls und der Veranlagungszeitraum der Entschädigungszahlung nicht auseinanderfallen. Vielmehr sind die Finanzhilfen genau ‑‑und nur‑‑ in dem Jahr versteuert worden, in dem ohne die Einschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie mutmaßlich höhere Betriebseinnahmen angefallen und damit auch ein höherer Gewinn erzielt worden wären. Zudem fehlt es am Vorhandensein weiterer Einkünfte, die in anderen Jahren nicht angefallen wären. Vielmehr entspricht die Größenordnung der von den Klägern neben den gewerblichen Einkünften des Klägers erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit derjenigen der Vorjahre.
c) Eine Divergenz zu dem weiteren von den Klägern genannten BFH-Urteil vom 09.10.2008 - IX R 85/07 (BFH/NV 2009, 558, unter II.1. bis II.2.a) ist bereits nicht dargelegt. Die Kläger bezeichnen keinen Rechtssatz dieser Entscheidung, der zu einem Rechtssatz, den das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, in Widerspruch steht. Sie führen vielmehr lediglich an, dass in diesem BFH-Urteil teils der Begriff der "Einnahmen" und teils derjenige der "Einkünfte" verwendet werde, ohne dass vollständig klar werde, welcher Begriff für die Beurteilung maßgeblich sein solle. Aus § 34 EStG ergebe sich, dass die Einkünfte maßgebend seien. Mit einer Uneindeutigkeit wird indes keine Divergenz zu einem Rechtssatz des FG dargelegt.
Im Übrigen war der Sachverhalt der von den Klägern angeführten BFH-Entscheidung ‑‑wie sich aus dem dortigen vorinstanzlichen Urteil ergibt‑‑ dadurch gekennzeichnet, dass der dortige Steuerpflichtige im Streitjahr neben laufendem Arbeitslohn eine Abfindung für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in Höhe von 18 Monatsbruttolöhnen erhalten hatte. Damit war es dort zu der für die Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG erforderlichen Zusammenballung von Einkünften gekommen, an der es im vorliegenden Fall gerade fehlt.
2. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen.
a) Die Revision ist zur Rechtsfortbildung zuzulassen, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen, Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung Argumente vorgetragen werden, die der BFH noch nicht erwogen hat. Für diesen Zulassungsgrund gilt ebenso wie für den der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, dass die Rechtsfortbildung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage betreffen muss (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen BFH-Beschluss vom 02.04.2014 - XI B 16/14, BFH/NV 2014, 1098, Rz 14, m.w.N.).
b) Die Kläger sind insoweit der Auffassung, für das FG-Urteil sei der Rechtssatz, dass es auf einen Vergleich der Höhe der Einnahmen, nicht aber der Einkünfte ankomme, zentral gewesen. Diese Frage sei im BFH-Urteil vom 09.10.2008 - IX R 85/07 (BFH/NV 2009, 558, unter II.1. bis II.2.a) nicht geklärt worden.
Selbst wenn diese Frage noch ungeklärt sein sollte, wäre sie im Streitfall jedenfalls nicht klärungsfähig. Denn es ist zum einen nicht zu einer Zusammenballung von Einnahmen gekommen, weil die Betriebseinnahmen im Jahr 2020 wesentlich geringer waren als in den Vorjahren. Zum anderen ist es auch nicht zu einer Zusammenballung von Einkünften gekommen. Im Streitjahr sind weder andere Einkünfte angefallen, die in den Vorjahren nicht vorhanden gewesen wären, noch sind beim Kläger Einkünfte zu erfassen, die eigentlich anderen Veranlagungszeiträumen zuzurechnen wären. Zwar sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb höher als in den Vorjahren. Dies beruht aber nicht auf einer Zusammenballung, sondern schlicht darauf, dass die ‑‑wie sonst auch jahresbezogene‑‑ Gewinnermittlung auf anderen Ausgangsgrößen als sonst beruhte. Der Kläger hatte zwar drastische Einnahmenrückgänge zu verzeichnen. Es war ihm aber auch gelungen, seine Betriebsausgaben erheblich zu reduzieren. Schließlich hat er Finanzhilfen erhalten, die nicht nur den betrieblichen Verlust bei weitem überstiegen, sondern auch zu einem höheren Gewinn als in den Vorjahren führten. Das ist allerdings nicht anders zu beurteilen als wenn der Kläger aus der normalen betrieblichen Tätigkeit in einem bestimmten Jahr einen ungewöhnlich hohen Gewinn erzielt hätte. Allein der Umfang einer bestimmten Einnahme, hier der Finanzhilfen, oder der Einkünfte insgesamt ist nicht mit einer Zusammenballung von Einkünften gleichzusetzen. Dass die Einkünfte von Jahr zu Jahr schwanken, zuweilen auch beträchtlich, ist gerade bei den gewerblichen Einkünften ein normaler Vorgang, der nicht zur Annahme "außerordentlicher" Einkünfte führt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.